Jelinek | Eine Frage der Herkunft | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Jelinek Eine Frage der Herkunft

Familien, die Geschichte machten
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-903441-05-7
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Familien, die Geschichte machten

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-903441-05-7
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm Porsche, Trapp, Quandt und Wittgenstein sind nur einige klangvolle Namen von Familien, die über Generationen Geschichte schrieben. Die Fugger werden von einfachen Webern zu Bankiers und Finanziers des Kaisers, die Bruegels mit ihren Gemälden zu Chronisten ihrer Zeit. Die Steinschneider Miseroni aus Mailand bereichern die Kunstkabinette der Fürstenhäuser, während K. u. K. Hofjuwelier Köchert Kaiserin Elisabeths berühmte »Sisi-Sterne« erstrahlen lässt. Sie alle nutzen Chancen, prägen Werte sowie ihr Umfeld und geben ihre Erfolge weiter. Im Spannungsfeld von Genie, Erbe, Glück und Begabung erzählt Erfolgsautor Gerhard Jelinek in faszinierenden Porträts die Geschichte internationaler Dynastien, deren Namen bis heute von einem glanzvollen Mythos umgeben sind.

Gerhard Jelinek, Prof., Dr., arbeitete 1989-2019 beim ORF, u. a. als Leiter der Abteilung »Dokumentation und Zeitgeschichte« sowie der Sendungen »Report« und »Newton«. Der Jurist und erfahrene Journalist gestaltete über 80 politische und zeitgeschichtliche Dokumentationen und Porträts. Für ServusTV drehte er die 6-teilige Dokureihe »Österreichs wunderbare Jahre« und zuletzt anlässlich des 100. Todestags des letzten Habsburgerkaisers »Kaiser Karl - eine Spurensuche«.
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Die Eppensteiner


Am Anfang war »Rot-Weiß-Rot«


Das fängt ja gut an. Denn schon mit der ersten Familiengeschichte werden die Ankündigungen des Vorwortes über den Haufen geworfen. Aber es gibt eine gute Begründung dafür, warum wir hier in den historischen Rückspiegel schauen und in weiter, sehr weiter, Ferne eine Familie auf ihren Burgen und Wohnsitzen zwischen dem Friaul und St. Lambrecht besuchen wollen.

Im frühen Mittelalter – so um die erste Jahrtausendwende herum – begegnen die geneigte Leserin und der geneigte Leser einem Geschlecht, das in der historischen Überlieferung »Eppensteiner« genannt wird oder aber auch »Markwarte«. Im frühen Mittelalter gab es diesen Familiennamen aber noch gar nicht. Die Eppensteiner werden erst nach ihrem Aussterben so genannt. Wie gesagt: Es fängt schon gut an.

Warum verleugnen wir unsere wohlbegründeten Absichten und widmen uns einer Familie, die – zweifellos – (Früh-) Geschichte gemacht hat, aber doch eine adelige Dynastie darstellt und von der wir sehr wenig wissen? Der Buchdruck war noch nicht erfunden, und Informationen aus dieser Epoche erreichen uns vielfach nur über Zufallsfunde in Urkunden über Streitfälle und deren Schlichtung, über Urteile und Stiftungen sowie Verkäufe an Klöster oder Pfarren. Auch der Name Ostarrichi taucht ja erstmals in einem Kaufvertrag aus dem Jahr 996 auf. Die erste Erwähnung Österreichs? Eher die erste erhalten gebliebene Erwähnung dieses Landstrichs im Osten des bayrischen Herzogtums.

Also, warum die Eppensteiner? Weil sie Geschichte gemacht, aber nicht darüber geschrieben haben.

Unter diesem posthumen Namen werden einige Herzöge von Kärnten zusammengefasst, deren Aussterben mangels männlicher Sprösslinge Anno Domini 1122 Österreich die rot-weiß-rote Fahne verdankt. Das ist doch ein wirklich bedeutender historischer Meilenstein (von vielen, aber nicht allen Geschichtsschreibern erkannt). Und das kam so:

Die Eppensteiner gelten als erstes »heimisches« Herzogsgeschlecht, das sein Eigengut und die kaiserlichen Lehen (vom Kaiser geliehene Herrschaftsrechte über Landstriche inklusive der daraus zu erzielenden Einnahmen) zunächst an die steirischen Traungauer und diese wiederum nach zwei Generationen an die Babenberger, damals schon Herzöge von Österreich, vererbten.

