Hucke / Lindemann | Himmelberg | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 166, 208 Seiten

Reihe: Lindemanns Bibliothek

Hucke / Lindemann Himmelberg

Eine Kriminalerzählung aus Kraichgau und Orient
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-88190-707-1
Verlag: Lindemanns VERLAG & AGENTUR
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Kriminalerzählung aus Kraichgau und Orient

E-Book, Deutsch, Band 166, 208 Seiten

Reihe: Lindemanns Bibliothek

ISBN: 978-3-88190-707-1
Verlag: Lindemanns VERLAG & AGENTUR
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Gotteskrieger in Michelfeld? Ist der Tote im Weißburgunder ein Taliban? Gibt es zur Kavallerieattacke auf dem Himmelberg wirklich keine Alternative?
Auf dem Weingut des Reichsgrafen und Marquis zu Hoensbroech spielen sich dramatische Szenen ab. Die Treue zu einem Jugendfreund aus dem Nahen Osten bringt die gräfliche Familie in Gefahr. Drastische Maßnahmen werden nötig, um sich gegen die Aggressoren zur Wehr zu setzen – doch die Fremden haben gute Gründe für ihren Zorn.
In seinem fünften Wein-Krimi verbindet Johannes Hucke die Genres Krimi und Abenteuerroman, wobei hie und da auch märchenhafte Elemente aufleuchten. Die Zeiten verschmelzen, Fragestellungen treten auf, vor Jahrhunderten so aktuell wie heute: Rache und Gastrecht, Hass und Versöhnung, Liebe und Freundschaft. Es versteht sich, dass
Hucke erneut einen fürs Lesevergnügen nicht unwesentlichen Emulgator zum Einsatz bringt: subtilen Humor.

