Höfel | Chronische Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Höfel Chronische Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen

Junge Menschen und ihre Angehörigen kompetent und einfühlsam begleiten
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7495-0337-7
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Junge Menschen und ihre Angehörigen kompetent und einfühlsam begleiten

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-7495-0337-7
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Chronische Schmerzen multidimensional betrachtet
Schätzungsweise jedes dritte Kind in Deutschland ist von chronischen, wiederkehrenden Schmerzen betroffen.

Für die Entstehung ist meist nicht ein einzelner Faktor ursächlich, sondern verschiedene körperliche, psychische und soziale Aspekte, die ineinandergreifen.

Eine erfolgreiche Behandlung sollte daher „bio-psycho-sozial“ ausgerichtet sein.

Dieses Buch erläutert die Elemente eines solchen Vorgehens und vermittelt den Behandelnden im ambulanten und stationären Setting
• wie man chronische Schmerzen erklärt,
• welches Wording gegenüber Kindern, Jugendlichen und Eltern hilfreich ist,
• wie die Selbstwirksamkeit des Kindes gefördert werden kann,
• wann Ablenkung, Entspannung, Atem- oder andere Übungen angemessen sind,
• wie unterschiedliche Berufsgruppen zur Genesung beitragen können.

Sketchnotes, die sich auch für die Edukation der Patient*innen eignen, bringen das Wichtigste auf den Punkt. Fallberichte, Videos mit Erklärungen, Handouts, Checklisten sowie Zusammenfassungen „Wenn’s schnell gehen soll“ garantieren einen optimalen Praxistransfer.

