E-Book, Deutsch, Band 4, 132 Seiten
Reihe: Mission Genesis
Humberg Die zweite Erde - Folge 4
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7325-5972-5
Verlag: beBEYOND
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Hinterhalt
E-Book, Deutsch, Band 4, 132 Seiten
Reihe: Mission Genesis
ISBN: 978-3-7325-5972-5
Verlag: beBEYOND
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dell und Lee machen einen wertvollen Fund - und werden aus dem Hinterhalt angegriffen. Doch wer ist der mysteriöse Schütze? Im Camp eskaliert die Situation: Die Albträume der Überlebenden werden immer schlimmer. Dann kommt es zu einem schrecklichen Zwischenfall. Und zu einer grausigen Entdeckung ...
ÜBER DIE SERIE:
Eine verzweifelte Mission - eine Handvoll Überlebender - ein geheimnisvoller Planet!
Kriege, Umweltzerstörung und Seuchen - die Erde des 22. Jahrhunderts steht vor dem Kollaps. Das Ende der Menschheit droht! Daher soll die Terraforming-Mission Genesis einen weit entfernten, erdähnlichen Planeten urbar machen.
Doch es kommt zur Katastrophe, und die Genesis stürzt auf einem unwirtlichen Gesteinsbrocken ab. Wie konnte das passieren? Was erwartet die wenigen Überlebenden auf diesem unbekannten Planeten? Und werden sie die Erde je wiedersehen?
Die zweite Erde: Die neue Science-Fiction-Serie von Christian Humberg (u.a. Star Trek, Perry Rhodan) über die wichtigste - und womöglich letzte - Weltraum-Mission der Menschheit!
eBooks von beBEYOND - fremde Welten und fantastische Reisen.
Christian Humberg verfasst Romane, Comics, Theaterstücke und Sachbücher für Kinder und Erwachsene. Er schrieb unter anderem bereits für Star Trek und Perry Rhodan Neo, und seine Werke wurden in mehr als ein halbes Dutzend Sprachen übersetzt und vielfach für die Bühne adaptiert. Seine Kolumnen und Artikel erscheinen bundesweit in der Presse, u.a. in GEEK! und SpaceView.
Christian Humberg ist häufig auf Conventions zu finden, u.a. als Moderator auf Europas größter SF-Veranstaltung FedCon. Noch häufiger zu finden ist er vor seinem PC-Monitor, der ihm die Sicht auf den Mainzer Dom versperrt. Anlässlich der Frankfurter Buchmesse erhielt er 2015 den Deutschen Phantastik-Preis.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
30. November 2120
LL-Theta-339
Hannah Dell wusste nicht, warum sie noch lebte. Warmes Blut klebte feucht glänzend an ihrer Brust, und ihr Atem ging stockend. Panisch duckte sie sich und versuchte, so flach wie möglich zu werden – als könnte sie, wenn sie sich nur genug anstrengte, mit Haut und Haar im steinigen Wüstenboden versinken. Raus aus der Gefahrenzone.
Doch die Salven ließen nicht nach. Wieder und wieder schlugen Schüsse in der Nähe der jungen Journalistin ein. Dreck spritzte hoch, wo die scheinbar aus dem Nichts kommenden Projektilgeschosse auf den Boden trafen. Felssplitter rieselten herab, wenn sie eine der hohen Steinwände streiften.
Dell presste das Gesicht zitternd in den Staub und zuckte bei jedem Knall von Neuem zusammen. Denn sie ahnte, dass schon der nächste Schuss sein wahres Ziel finden mochte: sie!
»Mikyung?«, keuchte die Amerikanerin. Mit zitternden Fingern tastete sie nach der anderen Frau. »Bist du noch da?«
Mikyung Lee, die schwarzhaarige Soldatin von Bord des Raumschiffs Genesis, lag reglos im Staub. Ihr Blut war es, das die Brust von Dells Raumanzug zierte. Außerdem bildete es einen stattlichen See um den Körper der willensstarken Kämpferin herum. Der See wuchs mit jeder Sekunde. Roter Lebenssaft versickerte im Boden – unwiederbringlich verloren.
»Mikyung?«, versuchte Dell es erneut. Panik schwang in ihrer Stimme mit. Verflucht, was geschah hier?
Lee gab keine Antwort. Vorsichtig hob Dell den Blick ein Stück weiter. Die Asiatin hatte das Bewusstsein verloren, vielleicht sogar noch mehr. Die Wunde an ihrem Arm blutete heftig, und ihr ausdrucksloses Gesicht zeigte keinerlei Regung.
