E-Book, Deutsch, 119 Seiten
Höcker Musikstudenten
1. Auflage 2016
ISBN: 978-87-11-49874-3
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 119 Seiten
ISBN: 978-87-11-49874-3
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die hübsche Dodo lernt auf ein Schiffreise den begabten und bald sehr erfolgreichen Architekten Percy kennen. Sie verlieben sich und heiraten, bald haben sie ein Kind. Das junge Eheidyll könnte ganz ungetrübt sein, wären da nicht die Schatten der Vergangenheit. Ein Erpresser taucht auf, der dunkle Punkte im Vorleben Percys entdeckt hat, und da ist auch noch die reiche Amerikanerin Mrs. Sly, die Percy nach Florida holt, um ihn dort große Bauprojekte verwirklichen zu lassen und mit ihm zu flirten beginnt. Zum Autor: Paul Oskar Höcker, geboren 1865 in Meiningen, gestorben 1944 in Rastatt, war ein deutscher Redakteur und Schriftsteller. Höcker verfasste Lustspiele, Kriminalromane, Unterhaltungsromane, historische Romane und auch etliche Jugenderzählungen. Er galt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als überaus erfolgreicher Vielschreiber. Einige seiner Romane wurden verfilmt.-
Autoren/Hrsg.
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Als Nikoleit im Dunkeln die schmale Treppe emporstieg, links nach dem Geländer, rechts nach der Wand tastend, blitzte ihm auf dem obersten Treppenabsatz plötzlich ein winziger feuriger Schein entgegen. Erschrocken blieb er stehen. War es das glühende Auge einer Katze? Nein, er roch den Duft einer Zigarette: da sass irgend jemand rauchend auf der Treppe. „Wer ist da?“ fragte er rauh. „Gut Freund!“ sagte eine tiefe, verstellte Männerstimme ebenso rauh. Eine Sekunde lang hoffte er: Warnekross! Aber dann fuhr der nächtliche Besucher fort: „Rasend gemütlich ist es doch bei Ihnen, Nikolaus. Ich sitze hier, seitdem das Theater aus ist. Der Wächter hat mich hereingelassen, aber oben öffnet niemand, Ihre trefflichen Knusts scheinen anderwärts einer sonntäglichen Orgie in hellem Lagerbier, Schlackwurst und Nachtigallensang zu frönen. Nun hab’ ich mich schon auf ein Nachtquartier hier eingerichtet. Kommen Sie, Nikolaus, setzen Sie sich zu mir. Wollen Sie eine Zigarette? Es ist grad’ noch eine da. Letzte Hose, die mich schmückte —!“ Inzwischen hatte Nikoleit ein Streichholz entzündet. „Aber kommen Sie doch mit hinauf, Herr Pernaur.“ Der Kapellmeister hatte seinen Zylinder in den Nacken geschoben, den hellen Paletot zurückgeschlagen. Der Frackausschnitt zeigte die Spuren von Zigarettenasche. Ächzend erhob er sich. „Sie müssen bei Ihrem Hauswirt einen Antrag stellen, Nikolaus. Erstens auf Verwendung weicherer Holzsorten beim Treppenbau. Und zweitens: er soll Treppenläufer stiften. Zum Kuckuck, wenn ein solches Genie bei ihm wohnt.“ „Und wenn so vornehmer Besuch nächtlings ins Haus einfällt,“ gab Nikoleit zurück, nur matt zum Scherzen aufgelegt. „Was haben Sie denn?“ fragte der Kapellmeister, als sie endlich Nikoleits Bude erreicht und Licht gemacht hatten. „Sie wirken ja wie eine geknickte Fichte?“ „Ich habe — allerlei Trauriges gehört — bin überhaupt entschlossen ... ich wollte morgen zu Ihnen gehn und sehr ernst mit Ihnen reden, Herr Pernaur.“ „Hm. Sie haben’s ja nun bequemer; ich hab’ Ihnen den Spaziergang abgenommen.“ Er setzte sich auf den Tisch, nahm die goldene Zigarettendose aus der Tasche und setzte den darin enthaltenen letzten Papyros in Brand. „Übrigens treffen Sie einen günstigen Moment, um sehr ernst mit mir zu reden. Ich bin furchtbar vergnügt. So vergnügt war ich noch nie in meinem Leben. Wissen Sie warum? So fragen Sie doch! Interessiert Sie’s denn gar nicht, zu erfahren, weshalb ich nachts um elf Uhr hier bei Ihnen einbreche?