Horn | Des Reichtums fette Beute | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 270 Seiten

Horn Des Reichtums fette Beute

Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-593-41068-5
Verlag: Campus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

E-Book, Deutsch, 270 Seiten

ISBN: 978-3-593-41068-5
Verlag: Campus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit nimmt zu. Für die Bewältigung der Krise haben die Niedrigverdiener die Zeche gezahlt. Profi tiert haben die Reichen. Das ist ein ethischer und politischer Skandal. Und es ist eine Katastrophe für die Wirtschaft. Denn ohne stärkere Kaufkraft der niedrigeren Einkommensschichten werden wir vor einem Abgrund stehen, wenn die Wirtschaftskrise zurückkehrt. Und mit dieser Rückkehr müssen wir trotz aller Jubelrufe über das aktuelle Wachstum rechnen, denn die internationalen Märkte sind instabil. Wie können wir uns retten? Der streitbare und renommierte Ökonom Gustav A. Horn zeigt messerscharf: Die Stabilisierung der Wirtschaft und die Bekämpfung der Ungleichheit gehen Hand in Hand. Er liefert eine klare Marschroute für eine stabile und gerechte wirtschaftliche Zukunft.

Gustav A. Horn, geboren 1954, ist einer der bekanntesten deutschen Ökonomen. Er leitet das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Mit zahlreichen Medienauftritten hat er sich als eine der markantesten Stimmen gegen die vorherrschende marktliberale Ökonomie etabliert.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Inhalt;6
2;Vorwort;8
3;Zeitenwende oder Ende aller Zeiten;10
3.1;Eine Frage der Gerechtigkeit … und mehr;10
3.2;Blick zurück im Zorn:unsere verfehlte Wirtschaftspolitik;15
3.3;Die Ungleichheit der Einkommen;45
3.4;Die vergessene Größe: Unsicherheit;74
3.5;Die brisante Mischung für die Krise;95
3.6;Die Wurzeln der Krise – ein erstes Zwischenfazit;108
4;Am Rande des Abgrunds;111
4.1;Eine Krise nimmt ihren Lauf;111
4.2;Rettung wider Willen;129
4.3;Druck in die richtige Richtung;139
4.4;Schuldenkrise oder Schulden der Krise;161
5;Das Steuer herumreißen;179
5.1;Prinzipien einer künftigen gesamtwirtschaftlichen Ordnung;179
5.2;Die Finanzmärkte zähmen;194
5.3;Die Ungleichheit vermindern;211
5.4;Die Wiederentdeckung der Konjunktur;232
6;Aus Krisen lernen;253
7;Anmerkungen;259
8;Register;264


|110|Am Rande des Abgrunds


Dum spiro spero

(Solange ich atme, hoffe ich)

Eine Krise nimmt ihren Lauf

»Wie ein Riss in der Mauer«, so überschrieb die Evangelische Kirche in Deutschland eine Schrift zur globalen Finanzkrise. Ich finde dieses Bild sehr treffend. Die Krise kam anfänglich nicht mit Pauken und Trompeten, sondern langsam und schleichend. Von vielen wurde sie zunächst nicht oder nur en passant bemerkt; viele hielten sie für ein mehr oder minder lokales Ereignis. Das ist heute nur noch schwer vorstellbar.

Am Anfang der Krise stand der Vertrauensverlust der Märkte in jene Form der Kreditvergabe, die später als Subprime-Kredite eine globale traurige Berühmtheit erlangte. Die rasch zunehmende Zahl der Menschen, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten oder wollten, erschütterte die Kreditmärkte zunächst in den USA.

Die Zinsanhebungen der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve System, kurz Fed, hatten die Kreditkosten erhöht, was angesichts der ohnehin prekären Lage vieler Schuldner in diesem Marktsegment deren finanzielle Möglichkeiten schnell überstieg. Da man in den USA für Hypothekarkredite nicht mit seinem gesamten Vermögen haftet, sondern lediglich mit dem erworbenen Immobilienbesitz, ist es auch besonders leicht, sich seiner Zahlungsverpflichtungen zu entledigen. Man gibt einfach das auf Kredit gekaufte Haus an die Gläubigerbank zurück. Auf diese Weise kann der Schuldner sich kurzfristig seiner Schulden entledigen. Natürlich belastet er mit einem solchen Tun |111|seine künftige Kreditfähigkeit. Doch gerade für Haushalte mit geringem Einkommen, deren Kreditfähigkeit ohnehin stark begrenzt ist, ist der so entstandene Rufschaden eher zu vernachlässigen.

