Höcker | Das kleine Feuerwerk | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 252 Seiten

Höcker Das kleine Feuerwerk


1. Auflage 2015
ISBN: 978-87-11-44565-5
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 252 Seiten

ISBN: 978-87-11-44565-5
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Das kleine Feuerwerk' - so wird das junge Schreibmaschinenfräulein Effie Tabbert aus Rüdesheim am Rhein wegen ihres feuerköpfigen Arbeitseifers genannt. Als sie einem erfolgreichen Geschäftsinhaber aus Berlin auffällt, wird sie für das Hauptgeschäft in der Reichshauptstadt eingestellt. Und kurz darauf wird sie in das nahe Schlosshotel versetzt. Eine große Chance, würde sie nicht gleich am ersten Tag einen frechen Gast ohrfeigen. Aus der Patsche hilft ihr der 'Professor', ein stattlicher junger Gärtner, der es gut mit ihr zu meinen scheint.-

Paul Oskar Höcker, geboren 1865 in Meiningen, gestorben 1944 in Rastatt, war ein deutscher Redakteur und Schriftsteller. Höcker verfasste Lustspiele, Kriminalromane, Unterhaltungsromane, historische Romane und auch etliche Jugenderzählungen. Er galt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als überaus erfolgreicher Vielschreiber. Einige seiner Romane wurden verfilmt.

