E-Book, Deutsch, 432 Seiten
Hoppus Fahrenheit-182
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7453-2646-8
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Memoire | Deutsche Ausgabe | Die inspirierende Autobiografie des Bassisten und Sängers von blink-182
E-Book, Deutsch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-7453-2646-8
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mark Hoppus ist Sänger, Songwriter, Bassist und Gründungsmitglied von blink-182. Seine Kultband machte Pop-Punk zum Mainstreamphänomen, lieferte den Soundtrack zum Aufwachsen zahlreicher Millenials und verkaufte seit ihrer Gründung 1992 über 50 Millionen Alben. Mark lebt mit seiner Frau Skye und seinem Sohn Jack in Los Angeles. Dan Ozzi ist ein renommierter Musikjournalist, der unter anderem für »The Guardian«, »SPIN«, »Billboard«, »The Fader« sowie die »Vice«-Musikwebsite »Noisey« schreibt und bereits mehrere erfolgreiche Bücher über Punkmusik verfasst hat. Er lebt in Los Angeles.
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Ich wuchs als glückliches Kind in einer glücklichen Familie auf.
Nachdem wir ein paar Jahre in unserem Wüstenwohnwagen geschwitzt hatten, hatte mein Dad 33 000 Dollar angespart, genug, um ein bescheidenes Haus am Stadtrand zu kaufen. Wenn ich »am Stadtrand« sage, meine ich, dass hinter uns ein Haus war und dann … nichts. Kilometer und Kilometer von Nichts. Aber es war ein nettes kleines Haus in einer Straße voller anderer Häuser, die genauso aussahen. Eine Sitcom-Idylle im Death Valley.
Mein Dad war, buchstäblich, ein Raketenwissenschaftler, ein Luft- und Raumfahrtingenieur, der sein ganzes Berufsleben damit verbrachte, Raketen und Bomben für die Marine zu entwerfen. Viele Jahre widmete er sich der HARM, einer Luft-Boden-Rakete, die feindliche Radaranlagen ausschalten sollte. Manchmal zeigten die Nachrichten Aufnahmen eines amerikanischen Flugzeugs und mein Dad hielt mitten im Biss inne, zeigte darauf und sagte: »Daran habe ich gearbeitet.« Manchmal durfte er überhaupt nicht darüber sprechen, woran er arbeitete. Er musste in geheimen Ausschüssen vor dem Kongress aussagen.
Der Mann war durch und durch Wissenschaftler, organisiert und präzise in allem, was er tat. Als junger Ingenieur trug er eine riesige Brille in der Größe einer Colaflasche und ordentlich gebügelte Hemden mit Kragen, die er in die Hose steckte. Er sah die Welt durch die Linse von Daten und Zeitplänen. Sorgfältige Planung und akribische, harte Arbeit. Wenn er mir einen Ratschlag eingehämmert hat, dann diesen: »Mark, Zeitmanagement ist der Schlüssel zum Erfolg.« Er mochte es nie, wenn ich ausschlief, und pflanzte mir eine Angst vor Verspätungen ein, die ich immer noch habe. Ich komme nie zu spät.
Als Kind verbrachte ich gerne Zeit mit meinem Dad, selbst wenn ich nur bei der Erledigung von Alltagspflichten dabei war. Samstags fuhren wir unseren Müll mit seinem Pick-up zur Deponie und rasten eine lange, holprige Straße entlang. Wir nannten sie die Yee-Haw Road, weil man durch eine trockene Schlucht fahren musste, die einem den Magen umdrehte. Wenn wir den Abgrund erreichten, schrien wir »Yee-Haw!«. Er drehte die Stereoanlage auf und wir sangen die ganze Fahrt über Don McLeans »American Pie« mit. Die Sonne brannte auf uns herab und hinter uns wirbelte Staub.