Ganz anders sieht es für den Gläubiger aus. Er muss nicht nur auf die erhofften Zinserträge verzichten, auch die Sicherheit für den Kredit, die finanzierte Immobilie, verliert an Wert. Wenn sich, wie geschehen, mehr und mehr Hausbesitzer dazu entschließen, ihre kreditfinanzierten Häuser zurückzugeben, wird die jeweilige Bank massive Zahlungsausfälle verzeichnen. Dann entsteht auf dem Häusermarkt ein Überangebot, das den Preis für Immobilien nach unten drückt. Das hat zwei schwerwiegende Folgen: Der Gläubiger hat kaum noch eine Chance, das vergebene Kreditvolumen durch den Verkauf des Hauses zurückzuholen. Zusätzlich sinkt der Wert der Sicherheiten auch für jene Gläubiger, deren Kredite noch bedient werden. Entweder stellen sie dann Nachforderungen, was aber ihre prekären Schuldner schnell überfordern könnte und so den Verkaufsdruck weiter verstärken würde. Oder sie nehmen den Verlust an Sicherheit hin. Beides belastet ihre Bilanzen. Das war der scheinbar zarte Beginn des Risses, der das Mauerwerk der Weltwirtschaft im weiteren Verlauf fast zum Einsturz bringen sollte.

Was zunächst nach einer lokalen Krise aussah, die auf den Finanzsektor der USA, darunter primär die Hypothekenfinanzierung, begrenzt war, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als der Beginn einer neuen Phase – plötzlich und mächtig drängten die fatalen Konsequenzen einer Politik der Ungleichheit und der vernachlässigten Marktunsicherheiten ans Tageslicht des wirtschaftlichen Geschehens. Die schlimme Saat des ökonomischen Mainstreams ging auf. Des Reichtums fette Beute begann zu stinken.

Vom langsamen Aufwachen des (Wirtschafts-)Riesen

Aber das blieb lange unbemerkt. Ökonomen und Politiker vor allem in Deutschland verteilten erst einmal Beruhigungspillen, vermischt mit |112|Schadenfreude, die das Problem als eine Kombination von mangelhafter amerikanischer Regulierung mit wirtschaftlichem Leichtsinn interpretierten. Damit hatte man doch nichts zu tun! Währenddessen fraß sich der Krisenvirus bereits durch die globalen Finanzmärkte. Und die Verantwortlichen hierzulande machten einen Fehler: Sie bezogen ihre Ruhe aus einer Welt von gestern. Damals waren die Märkte noch nicht so globalisiert und der Finanzmarkt von eher untergeordneter Bedeutung. Die Verhältnisse waren aber nicht mehr so wie früher. Es ging nicht mehr um eine Bank oder um eine Gruppe von Banken, die sich vielleicht im Immobiliensektor etwas übernommen hatte. Es ging um das gesamte Finanzmarktsystem. Das liegt ausschließlich in den gewaltigen Veränderungen dieses Systems begründet, die den Immobilienkrediten gleichsam Flügel verliehen hatten. Diese Kredite wurden nun weiterverkauft, sodass die ursprünglichen Gläubiger häufig überhaupt nicht mehr von den negativen Konsequenzen ihres leichtfertigen Tuns betroffen waren. Sie konnten anfänglich sogar weiter neue Kredite vergeben. Die Probleme traten nun an ganz anderer Stelle auf. Die Kredite waren oft nicht mehr zu erkennen, wenn man sie zum Beispiel im Rahmen der strukturierten Wertpapiere (ABS) mit anderen Wertpapieren zusammen»packte«. Diese ABS wurden dann auf den globalen Finanzmärkten angeboten und fanden auch ihre Nachfrage. Mit dieser Maßnahme sollten ursprünglich Unsicherheiten vermieden werden, aber sie wirkte in Wahrheit als Infektionskanal für die globale Finanzkrise. Die Nachfrager jener ABS-Papiere saßen ja längst nicht mehr nur in den USA, dazu war mittlerweile das dortige Kapitalangebot wegen der hohen privaten und staatlichen Verschuldung zu gering. Das Ausland, vor allem jenes mit Kapitalüberschüssen, musste und wollte einspringen.

