Hünefeld | Dhimma im Kontext des zaiditischen Jemen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 13, 303 Seiten

Reihe: Studies on Modern Yemen

Hünefeld Dhimma im Kontext des zaiditischen Jemen

Imam Yahya Hamid al-Din (1869-1948), die Juden:Jüdinnen von Sanaa und die Aushandlung islamrechtlich legitimierter Regierungsführung

E-Book, Deutsch, Band 13, 303 Seiten

Reihe: Studies on Modern Yemen

ISBN: 978-3-11-056226-2
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Dieses Buch analysiert das Verhältnis zwischen dem jemenitischen König Imam Yahya Hamid al-Din und den Juden:Jüdinnen Sanaas aus islamrechtlicher Perspektive. Es beleuchtet sowohl Imam Yahyas Dhimma-Politik als auch die Handlungsmacht von Juden:Jüdinnen als Dhimmis. Es kombiniert erstmals jüdische Erinnerungsliteratur und jemenitische Historiographie aus dem 20. Jhd. mit zum Teil bis heute grundlegenden Texten zaiditischen Rechts (fiqh) aus dem 14.-19. Jhd.
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1 Innensicht gewinnen: das Schutzverhältnis zwischen Imam Ya?ya ?amid al-Din und der jüdischen Gemeinde Sanaas
1.1 Thematische Einführung und Fragestellung
Dieses Buch untersucht das Verhältnis zwischen Imam Ya?ya ?amid al-Din (1869–1948) und den Juden:Jüdinnen Sanaas in seiner Funktion als „Schutz-“ oder – mit dem islamrechtlichen Terminus gesprochen – Dhimma-Verhältnis. Imam al-Mutawakkil Ya?ya b. Mu?ammad ?amid al-Din war ein durch islamisches Recht zaiditischer Auslegung legitimierter Herrscher, Imam-Kalif und ab Mitte der 1920er Jahre König des mutawakkilitischen Königreichs im Zentraljemen. Juden:Jüdinnen waren die einzigen Nichtmuslim:innen, die dauerhaft in dem von ihm ab 1904 beanspruchten und infolge des Rückzugs der osmanischen Truppen aus Sanaa (1911–1913) und dem Jemen insgesamt (1918/19) zunehmend auch tatsächlich von ihm regierten Gebiet Zentraljemens ansässig waren und bis zu seiner Ermordung im Februar 1948 als Dhimmis unter seiner Schirmherrschaft im zaiditischen Imamat lebten. Das Verhältnis zwischen Imam Ya?ya und seinen jüdischen Untertan:innen soll hier, so weit wie möglich, von innen heraus und durch einen Fokus auf die Dhimma-Einrichtung beleuchtet werden. Darin folge ich der sich überschneidenden Tendenz jüdischer und muslimischer Quellen aus dem Jemen, dem Dhimmi-Status von Juden:Jüdinnen im Imamat Ya?ya ?amid al-Dins strukturelle Relevanz beizumessen.1 Die Kraft wiederum, die die Juden:Jüdinnen Sanaas zu „Schutzbefohlenen“ und Imam Ya?ya zu ihrem „Schutzherrn“ machte, waren die Gültigkeit, praktische Umsetzung und Aufrechterhaltung islamischen Rechts, das Dhimma-Recht als integralen Bestandteil beinhaltete, sich grundsätzlich aber auf die gesamte Gesellschaft sowie die Innen- und Außenpolitik des Imamats auswirkte. Islamisches Recht zaiditischer Auslegung bildete in diesem Fall nicht nur die Legitimationsgrundlage für politische Herrschaft. Darüber hinaus verpflichtete es Imam Ya?ya, als zaiditischen Imam, dieses auch in die Praxis umzusetzen, beziehungsweise zu „reproduzieren“, um seine Eignung zum Imamat auch praktisch unter Beweis zu stellen, wodurch sich eine Art Rechtskreislauf ergibt. Als Teilgebiete islamischen Rechts bildeten die Durchsetzung und Aufrechterhaltung von Dhimma-Recht und die darin geregelte Behandlung der Juden:Jüdinnen Sanaas einen Teil dieses reproduktiven Rechtskreislaufs. Dieser Grunddynamik folgend, geht die vorliegende Untersuchung den Fragen nach, in welchem Verhältnis die Dhimma-Politik Imam Ya?yas zur allgemeinen Art und Weise seiner Regierungsführung stand; wie islamrechtliche Motive dabei mit realpolitischen Zielen verwoben waren; in welchem rechtsschulischen (ma?hab) Spektrum sich Imam Ya?ya bewegte und was sich vor diesem Hintergrund über die Situation der Juden:Jüdinnen Sanaas sowie die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Handlungsmacht und Strategieplanung als Dhimmis aussagen lässt. 1.2 Disziplinäre Verortung
