E-Book, Deutsch, 379 Seiten, eBook
Hopp Machtfaktor auch ohne Machtbasis?
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-531-92393-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die CSU
E-Book, Deutsch, 379 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-92393-2
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Der Verfasser dieser Zeilen hatte bei der Erstellung der vorliegenden Untersuchung das Glück, sich mit mehreren seiner bevorzugten Interessengebiete intensiv auseinandersetzen zu können: Von den bayerisch-böhmischen Beziehungen in historischer Perspektive über die deutsche Verbände- und Parteienlandschaft bis hin zur CSU als spezielles Forschun- objekt reicht die Spannbreite dieser Studie, die einen innen- wie außenpolitischen Bezug aufweist. Der Ausgangspunkt und Ursprung, welcher schließlich zu vorliegender D- sertation führte, liegt einige Jahre zurück und lässt sich auf eine einfache Fragestellung reduzieren, die dem Autor bereits während des Studiums ins Auge sprang: Wieso ist das Verhältnis zwischen Deutschland und speziell Bayern sowie dem tschechischen Nachb- land immer wieder Belastungen ausgesetzt, obwohl die Vorgaben eigentlich jeweils etwas anderes erwarten lassen? Die Beantwortung dieser Frage, die eher einem außenpolitischen Blickwinkel des bilateralen Verhältnisses zweier Staaten entsprang, führte im Folgenden zu einem innenpolitischen Fokus und der Beziehung zwischen Vertriebenenverbänden und Unionsparteien. Während die Frage nach den atmosphärischen Störungen vor allem zwischen Bayern und Tschechien mit historisch bedingten Problemlagen und der speziellen Beziehung zwischen Vertriebenen und Unionsparteien bzw. konkret der Sudetendeutschen Landsmannschaft auf die Tschechienpolitik der CSU recht schnell beantwortet werden konnte, warf eben dies aber neue, komplexere Fragestellungen auf.
Dr. Gerhard Hopp ist Politikwissenschaftler an der Universität Regensburg.
Zielgruppe
Research
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen;10
3;Abkürzungsverzeichnis;14
4;Vorwort;15
5;1 Zur Persistenz von Netzwerken zwischen Parteien und Verbänden;17
5.1;1.1 Problemstellung: Der sudetendeutsche Einfluss auf die Tschechienpolitik der CSU;17
5.2;1.2 Forschungsstand und Quellenlage;20
5.3;1.3 Methodisches Vorgehen und Forschungsdesign;24
5.4;1.4 Einschränkungen und Wertungen;28
6;2 Sozialstrukturelle Theorien;29
6.1;2.1 Grundaussagen des Theoriestranges zu Parteien-Verbände-Beziehungen;29
6.1.1;2.1.1 Cleavage-Theorie;29
6.1.2;2.1.2 Milieu-Theorie nach Lepsius;31
6.1.3;2.1.3 Zusammenfassung und Schlussfolgerung für die Fragestellung;33
6.2;2.2 Weiterentwicklung und Abstrahierung in der deutschen Forschungslandschaft;35
6.2.1;2.2.1 Enthistorisierung und Abstrahierung: Politisierte Sozialstruktur nach Pappi;35
6.2.2;2.2.2 Zweiteiligkeit des Ansatzes: Struktur- und Akteursebene;37
6.2.3;2.2.3 Stabilisierungs- und Destabilisierungsmechanismen von Koalitionen;40
6.3;2.3 Koalitionskontinuität trotz Veräderung der sozialen Basis;44
7;3 Methode der Politischen Netzwerkanalyse;47
7.1;3.1 Grundaussagen und Anwendungsmöglichkeiten;47
7.1.1;3.1.1 Die Netzwerkanalyse im Forschungsfeld der Politikfeldanalyse;47
7.1.2;3.1.2 Modelle der Netzwerkanalyse;50
7.1.3;3.1.3 Stabilisierungs- und Destabilisierungsmechanismen von Netzwerken;55
7.2;3.2 Typen politischer Netzwerke;58
7.2.1;3.2.1 Dimensionen politischer Netzwerke als Werkzeugkasten zur Analyse;58
7.2.2;3.2.2 Vorauswahlverfahren von geeigneten Typen zur Persistenz von Netzwerken;64
