Imgrund | Der Wurm | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 152 Seiten

Imgrund Der Wurm

Eine kleine Geschichte. Roman
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-89741-900-1
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine kleine Geschichte. Roman

E-Book, Deutsch, 152 Seiten

ISBN: 978-3-89741-900-1
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die stumme Martha kehrt als alte Frau auf den verfallenden Berghof ihrer Familie zurück. Es ist eine Flucht vor der Welt: Denn schon wieder kriecht jener braune »Wurm« ins Tal, der in ihrer Kindheit so viel Leid auf den Berg gebracht hat. Sie will nicht noch einmal erleben, wie sich dieser Parasit in den Köpfen der Menschen einnistet und sie zu unvorstellbaren Taten treibt. Und so hört sie mit dem Essen auf, wie sie im Krieg mit dem Sprechen aufgehört hat. Doch die Welt, der sie entfliehen will, stöbert Martha in ihrem Mauseloch auf. Und nie verheilte Wunden müssen wieder aufreißen, damit schmerzhafte Geheimnisse endlich ans Licht kommen können ... »Eine kleine Geschichte über die Menschlichkeit in Zeiten der Entmenschung, die unaufhaltsam ihre Wucht entfaltet.«

Barbara Imgrund ist in Niederbayern geboren und im Allgäu aufgewachsen; in München hat sie Germanistik studiert. Anschließend arbeitete sie als Lektorin in verschiedenen renommierten Verlagen. Seit 1998 ist sie selbstständig als Lektorin, Literaturübersetzerin und Schriftstellerin und lebt seit 2000 in Heidelberg. Inspiriert von ihren ehrenamtlichen Einsätzen im Hospizdienst und im Tierschutz, beschäftigen sich ihre Texte immer wieder mit der Frage, wie wir Menschen in den Stürmen des Lebens bestehen und was uns am Ende des Tages wirklich wichtig ist. Imgrund ist Mitglied der GEDOK Heidelberg und des Netzwerks Lyrik.
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1

Der kleine Hof duckt sich an den Steilhang wie ein neugeborenes Lamm, das den Adler über sich am Himmel spürt. Ausgebleichte Schindeln auf dem Dach und am Giebel, unter dem First ein verwitterter Gekreuzigter. Bröckelnder Putz und Fensterläden, die einmal grün waren. Der umlaufende Balkon wurmstichig, von Alter und Feuern geschwärzt, während nebenan Backofen und Schober zerfallen.

Den Hof umschließen Wiesen, abschüssig bis zur Felskante, darunter ein schwarzer Schlund, der ins Bodenlose lockt. Über den Wiesen nur noch Wald, Fels und Einsamkeit. Das Dorf ist außer Sichtweite, fern wie jede andere menschliche Behausung oder der Mond. Noch immer führt hierher nur ein schmaler Pfad, den Generationen in den Bauch des Bergs getreten haben.

Zu Hause.

Sie kennt jeden Stein, jeden Balken. Sie weiß bis in ihre Träume hinein, wie die Stubentür klagt, wenn man sie öffnet; sie riecht den Stall, in dem schon lange keine Tiere mehr stehen. Ihr fällt ein, dass das frischgebackene Brot nach Glück schmeckte und wie gut die Mutter trösten konnte. Sie hat nie wieder daran gedacht.

Ihr Blick fliegt zum Haus hinüber; ihre Füße folgen langsam. Nun drei ausgetretene Steinstufen hinauf, und sie steht vor der Haustür: Gleich wird sie auffliegen, und Beppi wird bellend an ihr hochspringen, und die Geschwister kommen gelaufen, und es wird wie immer sein.

Aber wie immer ist vergangen und schon so lange her.

Der Haussegen in Kreideschrift über dem Türsturz ist kaum noch zu lesen. Es gibt auch jetzt kein Schloss, hier war nie etwas zu holen. Sie greift nach der schmiedeeisernen Klinke. Viele Hände haben sie blank poliert, viele Hände, mit denen sie nun verbunden ist, über die Zeiten hinweg. Das hat die Mutter stets gesagt, in der Stimme die Duldsamkeit der Bergbauern, die sich in das schicken, was ihnen der Herr über den Lauf der Dinge hier oben zuteilt: Gott oder der Berg oder wie er auch heißen mag. Es muss ein Er sein, solche Dinge kommen nicht von einer Sie.

Martha murmelt etwas, das nicht einmal bis an ihre eigenen Ohren dringt. Sie spürt, wie es tief in ihrer Kehle vibriert, wie es auf halbem Weg im Hals stecken bleibt. Sie lässt es dort. Hier am Hof wurden Worte nur um das Nötigste gemacht.

»Ein Wetter kommt

»Das Kalb liegt noch nicht richtig

»Was sollen die Buben in diesem Krieg

Sie drückt die Klinke herunter, und die Tür schwingt auf in einen halbdunklen Gang; das Licht des Tages fließt hinein wie zäher Teig. Es riecht nach all den Seelen, die hier gelebt haben, den zweibeinigen und den anderen auch. Martha ist jetzt wieder vier oder fünf Jahre alt. Ein Kätzchen, geliebt und lange verwest, schleckt die Milch auf, die jemand vergossen hat. Die kleine Schwester, deren Beinchen von der Rachitis krumm sind, lässt sich mit einer Gänseblümchenkette zur Prinzessin krönen. Die Mutter liegt samstags auf den Knien, um die dunklen Bohlen mit Sand zu scheuern, damit das Haus zum Kirchgang blitzt.

Vor einem ganzen Leben ist Martha ins Tal gegangen. Manches wurde unten einfacher: Strom und fließend Wasser, bequeme Wege, genug zu essen, Fortschritt und irgendwann ein bisschen...


Barbara Imgrund ist in Niederbayern geboren und im Allgäu aufgewachsen; in München hat sie Germanistik studiert. Anschließend arbeitete sie als Lektorin in verschiedenen renommierten Verlagen. Seit 1998 ist sie selbstständig als Lektorin, Literaturübersetzerin und Schriftstellerin und lebt seit 2000 in Heidelberg. Inspiriert von ihren ehrenamtlichen Einsätzen im Hospizdienst und im Tierschutz, beschäftigen sich ihre Texte immer wieder mit der Frage, wie wir Menschen in den Stürmen des Lebens bestehen und was uns am Ende des Tages wirklich wichtig ist. Imgrund ist Mitglied der GEDOK Heidelberg und des Netzwerks Lyrik.



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