Verdammt! Dell schluckte. Abermals stieg Furcht in ihr auf, und als die nächste Salve keine zwei Handbreit neben ihrem Kopf einschlug, schrie sie laut auf.
Weg!, plärrte die Alarmsirene der Vernunft in ihren Gedanken. Wir müssen hier weg! Sofort!
Sie wusste nicht, was sie tat, als sie sich vom Boden hochstemmte. Ihr Verstand hatte das Ruder längst abgegeben, und purer Überlebenswille steuerte ihren Körper. Dell hatte das Gefühl, neben sich zu stehen und zuzusehen, während sie gebückt zur Seite lief, den reglosen Leib ihrer Freundin packte und Lee einfach mit sich zog – weiter und immer weiter. Raus aus der Schusslinie. Weg von der Gefahr.
Der sandige Untergrund erwies sich ausnahmsweise mal als Vorteil. Hier oben im Gebirge mit seinen steilen Abhängen und schroffen Tälern wirkte der Sand beinahe wie ein Transportbeschleuniger. Er half regelrecht mit, die Asiatin wegzuzerren – besser, als es ein komplett ebener Boden gekonnt hätte.
Trotzdem dauerte es. Ihre Bemühungen zwangen Dell ins Visier des unbekannten Schützen. Und zehrten an ihren ohnehin stark geschwächten Energiereserven.
Die nächste Salve kam! Steinsplitter regneten um Dell herum herab, als hinter ihr der Fels explodierte. Erneut schrie sie auf und riss instinktiv beide Hände hoch, da die scharfkantigen Splitter ihre wehrlosen Wangen und ihren Nacken piesackten wie Nadeln. Blut trat aus kleinen Schnittwunden, und Dell war, als wäre sie in die Fänge eines wahnsinnigen Akupunkteurs geraten. Außerdem raubte ihr der steinige Nebel kurzzeitig die Sicht.
Dass sie Lee vor lauter Schreck losgelassen hatte, begriff sie erst, als sich der Nebel lichtete.
Und der Körper ihrer Freundin schon mehrere Meter weit gerutscht war.
Den steilen Abhang hinab.
»Nein!«, rief Dell. Entsetzt hechtete sie der anderen Frau hinterher. Das staubtrockene Gelände war ebenso unwirtlich wie trügerisch, und wer nicht aufpasste, den konnte es gnadenlos bestrafen. Auch das hatten sie bereits schmerzhaft erfahren müssen. Panisch streckte sie die Hände nach Lee aus.
Zack! Der nächste Schuss traf sie an der Seite!
Dell schrie auf wurde zurück und nach links geschleudert. Taumelnd hielt sie sich gerade noch so auf den Beinen. Als sie an sich hinabsah, gab ihre Furcht Entwarnung. Die Kugel hatte sie zwar getroffen, aber nicht ihre Haut durchbohrt. Der Raumanzug – einstmals strahlend weiß, jetzt schmutzig und blutverschmiert – wies allerdings an der linken Seite etwa auf Hüfthöhe ein stattliches Einschussloch auf. Glücklicherweise verfügte die fremde Welt, auf der sie und Lee sich befanden, über eine für Menschen atembare Atmosphäre, sodass Dell den Schutz ihres ohnehin schon ramponierten Raumanzugs nicht benötigte. Trotzdem war sie nicht erpicht darauf, weitere Treffer zu kassieren, denn der nächste mochte nicht so glimpflich verlaufen.
Lee hatte inzwischen an Fahrt aufgenommen. Gute fünf Meter trennten sie nun schon von der Journalistin, und ihr wehrloser Körper rutschte immer schneller in die schattenschwarzen Tiefen der schmalen Schlucht.
Dell dachte nicht lange nach und handelte instinktiv. Sie warf sich zu Boden und ergab sich voll und ganz der Schwerkraft. Im Nu kullerte auch sie unkontrolliert den steilen Hang hinab. Um sie herum gab es bloß Dreck und kalten, leblosen Fels. Spitze Steine schlugen gegen ihre Glieder und gegen die ungeschützten Hautstellen an ihrem Schädel. Sand und Erdpartikel wirbelten ihr ins Gesicht und in den Mund, mit dem sie panisch nach Luft schnappte. Dell hustete nicht, sie würgte, und die Wucht, mit der der wiederholte Aufprall auf den Fels ihr den Atem aus der Lunge trieb, machte ihre Lage nur noch schlimmer. Es ging immer tiefer. Die ganze Welt raste an ihr vorbei – oder war es umgekehrt? Wo war oben? Wo waren die beiden Sonnen und das kleine Plateau? Sie wusste es nicht länger. Es gab kein Oben mehr – und keinen Halt.
