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E-Book, Deutsch, 368 Seiten
Jacob / Küpper / Mann Mörderische Weihnacht überall
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7499-0953-7
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
24 kurze Krimis für eine spannende Weihnachtszeit | Diese Anthologie bietet jeden Tag bis Weihnachten eine packende Geschichte - Adventskalender der düsteren Art
E-Book, Deutsch, 368 Seiten
ISBN: 978-3-7499-0953-7
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mord unterm Mistelzweig
Mörderische Weihnacht überall,
Kein Retter hier, reinste Qual.
Hört das Flüstern der Nacht,
Der Mörder hat's vollbracht.
Roter Schnee auf weißem Land,
Tödliche Hände, die ergreifen die Wand.
Geschenke verpackt, doch keine Freude,
Nur Schrecken und Angst und kein Zeuge.
Mit dieser neuen Anthologie wird den Krimi-Fans auch diesen Advent nicht langweilig. Mit packenden, furchteinflößenden und nervenaufreibenden Geschichten verkürzen uns Autorinnen und Autoren wie Franziska Henze, Anke Küpper, Henrik Siebold, Ben Westphal und viele mehr die Weihnachtszeit.
Anke Ku?pper studierte Germanistik, Romanistik und Medienwissenschaften in Hamburg, Bochum, Poitiers und Bordeaux. Seit u?ber zwanzig Jahren arbeitet sie als Buchautorin. Neben ihren Kriminalromanen, in denen sie ihre Wahlheimat Hamburg zum Schauplatz macht, hat sie mehr als achtzig Sachbu?cher und Pixi-Geschichten sowie zahlreiche Quizze und Spiele veröffentlicht, darunter einige Bestseller.Sie hat bereits mehrere Krimi-Anthologien herausgegeben, ist in Hamburg als Literaturveranstalterin aktiv und leitet Schreibworkshops. Außerdem engagiert sie sich bei den Mörderischen Schwestern, im Syndikat und im writers' room Hamburg für andere Schreibende.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Insel der Träume
Fynn Jacob
Es ist unwirklich, nur du und ich allein in der kleinen, einsamen Hütte. Draußen im Dämmerlicht leuchtet eine dünne Schicht frischen Schnees vor den bodentiefen Fenstern. Der Kachelofen strahlt wohlige Wärme in den einzigen Raum aus, neben der Küchenzeile steht der von dir frisch geschlagene, ungeschmückte Weihnachtsbaum. Ich rieche Tannenduft. Auf dem großen Holztisch erinnern die leere Weinflasche und die beiden halb vollen Weingläser an den gestrigen Abend, über der Rückenlehne eines Stuhls hängt, leicht windschief, mein neuer Wollpulli. Noch immer liege ich in deinem Arm, in dem ich zufrieden und erschöpft eingeschlafen bin, meine Hand auf deinem mächtigen Brustkorb, der sich im langsamen Rhythmus hebt und senkt, die Bettdecke über uns. Mein kleines Glück, unverhofft, so schön.
Und ich habe Angst.
»Sie muss sterben.« Du redest im Schlaf. Du wirfst den Kopf hin und her, deine Augen sind geschlossen, aber deine Lippen sind unentwegt in Bewegung, mit fiebriger Geschwindigkeit, leise, fast flüsternd, und mit unbarmherziger Bestimmtheit. »Ich muss es tun. Ich muss sie töten.« Immer wieder.
Zuerst habe ich mir nichts dabei gedacht, dich einfach beobachtet. Ich gebe zu, ich fand es sogar ein bisschen amüsant, einen zwei Meter großen Modellathleten zu sehen, der sich wie ein Baby wälzt, weil er von Albträumen geplagt wird. Ich habe kurz überlegt, mich vorsichtig aus deinem Arm zu winden, um das hier ansonsten nutzlose Handy aus meiner Handtasche auf der Kommode neben der Garderobe zu holen, ein Video von dir aufzunehmen und dich morgen damit ein wenig aufzuziehen. Doch das wäre irgendwie mies gewesen, also bin ich liegen geblieben. Ich wollte dich gerade aufwecken, um dich aus deinen Qualen zu erlösen, da sagtest du wieder etwas. Du hattest dich weggedreht, sodass ich deine Worte und ihre Bedeutung erst nach und nach verstand.
»Es tut mir leid. Maria! Es tut mir leid.«
Ich spüre noch immer, wie das Frösteln meine Wirbelsäule entlangwanderte. Wie ich in der Bewegung erstarrte, den Atem anhielt. Maria. Dieser Name hat alles verändert.
