E-Book, Deutsch, 428 Seiten
Holz Kleine Dramen
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-2825-3
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 428 Seiten
ISBN: 978-3-8496-2825-3
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieser Band enthält die folgenden dramatischen Werke des deutschen Schriftstellers: Die Familie Selicke Sozialaristokraten Traumulus Arno Holz, der 1929 in berlin verstarb, war insgesamt neunmal für den Nobelpreis für Literatur nominiert. Sein bekanntestes Werk ist wohl die Gedichtsammlung 'Phantasus'.
Autoren/Hrsg.
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Zweiter Aufzug
Dasselbe Zimmer. Es ist Nacht, durch das verschneite Fenster fällt voll das Mondlicht. Frau Selicke sitzt wieder neben dem Bett und strickt, Toni arbeitet am Sofatisch, auf welchem hinter dem grünen Schirm die Lampe brennt, Albert sitzt neben ihr, liest, blättert und gähnt ab und zu, Walter steht vorm Fenster, die Arme auf das Fensterbrett gestützt.
WALTER vom Fenster weg zu Frau Selicke hin. Mama! Er kömmt immer noch nich!
FRAU SELICKE müde, etwas weinerlich. Ach ja! ... Na, heute können wir uns wieder mal auf was gefaßt machen.
WALTER sich an sie drängend, sie umfassend. Mamachen! Biste wieder gut mit mir? ... Ja? ... Mamchen!
FRAU SELICKE. Ja! ... Ja! ... Wenn du nur nich immer so ungezogen wärst!
WALTER. Ach Mamchen!
FRAU SELICKE. Ja! ... Ja! ... 's is schon gut! ... Laß mich nur!
WALTER immer noch schmeichelnd. Sag, Mamchen! Biste nu aber auch wirklich ganz gut mit mir?
FRAU SELICKE lächelnd, abwehrend. Na ja! Ja, du Schlingel!
WALTER. Armes Mamchen! Küßt sie und stellt sich dann wieder vor das Fenster hin. Nach einer kleinen Pause, während welcher Albert sich zurückgelehnt, die Arme gereckt und laut gegähnt hat. Du, Albert! Au, kuck mal! Drüben bei Krügers brennt noch der Weihnachtsbaum!
ALBERT hat sich faul erhoben und ist langsam, die Hände in den Taschen, zum Fenster getreten. Ach wo, du Peter! Is ja man 'n Licht in der Küche! Wo soll denn jetzt noch 'n Weihnachtsbaum brennen?
WALTER ihn unterbrechend. Halt doch mal! Horch mal! Ging – da nich die – Haustür?! ... Nach einer kleinen Pause, weinerlich. Nee! Ach, nu kann man sich wieder nich hinlegen!
Albert gähnt faul.
FRAU SELICKE. Leg dich doch schlafen! Das wehrt dir doch niemand!
WALTER. Ach! ... Wieder nach einer kleinen Pause. Du, kuck mal, Albert! Lauter goldne Flinkerchen hier auf 'm Schnee! Wah? Das sieht hübsch aus!
ALBERT mißgelaunt. Ja, ja!
WALTER. Ob e' was mitbringt, Mamchen? 'n Baum?
FRAU SELICKE ohne von ihrem Strickzeug aufzusehen. Werden ja sehn! ... Gähnt. Hach ja!
WALTER. Ach ja! Ich glaube! ... 'n Baum hab'n wir doch jedes Jahr gehabt? Morgen früh könn'n wir 'n ja immer noch anputzen! Wah, Mamchen? Un wenn wir 'n dann abends anbrennen ... wah?
FRAU SELICKE müde, abgespannt. Ja, ja!
WALTER. Na, un' Linchen bringt er doch auch was mit? Linchen?
FRAU SELICKE. Na! Er wird wohl! Zählt ihre Maschen, seufzt.
ALBERT ist vom Fenster weg wieder auf den Tisch zugetreten. Nee, so 'ne Unvernunft von dem! Mit einem Blick nach der Uhr. 's is nu halb zwei!
TONI sieht in die Höhe. Sprich mal nich so vom Vater!
ALBERT sich zu ihr aufs Sofa setzend und sie schmeichelnd um die Taille fassend. Ach was, Tönchen! Sei man still! ... 's is doch wahr! Näh mir lieber nächstens mal 'n paar Stege an die Hosen! He? ...
