Jelinek | Mutiger, klüger, verrückter | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Jelinek Mutiger, klüger, verrückter

Frauen, die Geschichte machten
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-903217-58-4
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Frauen, die Geschichte machten

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-903217-58-4
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mehr als nur schön anzusehen Sie waren außergewöhnlich. Sie haben die Welt verändert. Von den Anfängen der Zeit bis heute haben sich Frauen auf so verschiedenen Gebieten wie Politik, Kunst, Literatur oder Wissenschaft erfolgreich behauptet. Dabei mussten sie stärker und erfinderischer als Männer sein, um sich gegen Benachteiligung und Konventionen durchzusetzen - und bezahlten nicht selten einen hohen Preis: Maria Magdalena wird zur Sünderin gemacht. Olympe de Gouges fordert Menschenrechte für Frauen und wird zum Opfer der Französischen Revolution. Das 'Freudenmädchen' Ching Shih beherrscht mit einer Piratenflotte das südchinesische Meer und die englische Aristokratin Jane Elizabeth Digby wird zur heimlichen Königin von Damaskus ... Lesen Sie von mehr als zwei Dutzend inspirierenden Frauen - und von jenen Männern, die sie behinderten und förderten, hassten und liebten. Mit zahlreichen Abbildungen

Gerhard Jelinek, Prof., Dr., arbeitete von 1989 bis 2019 beim ORF, unter anderem als Leiter der Abteilung 'Dokumentation und Zeitgeschichte' sowie der Sendungen 'Report' und 'Newton'. Der Jurist und erfahrene Journalist gestaltete an die 50 politische und zeitgeschichtliche Dokumentationen und Porträts, von Helmut Zilk, Jörg Haider, Sebastian Kurz und anderen. Zahlreiche TV-Produktionen und Bücher.
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Lilith


Als Gott den ersten Menschen geschaffen hatte, sagte er: ›Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.‹ Und er schuf ihm eine Frau – gleich ihm – aus Erde und nannte sie Lilith.« Adam und Eva. Der erste Mann und die erste Frau. Falsch. In der hebräischen Mythologie heißt die erste Frau Lilith, nicht Eva. Die trifft erst später im Paradies ein. So beginnt die Geschichte der Menschheit in einem Dreiecksverhältnis. Gott erschafft Adam, den Menschen. Weil sich dieser einsam fühlt und das bunte Liebesleben der paarweise erschaffenen Tiere mit sich steigerndem Missvergnügen betrachtet, bittet er Gott, ihm ein Gegenstück zu schaffen. Gott zeigt sich verständnisvoll. Der Herr des Himmels und der Welt geht also nach dem gleichen bewährten Rezept vor. Wie bei Adam nimmt er Erde, Staub, Lehm und formt ein Geschöpf »nach seinem Ebenbild«. Mit Haut und langen Haaren. Adam hat eine Frau. Er kann nun die heißen sumerischen Nächte zu zweit verbringen. Es könnten paradiesische Zustände sein.

Aber der erste Mann Adam erweist sich als einfallsloser Liebhaber, seine Lilith hingegen ist eine selbstbewusste Partnerin. Sie pocht auf Gleichberechtigung in allen Lagen. Schließlich habe Gott sie aus dem gleichen Stoff geformt wie das männliche Pendant. Auch in ihrer Sexualität will Lilith gleichberechtigt sein, ihre Wünsche sind denen des Mannes nicht nachgeordnet. Wieder beschreibt die alte Überlieferung die Szene im Garten Eden klar und deutlich. Bald begannen die beiden zu streiten. Lilith sagte zu Adam: »Ich will nicht unter dir liegen.« Und er sagte: »Ich will nicht unter dir liegen, sondern auf dir, weil du verdienst, die Unterlegene zu sein und ich der Überlegene.« Sie sagte zu ihm: »Wir sind beide gleich, weil wir beide aus Erde gemacht sind.«

