Hoyer / Krämer | Verhaltensaufbau und -aktivierung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 8, 147 Seiten

Reihe: Standards der Psychotherapie

Hoyer / Krämer Verhaltensaufbau und -aktivierung

E-Book, Deutsch, Band 8, 147 Seiten

Reihe: Standards der Psychotherapie

ISBN: 978-3-8409-2984-7
Verlag: Hogrefe Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Verhaltensaufbau und Verhaltensaktivierung sind klassische verhaltenstherapeutische Methoden, die darauf abzielen, das Auftreten von Verhaltensweisen, die verstärkend wirken, im Alltag zu erhöhen. Sie stellen häufig die Ausgangsbasis für die weiteren Schritte in der Therapie und für eine erfolgreiche Behandlung dar. Ziel ist es, Patienten in die Lage zu versetzen, sich unabhängig von aktuellen Stimmungen für alltägliche Handlungen zu motivieren und damit eine Form der Emotionsregulation zu erlernen.
Im Bereich der Depressionsbehandlung zählt Verhaltensaktivierung zu den Standards der Psychotherapie. Mit der stimmungsaufhellenden und stabilisierenden Wirkung von verstärkenden Aktivitäten kann typischen depressiven Symptomen, wie z.B. Rückzug, Passivität und Antriebsminderung, entgegengetreten werden. Zahlreiche neuere Studien zeigen zudem, dass sich ihr Wirkspektrum auch für andere Störungen und Anwendungsbereiche erfolgreich nutzen lässt. Der Band beschreibt die Methode der Verhaltensaktivierung, informiert über deren Wirkungsweise und erläutert ihre konkrete Umsetzung in der klinischen Praxis.
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Zielgruppe


Ärztliche und Psychologische Psychotherapeut_innen, Fachärzte_innen für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte_innen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinische Psycholog_innen, Ausbildungskandidat_innen (Psychologen, Ärzte) in Psychotherapie mit dem Ziel Approbation bzw. Facharzt (Psychiatrie, Psychosomatik) oder Zusatztitel Psychotherapie, Dozenten der Ausbildungsgänge und -institute für Psychotherapie.