An dieser Stelle kommt der deutsche Finanzmarkt ins Spiel. Nach China war hier der größte Überschuss an Kapital zu verzeichnen, der global nach Anlagemöglichkeiten suchte. Im Vergleich zu den chinesischen Banken, die primär nur an relativ sicheren Staatsanleihen mit entsprechend niedrigen Renditen interessiert waren, war der Appetit auf höhere Renditen und damit höhere Risiken bei den deutschen |113|Anlegern deutlich stärker ausgeprägt. Und der Markt war erfinderisch, um diese Wünsche zu befriedigen. Banken, die durch »lästige« Regulierungsvorschriften daran gehindert waren, derartige Risiken einzugehen, gründeten kurzerhand Tochtergesellschaften, die nicht als Banken geführt wurden. Für diese Zweckgesellschaften galten laschere Vorschriften als für Banken, und sie gingen in Übereinstimmung mit den lückenhaften Regulierungsvorschriften auch nicht in die Bilanzen ihrer Mutterbanken ein.

Um noch sicherer vor Bedenkenträgern zu sein, wurden jene Zweckgesellschaften gezielt in Ländern wie beispielsweise Irland gegründet, wo man skrupellos dem Zeitgeist eines sich selbst überlassenen Finanzmarktes huldigte, der aus sich heraus Prosperität und Stabilität zu erzeugen versprach. In diesen Scheinparadiesen freier Finanzmärkte war man vor unliebsamen Nachfragen besonders sicher. Diese Lücken wurden gerne von deutschen Banken genutzt, und so landeten viele Subprime-Kredite, selbst wenn sie über ihre Verpackung nicht mehr direkt als solche erkennbar waren, in den Büchern deutscher Banken. Und so kam die Finanzmarktkrise nach Deutschland.

Erste Reaktionen auf dem Finanzmarkt

Mittlerweile war die euphorische Kreditvergabe in den USA in ein allgemeines Misstrauen umgeschlagen. Aufgrund der komplexen Struktur der Wertpapiere war ohne detektivische Recherche nicht mehr erkennbar, wer in welchem Umfang von faulen Krediten betroffen war. Das war der Nährboden für ein generelles Misstrauen auf den Finanzmärkten gegenüber jedem bestehenden und potenziellen Geschäftspartner. Es konnte ja schließlich sein, dass dieser aufgrund seines hohen Engagements auf dem Markt für Subprime-Kredite jetzt oder in naher Zukunft nicht mehr zahlungsfähig war. Also wurde man entsprechend vorsichtig, was weitere Kreditvergaben anging. Das hatte fatale Folgen. Die erste und unmittelbare Folge war, dass die Zinssätze für kurzfristige Ausleihen im Interbankenhandel |114|drastisch anstiegen. Solche Ausleihen sind an sich ein Routinegeschäft zwischen Banken. Sie finden statt, wenn Banken kurzfristig Liquidität benötigen, weil sie beispielsweise selbst kurzfristig Geld verleihen möchten und sie ihre eigenen Anlagen nicht unmittelbar liquide machen können oder wollen. Üblicherweise bewegt sich der Zinssatz für die Kredite nah am Leitzinssatz der Zentralbank. Darin spiegelt sich die Überzeugung der Märkte, dass das Ausleihen von Geld zwischen Banken genauso sicher ist, als ob man sich das Geld bei der Zentralbank ausleihen würde; also nahezu vollkommen sicher. Das ist die übliche Regel.

In Zeiten des Misstrauens, wenn man sich eben nicht so ganz sicher ist, ob die andere Bank nicht in Schwierigkeiten steckt, wird ein Risikoaufschlag für geliehenes Geld verlangt. Die Zinsen sind also höher als der Leitzins. Die Differenz sagt etwas über das Ausmaß des wechselseitigen Misstrauens aus. Abbildung 9 verdeutlicht, dass dieses Misstrauen mit Beginn der Subprime-Krise weltweit zunahm und plötzlich die Stimmung beherrschte – mit dem Ergebnis, dass Banken ihre kurzfristigen Liquiditätsbedürfnisse nur zu einem relativ hohen Preis realisieren können. Das zeigte sich schon rasch nach dem Ausbruch der Krise, und es zeigte sich eben nicht nur in den USA, sondern betraf alle Banken, die in den Handel mit den betreffenden Papieren verstrickt waren – oder die zumindest im Verdacht standen, darin verstrickt zu sein. Das galt auch für die verdächtigen deutschen Banken, beispielsweise für die berühmt-berüchtigte IKB, die ihre Rendite durch ein besonders ausgeprägtes Engagement in diesem Bereich zu steigern versucht...


Gustav A. Horn, geboren 1954, ist einer der bekanntesten deutschen Ökonomen. Er leitet das Institut für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Mit zahlreichen Medienauftritten hat er sich als eine der markantesten
Stimmen gegen die vorherrschende marktliberale Ökonomie etabliert.



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