“ Pernaur trug eine spöttische Miene zur Schau. Aber Nikoleit wollte scheinen: es war nur Maske. „Gewiss bin ich begierig. Ich denke. Sie werden mir’s jetzt sagen.“ „Werde ich auch. Aber nehmen Sie sich erst einen Stuhl, denn Sie könnten ohnmächtig werden. — Ich bin nämlich pleite.“ Ruhig sah Nikoleit den Kapellmeister an. „Sie sagten mir schon neulich, dass Sie hohe Schulden hätten.“ „Tja. Ein ganzer Rattenkönig von Klagen schwebte da schon lange beim Amtsgericht. Und gestern ist die Sache zum Klappen gekommen. Mobiliar gepfändet, Kleider, Taschenuhr, Brillantring. — Da, die Dose haben sie zufällig nicht entdeckt, die schenk’ ich Ihnen.“ Er warf sie auf Nikoleits Bett. „Stehen Sie doch nicht so versteinert da. Ist Ihnen so was noch nie passiert?“ Er lachte hell auf. „Meine Gage wollten sie auch mit Beschlag belegen. Die Kerls. Aber ich habe doch zum Glück schon Vorschuss bis September. Da war nichts zu machen. Was, ist das nicht fidel?“ Nikoleit fand sich noch immer nicht in die neue Sachlage hinein. „Es scheint Ihnen wenigstens den Humor nicht geraubt zu haben.“ „Keine Spur. Unangenehm ist bloss, was mir für morgen früh zehn Uhr bevorsteht. Ich soll nämlich hingerichtet werden. Rite hingerichtet. Kopf vorgestreckt, Hals ins Eisen — und dann schwapp, weg ist er!“ „Was soll das heissen?“ „Sie Baby! Was Sie gleich für ’ne Grimasse aufsetzen! Ich schlachte doch nicht gewohnheitsmässig kleine Kinder und frühstücke sie auf der Buttersemmel. Sache. Ich soll manifestieren, das ist alles.“ „Da müssen Sie aufs Gericht — und schwören?“ „Eben. Offenbarungseid. Es ist tatsächlich das erstemal. Komisch, nicht? Hier habe ich ein Verzeichnis aufgesetzt von all meinem Hab und Gut. Ein elender, ausgedienter Reisekorb mit Wachstuch — der enthält jetzt die Trümmer meines ehemals reichen, ja fürstlichen Vermögens. Ich hab’ ihn heute mittag nach dem Theater geschickt, denn meine hohe Wirtin verlangte plötzlich Zahlung für den Monat Juni. Ich hatte das am Ersten ganz verbummelt.“ Er las im Ton eines Ausrufers von dem Zettel ab: „Drei Nachthemden, eine Brennmaschine, Heines Buch der Lieder, eine Nagelfeile, ein Taktstock, sechs Paar Strümpfe, eine Geige, zwei Fräcke, ein Tintenfass, fünf Taghemden, eine Schlummerrolle, zehn Buch Notenpapier. … Wollen Sie weiter hören? Na, mit weniger kann der Mitteleuropäer doch wahrhaftig nicht auskommen.“ „Ja, aber — was wollen Sie jetzt beginnen?“ „Das möchte ich eben Sie fragen, teurer Nikolaus.“ Nikoleit griff sofort in die Tasche. „Ich habe vom letztenmal noch über achtzig Mark.“ „Unsinn, die behalten Sie. Sonst würden sie mir morgen ja doch gleich wieder abgeknöpft. Wenn ich vom Gericht komme, und Sie pumpen mir dann einen zahmen Goldfuchs, so ist das ein ander Ding. Aber diese Nacht müssen Sie mich schon hier beherbergen.“ „Hier?“ Pernaur lachte. „Sehr gastfreundlich sind Sie nicht.“ „Ich meine nur,“ sagte Nikoleit verwirrt, „Sie sind es doch ganz anders gewöhnt. Das Bett von meinem Freund steht ja noch in dem Verschlag drüben, das könnte man haben ... Knusts sind freilich nicht da ...“ „Tut nichts. Ich habe Bärenkräfte. Zeigen Sie mal, wo die Klappe steckt. Dann bauen wir sie hier auf.