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F. K. war frisch gebadet, sorgfältig rasiert und frisiert, als Effi sich zur festgesetzten Stunde auf Nr. 37 meldete. Er hatte schon ganz früh das Zimmer in Ordnung bringen lassen, steckte auch bereits in Jackenanzug und Sommerschuhen. Da durch die geöffnete Balkontür ein frisches Morgenlüftchen hereinwehte, hatte er seinen seidengefütterten Kimono übergestreift. Aber es fröstelte ihn trotzdem. Immer wieder steckte er die Hände, um sie zu wärmen, in die weiten Ärmel, die er bis zu den Ellenbogen übereinanderzog. Während er sprach, ging er wieder hin und her. Er übte dabei eine Art Zwang auf sich aus, indem er es vermied, die Stellen zu betreten, die nicht mit Teppichen belegt waren. Vielleicht störte ihn der härtere Klang, denn seine Sinne schienen übermässig empfindlich. Mehrmals machte er mitten im Zimmer halt und bedeckte seine Augen, weil ihn durchs Fenster das grelle Sonnenlicht traf und störte. Seine Stimme war matt. Der Abschnitt, den er heute vorhatte, enthielt allerlei Erinnerungen aus seiner Kindheit, seiner Jugend, seiner Ehe, seinem Berufsleben. Es gab darin viel, was Bitterkeit und Anklage, auch Selbstanklage, in ihm auslöste. Er überliess sich dabei keiner weicheren Gefühlsregung. Das Zeitmass, in dem er vorwärtsging, war von Anfang an gehetzt. Zuweilen wurde seine Art zu sprechen, wieder fiebrig und abgerissen. Manche Sätze blieben wie zerhackt. „... Wenn mich in einer früheren Anklage der Vorwurf getroffen hat, ich sei meiner Mutter kein guter und liebevoller Sohn gewesen, dann muss ich dagegen die Frage aufwerfen: hatte ich denn eine gute und liebevolle Mutter? Sie soll eine schöne Frau gewesen sein. Einzige Tochter des Kieler Germanisten von Medenwaldt. Alte, angesehene Familie, deren letzte Glieder in der Inflation verarmt und nun völlig im Dunkel verschwunden sind. Mein Vater beging die Unvorsichtigkeit, bald nach meiner Geburt zu sterben. Ein paar Jahre nach seinem Tod ging meine Mutter ein neues Bündnis ein. Sie heiratete den jungen Doktor Bossdorf, der sich als Forschungsreisender in Australien, als Geologe und Geograph, jungen Gelehrtenruhm erworben hatte und gerade die Vorbereitungen zu einer neuen Forschungsreise traf. Meine Mutter sollte und wollte ihn begleiten. Entfernte Verwandte meines Vaters, die in England lebten, mischten sich ein und forderten von meiner Mutter, ihr Kind erster Ehe in Europa zurückzulassen. Ich habe nie gehört, dass diese Trennung von ihrem Sohn einen Kampf für sie bedeutete. Aber ich erinnere mich, dass ich in dem englischen Schulhaus, in dem ich nach der Wiederverlobung meiner Mutter untergebracht worden war, plötzlich einmal ihren mich überraschenden Besuch empfing. Sie kam, um Abschied von mir zu nehmen. Auf zwei volle Jahre war die neue Reise berechnet. Nun, sie währte länger und fand ein trauriges Ende. Der Krieg überraschte meine Mutter und ihren Mann im vierten Jahr ihres australischen Zelt- und Wanderlebens. Sie wurden getrennt, und Doktor Bossdorf kam im Jahre 1917 auf der Flucht aus dem Gefangenenlager ums Leben. Meine Mutter habe ich nicht wiedergesehen. Sie war mir längst fremd geworden. Zu den Festtagen hatte sie mir Briefe geschrieben, die meistens zu spät kamen und sich in ihrem Ton noch immer an den kleinen Jungen wandten, den sie vor Jahren in der englischen Schule zum letztenmal gesprochen hatte, nicht an den einsamen, verzweifelten jungen Mann, der ich inzwischen geworden war.“ „Bei Ausbruch des Krieges erlebte ich die Umwandlung der jungen englischen Gentlemen, die bisher meine Zimmer- und Sportgenossen gewesen waren, in hasserfüllte Feinde. In den bewegten Tagen, in denen ich meine Habseligkeiten zusammenkramte und mich reisefertig machte, entschloss ich mich, alles daranzusetzen, um nach Deutschland zu entkommen und dort als Kriegsfreiwilliger einzutreten. Die Flucht war eine Kette von Abenteuern. Ich war noch zu jung, war auch zu schwächlich, um sofort ins Heer eingestellt zu werden. Erst im dritten Kriegsjahr nahm mich die Marine an. Geld besass ich nicht. Die Zeit bis zu meinem Eintritt als Freiwilliger war eine Zeit des Hungerns und Verzagens. Nach meiner Verwundung nahm sich der Generaldirektor Rössler meiner an. An anderer Stelle habe ich darüber berichtet, wie er mich in seine Geschäfte einführte. Ich war ihm blind ergeben. Als er mir später seine junge, bildschöne Tochter zur Frau gab, hätte ich ihm jedes Opfer gebracht. Er war ein grosser, reicher, vielerfahrener Geschäftsmann. Er erlöste mich auch aus allen Geldnöten. Ich brauchte mit meiner Frau nicht von dem Gehalt, das mir seine Wiener Bank in sinkendem Inflationsgeld anwies, zu leben. Er verschaffte dem jungen Paar, das zuerst in Amsterdam, dann in London Aufnahme fand, englische Geldmittel. Es waren Zinszahlungen auf das Vermögen meines Stiefvaters, das auf der Londoner Bank lag, aber vorläufig einbehalten worden war, weil er sich in Australien der Spionage schuldig gemacht hatte. Ein Rattenkönig von Gerichtsklagen war darum im Gange. Rössler hatte mir den gerissensten Anwalt zugeschanzt, der damals für solche Dinge in London zu haben war. Jedenfalls besass er Dreistigkeit genug, um den Auftrag, der ihm geworden, zu einem aufsehenerregenden Ereignis zu machen. An immer neue Gerichtsstellen wurde die Sache verschoben, immer neue Ämter wurden mit hineingezogen. Aber die Unterhaltungskosten, die mir ein Londoner Gericht bewilligt hatte, bekam ich jahrelang anstandslos ausbezahlt.