E-Book, Deutsch, 108 Seiten
Reihe: Therapeutische Praxis
Hofmann Progressive Muskelentspannung
4. aktualisierte Auflage 2020
ISBN: 978-3-8444-3024-0
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Trainingsprogramm
E-Book, Deutsch, 108 Seiten
Reihe: Therapeutische Praxis
ISBN: 978-3-8444-3024-0
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Progressive Muskelentspannung kann in zahlreichen Bereichen der Psychotherapie und Gesundheitsprävention eingesetzt werden. In diesem Band wird ein vierzehn Sitzungen umfassendes Trainingsprogramm zur Progressiven Muskelrelaxation vorgestellt, bei dem die rein muskuläre Entspannung mit speziellen Konditionierungen und Visualisierungsübungen erweitert wird.
Der Kursaufbau und die einzelnen Kurseinheiten werden detailliert beschrieben. Zunächst wird die muskuläre An- und Entspannung erlernt, diese anschließend an ein individuelles Entspannungssignal und an die Veränderung der Atmung gekoppelt. Spezielle Visualisierungsübungen verstärken die Entspannung. Der muskuläre Anteil der Übungen wird mit dem Ziel einer hauptsächlich mental-konzentrativen Entspannung zunehmend gekürzt. Die Instruktionen zur muskulären Entspannung und zur Visualisierung erfolgen in Form hypnotischer Induktionen.
Sämtliche für die Durchführung des Trainings notwendigen Texte für die Entspannungs- und Visualisierungsübungen sowie weitere Arbeitsmaterialien sind im Manual enthalten. Zusätzlich zum Manual ist eine Audio-CD mit Entspannungstexten lieferbar (ISBN 978-3-8017-2560-).
Zielgruppe
Ärztliche und Psychologische Psychotherapeut_innen, Fachärzt_innen für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzt_innen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Trainer_innen und Kursleiter_innen
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
|10|Kapitel 1
Beschreibung der vorgestellten Methode und Unterschiede zu anderen Verfahren
Das in diesem Buch vorgestellte Verfahren soll zunächst kurz charakterisiert und von anderen Entspannungsverfahren sowie anderen Varianten der Progressiven Muskelrelaxation abgegrenzt werden.
1.1 Die Methode der „Progressiven Muskelrelaxation“
Die Entspannungsmethode der „Progressiven Muskelrelaxation (PMR)“ (fortschreitende Muskelentspannung), entstand in den 30er Jahren (Jacobson, 1934). Sie wurde von dem amerikanischen Physiologen Edmund Jacobson entwickelt, und wird daher auch vielfach „Jacobson-Training“ genannt. Die Methode der PMR ist im angelsächsischen Sprachraum sehr verbreitet. In Deutschland wurde sie erst mit dem Aufkommen der Verhaltenstherapie in den 70er Jahren bekannt und verbreitet.
Eine Folge der Reaktion auf Stress, Angst etc. ist neben vielen anderen physiologischen Veränderungen (Anstieg der Herzfrequenz, Beschleunigung der Atmung, Erhöhung des Blutdrucks, Senkung des elektrischen Hautwiderstandes, …) ein reflexhafter Anstieg der Muskelspannung. Im Umkehrschluss dazu kann man durch muskuläre Entspannung dem Stresserleben entgegenwirken, dies ist der Ansatzpunkt der PMR. Jacobson fand heraus, dass bei intensiver muskulärer Entspannung unter anderem die Atmung gleichmäßiger wird, die Herzfrequenz abnimmt, die Verdauung zunimmt, mentale und emotionale Aktivität minimiert werden etc. Die Beeinflussung der Stressreaktion durch die Veränderung der Muskelspannung hat den Vorteil, dass die Wahrnehmungsfähigkeit für den Zustand der Muskulatur sowieso relativ gut ausgeprägt ist, jeder Mensch hat ein mehr oder weniger gut entwickeltes Gefühl für den Spannungszustand seiner Muskulatur. Für andere körperliche Parameter, die sich bei Stress ändern, ist dagegen die Wahrnehmungsfähigkeit nur sehr gering oder überhaupt nicht ausgeprägt. So wird es z.?B. nur schwer möglich sein, Aussagen über die Höhe des Blutdrucks oder die Höhe des elektrischen Hautwiderstandes treffen zu können.
Das Vorgehen der PMR zur Erreichung des Entspannungszustandes mutet dabei auf den ersten Blick paradox an. Man spannt verschiedene Muskelgruppen zunächst stark an. Danach lässt man die Muskulatur wieder locker und konzentriert sich auf den Übergang von der Anspannung zur Entspannung. Mit diesem Vorgehen fällt es jedoch vielen Menschen leichter, den Entspannungszustand zu erzeugen, da ja zunächst nur die reflexhafte muskuläre Anspannung verstärkt wird, die sowieso bei Anspannungen vorhanden ist. Zusätzlich wird ein Kontrasteffekt zwischen Anspannung und Entspannung erzeugt, der umso höher ist, je höher die vorhergehende Anspannung war. Die Entspannung wird dadurch – zunächst auf rein muskulärer Ebene – unmittelbar spürbar.
Dieser Sachverhalt kann mit Abbildung 1 verdeutlicht werden.
Die erlebte Differenz im Anspannungsniveau ist nach vorherigem Anspannen größer (Differenz als nach dem reinen Entspannen vom Niveau der Grundanspannung aus (Differenz 1).
Eine weitere Analogie für diesen Effekt stellt die Pendelanalogie dar.
