Höreth / Wehling / Weber | Die komplexe Republik | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 170 Seiten

Höreth / Wehling / Weber Die komplexe Republik

Staatsorganisation in Deutschland
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-17-026334-5
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Staatsorganisation in Deutschland

E-Book, Deutsch, 170 Seiten

ISBN: 978-3-17-026334-5
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Aus dem Grundgesetz geht hervor, dass Deutschland republikanisch, demokratisch, rechtsstaatlich, bundesstaatlich und sozialstaatlich organisiert sein muss. Doch welche dieser Prinzipien sind gleichgerichtet, welche sind einander entgegengesetzt, welche bedingen einander und welche balancieren sich wechselseitig aus? Ziel dieses Buches ist es, dem Leser kompakt zu vermitteln, wie die Staatsorganisation (polity) auf politische Entscheidungsprozesse und politischen Wettbewerb (politics) und schließlich auf die Inhalte der Politik (policies) Einfluss nimmt. Dabei ergibt sich das spannungsreiche Bild einer komplexen Republik, die eine Politik des "mittleren Wegs" begünstigt.

Höreth / Wehling / Weber Die komplexe Republik jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1;Deckblatt;1
2;Titelseite;4
3;Impressum;5
4;Inhaltsverzeichnis;6
5;1 Einleitung: Die komplexe Republik;8
6;2 Die Strukturprinzipien in der Einzelbetrachtung;16
6.1;2.1 Das republikanische Prinzip;16
6.2;2.2 Das Demokratieprinzip;30
6.3;2.3 Das Rechtsstaatsprinzip;47
6.4;2.4 Das Bundesstaatsprinzip;59
6.5;2.5 Das Sozialstaatsprinzip;74
7;3 Wechselwirkungen und Spannungsverhältnisse im Gesamtensemble: Die sechs Rahmenordnungen deutscher Politik;83
7.1;3.1 Das „magische Viereck“ der Republik;83
7.2;3.2 Der demokratische Verfassungsstaat;85
7.3;3.3 Die föderale Demokratie;100
7.4;3.4 Der föderale Rechtsstaat;117
7.5;3.5 Der soziale Bundesstaat;125
7.6;3.6 Der soziale Rechtsstaat;133
7.7;3.7 Die soziale Demokratie;139
8;4 Fazit: Regieren in der komplexen Republik;149
9;5 Literaturhinweise;160