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Attaque Simulée
Ein sonderbarer Geruch steigt auf, als Rüdiger Reichsgraf und Marquis zu Hoensbroech (sprich: Hunsbruch) die Truhe öffnet, um den betagten Kavalleriedegen hervorzuholen. Nicht nur Moder und Mottenpulver sind die Urheber dieses Duftgemischs; gewiss, die Truhe stand lange auf dem Dachboden, wer mag zuletzt darin gestöbert haben? Aber es dominiert nicht der erwartete Muff abgetragener Kleidungsstücke, aus der Mode gekommener Vorhänge und Tischdecken, sondern etwas nicht mehr Greifbares, Fremdgewordenes, geradezu Abstraktes vernebelt dem Sucher für den Moment die Sinne: Es ist das Arom eines versunkenen Jahrhunderts, des neunzehnten, als alles noch anders war in Europa – gelegt zu den Akten scheinbar für immer, abgehakt, versiegelt ... und auf einmal wieder emporgeschreckt, ans Licht gezerrt, exhumiert. Unter schweren Samt- und Brokatdecken findet der Graf die Waffe; der Knauf verziert mit dem gekrönten Löwen, dem Familienwappen, die Scheide aus getriebenem Silber. Wie eben erst aus dem Verkehr gezogen, baumeln Kette und Ledergehänge an den Ösen. Es kommt dem Erben zu Bewusstsein, dass dieses handgeschmiedete Werkzeug vermutlich einst in den hölzernen, sargähnlichen Kasten platziert wurde, kurz nachdem Taten damit getan wurden – welche auch immer. Friedlich werden sie vermutlich nicht gewesen sein. „Wenn die Klinge die Sonne sieht, soll sie Blut schmecken“, fällt Graf Hoensbroech jene bitterernste, oftmals missdeutete Spruchweisheit aus dem Japan der Samurai ein, die nicht Blutdurst predigt, sondern vor eilfertigem Missbrauch warnt. Ohne Hast, doch zügig, senkt er den Truhendeckel, erhebt sich und trägt den Degen nach draußen. Auf dem Treppenabsatz streift er die Reitjacke über und knöpft sie zu. Vor dem Flurspiegel legt er den Gurt um; mürbe ist das Material geworden, hoffentlich hält es noch: Nicht auszudenken, wenn er die Attacke reitet, nach der Waffe greift, und es ist nichts mehr da, womit er angreifen könnte! Dass Heldenmut und Lächerlichkeit nahe beieinander liegen, gehört ebenfalls zu den altbekannten Überlieferungen. Erstaunlich, wie gut die Handgriffe noch sitzen, nach so langer Zeit. Ob er das alles auch beim Reiten gut hinbekommt, wird sich zeigen. Nie wäre es dem Grafen in den Sinn gekommen, noch einmal auf solche der tiefsten Vergangenheit angehörenden Methoden zurückzugreifen. Doch die ungeheuerlichen Vorkommnisse auf seinem Weingut und in den Reblagen am Himmelberg verlangen nach ebenso drastischen Maßnahmen. Der Reichsgraf, als einziger seiner Familie befugt, den Titel des Marquis zu tragen, weiß sonst keinen Ausweg. Spätestens seit dem Anruf vor einer Stunde liegt klar vor ihm, was er zu tun hat. Man könnte sich ja nicht mehr ins Gesicht sehen, wenn man jetzt zögerte. Im Geschwindschritt steigt er die Stufen ins Parterre herunter. Erwartungsgemäß wird er hier auf den ersten Widerstand treffen. Doch es sind nicht die unversehens ins Angelbachtal eingefallenen Feinde, die ihn hier aufhalten. Gräfin Maria steht in der Tür. Ihr Blick drückt Sorge und tiefe Missbilligung aus. „Ich werde jetzt bestimmt nicht die Hände ringen und mich vors Pferd werfen.“ „Das verlangt auch keiner. Bleib lieber drin. Es ist frostig heute.“ Der Marquis eilt an seiner Frau vorbei nach draußen. Einen letzten Versuch unternimmt die Gräfin, um die Eskalation zu vermeiden: „Ich frage mich nur, wozu die Polizei da ist!“ „Für Angelegenheiten von Staats wegen. So etwas macht man lieber selber.“ Gräfin Maria zu Hoensbroech bleibt zurück. Sie schüttelt den Kopf und fasst ihre Gedanken in einem einzigen Wort zusammen. „Männer.“ Das Weingut des Reichsgrafen und Marquis zu Hoensbroech, vor gerade einmal einem halben Jahrhundert mit Sinn für die hellen Seiten der Tradition entgegen dem Zeitgeschmack in einer Talaue unweit des Eichtersheimer Wasserschlosses erbaut, verfügt auf der dem Hoftor abgewandten Seite über Stall und Scheune und eine kleine Pferdekoppel. Seit langem hat sich die Familie auf edle Schimmel spezialisiert, ein im Umkreis oftmals anekdotisch verarbeiteter Gegenstand. Das Lieblingspferd des Grafen, überrascht und erfreut durch den Besuch seines Herrn zu ungewohnter Stunde, streckt seinen Kopf über das Gatter. „Ja, gleich“, ersucht er das hin und her tänzelnde Tier um Geduld und begibt sich ins Stallgebäude. Wäre doch bloß Sohn Adrian zugegen! Doch der ist am Vortag zur Weinmesse nach München abgereist. – Nun rasch die Reitstiefel überstreifen, eine Jahr um Jahr mehr Anstrengung einfordernde Tätigkeit. Kurz kommt dem Reichsgrafen zu Sinn, dass seine Vorfahren für derlei Verrichtungen über bestens ausgebildete Reitknechte geboten ... Als die Prozedur geglückt ist, stampft Graf Rüdiger mit beiden Stiefeln kurz auf. Jetzt sitzen sie richtig. Vom Haken nimmt er die Trense mit der Linken, den Sattel trägt er auf dem