“ Eine Viertelstunde später stand das Bett an der alten Stelle. Gerade kam das Ehepaar Knust an. In seiner parodistischen Art klärte Pernaur die zuerst nicht wenig erschrockenen Leutchen über den Grund der Einquartierung auf: er solle als politischer Verbrecher festgenommen werden, er erflehe Asylrecht von ihnen. Natürlich hielten sie’s für einen Scherz, und Frau Knust brachte in aller Eile noch frische Bezüge und sonstige erforderliche Einrichtungsstücke. Pernaur umarmte sie — darauf auch ihren Gemahl, der einen kleinen Schwips mitgebracht hatte und über alles, was gesprochen wurde, gerührt war. Endlich waren die beiden allein. Pernaur begann sofort sich auszuziehen. Er trug seidene Wäsche. Nikoleit genierte sich fast, ihm eines seiner groben Nachthemden anzubieten, Pernaur schlüpfte aber rasch hinein und wanderte dann noch eine Weile frohlockend auf und ab. „Wie das sitzt — grossartig. Ein bisschen lang vielleicht. Aber was es unten zu viel an Stoff besitzt, das fehlt ihm zum Glück in der Breite. So gleicht sich alles im Leben aus. Morgen in aller Frühe muss Mutter Knust mit einem Billetdoux von mir ins Theater und meinen Luxuskoffer holen. Spätestens neun Uhr. Und um alles in der Welt nicht verschlafen. Sonst wird man nämlich polizeilich vorgeführt, hat mir der freundliche Herr auf dem Gericht versichert. Und wissen Sie: im grünen Wagen zu kutschieren, mag interessant und lehrreich sein, aber nicht angenehm, Felice notte, mio caro!“ Die „ernste Aussprache“ musste Nikoleit auf den andern Tag verschieben. Aber er blieb in dieser Nacht noch lange wach und dachte an Lona, sein Gespräch mit ihr und das Versprechen, das er ihr gegeben hatte. Wie sollte er es unter diesen so arg veränderten Verhältnissen erfüllen? Als Pernaur am folgenden Tage — nach einem Morgen voll aufregender Hinundherhetzerei — vom Gericht zurückkehrte, befand er sich nicht in der Stimmung, auf irgendwelche Vorhaltungen einzugehen. Über die Botschaft, die ihm Nikoleit von Fräulein van Gorkum ausrichtete, lachte er bloss. „Sie ist ein zu süsses Gänseblümchen, diese kleine Tutt. Ob sie an die ‚Schwester‘ wirklich geglaubt hat? Die war doch bloss Vorspiegelung. Damit man mich ein Weilchen in Ruhe liess.“ „Sie haben gar keine Schwester? Und Fräulein van Gorkum glaubt ...“ „Na, ich bitte Sie, Nikolaus: sie selber liess sich ohne den leisesten Skrupel für meine Cousine ausgeben — und da will sie nun die Ahnungslose spielen, wenn plötzlich eine Schwester von mir auftaucht, von der ich bis dato noch keine Sterbenssilbe verraten habe?“ „Ganz ahnungslos ist sie wohl nicht. Sie fürchtet im Gegenteil ...“ „Na, was denn? Warum zögern Sie? — Dass ich sie satt habe. Voilà!“ „Es hiess, Sie wären miteinander verlobt.“ „Na ja, verlobt. Schön. Aber doch bloss auf Kündigung. Ich kann nun mal nicht treu sein, das liegt nicht in meiner Natur. Können Sie’s? — Hören wir doch mit den dummen Mädelsgeschichten auf. Ich hab’ jetzt andres im Kopf. Ich muss schleunigst zu Gelbe kommen.“ Nikoleit hatte auf den Tisch neben Pernaurs Bett den grössten Teil seiner Barschaft aufgezählt. Der Kapellmeister sah es und machte eine geringschätzige Handbewegung. „Streichen Sie Ihre paar Zechinen wieder ein. Die brauchen Sie selber. Aber wissen Sie, Nikolaus, ich habe Ihnen doch gestern meine Zigarettendose verehrt ...“ „Das war doch nur ein Witz,“ fiel Nikoleit sofort ein. „Ich hab’ Ihnen das Ding zu Ihren Sachen gelegt. Es ist ja echtes Gold und mit Brillanten ausgelegt.“ „Eben. Eine Ehrengabe der Abonnenten bei meinem Benefiz in Moskau. Über tausend Rubel soll es wert sein. Jedenfalls war es immer mein bestes Versatzstück.“ Er...