2          Die Strukturprinzipien in der Einzelbetrachtung
2.1       Das republikanische Prinzip
Anknüpfung an Weimar: Das Bekenntnis zur Republik
Auf den ersten Blick ist die Festlegung der Mütter und Väter des Grundgesetzes, wonach sich Deutschland als „Republik“ konstituiert (Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 28 GG), ebenso selbstverständlich wie unproblematisch – und einer der klarsten Anknüpfungspunkte zur Weimarer Republik (Art. 1 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung). Es sind Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht gewesen, die am 9. November 1918 nach dem Sturz der deutschen Fürstenhäuser die Republik ausgerufen und damit den Bruch mit der Monarchie als Staatsform endgültig besiegelt haben. „Mit den alten Königen und Fürsten von Gottes Gnaden ist es für immer vorbei“, sekundierte ihnen der spätere erste Staatspräsident Friedrich Ebert in seiner Eröffnungsrede in der Weimarer Nationalversammlung am 6. Februar 19193. Die staatsphilosophische Begründung für die Absage an jenen an gleicher Stelle von Ebert so gescholtenen „Kaiserismus“ lieferte wenig später Hugo Preuß nach, der Vater der Weimarer Reichsverfassung: „Dass nach den Novemberereignissen nur eine rein demokratische Republik möglich war, liegt auf der Hand. Die länger als sonstwo in kritikloser Gewöhnung aufrecht gebliebene Herrschaft des Gottesgnadentums, des Königtums aus eigenem Recht, und mit ihm die obrigkeitliche Staatsstruktur von oben nach unten war zusammengebrochen“ (Preuß 1923: 10). An diese Erkenntnisse knüpfte nach der nationalsozialistischen Diktatur auch der Parlamentarische Rat nahtlos an. Die dort stattgefundenen Diskussionen drehten sich vornehmlich nur noch um die richtige Platzierung und Formulierung des republikanischen Prinzips im Zusammenhang mit den anderen Staatsfundamentalnormen, während die Ablehnung der Monarchie völlig außer Frage stand. Insoweit ist die Republik vor allem schlicht als Gegensatz zur Monarchie zu interpretieren, die sich aus dem Griechischen abgeleitet (monos kratein) als Alleinherrschaft versteht. Gemeint ist mit dem Bekenntnis zur Staatsform „Republik“ aus dieser Sicht zunächst einmal lediglich, dass das monarchische Prinzip, wonach das Staatsoberhaupt aus einer Erbmonarchie entspringt (oder aber in einer Wahlmonarchie auf Lebenszeit gewählt wird), abgelehnt wird. Demzufolge muss es für eine begrenzte Zeitspanne demokratisch gewählt werden. Da das Staatsoberhaupt aus der Gesamtheit des Volkes kommen und vermittelt über die demokratische Wahl durch das Volk legitimiert sein muss, ist eine enge Verwandtschaft des Republikprinzips mit dem Prinzip der Volkssouveränität unabweisbar, wenngleich beide Begriffe keineswegs deckungsgleich sind. Historisch war jedoch für viele Verfassungsstaaten, eben auch für Deutschland, der Übergang zur Republik mit einer durchgreifenden Demokratisierung verknüpft – mit der Folge, dass neben dem sich durchsetzenden Demokratieprinzip der Republikbegriff allmählich zum „verfassungsrechtlichen Fossil“ (Isensee 1981: 1) wurde. Das Republikprinzip im Grundgesetz
Damit muss zum republikanischen Prinzip jedoch längst nicht alles gesagt sein. Auf der Suche nach einer tiefergehenden Bedeutung lohnt sich zunächst ein zweiter Blick in das Grundgesetz. Hier findet sich der Begriff „Republik“ u. a. in den Artikeln 20 Absatz 1, 21 Absatz 2 und in Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz. Im zuletzt genannten Artikel wird festgelegt, dass auch die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundsätzen des republikanischen Rechtsstaats entsprechen muss. Etwas versteckt, gleichwohl ein wichtiger „republikanischer Textbaustein des Grundgesetzes“ (Gröschner 2004: 406), ist die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ der Artikel 10 Absatz 2, 11 Absatz 2, 18 und 21 Absatz 2 Grundgesetz. Das Wort „freiheitlich“ steht an diesen – und anderen4 – Stellen für sich und ist nicht etwa mit „demokratisch“ untrennbar verbunden. Denn sie gewinnt hieraus eine eigenständige Bedeutung als „freiheitliche Ordnung“, welche nur die Republik bieten kann. Freiheit und Ordnung bleiben im republikanischen Verständnis in dem Sinne aufeinander bezogen, dass „alle Ordnung einen Freiheitsaspekt und jede Freiheit einen Ordnungsaspekt hat“ (Gröschner 2004: 411). Die republikanisch interpretierte Freiheit ist