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3. Lokalisation und Diagnosen
Im Folgenden sollen die am häufigsten auftretenden Lokalisationen und Diagnosen chronischer Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen genauer dargestellt werden (Schramm et al., 2021). Jeder dieser Erkrankungen könnte ein eigenes Buch gewidmet werden, an dieser Stelle wird ein kleiner Einblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit gegeben. Zudem sollte regelmäßig geprüft werden, ob es neue Erkenntnisse gibt, Leitlinien angepasst und aktuelle Studien herausgegeben wurden. Mit der Einführung des neuen Klassifikationssystems ICD-11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems; Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) dürften sich auch dort noch einige Veränderungen ergeben (siehe Abschnitt 3.3 „Ein kurzes Wort zur ICD-11“). Beachten Sie zudem, dass im Folgenden mal von „Symptomen“ und mal von „Kriterien“ die Rede ist. Symptome beschreiben hier alle „Auffälligkeiten“, die auftreten können und häufig zu beobachten sind. Bei den Kriterien handelt es sich um die offiziellen ICD-10-Vorgaben. Da das Krankheitsbild in manchen Fällen adäquater erfasst werden kann, wenn man noch weitere mögliche Symptome kennt als die (teils sehr eng gefassten) offiziellen, finden diese Erwähnung auf den Handouts. 3.1 Lokalisation
3.1.1 Muskuloskelettaler Schmerz
Akute Schmerzen des Muskel- und Gelenksystems sind bei Kindern und Jugendlichen häufig und durch Verletzungen, entzündlich Vorgänge oder durch Fehl- oder Überlastung verursacht. Chronische muskuloskelettale Schmerzen am Bewegungsapparat (Muskeln, Gelenke, Sehnen, Bänder) können körperliche Ursachen haben, wie z. B. Fehlstellungen oder Gelenksabnutzung, oder ohne hinreichende somatische Ursache bestehen (siehe Abbildung 2.3). Kinder und Jugendlichen mit chronischen muskuloskelettalen Schmerzen sind durch die Beschwerden im Alltag stark beeinträchtigt und vermeiden aus Angst die Bewegung und den Einsatz der schmerzhaften Regionen. Hinzu kommt, dass die Schmerzen in ihrer Lokalisation, Intensität, Qualität und Häufigkeit wechseln können, was zunehmend verunsichert. Häufig wird das Vermeiden physiologischer Bewegung noch durch den Gebrauch von Hilfsmitteln (Rollstuhl, Gehstützen, Bandagen, Orthesen) unterstützt. Dieses Angst-Vermeidungs-Verhalten (siehe Handout Angst-Vermeidungs-Modell, Abbildung 6.5) unterstützt jedoch die Schmerzamplifikation. Differentialdiagnostisch kommen zudem zahlreiche Erkrankungen mit dem Erscheinungsbild muskuloskelettaler Schmerzen infrage, die vorab abgeklärt werden müssen, z. B. rheumatologische, infektiöse, onkologische oder Bindegewebserkrankungen und Stoffwechselstörungen. Auch körperliche Misshandlung oder sexueller Missbrauch sind nicht auszuschließen (siehe „Leitlinie Muskuloskelettale Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen – Ein Algorithmus“ zur differenzialdiagnostischen Abklärung eines häufigen Leitsymptoms in der Kinder- und Jugendmedizin unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-073.html). Sogenannte Red Flags, also Warnzeichen, die für eine weiterführende Diagnostik sprechen, sind (nach Malleson & Beauchamp, 2001; Weller-Heinemann & Huppertz, 2019): Schlechter Allgemeinzustand Hochempfindliches Gelenk Konsequente Schonhaltung Gelenkferner Schmerz Fieber plus Schwellung und Rötung Wandernde Gelenkschmerzen Druckschmerzhafter Knochen Stehverweigerung ? Anämie, ? Thrombopenie Nächtlicher, analgetikaresistenter Schmerz Gewichtsverlust 3.1.2 Kopfschmerz
Es gibt zahlreiche Kopfschmerzformen und -verläufe, wobei man bei Kindern vor allem Kopfschmerzen vom Spannungstyp und die Migräne mit oder ohne Aura sowie Mischformen (Migräne und Kopfschmerzen vom Spannungstyp) unterscheidet (Schramm et al., 2022; Straube et al., 2013). Im Rahmen der Kopfschmerzbehandlung mit Schmerzmedikamenten kann sich bei zu häufiger Einnahme zudem im Verlauf ein Medikamentenübergebrauchskopfschmerz entwickeln. Die internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen finden Sie unter https://ichd-3.org/de. Je nach Studie kann davon ausgegangen werden, dass fünf bis acht von zehn Kindern und Jugendlichen Kopfschmerzen im letzten halben Jahr benennen können, bei einem Drittel davon bis zu einmal pro Woche. Spannungskopfschmerzen und Mischtypen werden am häufigsten genannt (vgl. Abbildung 3.1), fast jede/r Zehnte leidet unter Migräne. Die Kinder ziehen sich zurück, legen sich hin, nehmen Medikamente und berichten von Schlafstörungen. Abbildung 3.1: Mögliche