Weitere Infos & Material


1;Inhaltsverzeichnis und Vorwort;7
2;1Einführung in die Interventionsmethode;13
2.1;1.1Beschreibung der Methode;14
2.2;1.2Allgemeine Interventionsprinzipien;16
2.3;1.3Entwicklungsgeschichte und Varianten;18
2.4;1.4Behandlungsvorbereitende Technik vs. störungsspezifische Methode;22
2.5;1.5Menschenbild und Krankheitskonzept;23
3;2Theorien und Erklärungskonzepte;24
3.1;2.1Aktivitätsminderung, Antriebsverlust und Anhedonie bei Depression;24
3.2;2.2Verstärkerverlusttheorie;25
3.3;2.3Health Action Process Approach (HAPA);29
3.4;2.4Persönlichkeit und Verhaltenskontrolle;31
3.5;2.5Verwandte Konzepte: Ikigai;33
3.6;2.6Verwandte Konzepte: Genusstraining;35
4;3Diagnostik und Indikation;37
4.1;3.1Indikationsstellung und selektive Indikation;37
4.2;3.2Wann ist Verhaltensaktivierung indiziert – jenseits der Depression?;38
4.3;3.3Spezielle Zielgruppen;40
4.3.1;3.3.1Einsatz bei Älteren;40
4.3.2;3.3.2Einsatz bei chronischer körperlicher Erkrankung;42
4.4;3.4Diagnostische Verfahren;44
4.5;3.5Kontraindikationen;46
5;4Behandlungspraxis;47
5.1;4.1Grundlegende Herangehensweise;47
5.1.1;4.1.1Therapeutenverhalten;47
5.1.2;4.1.2Kein Lernen ohne Üben;49
5.2;4.2Die Therapiemethode im Überblick;51
5.3;4.3Aufklärung und Aufbau von Therapiemotivation;52
5.3.1;4.3.1Psychoedukation, Benennung diagnostischer Ergebnisse und zentraler Probleme;52
5.3.2;4.3.2Vermitteln des Therapierationals;52
5.3.3;4.3.3Stimmungs-/Aktivitätsprotokolle;57
5.3.4;4.3.4Steigerung der Selbstwirksamkeit;63
5.4;4.4Zielaktivität bestimmen;65
5.4.1;4.4.1Liste positiver Aktivitäten;65
5.4.2;4.4.2Stimmungsprotokolle;66
5.4.3;4.4.3Werteorientierte Aktivitäten;67
5.4.4;4.4.4Aktivität statt Grübeln und Vermeiden;71
5.4.5;4.4.5Aufbau sozialer Beziehungen;75
5.4.6;4.4.6Körperliche Aktivierung;76
5.5;4.5Aktivitätenplanung;79
5.5.1;4.5.1Einen Verhaltensplan aufstellen;80
5.5.2;4.5.2Wochenplan;84
5.5.3;4.5.3Umsetzungsversuch;84
5.6;4.6Umgang mit Barrieren;86
5.6.1;4.6.1Identifikation von Barrieren;86
5.6.2;4.6.2Strategien zum Umgang mit Barrieren;88
5.6.3;4.6.3Umsetzungsversuche;91
5.7;4.7Aufrechterhaltung der Aktivität;92
5.7.1;4.7.1Umgang mit Misserfolg: Normalisierung und Blick nach vorne;92
5.7.2;4.7.2Umgang mit Erfolg: Selbstverstärkung;94
5.7.3;4.7.3Flexibilisierung der Zielaktivität;95
5.8;4.8Kombination mit anderen Methoden und Techniken;96
6;5Einsatzbereiche;98
6.1;5.1Einzel- versus Gruppentherapie;98
6.2;5.2Ambulantes versus stationäres Setting;98
6.3;5.3Internet- und mobilebasierte Interventionen;99
7;6Evidenzlage und wissenschaftliche Beurteilung;103
7.1;6.1Wissenschaftliche Studien zur Verhaltensaktivierung;103
7.2;6.2Wirkmechanismen der Verhaltensaktivierung;104
7.3;6.3Ungeklärte Fragen;107
8;7Anwendungsbeispiele;108
8.1;7.1Behandlung einer Depression mit starkem Überforderungserleben;108
8.2;7.2Behandlung einer Depression mit starken Rückzugstendenzen;110
8.3;7.3Behandlung einer Depression bei körperlicher Erkrankung;112
9;8Ausblick;115
10;9Weiterführende Literatur;117
11;10Literatur;118
12;11Kompetenzziele und Lernkontrollfragen;129
13;12Anhang;132
13.1;Rückzugsspirale;132
13.2;Aktivierungsspirale;133
13.3;Aktivitäten- und Stimmungsprotokoll;134
13.4;Liste positiver Aktivitäten;135
13.5;Lebensbereiche und ihre Wichtigkeit;142
13.6;Übung Werte sortieren;143
13.7;Werte- und Aktivitäten-Kompass;144
13.8;Mein Verhaltensplan;145
13.9;Wochenplan;146
13.10;Innere und äußere Barrieren;147
14;CD-Materialien;148
14.1;Rückzugsspirale;148
14.2;Aktivierungsspirale;149
14.3;Aktivitäten- und Stimmungsprotokoll;150
14.4;Liste positiver Aktivitäten;151
14.5;Lebensbereiche und ihre Wichtigkeit;158
14.6;Übung Werte sortieren;159
14.7;Werte- und Aktivitäten-Kompass;160
14.8;Mein Verhaltensplan;161
14.9;Wochenplan;162
14.10;Innere und äußere Barrieren;163


2 Theorien und Erklärungskonzepte

Im vorliegenden Kapitel gehen wir sowohl auf störungstheoretische Aspekte bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von depressiver Stimmung, Passivität und Resignation ein (vgl. Kapitel 2.1 und 2.2) als auch auf Theorien der Veränderung menschlichen Verhaltens (vgl. Kapitel 2.3 bis Kapitel 2.6).

