E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Hooper In königlichem Auftrag
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-7607-9929-2
Verlag: arsEdition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-7607-9929-2
Verlag: arsEdition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mary Hooper begann zu schreiben, als ihre Kinder noch klein waren. Seitdem hat sie zahlreiche Kurzgeschichten für Zeitschriften und über 30 Kinder- und Jugendbücher verfasst. Daneben gibt sie Kurse in Kreativem Schreiben. Die Autorin lebt in Hampshire, England.
Autoren/Hrsg.
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Die erste Dezemberhälfte war trostlos, ununterbrochen nieselte es draußen, und es schien gar nie richtig Tag werden zu wollen, bis am fünfzehnten des Monats der Regen endlich aufhörte. Nichtsdestotrotz war alles, was ich berührte, klamm und feucht, einschließlich meiner Kleider und meiner Haare. Der Weg am Fluss entlang durch Mortlake hatte sich unter den Hufen der Pferde in einen grauschwarzen Morast verwandelt. Als ich am Nachmittag aus dem Fenster spähte, um nach Isabelle Ausschau zu halten, war ein zäher grauer Nebel vom Fluss heraufgekrochen, hatte sich in den überhängenden Bäumen festgesetzt und tropfte als Nässe von den kahlen Ästen und Zweigen.
Solch ein trüber Tag war sicherlich nicht die beste Zeit, um einen Besuch zu machen, schon gar nicht für jemanden wie Isabelle, der das Haus des Zauberers absolut nicht geheuer war, weshalb sie auch kaum je einen Fuß hinein gesetzt hatte. Ich hatte sie jedoch für heute eingeladen, weil die Familie an diesem Tag einen Ausflug unternahm. Dies kam nicht allzu oft vor, denn Dr.Dee, mein Dienstherr, war immer sehr beschäftigt und verschanzte sich die meiste Zeit in seiner Bibliothek. Aus dem Haus ging er eigentlich nur, wenn seine Gegenwart am Hofe der Königin erwünscht war.
An diesem Tag, einem Sonntag, war jedoch anlässlich seines Geburtstags die gesamte Familie einschließlich der beiden Töchter Beth und Merryl, als deren Kindermädchen ich angestellt war, zu einem entfernten Nachbarn in Barn Elms eingeladen worden. Mistress Allen, Mistress Dees Kammerzofe, war ebenfalls mitgegangen, und Mistress Midge, unsere Köchin und Haushälterin, nutzte den freien Tag, um ihre greise Schwester in Chiswyck, auf der anderen Flussseite, zu besuchen.
Ich setzte den Wasserkessel auf den Herd und beugte mich noch einmal über die steinerne Spüle, um nachzusehen, ob Isabelle kam. Wir waren Freundinnen geworden, kurz nachdem ich meine Stelle in Mortlake angetreten hatte, und hatten viele Gemeinsamkeiten – auch wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht als Hausmädchen verdiente, sondern auf dem Markt Waren kaufte und wieder verkaufte.
Während ich noch angestrengt und voller Vorfreude hinausspähte, tauchten auf einmal die Umrisse einer Gestalt im Nebel auf, die sich im nächsten Augenblick als Isabelle entpuppte. Sie setzte jeden Schritt höchst vorsichtig, hob dabei ihren Rock hoch, und ich sah, dass sie sich hohe Holzschuhe wie eine Art Stelzen über die Schuhe gezogen hatte, um nicht mitten im Schlamm zu stehen.
Rasch lief ich mit einer Kerze in der Hand zur Tür hinaus und durch den gemauerten Durchgang bis zum Weg, um sie zu begrüßen.
»Scheußlich ist das draußen, die Wege bestehen nur noch aus Schlammlöchern«, klagte sie, als sie an der Tür ihre Holzschuhe ablegte und ihren Mantel aufhängte, »und als ich über den Marktplatz ging, fuhr ein Karren mit solcher Geschwindigkeit vorbei, dass er mich von oben bis unten mit Dreck vollgespritzt hat.«
Ich begutachtete sie und musste unwillkürlich lachen, da nicht nur ihr ganzes Kleid vorne mit Spritzern übersät, sondern auch ihr Gesicht über und über braun gepunktet war.
»Lass das Kleid trocknen, dann bürsten wir es ab, bevor du gehst«, schlug ich vor. Ich reichte ihr einen sauberen Lumpen. »Und damit kannst du dir das Gesicht abwaschen.«
Sie tauchte den Lumpen in einen Eimer mit eiskaltem Wasser, tupfte sich damit die vor Kälte geröteten Wangen ab und rubbelte gleich noch heftiger, als sie ihr Spiegelbild in einem Kupferkessel entdeckte. Nachdem ihr Gesicht zu ihrer Zufriedenheit gesäubert war, steckte sie ein paar Strähnen ihres langen dunklen Haars, die sich gelöst hatten, wieder in den Knoten an ihrem Hinterkopf zurück. Dabei warf sie einen ängstlichen Blick über die Schulter und fragte: »Und es ist ganz sicher niemand zu Hause?«
»Ganz sicher«, beruhigte ich sie. »Wir sind heute Morgen alle wie üblich in die Kirche gegangen, dann habe ich Beth und Merryl zurechtgemacht, und die Familie ist in einer Kutsche abgefahren.«
»In einer Kutsche!«, rief sie bewundernd aus, denn in unserer Gegend waren Kutschen noch eher eine Seltenheit. »Das hätte ich zu gerne gesehen. War sie sehr prunkvoll?«
Ich schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht. Dr.Dee sprach zwar von einer Kutsche, aber ich hätte es schlicht einen gemieteten Pferdewagen genannt.«
»Und sie kommen bestimmt nicht unerwartet zurück?«
»Bestimmt nicht«, versicherte ich ihr. »Mistress Midge sagte sogar, Dr.Dee sei so angetan davon, bei einer so noblen Familie zum Essen eingeladen zu sein, dass er wahrscheinlich bis Mitternacht dort aushalten werde – oder bis ihn seine Gastgeber vor die Tür setzen.«
»Wer sind denn die Gastgeber?«
»Nun«, sagte ich bedeutungsvoll, »es ist Sir Francis Walsingham.«
»« Isabelles Gesicht glühte vor Interesse. »Er ist ja ständig in aller Munde mit seinem Spionagenetzwerk für die Königin. Hast du ihn je zu Gesicht bekommen?«
»Noch nie«, sagte ich. »Aber seine Frau, Lady Walsingham, schon. Sie war drei oder vier Mal hier, um der Mistress nach der Niederkunft einen Besuch abzustatten.«
»Und war sie sehr fein angezogen?«
»Und wie«, antwortete ich und musste an das Kleid aus leuchtender saphirblauer, changierender Seide denken, das sie bei ihrem letzten Besuch getragen hatte, und den dazugehörigen rosarot gefütterten Umhang.