7.2.3;3.2.3 Klientelismus als Policy-Netzwerktyp;69
7.3;3.3 Netzwerkpersistenz trotz abnehmender Bedeutung der sozialen Gruppe;74
8;4 Synthese beider Theoriestränge;77
8.1;4.1 Gemeinsamkeiten und Ansatzpunkte;77
8.2;4.2 Analyserahmen und Untersuchungsgegenstand;78
8.3;4.3 Vier-Phasen-Modell zur Entwicklung des Klientelismus-Netzwerkes;79
8.4;4.4 zentrale These und Variablenset;84
9;5 Entwicklung der sozialen Gruppe der Sudetendeutschen;87
9.1;5.1 Variablenset zur Einordnung der abnehmenden Bedeutung einer sozialen Gruppe;87
9.2;5.2 Quantitative Dimension: Die zahlenmäßige Entwicklung der Sudetendeutschen;89
9.3;5.3 Qualitative Dimension: Integration der Sudetendeutschen;93
9.4;5.4 Zwischenfazit;108
10;6 Entwicklungslinien der Interessenkoalition zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft;110
10.1;6.1 Die Vertriebenenverbände als umworbene Akteure in der Nachkriegszeit;110
10.2;6.2 Die Neue Ostpolitik als „Motor“ der christsozial-sudetendeutschen Annäherung;118
10.3;6.3 Persistenz des Netzwerkes im Kontext von Wiedervereinigung und EU-Osterweiterung;126
10.4;6.4 Zwischenfazit;133
11;7 Das Policy-Netz zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft;136
11.1;7.1 Die Dimension Akteure;136
11.1.1;7.1.1 Die Christlich-Soziale Union;137
11.1.2;7.1.2 Die Sudetendeutsche Landsmannschaft;147
11.2;7.2 Die Dimension Struktur und personelle Verflechtung;155
11.2.1;7.2.1 Vertriebene in den parlamentarischen Arenen der CSU;157
11.2.1.1;7.2.1.1. Die Landesebene: CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag572;157
11.2.1.2;7.2.1.2 Die Bundesebene: CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag;165
11.2.1.3;7.2.1.3 Die europäische Ebene: CSU-Europagruppe;180
11.2.2;7.2.2 Vertriebene und Sudetendeutsche in der Parteiorganisation der CSU;182
11.2.2.1;7.2.2.1 CSU-Landesvorstand und CSU-Parteivorstand;182
11.2.2.2;7.2.2.2 Geschäftsführender CSU-Landesvorstand und CSU-Parteipräsidium;185
11.2.2.3;7.2.2.3 Union der Vertriebenen UdV;186
11.2.2.4;7.2.2.4 CSU-Parteivorsitzende und Bayerische Ministerpräsidenten;188
11.2.3;7.2.3 CSU-Funktionäre in den Vertriebenenverbänden;192
11.3;7.3 Weitere Dimensionen: Funktion, Strategien, Verhaltensregeln und Machtverteilung;196
11.4;7.4 Zwischenfazit;201
12;8 Der Prager Vertrag im Kontext der Ostverträge;205
12.1;8.1 Der Problemfall der „Nichtigkeit des Münchner Abkommens“ und der Prager Vertrag;205
12.1.1;8.1.1 Historischer Kontext: Der Prager Vertrag als Bestandteil der Ostpolitik;205
12.1.2;8.1.2 Strittige Punkte und Forderungen der Sudetendeutschen im Hinblick auf das Münchner Abkommen;208
12.2;8.2 Annäherung und Entspannung im Zeichen des Ost-West-Konfliktes: das Politikfeld der deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen;210
12.3;8.3 Mechanismen des Policy-Netzwerkes;214
12.3.1;8.3.1 Vorlauf: von der Aufnahme erster Kontakte 1967 bis zum Beginn der Sondierungsgespräche zwischen Bonn und Prag 1970;214
12.3.2;8.3.2 Erste Phase: von der Aufnahme von Sondierungsgesprächen 1970 bis zu deren vorläufigem Abbruch im Juni 1972750;217
12.3.3;8.3.3 Zweite Phase: von der Denkpause bis zur Unterzeichnung des Prager Vertrags im Dezember 1973;226
12.3.4;8.3.4 Dritte Phase: Ratifizierung des Prager Vertrages;236
12.4;8.4 Zwischenfazit;243
13;9 Die sudetendeutsche Frage und der Deutsch- Tschechoslowakische Nachbarschaftsvertrag 1992;247
13.1;9.1 Der Problemfall der Forderung des „Rechts auf Heimat“ der Sudetendeutschen und der deutsch-tschechoslowakische Nachbarschaftsvertrag;247
