E-Book, Deutsch, 100 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
Jackson Ein Weihnachtsmärchen in Montana
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95649-991-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 100 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-95649-991-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ausgerechnet in Montana, das Chase nach einer Tragödie verließ, muss er nun die Feiertage verbringen. Doch als er die hochschwangere Lesley aus dem Schneesturm rettet, scheint ein Weihnachtswunder möglich.
Ihre Schwester animierte Lisa Jackson zum Schreiben. Mittlerweile zählt sie zu den amerikanischen Top-Autorinnen, ihre Romane erobern regelmäßig die Bestsellerlisten. Die Schriftstellerin hat zwei erwachsene Söhne und lebt im Bundesstaat Oregon.
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PROLOG
Dezember
Minneapolis, Minnesota
I’m dreaming of a White Christmas …“
Über dem Klingen der Kristallgläser, dem perlenden Lachen und den angeregten Gesprächen auf der Feier in der Firmenzentrale der Fortune Corporation war die Stimme der Sängerin nur noch schwach zu hören.
Chase Fortune beobachtete das festliche Treiben mit zynisch verzogenem Mund. Er war hier so fehl am Platze wie ein Ackergaul in Churchill Downs auf dem Kentucky Derby, aber im Moment war das eben nicht zu ändern.
Er trank einen Schluck aus der langstieligen Champagnerflöte und wünschte, er wäre überall anders, nur nicht hier auf der Geburtstagsparty zum achtzigsten Geburtstag seiner Großtante Kate, mitten im Herzen Amerikas.
Ein gut sechs Meter hoher Weihnachtsbaum, geschmückt mit unzähligen funkelnden Lichtern und festlichen roten Seidenschleifen, stand in der Mitte des Saals, während die Eisstatue bei der Tür, ein Engel mit Harfe und Flügeln und Heiligenschein, langsam zu schmelzen begann. Angestellte glichen die Namen auf den Einladungskarten mit denen auf der Gästeliste ab.
Das Ganze war ein Witz.
Chase zerrte am Kragen seines Smokinghemds, das ihn einzuengen schien, und stürzte dann den Rest Champagner hinunter. In dem großen Raum mit der hohen Decke tummelten sich die Verwandten, die er schon sein ganzes Leben kannte. Sie hatten sich in Schale geworfen und teure Geschenke mitgebracht – die alle für einen wohltätigen Zweck gespendet werden würden –, um Kate Fortune, der couragierten, eleganten Matriarchin seiner Familie die Ehre zu erweisen.
Was würde er jetzt nicht für ein eiskaltes Bier, seine staubigen Cowboystiefel und eine volle, verqualmte Bar geben, in der man auf dem Fernseher das Basketballspiel schauen oder sich fluchend über die Rinderpreise ereifern konnte. Alles untermalt von Musik von Garth Brooks oder Waylon Jennings, die aus den Lautsprechern an der Wand ertönte.
Stattdessen war er hier in der Stadt, sah den Regen an den Fensterscheiben herunterlaufen und konnte die Abneigung seiner Schwester Delia förmlich bis hierher spüren. Schon vor Langem hatten sie sich entfremdet, und auch hier unternahm Delia eine ganz bewusste Anstrengung, ihm aus dem Weg zu gehen. Nicht, dass es ihn auch nur einen Deut stören würde.
„Happy Birthday to you …“
Damit gelang es der großen, gertenschlanken Sängerin in dem eng anliegenden goldenen Kleid, die auf dem dunklen Haar eine neckisch schief sitzende Nikolausmütze trug, endlich die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zu ziehen. Die Menge fiel in den Song mit ein, und Kate Fortune, der man auf die leicht erhöhte Bühne geholfen hatte, lächelte der Menge aus ihren hellwach leuchtenden blauen Augen zu – trotz ihrer Lebensjahre, deren Anzahl sie eigentlich in die Gruppe der „Älteren“ katapultiert hatte. Rüstig und elegant, wie sie war, lachte sie herzlich, als das Lied verklang, hielt eine kleine Rede und nahm Hände schüttelnd die Glückwünsche entgegen, umarmte Kinder und Enkel und aus welchen Nachzüglern auch immer ihre ausgedehnte Familie noch bestand.