freien Arm. Trotz seiner Nervosität bleibt das Pferd versammelt stehen, lässt sich brav auftrensen und bewegt sich keinen Deut, als die Gurte festgezurrt und die Steigbügel heruntergelassen werden. Doch schon beim Aufsteigen macht sich das überlegende Feingefühl des Vierbeiners wiederum bemerkbar: Ansatzlos will der Schimmel in Galopp fallen, eine in der Tat ungewöhnliche Reaktion. Kaum ein anderes Lebewesen, so heißt es, hat ein solches Gespür für Gefahren entwickelt wie das Pferd – selbst wenn die Bedrohung nicht ihm selbst, sondern seinem Reiter gilt. Gefrorener Dunst hängt in den Reben. Es ist noch viel kälter als die Tage zuvor. Kaum ein Blättchen hat sich im Gestänge gehalten, an den eingeschrumpelten Geiztrieben hängt Eis. Nach wenigen Metern Schritt setzt sich das Pferd in Trab. Dumpf trappeln die Hufe auf dem bereiften Gras. Indes der Graf bereits auf das Sträßchen zusteuert, das direkt zur Höhe führt, entscheidet er sich noch einmal um und entschließt sich zu einem Umweg: So spät wie möglich sollen die Angreifer mitbekommen, dass hier jemand gegen sie vorgeht. – Lange vergessene Details aus militärstrategischen Schriften schießen ihm durch den Kopf. Wie lange ist das her, seit er sie lesen musste! Nun, kein Zweifel, bestenfalls einen Scheinangriff vermag er auszuführen. Hauptziel einer Scheinattacke ist die Verwirrung des Feindes. Wer hat sich darüber noch so ausführlich verbreitet? Richtig, dieser Radetzky, Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz, einer der wenigen österreichischen Taktiker von Rang, über hundert Orden, oftmals verwundet, noch häufiger ausgezeichnet – aber kein Pferdefreund, nein, durchaus nicht. In der Feld-Instruction für die Infanterie, Kavallerie und Artillerie hob dieser Vielbewunderte als Vorbedingung eines jeden Scheinangriffs die Ernsthaftigkeit der Aktion hervor: Der Opponent muss glauben, der Angreifer besitze eine reelle Chance, der Angriff könne zielführend sein. Freilich, das dürfte kaum gelingen. Sobald die Eindringlinge sich dessen gewiss werden, dass hier ein Einzelner auf sie zustürmt, ist es vorbei mit der List. Wie viele mögen es sein? Zwei, drei ... oder doch mehr? Nasir Shansab, der Freund des Grafen, hat keine Schätzungen angegeben. Kommt die Hilfe womöglich längst zu spät? Ein entsetzlicher Gedanke! Welche Waffen werden sie tragen? Am Ende gar Maschinengewehre? Dann wäre überhaupt nichts auszurichten; sogar der Rückzug könnte schiefgehen. Wer beherzigt heute noch, dass man Leuten nicht in den Rücken schießt! – Eine weitere Randnotiz der Kavalleriegeschichte fällt Graf Hoensbroech ein, als er den Schimmel zwischen die Rebreihen lenkt, nunmehr in leichtem Galopp. War’s nicht Graf Pappenheim, der mitten im Dreißigjährigen Krieg gewisse Fährnisregeln während der Feldschlacht einforderte? Caracollieren erachtete der Mann als feige; ein Reiterangriff auf feindliche Infanterie soll in einem Zug ausgeführt werden. Aus sicherer Distanz den Karabiner abfeuern und dann einfach wieder wegreiten, dergleichen entsprach mitnichten der Kriegsethik des katholischen Generals. Vorsichtig richtet sich der Reiter im Sattel auf. Der Saum des Wäldchens hinter den Rebreihen ist gut erkennbar. Jetzt sieht er auch die Rauchsäule: Tatsächlich, der Verdacht des Freundes, der sich auf dem Hochsitz verschanzt hat, bestätigt sich. Man scheint vor nichts zurückzuschrecken. Indem er sein Lieblingspferd zu schnellerem Galopp antreibt, zieht der Graf den Degen und streckt ihn vor, den Arm straff geradeaus. Die Kenntnis dieser Angriffshaltung verdankt er einem längst verstorbenen Schullehrer, der statt Erdkunde weit lieber Militärgeschichte unterrichtete. Jetzt ist es geschehen: Wer weiß, ob nicht auch zwischen den Weinstöcken Shansabs Verfolger lauern. Wenn hier schon Blut vergossen werden soll, dann wenigstens das richtige. In dem Sammelsurium aus strategischen Überlegungen, das ihm fortwährend im Hirn herumwirbelt, meldet sich auch noch der alte Clausewitz zu Wort, dessen Schrift „Vom Kriege“ die ältesten Erkenntnisse zur siegreichen Kriegsführung enthält und bis in die jüngste Zeit hinein durchsetzungswillige Manager inspiriert. Leider sind die beiden Zitate, die Hoensbroech ins Gedächtnis kommen, nicht eben ermutigend. „Eine Armee ist ein Werkzeug. Ein Werkzeug verschleißt.“ Oh ja, da sprach er recht, der preußische Militärakademiker. Den Verschleiß von sieben Lebensjahrzehnten spürt auch die Ein-Mann-Armee zu Pferde, die sich in immer rascherem Tempo dem Angriffsziel nähert. Damit taucht zugleich ein weiteres der Clausewitz’schen Axiome im Gedächtnis auf: „Nicht der Angriff ist die beste Verteidigung, sondern die Verteidigung der beste Angriff. Wer attackiert, befindet sich im Risiko, weil er sich somit bewegt und seine Kräfte zerstreut.“ Immerhin Letzteres wäre im Falle des...



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