Die Entspannung wird dabei mit einer Art „Pendeleffekt“ verglichen: um ein Pendel in eine Richtung (z.?B. in Abbildung 2 nach links) zu bewegen (Bewegung A), kann man es in die gewünschte Richtung (nach links) anstoßen oder zunächst in die Gegenrichtung (nach rechts) anheben und dann loslassen (Bewegung B). Die PMR wählt die zweite Vorgehensweise. Die Entspannung wird in einem „fliegenden Start“ erzeugt.
Ziel des Trainings ist es, die Wahrnehmung für die Anspannung der Muskulatur zu schärfen, Jacobson spricht von einer „Kultivierung der Muskelsinne“. In der Regel halten wir wesentlich mehr Muskulatur angespannt, als wir notwendigerweise müssten. Sie können dies überprüfen, indem Sie sich z.?B. auf einen Stuhl setzen und im ersten Schritt versuchen wahrzunehmen, welche Muskulatur im Moment in Ihrem Körper angespannt ist. Im zweiten Schritt können Sie versuchen, möglichst viele Muskelgruppen zu lockern und nur noch die Muskeln angespannt zu halten, die Sie brauchen, um nicht vom Stuhl zu fallen. Sie werden feststellen, dass dazu nur ein Bruchteil der vorher angespannten Muskulatur notwendig ist. In diesem Sinne sind wir in vielen Situationen unseres Lebens viel angespannter, als wir es eigentlich sein müssten. Wir verbrauchen dann zu viel muskuläre Energie, was in Form von Anspannung spürbar wird.
1.2 Unterschiede zu anderen Formen der „Progressiven Muskelrelaxation“
Systematischer Aufbau und Integration
Das vorgestellte Verfahren stellt eine Erweiterung und eine Kombination von bewährten Methoden dar (reine Muskelentspannung: Jacobson, 1934; Bernstein & Borcovec, 1973/2018; Brechtel, 1977/2014; Olschewski, 1992/2011; Atementspannung: Olschewski, 1995; Arbeit mit inneren Bildern: Lang, 1979; subtile Suggestionen: Araoz, 1985/1989; Bongartz & Bongartz, 2000; Bandler & Grinder, 1975/2011). Diese wurden in fünf verschiedenen Schritten aufeinander aufgebaut. Das vorgestellte Verfahren ist eklektisch orientiert. Die Wirksamkeit der einzelnen Komponenten und der Kombination sowie der Abfolge der Schritte wurde in verschiedenen Kursen an mehreren hundert Personen entwickelt und erprobt. Der systematische Aufbau der Übungen ist im Kapitel 2 „Trainingsaufbau“ beschrieben. Die ersten Sitzungen lehnen sich an den Text von Echelmeyer und Zimmer (1977) an.
Konditionierungen
Die Entspannungsphase wird klassisch an verschiedene Signale konditioniert. Dadurch wird der Einsatz der Entspannung in Alltagssituationen, in denen keine reale An- und Entspannung mehr erfolgt, vorbereitet. Die konditionierten Auslöser werden somit zum Signal für die Entspannungsreaktion (Russel & Sipich, 1973). In den Texten erfolgt die Konditionierung dadurch, dass immer auf das Wort „jetzt“ angespannt wird, auf das Wort „nun“ entspannt wird. Weitere Konditionierungen erfolgen auf das individuelle Entspannungssignal (zweiter Lernschritt) und auf das Ausatmen (dritter Lernschritt). Die in den Texten angewandte Konditionierung der Entspannung an das Wort „nun“ kann auch für das individuelle Entspannungssignal genutzt werden, indem der Übende das Wort „nun“ als individuelles Entspannungssignal benutzt. Diese Konditionierungen dienen später als Vehikel, um die Entspannung mit immer weniger realer muskulärer An- und Entspannung zu erzeugen. In den ersten Sitzungen wird somit die Saat ausgebracht, die in den späteren Sitzungen geerntet werden kann. Die Konditionierung der Anspannung auf das Wort „jetzt“ wird in der Rücknahmeinstruktion genutzt, indem dort sämtliche Instruktionen das Wort „jetzt“ enthalten.
|12|Verzicht auf die Kommentierung von Schwere
Nach meiner Erfahrung empfinden ca. 10 bis 15?% aller Personen unter Entspannung keine Schwere, sondern Leichtigkeit. Würde Entspannung mit Schwere kommentiert (wie beim Autogenen Training), so würde dies bei den erwähnten 10 bis 15?% dazu führen, dass die Instruktionen des Kursleiters im Widerspruch zum Erleben der Teilnehmer stehen würden.
Verzicht auf die Anspannung der Bauchdecke
Das Anspannen der Bauchdecke durch das Anheben der Beine wird in einigen Verfahren der PMR praktiziert. Aufgrund krankengymnastischer Überlegungen sowie den auffällig häufigen negativen Rückmeldungen von Teilnehmern zu dieser Übung wird sie weggelassen.
Erinnerung an die Entspannung
Ab der fünften Sitzung erfolgt die Aufforderung, sich an die zurückliegenden Entspannungssitzungen zu erinnern. Die Formulierung hierfür lautet:
„Nun kann es interessant sein, sich an die vorausgegangenen Entspannungssitzungen zu erinnern und sich dabei ins Gedächtnis zu rufen:
-
wo Sie die Entspannung am deutlichsten wahrgenommen haben,
(...............................................)
-
wie sich die Entspannung dabei anfühlt,
...