Chase gehörte zu der letzten Kategorie. Während der Rest der Fortune-Familie wie eine Herde zusammenrückte, war er das mutterlose Kalb, der raubeinige Streuner. Freiheitsliebend und nicht bereit, konform mit dem zu gehen, was der Rest der Fortunes als das Beste ansah. Mit der Kosmetikfirma, Aktienpaketen, Unternehmenskonglomeraten und Firmenzusammenschlüssen konnte er nichts anfangen.
Und warum, zum Teufel, bin ich dann hier, wenn mich das alles nicht interessiert?
Er stellte das leere Glas auf einem silbernen Tablett ab, griff sich ein neues und stieß mit der Schulter eine der hohen Flügeltüren auf, die auf die überdachte Terrasse hinausführten. Die Luft war frisch und kalt, es roch nach Regen. Zwei Stockwerke tiefer fuhren Autos über die nassen Straßen und spritzten Pfützen auf. Das Brummen der Motoren war bis hier herauf zu hören, die Lichter der Stadt strahlten hell in der Dunkelheit, verliehen der Nacht eine festliche Atmosphäre. Unten an der Straßenecke läuteten ehrenamtliche Helfer mit Glocken und baten um Spenden.
„Habe ich doch richtig gesehen, dass du dich hier nach draußen verzogen hast.“
Überrascht wandte er sich um. Seine Großtante, eine Nerzstola um die Schultern, war nach draußen gekommen.
„Ich dachte mir schon, dass es da drinnen ein wenig zu eng für dich ist.“ Sie drehte den Kopf zur Tür, die sie hinter sich geschlossen hatte, und schaute in den überfüllten Saal, wo die Party in vollem Gange war.
„Ein bisschen vielleicht schon, ja.“ Er lächelte seine Tante an. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Kate.“
„In meinem Alter ist jeder Geburtstag ein besonderer Geburtstag, glaube mir“, erwiderte sie leise lachend. „Wer weiß? Es könnte ja der letzte sein.“
Das glaubte Chase keine Sekunde lang. Mit ihrer Lebensfreude und Energie würde sie wahrscheinlich noch die meisten ihrer Kinder und ein paar von ihren Enkeln überleben. „Das bezweifle ich.“
„So?“ Sie schritt zur Balustrade am Ende der Terrasse und blickte zu den Wolkenkratzern auf. Nieselregen fiel auf ihr Gesicht, sie blinzelte.
„Wie ist es dir gelungen, der Menge da drinnen zu entfliehen?“
„Oh, mit dem Alter erhält man auch gewisse Privilegien.“ Sie wandte sich zu ihm um. „Außerdem habe ich Sterling und Jake gesagt, dass ich nicht ständig behelligt werden will.“ Sterling Foster war Kates Mann und Anwalt, einer der wenigen, die wussten, dass Kate vor acht Jahren einen Flugzeugabsturz überlebt hatte, als jemand einen Anschlag auf sie verübt hatte. Jake war ihr ältester Sohn. „Außerdem wollte ich ein paar Minuten mit dir allein haben.“ Sie wurde ernst. „Ich habe dir nämlich ein Angebot zu unterbreiten.“
„Hört sich irgendwie riskant an“, witzelte er.
„Möglich.“ Wieder lachte sie leise. „Du hast den gleichen Humor wie dein Vater.“
„Mir ist nie aufgefallen, dass er Sinn für Humor hätte.“ Chase hatte nicht vor, in die Falle zu tappen und sich einreden zu lassen, er hätte auch nur die geringste Ähnlichkeit mit seinem alten Herrn. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Zeke Fortune alles gehabt – eine liebevolle Ehefrau, Kinder, die zu ihm aufschauten, ein gut gefülltes Konto und die verdammt beste Ranch in ganz West-Montana. Doch irgendwie war es ihm durch ein Zusammentreffen von schlechtem Timing, schlichtem Pech und einem wirklich miserablen Urteilsvermögen tatsächlich gelungen, sich all dies nehmen zu lassen. Und wenn Chase eines in seinem Leben nie wieder sein würde, dann ein Verlierer. Er hatte bereits genug verloren, mehr, als die anderen ahnten.