Das »rot-weiß-rote Bindenschild« ist demnach keine geschichtliche Randnotiz der Belagerung von Akkon, die sich im Dritten Kreuzzug anno 1191 zugetragen hat. Dort soll Herzog Leopold V., »der Tugendhafte«, im Schlachtgetümmel gegen die muslimischen Mauren derart aktiv gewesen sein, dass sein weißer Waffenrock sich vom Blut der Feinde tiefrot färbte: tugendhaft vielleicht, sanftmütig sicher nicht.

Nach geschlagener Schlacht nimmt Leopold seinen breiten Waffengürtel ab und steht im schönsten Rot-Weiß-Rot vor seinen Mitstreitern. Das Corpus Delicti, der blutgetränkte Waffenrock, soll noch ein halbes Jahrtausend in Maria Enzersdorf bei Wien und später in der Perchtoldsdorfer Burg aufbewahrt worden sein, ehe die osmanischen Heerscharen das Beweisstück ihrer Niederlage vor Akkon um 1529 verschwinden lassen. Wieder eine Legende, die aber einen wahren Kern haben könnte. Immerhin hielten sich die Babenberger gern im südlichen Wiener Umland auf. Leopolds Bruder Heinrich der Ältere, der sich »Herzog« nannte und einen eigenen Hof hielt, lebte auf der von ihm errichteten Burg Mödling.

Ein schwarzer Panther auf silbernem Grund. Das eigentliche Banner des kampfesmutigen Babenberger-Herzogs Leopold V. ist in der Schlacht von Akkon verloren gegangen. Genauer gesagt: Es wurde von den Zinnen der Mauer gestoßen. Der Übeltäter ist bekannt. Es war König Richard Löwenherz, der solcherart die Hierarchie wiederherstellte. Das Banner eines Herzogs hat nichts neben den siegreich über Akkon wehenden Flaggen eines englischen oder französischen Königs zu suchen, dachte der Engländer. Außerdem musste Englands König den Anspruch eines eher unbedeutenden Herzogs auf ein Drittel der Kriegsbeute als Anmaßung empfinden, weil das Häufchen der deutschen Kreuzritter unter dem Kommando Leopolds nur einen bescheidenen Anteil am Sieg über Sultan Saladin hatte. Dennoch: Das eigene stolze Banner im Dreck vor der Küstenstadt Akkon liegen zu sehen, muss Leopold als Demütigung empfinden, obwohl ihm Kaiser Heinrich VI. das Recht verleiht, fürderhin einen rot-weiß-roten Schild zu tragen. Die Geschichte wird in den österreichischen Lehrbüchern über Jahrhunderte, in denen Patriotismus noch als Tugend gilt, abgedruckt.

Die historische Tatsache, dass Österreichs Fahne als Lehenszeichen der Kärntner Otakare, also von vergleichsweise bescheidenen Landgrafen mit ihrem Lebensmittelpunkt im friulanischen Cordenons in der Provinz Pordenone und später den Eppensteinern abgeleitet werden kann, taugt nicht als Gründungslegende eines Gemeinwesens, das »einem starken Herzen gleich dem Erdteil inmitten liegt«. Die Farbwahl dürfte – darin liegt ein wahrer Kern der Kreuzfahrerlegende – dem Banner des Johanniterordens, einem silbernen Kreuz auf rotem Grund, geschuldet sein. Denn das, was heute im Rot-Weiß-Rot als weißer Balken gilt, gleißte ursprünglich silbern.

Im Mittelalter sind Symbole und Hierarchien wichtig. Die Aktion vor Akkon wird König Richard teuer zu stehen kommen. Leopold lässt den Engländer in einem Wirtshaus in Erdberg bei Wien verhaften und als Geisel auf der Kuenringer-Burg Dürnstein festsetzen. Erst nach jahrelangem Gefeilsche zwischen dem Kaiser, dem Herzog und dem König darf dieser gegen die Bezahlung von 100 000 Kölner Mark – das entspricht etwa 24 Tonnen Silber – wieder nach England ziehen und dort Robin Hood treffen. Ersteres ist keine Legende. Die Sache mit Robin Hood ist allerdings Walt Disney eingefallen. Mit seinem Anteil am erpressten Silber lässt Herzog Leopold Wiens Stadtmauern befestigen, eine Münzstätte errichten und Wiener Neustadt gründen.