Er erzählte die schlimmsten Dad Jokes und blieb jahrelang denselben peinlichen Witzen treu. Der Mann brauchte neues Material. Jedes Mal, wenn wir in ein Restaurant gingen, rief er den Kellner oder die Kellnerin herbei und sagte: »Oh oh, sieht aus, als bräuchte ich eine neue Speisekarte. Diese hier ist verkehrt herum gedruckt.« Je mehr die Leute stöhnten, desto mehr kniete er sich hinein. Bis heute stellt er jedes Jahr zur Weihnachtszeit einen kleinen Ast mit einer Gewehrpatronenhülse daran auf und fragt die Leute, ob sie wissen, was das ist. »A cartridge in a bare tree«, eine Anspielung auf die Zeile »A partridge in a pear tree« aus dem Weihnachtslied »The Twelve Days of Christmas«.
Mein Dad nahm meine Mom mit seinem Sinn für Humor für sich ein, als sie sich in der Highschool kennenlernten. Er lud sie zu einem Tennis-Date ein und brachte sie zum Lachen. Sie begannen, ständig zusammen zu spielen, und wurden bald unzertrennlich. Sie fuhren in amerikanischen Cabrios durch die Orangenhaine der idyllischen Vororte Südkaliforniens, während im Radio die Beach Boys liefen. Sie verliebten sich. Pfui.
Meine Mom war voller Liebe, Unterstützung und Geduld. Sie umarmte mich gerne und war schnell den Tränen nahe, aber sie besaß auch das Feuer und die Entschlossenheit einer Suffragette. Wenn eine Schulparade, ein Treffen der Cub Scouts oder eine Wohltätigkeitsveranstaltung anstand, war sie diejenige, die Kostüme nähte und Kekse backte. Es gab keine Mutterpflicht, die sie nicht mit Bravour erfüllte. Sie dachte sich Spiele für uns aus und setzte sich auf den Küchenboden, um sie mit uns zu spielen. Sie las mir Bücher vor und wir sahen uns Captain Kangaroo an. Sie nahm mich mit, um Besorgungen bei der Bank und im Supermarkt zu erledigen, und sie brachte mir das Kochen bei. Mit vier Jahren konnte ich mir schon selbst Rühreier zubereiten. Wir wanderten und zelteten und unternahmen Rucksackreisen. Sie ermutigte mich, die Welt zu erkunden. Wann immer ich ein aufkeimendes Interesse an einem neuen Unterfangen verspürte, wie zum Beispiel während meines beschämenden Monats der Tischzauberei, unterstützte sie mich nach Kräften. Meine Mom erlaubte mir, aus psychischen Gründen der Schule fernzubleiben, während mein Dad den Kopf schüttelte.
Als ich fünf war, wurde meine Schwester Anne geboren. Fünf Jahre sind bei Geschwistern ein ziemlich großer Altersunterschied, aber zwischen uns bestand nie eine Distanz. Vom ersten Tag an fühlte ich mich Anne ganz nah. Sie war meine Schwester und meine Freundin. Ich baute uns im Haus Festungen, in denen wir uns stundenlang verkrochen. Ich brachte sie zur Schule, um sicherzustellen, dass sie sicher ankam. Ich las ihr vor. An den heißesten Tagen zogen wir unsere Badeklamotten an und rannten durch die Sprinkleranlage im Vorgarten. Unsere Oma schenkte uns ein Tonbandgerät, mit dem Anne und ich unsere eigenen Radiosendungen aufnahmen, komplett mit eigenen Songs.
Wir verbrachten die Sommer 90 Minuten weiter südlich, in Riverside, bei Nana, der Mutter meiner Mom. Meine Eltern setzten Anne und mich nach Schuljahresende dort ab und die nächsten Wochen schwammen wir in Nanas Pool, aßen in der kalifornischen Sonne mit nassen Fingern Truthahn-Sandwiches und Doritos und hörten auf dem Radiosender The Mighty 690 AM Pop-Hits wie »Tainted Love« und »Call Me«. Nana ging mit uns Minigolf spielen und gab uns Geld für Videospiele. Sie kaufte uns so viele Bücher, wie wir lesen konnten. Im Sommer habe ich die ganzen Reihen Paddington Bär, Encyclopedia Brown und Tausend Gefahren durchgelesen. Nana machte mir außerdem das zweifellos beste Weihnachtsgeschenk, das ich je bekommen habe: eine Atari-2600-Spielkonsole mit einem Space-Invaders-Spiel. Wie geil.