Der Geschlechterkampf hat also schon im Garten Eden begonnen. Aber Lilith fackelt nicht lange herum. Sie ruft den Namen ihres Schöpfers und erhebt sich in »die Lüfte der Welt«. Lilith scheint also durchaus Engelseigenschaften gehabt zu haben. Sie fliegt. Mit dieser Kunst ist sie aber nicht allein. Das Verlassen des Paradieses bleibt nicht unbemerkt. Nach einem Hinweis von Adam schickt der althebräische Gott der Mythen drei Engel aus, die Adams Frau wieder ins Paradies locken sollen. Lilith weilt derweilen am Roten Meer, heißt es geografisch eher unbestimmt. Da wir uns den Garten Eden irgendwo im Lande der Sumerer vorstellen wollen, wird sich die sagenhafte Lilith irgendwo an der Küste der Arabischen Halbinsel aufgehalten haben. Die ultimative Aufforderung, heim ins Paradies zu wandern, lehnt die selbstbewusste Frau ab. »Wie kann ich wie eine ehrbare Hausfrau leben?« Die Engel drohen damit, sie im Meer zu ertränken. Doch wieder zeigt sich der selbstbestimmte Charakter von Adams erster Frau. Sie denkt gar nicht daran, den Befehlen nachzukommen.

Es wird zwar noch eine Weile verhandelt, aber Gott straft Lilith, indem er täglich 100 ihrer »Dämonenkinder« tötet. Ganz logisch geht die Geschichte also nicht weiter. Wir lassen das aus. Adam, dessen Rolle allen später geborenen Männergenerationen nicht zur Ehre gereicht, ruft wieder einmal Gott an und beklagt sich bitterlich. Die Frau sei ihm davongelaufen.

Gott ist in diesem offenbar hauptsächlich von männlichen Priestern am Lagerfeuer weitererzählten Urmythos gegenüber Adam sehr verständnisvoll. Er rügt seine erste Schöpfung nicht, weil er sich wenig partnerschaftlich benommen hat. Nein, Gott geht neuerlich ans Werk und formt eine weitere Partnerin für Adam. Dieser ist allerdings sehr anspruchsvoll und lehnt Gottes zweiten Versuch empört ab. Wiederum ist der oberste Weltenlenker nachsichtig und macht sich ein drittes Mal ans Werk. Diesmal transplantiert Gott eine Rippe des tief schlafenden Adam und baut um diese Rippe ein schönes Wesen, dem er auch einiges von der Sinnlichkeit und Verführungskraft Liliths mitgibt. Gott nennt sein Geschöpf Eva. Da unsere Geschichte aber unzweifelhaft im heutigen Südirak zu lokalisieren ist, wird Eva wohl einen sumerischen Namen getragen haben.

Das Erste Buch Mose lässt eine geografische Eingrenzung des Paradieses zu. Gesucht wurde es über Jahrhunderte, gefunden bis heute nicht. 80, 100 und mehr Theorien gibt es, wo sich der biblische Garten Eden befunden haben könnte. Er war Ziel von Gelehrten und schwer bewaffneten Kreuzrittern. Sie glaubten tatsächlich, das Paradies mit dem Schwert erobern und besetzen zu können. Seit Jahrhunderten suchen Altertumsforscher das Paradies und finden es immer wieder an anderen Orten.

Für den deutschen Mönch Martin Luther waren die Versuche, das himmlische Paradies geografisch zu verorten, ohnehin lächerlich. »Möglich ist’s, dass es zu der Zeit also gewesen ist, dass Gott einen Garten gemacht oder ein Land beschränkt hat, aber nach meinem Dünken wollt ich gern, dass es so verstanden möchte werden, dass es der ganze Erdboden wäre.«

Jeder Mythos dürfte irgendwo eine historische Wurzel haben. So wird in der mesopotamischen Vorlage zur Genesis-Erzählung der Garten Eden als Widerspiegelung des Tempelgartens in Eridu gedeutet. Die kargen Reste der sumerischen Stadt Nun liegen heute unter einem Ruinenhügel im Süden des Irak. Vor gut 8000 Jahren beherbergte Eridu das wichtigste Heiligtum des Gottes Enki. Er galt als Herr der Welt, des Süßwassers, des Todes und des schöpferischen Geistes. Es ist die Stätte und die Stadt, in der Geschichte begann. Hier kann der Garten Eden gewesen sein.