»War sie freundlich?«
»Das kann ich kaum sagen«, musste ich zugeben. »Ich habe sie zwar eingelassen und in Mistress Dees Kammer geführt und ganz tief und ehrerbietig vor ihr geknickst, aber sie hat mich gar nicht wahrgenommen.«
»Ach«, seufzte Isabelle schulterzuckend. »So ist es immer. Wer achtet denn schon auf unsereins?«
»Es könnte allerdings sein, dass ich ihr eines Tages wieder begegne… «, sagte ich mit einem bedeutungsschweren Unterton.
»Oh, natürlich!«, rief Isabelle aus. »Aber du hast noch nichts gehört?«
Ich schüttelte ein wenig niedergeschlagen den Kopf. Ich hatte Ihrer Gnaden, der Königin Elisabeth, einen gewissen Dienst erweisen können, und diese hochstehende Dame hatte mir durch ihren Hofnarren, Tomas, ausrichten lassen, dass sie mir überaus dankbar sei und ich damit rechnen dürfe, erneut für sie tätig zu werden. Zuerst hatte ich schon gedacht, dass ich an den Hof gerufen würde und eine ihrer Hofdamen werden solle, doch Tomas hatte mir ganz offen und unmissverständlich erklärt, dass nur adlige und höchst gebildete junge Damen für eine solche Position im direkten Umfeld der Königin infrage kämen. Ich hingegen solle mich bereithalten, um für die Königin einen Auftrag auszuführen, sobald sich ein Bedarf dafür ergebe – einen vermutlich geheimen Auftrag für Sir Thomas Walsingham, der ein verdecktes Netzwerk von Spionen im Dienste Ihrer Majestät befehligte.
»Nun, es sind ja erst einige Wochen vergangen«, sagte ich, doch in Wirklichkeit brannte ich vor Ungeduld und hätte am liebsten gleich heute angefangen, der Königin zu dienen, denn ich verehrte sie sehr und hätte alles für sie gegeben.
Isabelle rieb die Handflächen aneinander, um sich zu wärmen, und sah sich staunend in der Küche um. »Was für eine reich ausgestattete Küche – so viele Pfannen und Kellen und Kochutensilien«, sagte sie. »Und dieser riesige Tisch – meine Güte, unsere gesamte Bettkammer zu Hause würde darauf passen.«
Ich nickte, da ich wusste, in was für einem ärmlichen Häuschen Isabelles Familie wohnte: Der Wohnraum bestand aus kaum mehr als der Feuerstelle mit einem Kessel zum Kochen darüber. »Dr.Dee hat inzwischen etwas mehr Geld zur Verfügung«, erzählte ich ihr. Er hatte vor Kurzem einem adligen Herrn einen Dienst erwiesen und dafür eine reichliche Entlohnung erhalten. »In den letzten zwei Wochen hatten wir jeden Tag Fleisch zu essen. Sogar an den Fischtagen«, fügte ich noch hinzu.
Isabelle machte große Augen, doch dann schlugen die kupfernen Backformen auf dem Bord über uns sie wieder in ihren Bann. Sie streckte die Hand nach einer aus, um sie herunterzuholen und genauer in Augenschein zu nehmen, als auf einmal ein hohes, kreischendes Gelächter ertönte und eine der Formen sich vor unseren Augen bewegte. Isabelle stieß einen Schrei aus und sprang erschrocken einen Schritt zurück. »«
Ich musste laut lachen. »Nein, nein, das ist nur das Äffchen«, beruhigte ich sie. »Ein Besuch bei den Walsinghams wäre dann doch zu viel der Ehre für ihn gewesen, und so musste er heute hier bei mir bleiben.«
Isabelle war leichenblass geworden.
»Vor Narren-Tom brauchst du dich nicht zu fürchten«, sagte ich – so nämlich hieß das Äffchen, benannt nach dem Hofnarren der Königin. »Und auch nicht vor diesem Haus. Es gibt hier nichts Gefährliches.«
»Solange der Zauberer nicht vorzeitig zurückkehrt.«
»Das wird er nicht!«
»Oder MrKelly«, sagte sie. MrKelly war Dr.Dees Partner, mit dem zusammen er seine Alchemie betrieb.
»MrKelly ist nach London gefahren, um nach einem Schatz in der Themse zu suchen«, sagte ich und setzte mit gedämpfter Stimme hinzu, obgleich niemand da war, der uns hätte belauschen können: »Er sagte, ein Engel habe ihm verraten, wo er liegt.«
»Stimmt das wirklich?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Es...