Damit endet der kurze Ausflug in die Welt der Wappenkunde mit einer schönen Erkenntnis: »Rot-Weiß-Rot« hat nichts mit Feindesblut zu tun, sondern eher mit der Farbwahl der Kärntner Herzöge, deren Einflussbereich um die erste Jahrtausendwende vom oberitalienischen Friaul bis ins steirische Murtal reichte. Fahnen, Kriegszeichen, Standarten sind keineswegs belangloser Zierrat der Geschichte. Die Belehnung eines Grafen oder eines Herzogs erforderte ein sichtbares Zeichen, das vor Zeugen stattfand – eben die Übergabe der Lehensfahne. Symbole waren im alten deutschen Recht rechtsbegründend.

Bis heute hält die Gesellschaft an diesem Brauch fest. Vor jedem Fußballspiel werden Wimpel in den Vereinsfarben getauscht, Nationen identifizieren sich noch immer mit »ihrer« Fahne, Eide werden auf die Fahne abgelegt, und auch in den brutalen Kriegen unserer Tage werden Panzer und Geschütze mit Symbolen beschmiert: das »Z« als Erkennungsmerkmal des russischen Angreifers.

Es ist jetzt ziemlich genau eintausendundzehn Jahre her, dass ein gewisser Adalbero aus dem Haus Eppensteiner ums Jahr 1012 die Kärntner Herzogswürde übertragen bekommt. Familiäre Beziehungen mögen dabei eine Hauptrolle gespielt haben. Adalbero war mit Beatrix, einer Tochter des Herzogs von Schwaben, verheiratet und hatte sich als Markgraf von Verona und Friaul sowie als Vogt der Patriarchen von Aquileia auch Amtslehen in ganz Oberitalien gesichert.

Das Herzogtum Kärnten ist eine Schöpfung von Kaiser Otto II. Er trennt drei große Grafschaften von Bayern ab. Es ist die Strafe dafür, dass der bayrische Stammesführer Heinrich II. (genannt »der Zänker«) eine Verschwörung gegen den jungen Kaiser Otto angezettelt hatte. Der Bayer hätte sich nur zu gern die deutsche Königskrone aufs Haupt gesetzt. Dieser Ehrgeiz wird von den anderen deutschen Fürsten nicht geschätzt. Heinrich »der Zänker« wird jedenfalls besiegt, und Otto II. beschneidet die Macht der Herzöge von Bayern, indem er ein eigenständiges Herzogtum Kärnten, zu dem große Teile der heutigen Steiermark und des Friauls gehören, errichtet.

Die Eppensteiner werden Nutznießer dieser bayrischen Niederlage gegen die Ottonen, doch nicht lange. Nach nur zweieinhalb Jahrzehnten verscherzt es sich der erste Herzog Adalbero mit dem Kaiser. Er wird vor dem Fürstengericht in Bamberg angeklagt. Die Vorwürfe und das angebliche Delikt bleiben im historischen Dunkel. Ein Mönch berichtet vom »Hervortreten alten Hasses«. Immerhin ist die Angelegenheit so bedeutsam, dass Kaiser Konrad II. bei der Verhandlung öffentlich einen Ohnmachtsanfall erleidet (vortäuscht?), um das Gericht von der Schuld Adalberos zu überzeugen.

Der Herzog aus dem Haus Eppensteiner wird degradiert und muss Kärnten verlassen, weil er 1036 überdies einen Rivalen, den Friesacher Markgrafen Wilhelm von der Sann, eigenhändig erschlagen hat. Das war unelegant...


Gerhard Jelinek, Prof., Dr., arbeitete 1989–2019 beim ORF, u. a. als Leiter der Abteilung »Dokumentation und Zeitgeschichte« sowie der Sendungen »Report« und »Newton«. Der Jurist und erfahrene Journalist gestaltete über 80 politische und zeitgeschichtliche Dokumentationen und Porträts. Für ServusTV drehte er die 6-teilige Dokureihe »Österreichs wunderbare Jahre« und zuletzt anlässlich des 100. Todestags des letzten Habsburgerkaisers »Kaiser Karl – eine Spurensuche«.



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