„Oh, Zeke besaß sogar einen ganz wunderbaren Humor.“ Kate seufzte bedrückt. „Aber dann hat das Leben ihm den Humor geraubt. Lass nicht zu, dass dir das Gleiche widerfährt, Chase.“
Es behagte ihm nicht, an seinen alten Herrn zu denken – oder an seine ganz persönliche Hölle. „Du erwähntest etwas von einem Angebot.“
„Mmm.“ Mit beiden Händen stützte sie sich auf die Balustradenmauer. Es schien ihr nichts auszumachen, dass der Wind an ihrer Frisur zerrte. „Eigentlich ist es ein ganz gradliniger Handel. Du weißt doch, dass ich vor ein paar Jahren schon für tot gehalten wurde. Und da jeder dachte, ich wäre bereits in die himmlischen Gefilde im Jenseits aufgefahren, hielt ich es für den passenden Zeitpunkt, die Erbanteile unter den Familienmitgliedern zu verteilen.“
Chase nickte. „Ja, ich erinnere mich noch.“
„Ich finde, es hat sich gut gefügt“, meinte sie nachdenklich. „Zum Beispiel habe ich meinem Enkel Kyle, wenn du dich entsinnst, eine ziemlich große Ranch in Wyoming überlassen. Natürlich gab es dabei einen Haken – er musste ein halbes Jahr auf der Ranch leben, bevor sie ihm richtig gehörte. Ich bin sicher, dass er mich mehr als ein Mal heimlich verflucht hat. Immerhin ist er ein Stadtmensch, und ich habe ihn damit gezwungen, seinen Lebensstil zu ändern. Doch es hat funktioniert.“
Ja, Chase konnte sich noch gut erinnern, und wenn er ehrlich war, dann musste er zugeben, dass der Neid damals an ihm genagt hatte, nachdem er gehört hatte, dass sein Playboy-Verwandter die riesige Ranch geerbt hatte. Allerdings hatte er damals eigene Probleme um die Ohren gehabt. Um sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen, gab er sich ungerührt und schob die Hände in die Hosentaschen. „Und was hat das jetzt alles mit mir zu tun?“
„Ich möchte dir etwas Ähnliches vorschlagen.“
Die Muskeln in seinem Nacken verspannten sich unwillkürlich, wie immer, wenn er ahnte, dass Ärger aufzog. „Was ist das für eine Art Vorschlag?“ Er selbst konnte das Misstrauen in seiner Stimme wahrnehmen.
„Sieh mich nicht so finster an, es gibt keinen Haken. Vertrau mir. Ich habe da eine neue Ranch in West-Montana, eine, die leider erhebliche Hilfe braucht, um wieder auf die Beine zu kommen.“ Sie rieb die Hände aneinander, massierte sich die Fingerknöchel. „Es versteht sich wohl von selbst, dass ich nicht mehr in der Lage bin, das selbst zu übernehmen, und du bist derjenige in der Familie, dem es wohl am ehesten gelingen kann. Erstens fällt das in dein Metier, und, wie der Zufall es will, liegt sie gleich bei dir um die Ecke.“
Chase glaubte nicht an Zufälle, aber das würde er jetzt nicht erwähnen.
„Also, es schaut folgendermaßen aus, Chase … Du hast ein Jahr, um die Ranch aus den roten Zahlen herauszuholen, die sie schon länger schreibt, und endlich Gewinn einzufahren. Wenn du das bis nächstes Jahr Weihnachten schaffst, gehört die Ranch und...