2.1 Aktivitätsminderung, Antriebsverlust und Anhedonie bei Depression

Antriebsverlust und Anhedonie gehören neben gedrückter Stimmung zu den drei Kardinalsymptomen der depressiven Episode und hängen eng mit einer Minderung der alltäglichen Aktivitäten zusammen (World Health Organization, 2015). So heißt es auch im DSM-5: „Die Familienmitglieder bemerken häufig sozialen Rückzug oder Vernachlässigung der Freizeitaktivitäten bei den Betroffenen“ (American Psychiatric Association, 2015, S. 221). Der Rückzug aus Aktivitäten kann sich dabei auf alle Bereiche des alltäglichen Lebens beziehen. Viele Betroffene ziehen sich aus sozialen Kontakten zurück, gehen ihren Freizeitaktivitäten weniger nach und vernachlässigen den Haushalt oder berufliche und familiäre Pflichten. In einer großen epidemiologischen Studie konnte gezeigt werden, dass annähernd jeder Mensch mit einer depressiven Störung (96,9 % der Befragten) in mindestens einem der vier Alltagsbereiche soziale Rolle, Beziehung, Arbeit oder Haushalt beeinträchtigt ist (Kessler et al., 2003). Im Umkehrschluss verbringen depressive Menschen im Tagesverlauf mehr Zeit mit „Nichtstun“ als nicht depressive Menschen und zeigen weniger Belastungsspitzen im Sinne von sportlicher Betätigung. Die Folgen der Inaktivität ergeben sich zunächst für den Betroffenen selbst. Für den antriebsgeminderten Patienten bedeutet der Rückzug aus seinen gewohnten Lebensbereichen einen Verlust von positiv erlebten Aktivitäten. Der Betroffene verliert Möglichkeiten zur positiven Verstärkung seiner Person und seiner Aktivitäten und gerät in eine Negativspirale, die zu einer Verstärkung der depressiven Symptome und zunehmendem Rückzug führt (sog. Verstärkerverlust).
v Insbesondere der Rückzug aus beruflichen Aktivitäten ist zudem auch mit volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Laut Bundesgesundheitssurvey weisen Beschäftigte mit einer depressiven Störung jährlich nicht nur die doppelte Anzahl an Fehltagen auf (Bramesfeld & Schwartz, 2007; Jacobi et al., 1999), depressive Störungen zählen auch zu den Hauptursachen für frühzeitige Berentungen aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2011). Es besteht sowohl auf individueller wie auch auf gesellschaftlicher Ebene großer Handlungsbedarf zur Behandlung der Aktivitätseinschränkungen depressiver Patienten.

Im Erleben vieler Patienten ist neben der Antriebslosigkeit das Symptom der Anhedonie zentraler Grund für den Rückzug aus Aktivitäten. So sagt Frau Grün aus dem Fallbeispiel auf Seite 8: „Nichts macht mehr Freude. Warum sollte ich es tun?“ Die Anhedonie kann zwei Facetten haben (vgl. Stanton, Holmes, Chang & Joormann, 2019): eine allgemeine Interessenlosigkeit auf der einen Seite, ein Freudverlust während der Aktivitäten auf der anderen Seite. Die allgemeine Interessenlosigkeit zeigt sich gut durch ein Patientenkommentar in der qualitativen Interviewstudie von Rüsch und Kollegen (Rüsch, Krämer, Helmes & Bengel, 2015): „Von mir aus würde ich gerne den ganzen Tag nichts mehr hören, nichts mehr sehen, nichts mehr machen, überhaupt nichts mehr“ (S. 155). Hierin kommt die völlige Interessen- und Motivationslosigkeit der Patientin zum Ausdruck, die sich in schweren Fällen bis hin zur Suizidalität entwickeln kann. Die andere Seite der Anhedonie, der Freudverlust während der Aktivitäten, zeigt sich darin, dass Aktivitäten, die früher freudvoll waren, in der Depression als neutral oder gar unangenehm und belastend erlebt werden. Die Anhedonie ist für viele Patienten ein entscheidender Stolperstein und sollte in der Therapie früh thematisiert werden. Der Ansatz der Verhaltensaktivierung basiert darauf, dass der Verlust von Freude und Motivation nicht absoluter Natur ist, sondern als solcher lediglich „erlebt“ wird. Er spiegelt ein Depressionssymptom wider und ist zeitlich variabel. Dieses Faktum zu vermitteln, sollte eher nicht über Disputationsmethoden, sondern gemäß dem Motto „Reden ist Silber, Handeln ist Gold“ erfolgen. Der beste Weg, dieses symptomatische Erleben zu ändern, wird eben nicht darin gesehen, darüber nachzugrübeln, sondern neue Erfahrungen zu machen, die diesem Erleben direkt widersprechen. Viele Patienten haben diesbezüglich bereits Versuche unternommen, sich aber für ihre Aktivitäten (zumindest im Zustand der Depression) ungeeignete, oft überfordernde Zielsetzungen ausgewählt und überhöhte Erwartungen entwickelt, die die mit der Depression verbundenen Funktionseinschränkungen nicht genügend in Betracht ziehen. Es gilt, sie an ein kleinschrittiges, systematisch-wertgebundenes Handeln heranzuführen. Mehrere Ansätze zum Umgang mit Anhedonie werden in Kapitel 4.3 vorgestellt.


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