13.1.1;9.1.1 Historischer Kontext: Ungelöste Fragen im Zusammenhang mit der Vertreibung und die Deutsch-Tschechoslowakische Annäherung nach 1989;247
13.1.2;9.1.2 Das „Recht auf Heimat“ als Oberbegriff der sudetendeutschen Forderungen in den Vertragsverhandlungen;249
13.2;9.2 Die deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen zwischen Nachholbedarf, Anfangseuphorie und europäischer Wiedervereinigung;251
13.3;9.3 Die Mechanismen des Policy-Netzwerks;254
13.3.1;9.3.1 Vorlauf: Annäherungen und Zeichen der Versöhnung im Kontext von Wende und Wiedervereinigung 1989-1990;254
13.3.2;9.3.2 Erste Phase: Vorbereitung des Nachbarschaftsvertrages im Zeichen einer Abkühlung des Verhältnisses von Juni bis Dezember 1990;259
13.3.3;9.3.3 Zweite Phase: Verhandlungen zum Nachbarschaftsvertrag bis zur Unterzeichnung im Februar 1992;265
13.3.4;9.3.4 Dritte Phase: Ratifizierung des Nachbarschaftsvertrages;277
13.4;9.4 Zwischenfazit;287
14;10 Die Beneš-Dekrete und der EU-Beitritt der Tschechischen Republik;290
14.1;10.1 Der Problemfall der „Beneš-Dekrete und der EU-Beitritt Tschechiens;290
14.1.1;10.1.1 Historischer Kontext: deutsch-tschechische Problemlagen im Osterweiterungsprozess der EU;290
14.1.2;10.1.2 Die Beneš-Dekrete als rechtliche Grundlage für die Vertreibung;293
14.2;10.2 Kooperation statt Konfrontation: Die Tschechienpolitik der CSU im Politikfeldnetzwerk der „deutsch-tschechischen Beziehungen“;294
14.3;10.3 Mechanismen des Policy-Netzwerks;296
14.3.1;10.3.1 Vorlauf: vom Nachbarschaftsvertrag zur Deutsch-Tschechischen Erklärung;296
14.3.2;10.3.2 Erste Phase: Die Beneš-Dekrete kommen auf die europäische Agenda 1998-2001;300
14.3.3;10.3.3 Zweite Phase: Eskalation im Wahlkampfjahr 2002;308
14.3.4;10.3.4 Dritte Phase: Abstimmungen über den EU-Beitritt Tschechiens;317
14.3.5;10.3.5 Aktivitäten der Vertriebenenverbände im Überblick;324
14.4;10.4 Zwischenfazit;325
15;11 Resumée und theoretische Schlussfolgerungen;328
15.1;11.1 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse der Studie;329
15.2;11.2 Überprüfung der zentralen These und der Hypothesen;332
15.3;11.3 Überprüfung und Weiterentwicklung des Vier-Phasen-Modells;335
15.4;11.4 Privilegierte Partnerschaft auf ewig oder Übergang zur Symbolpolitik?;340
16;12 Bibliographie;346
16.1;12.1 Publizierte Quellen und Materialien;346
16.1.1;12.1.1 Regierungserklärungen, Reden und Gesetzestexte;346
16.1.2;12.1.2 Anträge, Parlamentsdrucksachen und -veröffentlichungen, Protokolle;347
16.1.3;12.1.3 Pressemitteilungen, Partei- und Verbandsveröffentlichungen;351
16.1.4;12.1.4 Zeitungen und Zeitschriften;353
16.1.5;12.1.5 Internetquellen;354
16.1.6;12.1.6 Umfragen;355
16.2;12.2 Unveröffentlichte Quellen und Materialien;355
16.2.1;12.2.1 Hintergrundgespräche;355
16.2.2;12.2.2 Schriftliche Mitteilungen;356
16.3;12.3 Genutzte Archive;358
16.4;12.4 Literatur;358
Zur Persistenz von Netzwerken zwischen Parteien und Verbänden.- Sozialstrukturelle Theorien.- Methode der Politischen Netzwerkanalyse.- Synthese beider Theoriestränge.- Entwicklung der sozialen Gruppe der Sudetendeutschen.- Entwicklungslinien der Interessenkoalition zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft.- Das Policy-Netz zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft.- Der Prager Vertrag im Kontext der Ostverträge.- Die sudetendeutsche Frage und der Deutsch- Tschechoslowakische Nachbarschaftsvertrag 1992.- Die Beneš-Dekrete und der EU-Beitritt der Tschechischen Republik.- Resumée und theoretische Schlussfolgerungen.