“ „Und plötzlich lässt mich Rössler von Hollywood nach London kommen. Dort teilt er mir mit: das beschlagnahmte Konto des beim Gefangenenlager Headfield in Australien auf der Flucht erschossenen Bossdorf sei für mich freigegeben. Der Anwalt erhielt fünftausend Pfund. In seiner Gegenwart hatte ich auf dem Amt nur ein paar Schriftstücke zu unterzeichnen. Ich will nicht lügen in dieser Stunde, will nicht behaupten, dass ich unterschrieb, was ich nicht gelesen hätte. Wohl war ich in einem Taumel, in einem Rausch, in einem Zustand der Unzurechnungsfähigkeit, aber ich fühlte doch, dass ich eine schwere Täuschung beging: denn ich versicherte mit meiner Unterschrift, dass ich der einzige rechtmässige Erbe meiner verstorbenen Mutter sei. Ich hätte in jenem Augenblick jeden von mir verlangten Eid darauf geleistet, dass meine Mutter nicht mehr am Leben sei und dass sie sonst keinen Nachkommen besessen habe als mich. Ich hörte die für mich unfassbaren Zahlen, die Rössler und der Anwalt in ihren Reden immer wieder vor mir aufklingen liessen. Und eine kindische Prahlsucht wandelte mich an, denn ich wurde doch mehrfacher Millionär durch die paar Unterschriften. In Rösslers Hotelzimmer fand am Nachmittag die letzte Sitzung mit dem Anwalt statt. Als er seine Banknoten nachgezählt und in der grossen Schliessmappe verwahrt hatte, fragte er mich so nebenbei: ‚Wann haben Sie eigentlich Bestimmtes über das Ableben Ihrer Mutter erfahren? Sie ist in Australien Ihrem Stiefvater so bald in den Tod gefolgt? Als ich zum erstenmal von Ihnen Auskunft erbat, waren Sie darüber leider noch gar nicht unterrichtet!‘ Er zeigte eine boshafte Grimasse bei diesen Fragen, und ich fühlte meine Knie zittern. Ein Wort zu erwidern war ich nicht imstande. Er erwartete es wohl auch nicht. Rössler klopfte dem Anwalt gutgelaunt die Schulter, so gutgelauntkameradschaftlich, dass es dem etwas verhutzelten Manne sichtlich wehtat. Der Anwalt griff rasch nach seinem Hut und empfahl sich. Als er draussen war, merkte ich, dass auch Rössler ein leichtes Zittern überwinden musste. Er schenkte zwei grosse Gläser voll Whisky. ‚Schwapp, hinunter damit!‘ befahl er. Dann warf er sich in den Ledersessel, streckte die Beine von sich, schwieg fünf Minuten lang, rauchte aber ohne Pause weiter. Endlich stiess er den sich auflösenden Zigarrenstummel mit Heftigkeit im Aschenbecher zusammen und fing an, über die Anlage des Geldes zu sprechen. ‚Natürlich muss es sofort über den Teich. Du könntest hier einmal irgendwelche Schwierigkeiten haben. Es darf also überhaupt nicht mehr erreichbar bleiben. Sofort für jeden Zugriff sperren. Fünfzehn vom Hundert können auf euer Konto bei Kather & Puchaska fliessen. Damit könnt ihr einstweilen grosse Freudenfeste feiern, ihr zwei jungen Leute. Fünfzehn vom Hundert nach Holland. Das Doppelte in die Schweiz. Lasse mir zunächst einmal vierzig vom Hundert in der Hand. Ich bringe dir’s gut unter.‘ Und da ich mich wohl überrascht zeigte, warf er mir mit einem bösen Lächeln die Worte hin: ‚Du weisst, wem du’s verdankst. Weisst auch, was es mich gekostet hat, an Zeit und an eingeweihten Helfern, die Sache durchzubiegen. Dir allein wär’ es nicht gelungen. Ich brauche jetzt das Geld. Zufällig gerade heute. Also sei nicht schwerfällig und umständlicher, als dein Schwiegervater es gegen dich war.‘ Es wurde auf den Geschäftsgängen an diesem Tage wenig zwischen uns gesprochen. Ich fügte mich ihm zähneknirschend in allem, denn ich fühlte mich in seiner Hand. Natürlich wusste er ganz genau, was ich in jener Stunde abgeschworen hatte: meine Mutter lebte noch, und der Erbe Bossdorf war ihr Sohn Oswald, war mein Stiefbruder, nicht ich — —“ Erschrocken wandte sich F. K. nach der Schreibenden um. Es hatte wie ein jähes Aufschluchzen geklungen, was ihn unterbrach. Verwirrt sah er nach der Armbanduhr. Es war noch früh. Fräulein Tabberts Gesicht konnte er nicht erkennen. Sie hatte den linken Ellenbogen auf den Tisch gestützt und hielt die Hand gegen Stirn und Schläfe, so dass ihr Auge beschattet war. Ihr Kopf war etwas gesenkt, sie schien völlig der Arbeit hingegeben. Draussen meldete sich der junge Tag. Die Störung mochte vom Hofplatz oder vom Park hereingedrungen sein. F. K. nahm seine ungeduldige, zuweilen durch das klirrende Auftreten auf eine teppichlose Stelle unterbrochene...



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