Ich kenne nur eine Maria, und ich weiß, du kennst sie auch. Maria studierte wie ich Biologie, und wie ich hing sie einige Semester hinterher. Braunes Haar und Haarnadeln in genau derselben Farbe. Sie und ich waren nicht unbedingt befreundet, aber wir besuchten abends die gleichen Clubs und gelegentlich auch dieselben Partys. So wie auch letztes Jahr im November, als ich zusammen mit ihr unterwegs war und wir dich kennenlernten. Ich habe dich angesprochen, und sie hat sich zu uns gesellt. Um ehrlich zu sein, hast du dich danach ziemlich schnell nur noch für sie interessiert und sie sich offensichtlich für dich. Später habe ich euch aus den Augen verloren wegen irgendeines Typen, dessen Namen ich schon wieder vergessen habe. Zu lange her, ein anderes Leben. Als ich Ende September von meiner Auszeit wieder zurückkam, war Maria nicht mehr da. Nicht auf den Partys, nicht in den Clubs, nicht im Hörsaal. Irgendwann schnappte ich auf, dass sie schon seit Längerem verschwunden war, niemand wusste etwas Genaueres.
Und jetzt das. Hier, mitten in der Einsamkeit dieser Insel irgendwo im südschwedischen Schärengarten. Ihr Name. Maria. Aus deinem Mund.
Langsam, Atemzug für Atemzug, dränge ich die Angst zurück. Keine voreiligen Schlüsse, es gibt für alles eine rationale Erklärung. Du bist der netteste und höflichste Mensch, dem ich je begegnet bin. Mit deinem neckischen Grinsen und den hellblauen Augen, die nicht falsch sein können. Es dauert ein paar Minuten, bis ich mich wieder beruhigt habe. Der Schreck geht langsam, aber er geht. Ich habe einfach nur überreagiert. Ganz bestimmt.
*
Erst gegen zehn Uhr hat sich der Morgennebel verzogen. Es ist zwei Tage vor Heiligabend, die Sonne, die nun auch über die Wipfel der Tannen in der Nähe des Ufers linst, hat sich endlich durchgesetzt und den Schnee der Nacht geschmolzen. Nur noch wenige Wolkenreste ziehen Richtung Norden. Die Welt lacht uns an, das Dunkel der Nacht ist verschwunden. Ich kenne meine Diagnose, die Ärzte haben mir gesagt, dass diese Träume wieder auftreten können. Und ich weiß, dass ich damit umgehen kann. Außerdem haben wir gestern so einige Flaschen Wein geleert.
»Besser als Kaffee, oder? Selbst gemachter Tee, von dem, was uns die Natur hier schenkt. Weckt die Lebensgeister.« Ich nicke, du schenkst mir nach. Zum Frühstück gibt es Schwarzbrot mit gesalzener Butter, dazu Räucherlachs. Es schmeckt großartig. Der Kater lässt nach, und du gerätst ins Plaudern. Im Winter hierherzukommen ist deine Weihnachtstradition. Du erzählst, dass deine Großeltern dieses Häuschen gebaut haben und dass ihr früher mit der Familie immer die Sommerferien hier verbracht habt. Urlaub ohne Handyempfang. Schwimmen, Kanu fahren, Lagerfeuer machen. Es klingt wildromantisch.
»Mein Bruder und ich haben oft im Schlafsack draußen übernachtet. Je länger du nach oben schaust, desto mehr Sterne entdeckst du. Richtig dunkel wird es dann eigentlich gar nicht mehr.«
Ich mag deinen Akzent, der noch immer etwas hölzern klingt. Ich mag dich. Deine Haare sind verwuschelt, man sieht dir an, dass du gerade erst aus dem Bett aufgestanden bist. Es steht dir. Ich weiß, dass ich verknallt bin.
Du schlägst einen Ausflug vor. Deswegen seien wir schließlich hier, wegen der Natur. Wir gehen vor die Tür, du schließt nicht ab, niemand außer uns ist hier. Ich staune über die intensiven Farben. Am Steg schaukelt auf dem glitzernden Wasser dein offenes Motorboot, die Plane, die du gestern über den Steuerstand gezogen hast, glänzt noch feucht. Ich habe keine Ahnung, wie man das Ding fährt, geschweige denn von den Gewässern dieser Gegend. Du hast auf der Überfahrt die tückischen Felsen knapp unter der Wasseroberfläche erwähnt, die für Ortsfremde nur schwer zu erkennen sind. Der Kiesweg hinunter zur Anlegestelle führt über eine sattgrüne Wildwiese, die zum Ufer hin in Fels übergeht.