somit auf einen freiheitssichernden Ordnungsrahmen angewiesen; zugleich aber auch einschränkbar dort, wo es vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls verlangen. Diese vernünftigen Erwägungen orientieren sich keineswegs an einer positiven Bestimmung des Gemeinwohls (das keiner genau definieren kann), vielmehr im Sinne einer „regulativen Idee“ (Fraenkel 1960: 61) z. B. an der Gefahr, die von einer exzessiven Wahrnehmung individueller Freiheiten für „überragend wichtige Gemeinschaftsgüter“ ausgehen kann5. Worum es also beim Republikprinzip des Grundgesetzes geht, ist nichts weniger als die Optimierung des Komplementärverhältnisses zwischen (individueller) Freiheit und (gemeinsamer) Ordnung. Der Bedeutung dieser Zweckbestimmung des Republikprinzips entspricht es jedenfalls, dass es zu den grundlegenden „Staatsstrukturnormen“ gehört, die nach der „Ewigkeitsgarantie“ in Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz sogar gegen eine Abschaffung durch den verfassungsändernden Gesetzgeber geschützt werden. Insofern gehört das Republikprinzip also zum Kern der verfassungsrechtlichen und politischen Selbstdefinition Deutschlands. Das Bewusstsein für diese grundlegende Bedeutung geht verloren, wenn es im engeren formalen Sinne so interpretiert wird, dass das Republikprinzip lediglich ein demokratisches Staatsoberhaupt (auf Zeit6) verlangt, welches – im speziellen Fall der Bundesrepublik – das Gemeinwesen vor allem repräsentieren muss und ansonsten nur wenig politische Macht besitzt. Von Relevanz ist die Beschäftigung mit der Staatsform aus dieser Perspektive lediglich dann, wenn das republikanische Staatsoberhaupt nicht auf rein zeremonielle Funktionen beschränkt bleibt, es also zu institutionellen Besonderheiten bei der Organisation der doppelten staatlichen Exekutive kommt. In den parlamentarischen Monarchien ist diese Beschränkung immer gegeben, während in den Staaten mit republikanischem Staatsoberhaupt dieses auf die Regierungspolitik mehr oder weniger starken Einfluss nehmen kann. Entscheidend ist dann die Regierungsform der Republik – vor allem die Organisation der doppelköpfigen Exekutive. So steht z. B. die Republik Frankreichs für ein Regierungssystem mit einem äußerst mächtigen Präsidenten, während in der Bundesrepublik die Kompetenzen des Staatsoberhauptes aufgrund der Weimarer Erfahrungen weitgehend beschnitten worden sind. Aus dem Bekenntnis zum republikanischen Prinzip alleine kann also nicht gefolgert werden, wie die Exekutive organisiert und wie deren Verhältnis zur Legislative ausgestaltet ist. Warum die Republik mehr bedeutet als „Nicht-Monarchie“
Weitere Bedeutungen des republikanischen Prinzips erschließen sich, wenn es im weiteren Sinne, d. h. hier von seiner materiellen Seite her, mit Verfassungsstaatlichkeit oder freiheitlicher Demokratie gleichgesetzt wird und darüber hinaus noch die soziale Dimension von (demokratischer) Staatlichkeit in den Blick genommen wird. Lädt man den Begriff der Republik mit diesen Inhalten auf, verliert er zwar an Konturenschärfe gegenüber anderen Staatsorganisationsprinzipien und auch gegenüber den ihnen jeweils zugrundeliegenden spezifischen Denktraditionen der politischen und rechtlichen Ideengeschichte. Staatsrechtlich-dogmatisch mag der Begriff dann tatsächlich wenig hergeben (Böckenförde 2004: 492), als komplexes verfassungstheoretisches Konstrukt verweist er jedoch auf eine sehr gehaltvolle Tradition und Verpflichtung derer, die in einem politischen Gemeinwesen Verantwortung tragen. Dieser republikanischen Verpflichtung waren sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes offensichtlich voll bewusst, denn im Plenum des Parlamentarischen Rates brachte Carlo Schmid als Generalberichterstatter die vorangegangenen Ausschussberatungen zum Namen, den der neue zu schaffende deutsche Weststaat bekommen soll, wie folgt auf den Punkt: „Der Hauptausschuss schlägt Ihnen den Namen ‚Bundesrepublik Deutschland‘ vor. In diesem Namen kommt zum Ausdruck, dass ein Gemeinwesen bundesstaatlichen Charakters geschaffen werden soll, dessen Wesensgehalt das demokratische und soziale Pathos der republikanischen Tradition bestimmt: nämlich einmal der Satz,...


Professor Dr. Marcus Höreth ist Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft I an der Universität Kaiserslautern.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.