Mit dem Fokus auf das Dhimma-Verhältnis zwischen Imam Ya?ya ?ami? al-Din und den Juden:Jüdinnen Sanaas bringt die vorliegende Untersuchung Themengebiete zusammen, die bisher wissenschaftlich oft getrennt voneinander untersucht wurden. Neben der Absicht, durch die Dhimma-Perspektive einen möglichst hohen Grad an Innensicht zu erlangen, folge ich mit dieser Herangehensweise auch dem Aufruf von Albrecht Noth von 1978, sich konkrete Beispiele von Dhimma-Verhältnissen anzusehen und dabei nach Erklärungen zu suchen, wie und warum es darin zu dem „seltsame[n] Nebeneinander von Toleranz und Intoleranz“2 kommen kann. Auf Noths Beobachtung basierend, wird es im Folgenden also nicht darum gehen, Imam Ya?yas Politik gegenüber seinen jüdischen Untertan:innen als „tolerant“ oder „intolerant“ einzuordnen. Die Erkenntnis, dass der Dhimma-Einrichtung per se eine „merkwürdige Ambivalenz“ innewohnt, wie er schreibt, oder genauer ausgedrückt, dass eine mitunter widersprüchlich erscheinende Gleichzeitigkeit von Recht-sichernden und Recht- einschränkenden Aspekten bei der islamrechtlichen Behandlung von Nicht-Muslim:innen zu beobachten ist, ist der Ausgangspunkt dieser Untersuchung. Die hier eingenommene Perspektive, die Dhimma als Teilgebiet islamischen Rechts und islamrechtlich legitimierter politischer Herrschaft versteht, soll als Linse fungieren, die es ermöglicht, widersprüchlich erscheinende Aspekte von Imam Ya?yas Dhimma-Politik, wie beispielsweise seine Haltung zur Zwangskonversion jüdischer Waisenkinder, als Teilgebiete eines in sich schlüssigen Ganzen erkennen zu können. Durch die Dhimma-Perspektive ist mein Blick auf die „Juden:Jüdinnen des Jemen“ auf das Gebiet des zaiditischen Imamats im Zentraljemen und das Machtzentrum Imam Ya?yas in Sanaa eingegrenzt. Im Gegensatz zu den breiter angelegten Untersuchungen von Bat-Zion Eraqi Klorman, Yosef (Yuval) Tobi, Tudor Parfitt und Yehuda Nini sowie Studien, die wie die Monografie von Isaac Hollander auf Interaktionen von Muslim:innen und Juden:Jüdinnen im südlichen Jemen fokussieren, spielt die Situation von Juden:Jüdinnen in British Aden oder den Stammesgebieten in dieser Monographie keine Rolle. Durch den Fokus auf die Dhimma Einrichtung wiederum lässt sie Rücklüsse auf zeitlich weiter zurückliegende Dhimma-Verhältnisse zu. In Abgrenzung zu Menashe Anzis jüngst erschienenen Buch zur Identität der Juden:Jüdinnen Sanaas und ihrem Habitus als Bewohner:innen der Hauptstadt, gehe ich nur am Rande auf innerjüdische Themen und die alltäglichen Interaktionen zwischen Juden:Jüdinnen und Muslim:innen in Sanaa ein. Stattdessen blicke ich aus breiterer islamrechtlicher Perspektive auf das Verhältnis zwischen Imam Ya?ya und seinen jüdischen Untertan:innen. Dabei geht diese Studie insofern einen Schritt weiter als Mark Wagners Untersuchungen zur Rechtspraxis an jemenitischen Scharia-Gerichten, als sie tiefer in die zaiditisch-islamische Rechtswissenschaft (fiqh) vordringt und einzelne, zum Teil alltägliche Interaktionen zwischen Imam Ya?ya und Angehörigen der jüdischen Gemeinde in Relation zu dem durch Gültigkeit, Anwendung und Aufrechterhaltung islamischen Rechts strukturierten Rahmen ihres Verhältnisses untersucht. Mein Beitrag zum Forschungsfeld „Juden:Jüdinnen in der islamischen Welt“ im Allgemeinen besteht damit vor allem im konzeptionellen Ansatz, sich weniger auf die verbindenden Elemente des Jüdischseins von Menschen in Marokko, Ägypten, der Türkei oder dem Iran zu beziehen, sondern vermehrt nach strukturell geformten Zusammenhängen und analytischeren Gemeinsamkeiten innerhalb der jeweiligen Kontexte Ausschau zu halten, die das Islamische nicht als Hintergrundkulisse betrachten, sondern vielmehr als etwas, das mit den Juden:Jüdinnen, die in diesen Kontexten leb(t)en, strukturell verflochten war, beziehungsweise zum Teil noch ist. Die so eingenommene Perspektive auf den zaiditischen Jemen als islamrechtlich geprägter (shariacate) Kontext ist eine von mehreren Möglichkeiten, strukturell geformte Zusammen­hänge sichtbar zu machen.3 Mit dem Fokus auf Imam Ya?yas Dhimma-Politik leistet dieses Buch auch einen Beitrag zum Verständnis und zu der Geschichte des modernen Jemen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem mutawakkilitischen Königreich und der inneren Logik Imam Ya?yas Dhimma-Politik als Bestandteil seiner allgemeinen Regierungsführung; wovon Letztere auch in den Überblicksstudien von Paul Dresch, Mu??afa Salim, Robert B. Serjeant, Manfred Wenner und mit Fokus auf seine Politik gegenüber der osmanischen Gouvernementsregierung von John Baldry, Thomas Kuehn und Fu?ad al-Šami thematisiert wird. Anders als Brinkley Messick, der sich auf Texte aus der Scharia-Gerichtspraxis während des Imamats Ya?ya ?amid al-Dins konzentriert, verbinde ich die Regierungsführung Imam Ya?yas unter dem Gesichtspunkt seiner Dhimma-Politik mit Texten der zaiditisch-islamischen Rechtswissenschaft, also dem Literaturgenre des Fiqh. Damit befasst sich diese Untersuchung auch mit der rechtsschulischen (ma?hab) Orientierung Imam Ya?yas, die Bernard Haykel in seiner Studie zum qasimitischen Imamat kurz anspricht. Die vorliegende Untersuchung führt diesen Punkt insofern weiter, als sie basierend auf hier erstmals untersuchten handschriftlichen „unabhängigen Rechtsgutachten“ (Sing. fatwa) aus dem Jemen versucht, Imam Ya?yas rechtsschulische und realpolitische Haltung zur Zwangskonversion jüdischer Waisenkinder aufzuklären. Mit ihrem Fokus auf Dhimma als Teilgebiet islamischen Rechts und islamrecht­lich legitimierter politischer Herrschaft zaiditischer Ausprägung leistet diese Unter­suchung schließlich auch einen Beitrag zum Verständnis von Scharia-Governance, zum Forschungsfeld des Fiqh und den Zaydi Studies. Dieser Beitrag besteht zum einen in der systematischen Darlegung zaiditischen Dhimma-Rechts im Kitab al-­Siyar des Šar? al-Azhar (und in Teilen des Kitab al-Inti?ar). Hiermit ergänzt die vorliegende Untersuchung die Studie von Eirik Hovden zum Waqf in Zaydi Yemen, die ebenfalls auf dem Šar? al-Azhar beruht und als erste neuere Veröffentlichung im kleinen Forschungsfeld des zaiditischen Fiqh einen grundlegenden Überblick über dessen Hauptwerke gibt. Durch die Analyse der oben genannten Fatawa und ihres...


Kerstin Hünefeld, The Hebrew University of Jerusalem, Israel.


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