Dell vermochte nicht zu sagen, wo diese Reise enden würde. Sie wusste nicht einmal, ob sie heil am Boden ankommen würde. Doch sie konnte Mikyung Lee nicht im Stich lassen. So einfach war das. Sie musste ihrer Freundin folgen. Nur dann konnte sie ihr helfen. Vielleicht.
Außerdem wurde oben beim Generator scharf geschossen. Dort durfte sie nicht bleiben, so oder so.
Etwas Besseres als den Tod findest du überall, zitierte sie in Gedanken ein altes irdisches Märchen, während sie immer weiter in die Dunkelheit glitt – haltlos, hilflos, rettungslos. Und sie hoffte, dass der Satz aus der Vergangenheit noch immer einen Funken Wahrheit in sich barg.
Als sie erwachte, taten ihr alle Glieder weh. Und das war noch das Beste an ihrem jämmerlichen Zustand. Denn was wehtat, war am Leben. Wenigstens das.
»Au!«, zischte Dell, blinzelte die Augen auf … und schloss sie sofort wieder. Die ganze Welt schien sich vor ihr zu drehen, und der harte, spitzkantige Untergrund, auf dem sie lag, machte die wilde Karussellfahrt nicht gerade angenehmer. Stöhnend blieb sie zwischen schroffen Steinen liegen, kämpfte gegen die Übelkeit an und wartete auf den Tod.
»Au kommt hin«, erklang eine brüchige Stimme neben ihr. Ein Husten folgte. »Ich würde sogar Scheiße-Au sagen. Oder Doppel-Au. Au, auer, am austen. Kann man au steigern?«
Abermals versuchte Dell, die Lider zu heben. Diesmal hatte die Welt weniger dagegen. »Falls nicht, bin ich dafür, das einzuführen«, sagte die junge Amerikanerin, stöhnte und richtete sich zitternd vor Erschöpfung auf. »Mit sofortiger Wirkung.« Wieder wurde ihr übel, doch sie beherrschte sich und atmete mehrfach tief durch. Die Atemzüge ließen ihren schmerzenden Brustkorb rebellieren. Überhaupt fühlte sich ihr gesamter Oberkörper an, als hätte ein Riese mit ihm Baseball gespielt. Jeder Zentimeter ihrer Haut brannte wie die Hölle, vom Fleisch darunter ganz zu schweigen. Ihre Arme pochten von der Schulter bis zu den Fingerspitzen, ihre Beine kamen ihr gefährlich wacklig vor. Und hinter ihren Schläfen dröhnte und vibrierte eine gewaltige Migräne. Dell staunte regelrecht, dass sie noch alle Zähne an ihrem Platz wiederfand und – zumindest auf den ersten Blick – keine Finger und keine Beine gebrochen waren.
Auch wenn sie sich so anfühlten.
»Antrag angenommen.« Mikyung Lee nickte knapp und entschlossen. Feucht glänzendes Blut bedeckte ihr halbes Gesicht, das von Schnitt- und Schürfwunden gezeichnet war. Es schien sie jedoch kaum zu stören. »Au, auer, am austen. Alles klar. Nächster Tagesordnungspunkt: Scheißdreck. Kann man daraus vielleicht ein Verb machen? Ich scheißdrecke, du scheißdreckst, er/sie/es scheißdreckt …« Sie kicherte leise.
Dell ächzte, als sie die protestierenden Glieder vorsichtig streckte und sich umsah. Ihre Rutschpartie hatte einmal mehr äußerst unsanft geendet – am Boden einer steinigen und düsteren Schlucht, von denen diese Gegend wahre Unmengen bereitzuhalten schien. Und eine war trostloser als die andere. Meterhoch ragten die steilen Felswände um die beiden Frauen herum gen Himmel auf, und nichts wies Dell den Weg zu einem nahen Ausgang. Oder gar zu einem Arzt. Letzteren vermisste sie am meisten, allerdings nicht nur für sich selbst.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie. Die Worte kamen ihr hohl vor. Was sollte hier schon in Ordnung sein?
Doch Lee nickte wieder. »Alles am austen, aber ich werd’s überleben. Schließlich scheißdrecken wir inzwischen ja wie die Profis. Findest du nicht?« Wieder kicherte sie.
Die ist mit Schmerzmitteln vollgepumpt, begriff Dell.
Fast empfand sie Neid. Aber nur fast. Sie trat zu ihrer Freundin – eine Bewegung, die ihr schmerzender Schädel ganz und gar nicht mochte – und untersuchte Lee genauer.
Die Mittdreißigerin und...