Kopfschmerzverläufe und Beispiele für damit zusammenhängende Kopfschmerzerkrankungen (nach Ebinger, 2011) Bei Kindern und Jugendlichen überwiegen primäre Kopfschmerzen, also Kopfschmerzen, die nicht Ausdruck einer anderen Erkrankung sind. Die Symptomatik primärer Kopfschmerzen unterscheidet sich bei Kindern oft von der Erwachsener, zudem ist eine eindeutige Unterscheidung von Migräne und Spannungskopfschmerzen bei Kindern häufig nicht möglich. Kopfschmerzen beginnen im Durchschnitt schon im Grundschulalter, die Symptomatik bei Jugendlichen ähnelt zunehmend der im Erwachsenenalter. Als Risikofaktoren für Kopfschmerzen und deren Chronifizierung wurden ? dysfunktionale familiäre Situationen, regelmäßiger Alkohol-, Nikotin- und Koffeingenuss, geringe körperliche Aktivität, physische / psychische Misshandlung, Mobbing im sozialen Umfeld, unfaire Behandlung in der Schule und unzureichende Freizeit identifiziert. Auch wenn es oft vermutet wird, haben Trinkmenge, Auslassen von Mahlzeiten oder tägliche Zeit am Computer einen eher geringen Einfluss. Sekundäre Kopfschmerzen treten in Folge einer anderen Erkrankung auf. Bei Kindern stehen virale Luftwegsinfekte und leichtere Schädel-Hirn-Traumen als Ursache im Vordergrund, insgesamt sind sekundäre Kopfschmerzen bei wiederholt auftretenden Kopfschmerzen im Kindesalter selten. Sie können jedoch auch in Zusammenhang mit anatomischen Fehlbildungen (? Arachnoidalzysten), Entzündungen (? Sinusitis, ? Meningitis), ? vaskulären Malformationen, ? intrakraniellen Blutungen, ? Medikamentenabusus, erhöhtem Hirndruck und auch Hirntumoren auftreten und sollten bei Verdacht differentialdiagnostisch abgeklärt werden. Eine Leitlinie zu „Kopfschmerzerkrankungen im Kindes- und Jugendalter – Diagnostik und Therapie“ ist derzeit in Arbeit. Die Red Flags, die für eine weiterführende Diagnostik sprechen, sind: Akute Kopfschmerzanamnese Kurzzeitig progredienter Verlauf bezüglich Stärke und / oder Häufigkeit der Kopfschmerzen Änderung des Kopfschmerzcharakters Morgendliche Kopfschmerzen mit Nüchternerbrechen Nächtliches Erwachen wegen Kopfschmerzen Fokal-neurologische Symptome (Augenbewegungsstörung, sensible / motorische Ausfälle, Ataxie, Stauungspapille) Anhaltende Störung kognitiver Fähigkeiten Progrediente Bewusstseinseintrübung Zeichen der Wesensveränderung Alter unter drei Jahren Kopfschmerz vom Spannungstyp Dies ist die häufigste Form von Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter. Die Kopfschmerzen sind meist von leichter bis mittlerer Intensität und diffus lokalisiert. Die Dauer kann zwischen 30 Minuten bis zu sieben Tagen schwanken. Der Schmerzcharakter wird als drückend oder einengend geschildert. Normale körperliche Aktivität verschlechtert die Schmerzen nicht, oft werden Kopfschmerzen vom Spannungstyp durch moderate Aktivität gebessert. Als Begleitsymptome können ? Phono- und / oder ? Photophobie auftreten, es besteht keine Übelkeit oder Erbrechen, allenfalls Appetitlosigkeit. Man unterscheidet den Kopfschmerz vom Spannungstyp mit und ohne ? kranieller Berührungsempfindlichkeit. In den Ferien und am Wochenende sind die Kopfschmerzen meist deutlich gebessert oder gar nicht vorhanden. Kinder und Jugendliche mit chronischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp berichten häufig über weitere somatische und psychische Beschwerden. Aktivitäten können meist (eingeschränkt) fortgeführt werden. Weitere Differenzierung Selten auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp Mindestens 10 Kopfschmerzattacken, die im Durchschnitt weniger als einmal im Monat auftreten (<12 Kopfschmerztage pro Jahr) und die Kriterien B bis D erfüllen. Die Kopfschmerzdauer liegt zwischen 30 Minuten und 7 Tagen. Der Kopfschmerz weist mindestens 2 der folgenden Charakteristika auf: Beidseitige Lokalisation Schmerzcharakter drückend oder beengend, nicht pulsierend Leichte bis mittlere Schmerzintensität Keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten wie Gehen oder Treppensteigen Beide der folgenden Punkte sind erfüllt: Fehlen von Übelkeit oder Erbrechen Photophobie oder Phonophobie, nicht jedoch beide sind vorhanden   Häufig auftretender episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp Wenigstens 10 Kopfschmerzepisoden, die die Kriterien B bis D erfüllen und durchschnittlich an 1 bis 14 Tagen / Monat...


Dr. Lea Höfel leitet die Abteilung Zentrum für Schmerztherapie junger Menschen und die stationäre ME/CFS Therapie an der Kinderklinik Garmisch-Partenkirchen gGmbH.



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