E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Hübener Das Flug Buch
2. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7448-2877-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-7448-2877-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Christoph Hübener, Jahrgang 1960, verh., Vater von zwei Kindern, lebt und arbeitet im ruhigen, ländlichen Schaumburg. Seit 1990 Veröffentlichungen als Autor und freier Journalist in unterschiedlichen Printmedien, eigene und Autorenblogs, Arbeiten als freier Fotograf. Interessiert sich für Zeitgeschichte, Gesellschaftspolitik, Literatur, Musik und für (historische) Fliegerei, war ca. 30 Jahre aktiver Pilot mit verschiedenen Lizenzen, Assistenz und Beratung bei zahllosen großen Airshows, weltweit vernetzt, verfügt über ein umfangreiches luftfahrthistorisches Archiv.
Autoren/Hrsg.
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Meinem Vater
Diese Geschichte sollte eigentlich ganz anders heißen. Der Titel sollte irgend etwas mit Anfang oder Beginn zu tun haben. Es ist schließlich die erste Geschichte in diesem Buch. Aber ich habe mich nach einem Gespräch anders entschieden. Denn es war mein Vater, der diese Geschichte hat stattfinden lassen - wie auch er es war, der mich zu Fliegerei brachte. Und zu vielem anderen.
Deshalb widme ich ihm diese (wahre) Geschichte.
Es war in den frühen siebziger Jahren, ich war etwa elf Jahre alt, die Mauer teilte das Land und schloss die ehemalige DDR ein. Meine Großeltern lebten im ebenso abgetrennten wie verinselten Berlin, und wir besuchten sie regelmäßig. Das geschah auf dem einfachsten Weg: nämlich mit dem Flugzeug von Hannover aus. Die Flüge waren damals billig - da subventioniert - und so ließ es sich für etwas mehr als 60,- DM mit einer Super-One-Eleven der British Airways oder mit einer 727 der PAN AM von Hannover in einer guten halben Stunde nach Berlin-Tempelhof fliegen. Es gab drei Korridore, durch die man über die ehemalige DDR mit diesen Airlinern nach Berlin fliegen konnte: Hamburg Air Corridor im Norden, Bueckeburg Air Corridor in der Mitte und den Frankfurt Air Corridor im Süden, jeder 20 Meilen breit; es gab die ADIZ entlang der Grenze und eine sehr dichte Luftraumüberwachung. Aber davon wusste ich damals natürlich noch nichts. Mutter und Bruder wollten also wieder nach Berlin zu den Großeltern fliegen und aus einem unergründlichen Zusammenhang flog ich an diesem Herbsttag nicht mit. Ich begleitete sie aber an diesem Tag mit meinem Vater nach Hannover zum Flugplatz.
Mit Bahn und Bus kamen wir aus der ostwestfälischen Provinz in die niedersächsische Hauptstadt - für mich weit mehr als ein Ausflug: Ein Ereignis! - schließlich ging es nicht nur in eine große Stadt, sondern zudem noch auf einen großen Flughafen!
Ich sehe mich noch mit dem Linienbus vom Bahnhof zum Flughafen fahren - je näher wir ihm kamen, desto aufgeregter wurde ich. Ebenso wie mein Vater übrigens, der alles, was die Fliegerei umgab, genauso neugierig wie ich betrachtete und mir leichtfüßig vielerlei zu erklären wusste.
Damals gab es in Langenhagen (so hieß der Stadtteil, auf dem sich der Flughafen fand) noch keine Industriebebauung, welche die Sicht zum Flugfeld nehmen konnte, und schon ahnte ich in der Ferne hinter dem hohen Zaun die Kanzel des Towers, der sich damals noch auf ein schmuckloses Abfertigungsgebäude duckte.
Bald schon stiegen wir auf einer Parkfläche aus dem Bus und betraten das Abfertigungsgebäude; die Luft war, für mich parfümgleich, geschwängert mit Kerosingeruch - das stetige Heulen der APU’s war allgegenwärtig und nur unterbrochen durch das Leerlaufgeräusch der Turbinen an- und abrollender Maschinen, die ich hinter dem Betonsichtschutz auf dem Vorfeld vermutete.
Wir brachten unsere Familie schließlich zur Passagierabfertigung. An den Schaltern gab es Werbegeschenke der Airlines (ich besaß stolz seit langem eine Umhängetasche von PAN AM!) und bunte Aufkleber für die mitgeführten Gepäckstücke, welche mittels ratterndem Transportband in den unergründlichen Tiefen des Gebäudes verschwanden. Wir verabschiedeten uns, Bruder und Mutter liefen durch eine Glastür hinter dem Schalter und mein Vater und ich machten uns auf zu einem endlosen Treppengewirr im abgelegeneren Teil des Gebäudes, um die verheißungsvolle Aussichtsterrasse zu erklimmen.
Fröstelnd standen wir dann im kalten, herbstlichen Sprühregen und sahen Mutter und Bruder eine geraume Zeit später winkend die Gangway hochklettern und im Flieger verschwinden, der - nachdem sich die Kabinentür wie von Geisterhand schloss, und die Gangway mit einem niedlichen Treckerchen davonzog - langsam abrollte.
Ich verfolgte den Weg der Maschine mit Argusaugen, sah sie weit hinten an der Runway warten und beobachtete genau, wie die glanzweiße 727 mit dem lichtblauen Logo auf der Finne dann unter ohrenbetäubendem Triebwerksdonner und mit ebenso imposanter Abgasfahne in der niedrigen, grauen Stratusbewölkung verschwand.