Wir verbrachten auch viel Zeit im Haus der Eltern meines Dads. Mama und Papa, wie wir sie nannten, waren förmlicher als Nana, ihre Besitztümer wertvoller, ihr Haus etwas kühler, aber sie liebten uns trotzdem nicht weniger. Mama machte mir Sandwiches mit Erdnussbutter und Minzmarmelade auf gebuttertem Weißbrot. Sie hatte ein tolles, lautes Lachen und ihr Auto roch nach Parfüm und Aschenbecher. Ich erinnere mich an Papa als still und grau, immer in einer frisch gebügelten Strickjacke, wie er aufrecht auf dem Sofa einschlief und laut schnarchte. Er hatte eine Holzwerkstatt in der Garage, wo er mir und Anne Spielzeug und Möbel baute. Ostern war ihr großes Fest und sie dachten sich aufwendige Eiersuchen aus, die wir lösen mussten.
Geburtstage und besondere Anlässe verbrachten wir in Disneyland. Ich liebte Disney. Sie nennen es nicht »den glücklichsten Ort der Welt«, weil es ätzend ist. Ausflüge dorthin waren so etwas wie eine Familientradition. Meine Mom hat ein Foto von sich als junges Mädchen im Jahr 1955, dem Jahr der Eröffnung des Parks.
Ridgecrest war die Heimat einer seltsamen Mischung von Menschen. Der Marinestützpunkt zog die klügsten Köpfe aus Wissenschaft und Luftfahrt an, die talentiertesten Kampfpiloten und ihre Familien. Aber der Zustrom von Personal wurde von den Einheimischen mit misstrauischer Skepsis aufgenommen.
Sie schienen es nicht zu schätzen, dass diese Fremden in die Anonymität ihrer Einöde eindrangen. Sie brachte eine seltsame Mischung aus Genies, Wüstenbewohnern, Weltuntergangsverschwörern und Meth-Junkies hervor. Ich glaube, Ridgecrest war einst die Methamphetamin-Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Vielleicht nur von Kalifornien, aber ich träume gerne groß.
Ich hatte viele Freunde in der Nachbarschaft. Wir gehörten zur Generation X. Unsere Eltern ließen uns alleine spielen. Wir schürften uns die Knie auf, tranken aus dem Gartenschlauch und ließen unsere Fahrräder fahrerlos gegen den Bordstein krachen. Wir riskierten Leib und Leben beim Spielen mit X-Acto-Messern, Holzbrennsets und Chemiebaukästen. Als ich noch ein Kleinkind war, gab mir mein Dad ein Stück Holz, ein paar Nägel und einen Hammer und sagte, ich solle mich austoben. Ich schlug so viele Nägel in das Ding, dass es aussah wie ein Stachelschwein. Das war mein Lieblingsspielzeug. Viele meiner Freunde und Klassenkameradinnen und -kameraden waren ebenfalls Kinder aus einer Soldatenfamilie, also gab es viel Fluktuation. Man kam jemandem nahe und dann zog die Familie eines Tages weg und man sah sie nie wieder.
Ich bekam gute Noten und machte keinen Ärger. Ich kam nie zu spät. Meine Hausaufgaben waren immer einwandfrei. Einmal musste ich ausnahmsweise nachsitzen, weil ich den Text eines Weihnachtsstücks zu »Jingle bells, Batman smells« geändert hatte. Wenn ich mich gut benommen hatte, brachte mir der Weihnachtsmann zu Weihnachten neue Star-Wars-Spielzeuge. Als Das Imperium schlägt zurück in die Kinos kam, waren wir alle völlig hin und weg. Wir sammelten die Actionfiguren und Raumschiffe und spielten Szenen aus dem Film auf dem Schulhof nach. Ich war immer neidisch auf meinen Freund Jeff. Seine Eltern kauften ihm so viele Star-Wars-Spielzeuge, wie er wollte, und er konnte sie ungestraft ruinieren. Ich jagte ihn und seinen TIE-Jäger mit meinem X-Wing durch seinen Garten und schrie: »Du wurdest getroffen!« Er machte ein explodierendes Geräusch und...