»Ich zeige dir die ganze Insel. Dauert auch nicht lange.«
Wir gehen dicht am Ufer entlang, über Gras und Felsen. Links, zum Inselinneren hin, wächst wildes Gestrüpp, zwischen Hagebuttensträuchern und Farnen erkenne ich Brennnessel, Barbarakraut, Giersch und andere Wildkräuter, dahinter erheben sich flache Nadelhölzer und ein paar Birken. Ich greife nach deiner Hand, es passiert einfach so, du lächelst mich an. Einen Augenblick lang befürchte ich, rot zu werden, deshalb wende ich den Blick nach rechts in Richtung Meer. Die nächsten beiden Inseln sind nur wenige Hundert Meter entfernt. Auf einer steht ein Haus, im gleichen leuchtenden Rot gestrichen wie das deiner Familie, aber aus dem Schornstein steigt kein Rauch auf. Schweigend gehen wir weiter. Es dauert nur zehn Minuten, dann haben wir die kleine Insel fast umrundet.
»Jetzt kommt mein Lieblingsplatz. Pass auf!«
Wir erklimmen einen letzten Felsen, auf dem malerisch eine kleine Tanne sitzt, dann öffnet sich vor dem nächsten Felsen eine winzige flache Bucht, nur wenige Meter breit.
»Und?«
»Na ja, ganz nett«, versuche ich ihn aufzuziehen. »Wenn jetzt hier noch Sandstrand wäre …«
»Das wirst du noch büßen.« Es soll scherzhaft klingen, aber mir entgeht die darunterliegende echte Enttäuschung nicht.
Wir steigen hinab, ein breiter Stein dient uns als Sitzgelegenheit. Vor uns blaues Wasser wie aus der Werbung, natürlich zieht ein Schwarm Möwen seine Kreise, ab und zu stürzt sich eine von ihnen ins Meer. Zu schön, um wahr zu sein. Auch du schaust ihnen nach.
»Eigentlich seltsam. Menschen lieben Möwen, dabei sind sie äußerst hinterhältige Jäger. Sie können nichts dafür, es liegt nun einmal in ihrer Natur. Sie folgen nur ihrem Instinkt, wie alle Raubtiere.« Du grinst mich an. »Sie bringen den Tod.« Es soll wohl lustig klingen.
Ich erinnere mich an den frühen Morgen. Darauf muss ich dich doch ansprechen, entscheide ich und atme einmal tief durch. »Du, kann ich dich mal was fragen?«
»Klar, was immer du willst.«
Ich suche nach einem Anfang. »Als wir uns kennengelernt haben, du und ich und Maria … Wie ist es eigentlich mit euch weitergegangen? Hast du noch Kontakt zu ihr?«
Es kommt mir vor, als ob ein Schatten über dein Gesicht huscht. Vielleicht ist es der von einer der über uns hinwegfliegenden Möwen.
»Da war nichts«, sagst du. »Nur eine Nacht. Ich habe sie nie wieder gesehen.« Dein Mundwinkel zuckt.
Ich höre förmlich die Lüge heraus. Bitter schlucke ich weitere Fragen mit einem Lächeln herunter.
Wir gehen wieder zur Hütte. Auf der Rückseite erstreckt sich eine freie Fläche bis zum Waldrand, die Bäume werfen noch immer lange Schatten, deshalb ist der Schnee hier noch nicht geschmolzen. Trotzdem kann man noch gut erkennen, dass hier früher ein Nutzgarten war, du erzählst, dass deine Oma ihn damals angelegt hat. Die mit Natursteinen eingefassten Beete sind inzwischen größtenteils überwuchert, dünnes Gras und Pflanzen, die ich nicht kenne, ragen aus den Schneeresten empor. Einige kahle Stängel erinnern mich an die Schwarze Tollkirsche. Ob du weißt, dass sie hochgiftig ist? Schon kleinste Mengen können Halluzinationen auslösen, höhere Dosen zu Lähmung und schließlich zum Tod führen. Wenn jetzt Sommer wäre und ich die Früchte sehen könnte, wäre ich mir sicher.
Ein längliches Beet fällt mir auf, rechteckig,...