7 Das Policy-Netz zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft (S. 137-138)
Nach dem diachronen Überblick rückt im folgenden Abschnitt das konkrete Netzwerk zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft in den Fokus.469 Auf der Grundlage einer dimensionalen Unterteilung sollen die Eigenschaften und Charakteristika des Policy- Netzwerks, anhand dessen die Koalition zwischen CSU und SL darstell- und messbar gemacht werden kann, erarbeitet werden. Die Einzeldimensionen Akteure, Funktion, Struktur und Institutionalisierung, Verfahrensregeln, Machtverteilung und Machtbeziehungen sowie Strategien sollen hierbei als Werkzeuge der „Analytical Toolbox“470 der Netzwerkanalyse nach Möglichkeit zur Anwendung kommen.
Zur übersichtlichen Gestaltung der Analyse wird zunächst auf die Akteure selbst eingegangen, um im Anschluss die Struktur und Institutionalisierung der Verbindung zwischen den Akteuren als „Herzstück“ der Netzwerkanalyse erarbeiten zu können. Da die weiteren Dimensionen Funktion, Strategien, Verfahrensregeln sowie Machtverteilung große Überschneidungen aufweisen und eine separate Untersuchung viele Dopplungen mit sich bringen würde, werden sie im dritten Abschnitt der Netzwerkanalyse ergänzend im Zusammenhang beleuchtet.
Zudem sollen anhand eines auf den gesamten Untersuchungszeitraum erweiterten Blickwinkels die Ungenauigkeiten und Verfälschungen, welche bei punktuellen Erhebungen auftreten können, vermieden und eine Betrachtung der Entwicklung des Netzwerkes ermöglicht werden. Daraus ergibt sich im Hinblick auf die übergreifende Forschungsfrage der vorliegenden Studie folgender Fragenkomplex: Welche Eigenschaften können dem Netzwerk zugeschrieben werden? Entsprechen die einzelnen Charakteristika und das Gesamtbild der Eigenschaften einem klientelistischen Netzwerk? Haben sich die Eigenschaften des Netzwerkes in den einzelnen Dimensionen sowie das Netzwerk als Ganzes im Zeitverlauf verändert, und wenn ja, wie?
7.1 Die Dimension Akteure
Mit CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft lässt sich die Akteursanzahl im Policy- Netzwerk auf zwei übergeordnete korporative Akteure eingrenzen, die sich in nächsten Schritten nochmals in weitere Subakteure unterteilen lassen. Neben der reinen Anzahl der an den Interaktionen Beteiligten ist jedoch die Analyse ihrer Eigenschaften von besonderem Interesse. Um ein möglichst vollständiges Bild des jeweiligen Akteurtyps zu erarbeiten, sollen sowohl die CSU als auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft jeweils hinsichtlich ihrer Interessenlage, Struktur und Ressourcen untersucht werden, um den Handlungskorridor, innerhalb dessen sich beide Akteure bewegen, abzustecken.
Die Schwerpunkte der Analyse werden dabei unterschiedlich gesetzt: Während bei der CSU die verschiedenen Handlungs- und Machtzentren im Politikfeld der deutsch-tschech(oslowak)ischen Beziehungen als Ansatzpunkte für die Einflussnahme der Sudetendeutschen Landsmannschaft im Vordergrund stehen, richtet sich der Fokus bei der SL stärker auf deren Fähigkeiten und Ressourcen zur Einflussnahme auf die Parteienlandschaft im Politikfeld.
7.1.1 Die Christlich-Soziale Union
Die CSU nimmt im deutschen Parteiensystem in mehrerer Hinsicht eine Sonderrolle ein, da sie zwar eine autonome Landespartei ist, die ausschließlich in Bayern zu Wahlen auf allen Ebenen antritt und sich über Jahrzehnte aufgrund ihrer langjährigen absoluten Mehrheit bis 2008 im Bayerischen Landtag den Status einer „Staats- und Hegemonialpartei“ erarbeitet hat.471 In Verbindung mit der CDU, mit der sie 1947 eine Arbeits- und 1949 eine Fraktionsgemeinschaft im Deutschen Bundestag einging, tritt die CSU aber zusätzlich als bundespolitische Kraft auf.