TONI ihn sanft von sich abwehrend. Ach, nich doch. Albert! Red Walter zu und geht beide zu Bett!
FRAU SELICKE unwillig vom Bett herüber. Ja doch! Stör uns nich immer, und leg dich lieber hin für dein unnützes Schmökern da!
ALBERT. Na, was soll man denn machen!
FRAU SELICKE. Statt den ganzen Tag, wenn du frei hast, hier umherzuliegen, könntest du noch 'n bißchen Sprachen lernen! Das braucht 'n Kaufmann heutzutage! Aber du hast nich 'n bißchen Lerntrieb!
ALBERT. Ach was, Mamchen!
FRAU SELICKE. Na, mach doch, was du willst! Mir kann's egal sein! ... Mir wird sowieso bald alles egal sein! ... Überhaupt! Nenn mich nich immer Mamchen! Was denkste dir denn eigentlich. Du Gelbschnabel?!
ALBERT. Na, liebe Zeit! Was wollt ihr denn nur! Ich tu doch meine Schuldigkeit im Geschäft! Da solltest du erst mai andre junge Kaufleute sehn!
FRAU SELICKE. Na ja, ja! Is schon gut! Wissen ja! Laß uns nur zufrieden!
WALTER. Ach, nu kömmt er immer noch nich!
FRAU SELICKE. Leg dich zu Bett, Walter! Leg dich zu Bett!
WALTER. Ach nee! Ich kann ja doch nich schlafen, Mutterchen, wenn Vater nich da is!
FRAU SELICKE. Oh, und nun auch noch die Schmerzen in meinem Fuße! ... Ich könnte laut auf schrein! ... Weiter nichts wie Elend und Sorge und Aufregung hat man! Das ist das ganze bißchen Leben! Wenn einen der liebe Gott doch endlich mal erlösen wollte!
ALBERT geht mit gesenktem Kopfe verdrießlich auf und ab. Die Hände in den Taschen seines Jacketts. Nein, das is auch eine Wirtschaft hier! Wenn man doch erst mal ... he! ... Sitzt man bis spät in die Nacht 'nein und wagt kein Auge zuzutun, und am andern Tag is man dann janz kaputt!
FRAU SELICKE. Ach, geh schlafen, und predige uns nich auch noch was vor! ... Walter, leg dich nun hin!
WALTER. Ach nein, Mamachen! Ich warte noch! Sieht immer noch aufmerksam zum Fenster hinaus.
FRAU SELICKE. Na, warte man ...
ALBERT. Ä was! Ich leg mich hin!
FRAU SELICKE. Das machste gescheit!
ALBERT mürrisch. Jute Nacht!
TONI. Gute Nacht!
Albert nimmt, während er am Sofatisch vorbeigeht, von diesem eine Streichholzschachtel, klappert damit und verschwindet in der Kammer, nachdem er bereits auf der Schwelle ein Zündhölzchen angestrichen und in das Dunkel hineingeleuchtet hat.
FRAU SELICKE. Walter!
WALTER. Ach, Mamachen!
FRAU SELICKE. Ach was! Dummer Junge! ... Dir tut er ja nichts!
WALTER. O ja!
FRAU SELICKE. Ach, Dummheit! ... Leg dich hin! Geh! ...
WALTER. Au, unten kommt einer!
FRAU SELICKE zusammenfahrend. Kommt e'?!
WALTER weinerlich. Is 'n andrer!
FRAU SELICKE. Nein, so ein Mann! So ein Mann! ... Das kann er doch wirklich nich verantworten! ... Walter! Geh nun!
TONI hat ihr Nähzeug auf den Tisch gepackt, ist aufgestanden, ans Fenster getreten und nimmt nun Walter an die Hand. Komm, Walterchen!
WALTER hat sie von unten auf umfaßt und sieht zu ihr empor. Ach, laß mich doch! Ich hab ja solche Angst! ... Ich wart hier lieber am Fenster!
TONI. Dann geh ich auch nicht schlafen! Na?
WALTER weinerlich. Ach! – Macht sich von ihr nach dem Fenster zu los.
TONI. Komm!
WALTER. Gleich! Sieht durch das Fenster. Jetzt!
Läßt sich von ihr nach der Kammer führen. Schluchzt.
Während die Tür aufgeht, sieht man noch das Licht brennen, das Albert sich angesteckt hat. Toni bückt sich, küßt Walter und drückt dann die Tür wieder zu. »Gute...