Das Paradies der Sumerer war ein friedlicher Tierpark, eine Kulturlandschaft, wie sie Jean-Jacques Rousseau gemalt haben könnte. »Rein, sauber, hell« soll der Garten Eden sein, seine Bewohner, auch die gewalttätigsten, sind friedlich. Der Löwe tötet nicht, und der Wolf raubt kein Schaf. Es grünt und blüht im Paradies, weil der Sonnengott das Land mit süßem Grundwasser befeuchtet. Im sumerischen Epos wird die Erschaffung des Menschen so geschildert: Die Göttinnen Nammu und Ninmach formen den Menschen aus der Verbindung von Lehm und dem heiligen Wasser des Urozeans. Immer ist es Staub mit Wasser vermischt, aus dem der Mensch geknetet wird. Die Grundrezeptur bleibt also gleich: in der Bibel, in den sumerischen Epen, in der hebräischen Überlieferung, in der erst später entstandenen Kabbala und auch im Koran.

Die Beschreibung dieser paradiesischen Zustände ist älter als die Schöpfungsgeschichte der Bibel, viel älter. Das Alte Testament ist also abgeschrieben? Nein, vielmehr belegt das heilige Buch der Juden und der Christen die ungebrochene mündliche Tradition uralter Mythen. Die biblische Erzählung gehört zum abendländischen Grundwissen. Selbst wer die Geschichte von Adam, Eva, dem Apfel und der Schlange nicht im Buch Genesis gelesen hat, kennt sie, und sei es nur aus der Kunstgeschichte, in der das Bild von Mann, Frau, Apfelbaum und böser Schlange zu den Stereotypen der Malerei und Bildhauerei zählt.

Adam und Eva – so weit folgt die Genesis den älteren sumerischen Dichtungen – leben im Garten Eden. Es geht ihnen gut, keine Rede von Streit. Lilith, die Vorgängerin Evas, kommt im Alten Testament nur ein Mal als Randbemerkung vor. Im verwüsteten Land Edom treiben dunkle und böse Geister ihr Unwesen. Wilde Katzen und Wüstenhunde streunen durch die zerstörte Landschaft, und eben dort »rastet Lilith und findet einen stillen Ort für sich«. Viel mehr lässt uns die Bibel über Adams erste Frau nicht wissen. Erst sehr viel später, im Mittelalter, wird aus der alttestamentarischen Randfigur ein böser weiblicher Dämon, der sich in so manch feuchten Traum der Männer einschleicht und dort für unsaubere Gedanken verantwortlich gemacht wird.

Vor Evas Verführung beim Apfelbaum scheint das paradiesische Leben eher langweilig gewesen zu sein. Im Gegensatz zum sumerischen Mythos erzählt die Bibel nichts vom Geschlechtsleben. Adam, der aus Erde Gemachte, und seine Eva sind – bis zum »Sündenfall« – kinderlos. Sie kennen keine Lust, keine Scham, sie vermehren sich nicht, sie sind nach Gottes Ebenbild geformt. Sie sind eigentlich noch keine Menschen in unserem heutigen Sinn. Um sich von Gott zu unterscheiden, bedarf es des Fehlers, des Widerspruchs, des Ungehorsams, vor allem der Sterblichkeit.

Der Mensch wird zum Menschen, indem er eigenständigen Willen zeigt. Und es ist die Frau, die den ersten Schritt weg vom Gottähnlichen zum Menschen macht. Sie will vom Baum der Erkenntnis naschen. Die Schlange als Symbol für das Böse, den Teufel, braucht es dazu gar nicht. Sie wird als Ausrede ins Bild gerückt. Michelangelo malt Lilith als Wesen aus Frau und Schlange, die ihrer Nachfolgerin Eva den Apfel reicht. Eva will das Verbotene tun. Sie beißt in eine Feige, denn um einen Feigenbaum wird es sich wohl gehandelt haben. »Malus« – das Böse – steht nur im Lateinischen für »Apfel«. Es ist der Baum des Bösen, an dem die verbotenen Früchte wachsen und es ist...


Gerhard Jelinek, Prof., Dr., arbeitete von 1989 bis 2019 beim ORF, unter anderem als Leiter der Abteilung "Dokumentation und Zeitgeschichte" sowie der Sendungen "Report" und "Newton". Der Jurist und erfahrene Journalist gestaltete an die 50 politische und zeitgeschichtliche Dokumentationen und Porträts, von Helmut Zilk, Jörg Haider, Sebastian Kurz und anderen. Zahlreiche TV-Produktionen und Bücher.



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