Der Heimweg stand bevor und das Wetter besserte sich etwas. Doch es war noch etwas Zeit für eine Flugplatzerkundung, mein Vater und ich trödelten also vorbei an verbeulten, aluminium-silbrigen abgestellten Cargo-Containern mit bunten Aufklebern, liefen über triste Park-und Abstellflächen und an ebenso lustlos gestalteten, flachen Funktionsgebäuden entlang.
Unser Ziel: Der Zaun.
Verheißungsvoll grollte von irgendwo ständig Triebwerksdonner und nach geraumer Zeit fanden wir eine angemessene Stelle nahe dem breiten Taxiway, der die beiden Startbahnen miteinander verband. So konnten wir nun die Maschinen ganz nahe vorbei rollen sehen, bis sie mit gleichmäßigem Getöse abbogen und hinter einer Waldkante verschwanden, um wenig später in leiser Beschleunigung die Runway hinunter zu rauschen und schließlich ohrenbetäubend laut in den Himmel zu steigen.
Wir beobachteten dieses Schauspiel geraume Zeit und liefen später am Zaun entlang, kamen schließlich zum GAT. Hier fanden sich auf dem Vorfeld - fein säuberlich aufgereiht - eine große Anzahl verschiedener Sportflugzeuge, PA-28er, C-150, C-172, P-159D, Beech Barons - ich erinnere mich sogar noch an eine Ryan Navion, die dort festgezurrt in der ersten Reihe stand.
In der Nähe der Abstellfläche fand sich im grünen, mannshohen und leicht lädierten Maschendrahtzaun eine verschlossene Tür, die den Zugang zum Flugfeld ermöglichte. In unmittelbarer Nähe der Tür hing im Zaun ein weißes Blechschild mit geprägten, schwarzen Buchstaben. Rundflüge versprach die breite Überschrift, darunter ließ sich erfahren, dass der dreißigminütige Ausflug in einer der Sportmaschinen mit 20 Mark zu Buche schlug. Dazu der Hinweis, an der entsprechenden Tür zu klingeln.
Nun lässt sich leicht verstehen, dass aus dem von Erlebnissen und Eindrücken der letzten Stunden gespeisten Wunsch, einmal mit zu fliegen, schnell ein Verlangen in meiner elfjährigen Seele aufbrandete: mit neugierigem Blick aufs Vorfeld, zum Schild, zur Klingel und bettelnden Seitenblicken hoch zu meinem Vater hatte der auch schnell und ohne meine Worte verstanden, wonach ich mich in dieser Minute sehnte. Ich kann mir (auch heute) keinen gutmütigeren Menschen vorstellen als eben meinen Vater, der mir damals beizubringen versuchte, dass nun gerade genug Geld zur Verfügung stünde, um die Bahnfahrt in die heimische Kleinstadt zu bezahlen. Doch an meinem entflammten Verlangen änderte das nichts und meine Unnachgiebigkeit ihm gegenüber bedauere ich noch heute.
Oder: Eigentlich auch wieder nicht.
Schließlich ergab sich das Wunder:Wohl auch für ihn unerwartet fand sich dann doch noch ein Fünfmarkstück in seinen Taschen, das uns (neben dem heiß begehrten Rundflug) die Rückreise mit der Bahn sichern konnte.
In fliegender Eile flitze ich zu dem Klingelknopf und nach einer kleinen Weile erschien ein gebräunter,älterer Herr, der meinem Vater eröffnete, das ausgerechnet ich der Passagier sei, den er brauchte, um jetzt diesen Rundflug durchführen zu können – zwei weitere würden schon warten.
Nach einem dankbaren Blick von mir entrichtete mein Vater lächelnd den geforderten Salär und ich wurde von dem gebräunten, älteren Herren - der sich schließlich als mein Pilot zu erkennen gab - durch die nun geöffnete Tür im Maschendrahtzaun befördert.
Ich erinnere mich noch ausgesprochen gut an meine Aufregung und meine reichliche weichen Knie, nun auf dem für mich fast heiligen Boden des Vorfeldes zur Maschine geleitet zu werden - in erregter Erwartung, damit gleich losfliegen zu können.
Zielstrebig führte er mich zu einer C-172, die - cremeweiß mit roten Streifen verziert - aus der Reihe der geparkten Maschinen herausgezogen, bereits auf dem Vorfeld wartete. Im Fond der Maschine saßen bereits zwei Fluggäste: Offensichtlich ein Vater mit seiner Tochter.
Ich war in Erwartung, nun ebenfalls dort hinten mit Platz nehmen zu müssen und dann beinahe fassungslos überrascht, als mir der gebräunte,älterer Herr die Steuerbordtür der Cessna öffnete, und mich bat, auf dem Sitz des Copiloten Platz zu nehmen.
Einigermaßen benommen von diesem sehr unerwarteten Glück kletterte ich reichlich tapsig auf den Sitz, der gebräunte, älterer Herr zeigte mir, wie ich den bordauxfarbenen Beckengurt anzulegen hatte und schloss von außen die Tür. Wenige Minuten später saß er lächelnd neben mir, holte sich - ohne hinzusehen - seine Sonnenbrille von der Cockpitablage und hielt mir breit grinsend ein Headset hin, das ich mir - ebenfalls noch etwas linkisch - auf meine Ohren schob. Ich platzte fast vor Stolz - die Fluggäste hinter mir hatten nämlich keine Kopfhörer!
Mein Pilot begann nun, konzentriert verschiedene Schalter und Knöpfe am beigefarbenen Kunststoffarmaturenbrett der Cessna zu bedienen - für mich damals noch völlig undurchschaubar, aber doch mindestens genauso faszinierend. Im Kopfhörer begann es leise zu summen, der Propeller vor meiner Nase drehte sich einige Male...




