E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Johnson Was hält, wenn nichts mehr hält
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96122-416-6
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mein Weg aus Angst und Depression.
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-96122-416-6
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Brian Johnson ist Gründer von 'Bethel Music' und hat bereits sieben Alben geschrieben und produziert, deren Songs weltweit in Gemeinden gespielt werden. Er lebt mit seiner Frau Jenn und ihren vier Kindern in Redding, Kalifornien.
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02
Erwachen
In den 1970er-Jahren arbeitete mein Vater unter der Leitung meines Großvaters in der Bethel Church in Redding, Kalifornien. Er hatte Salt House ins Leben gerufen, einen missionarischen Dienstbereich, der sich an die Jesus People richtete, die damals in Redding lebten. Ihm lagen die Menschen am Herzen, die sich in traditionellen Kirchen nicht zu Hause fühlten. Während er sich für diese Menschen engagierte, erlebte er, dass Gott etwas bewegte. Gottes Wirken in seinem Leben war unübersehbar.
Mein Vater arbeitete gern mit meinem Großvater zusammen, aber 1978 fragte man ihn, ob er Pastor einer kleinen Gemeinde in den Bergen werden wollte, die etwa eine Stunde westlich von Redding lag. Sowohl mein Großvater als auch mein Vater hatten den Eindruck, dass Gott ihm diese Tür geöffnet hatte. Ich war ein halbes Jahr alt, als meine Eltern Redding verließen und in die Mountain Chapel in Weaverville, Kalifornien, ausgesandt wurden.
Mein Bruder Eric, meine Schwester Leah und ich verbinden unsere frühesten Erinnerungen mit dieser Kleinstadt. Gleich hinter unserem Haus begann Gottes freie Natur. Eric und ich verbrachten den größten Teil unserer Zeit draußen. Wir erkundeten die Wälder, fingen Eidechsen, bauten Burgen und waren immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Im Garten spielten wir mit den Nachbarskindern Baseball, Football und betrieben auch so ziemlich jede andere Sportart. Ob mit meiner Familie, mit Freunden oder allein: Ich war immer dort zu finden, wo ich mich am lebendigsten fühlte: im Freien.
Meine Kindheit ist mit Erinnerungen an meine Familie gefüllt. Ich hätte mir keine besseren Eltern vorstellen können. So ziemlich alles konnte ich ihnen erzählen. Da ich in einem Pastorenhaushalt aufgewachsen bin, überrascht es wahrscheinlich nicht, dass ich mich an keine Zeit erinnern kann, in der ich nichts von Gott gewusst hätte. Meine Mutter und mein Vater erzählten uns die Geschichten aus der Bibel und brachten uns bei, wie man betet. Es wurde kein großes Aufhebens darum gemacht; das Ganze war einfach ein natürlicher Teil unseres täglichen Lebens. Bevor er Pastor wurde, war mein Vater Lobpreisleiter gewesen. Er brachte uns also auch bei, wie wichtig Lobpreis sowohl in der Gemeinde als auch zu Hause ist. „Lobpreis und Anbetung sind entscheidende Elemente unseres Glaubens“, sagte er, „denn nichts bringt uns so mit Gott in Verbindung.“ Er erklärte uns, dass wir nie zu jung für eine Beziehung zu Gott sein könnten, denn der Heilige Geist ist für alle da.
So lange ich mich zurückerinnern kann, wusste ich immer, dass ich eine Beziehung zu Gott haben kann. Gott kann sich uns überall zeigen, und wir wurden dazu erzogen, das zu erkennen. Meine Mutter war Frühaufsteherin. Sie stand vor uns allen auf, damit sie am Morgen ihre persönliche Zeit mit Gott verbringen konnte. Als Mutter von drei Kindern war dies die einzige Zeit am Tag, die sie für sich selbst hatte. Aber sie war nicht die Einzige, die früh aufstand, denn ich wusste offenbar immer, wann sie wach war. Schon mit drei Jahren sah ich am Morgen das Licht im Wohnzimmer. Dann schlüpfte ich aus dem Bett und tapste durch den Flur dorthin. Hier saß sie dann mit ihrer Bibel auf dem Sofa, betete und verbrachte Zeit mit Gott.
Obwohl diese Stunde die einzige Zeit am Tag war, die sie für sich hatte, durfte ich mich zu ihr setzen. Ich war kein besonders anschmiegsames Kind, aber meiner Mutter gelang es immer, mich zu beruhigen. Sie küsste mich auf die Stirn und zog mich an sich heran. Ich lehnte mich an sie, zog meine gelb-weiß karierte Winnie-Puuh-Decke an die Brust und steckte den Daumen in den Mund, während sie weiter in ihrer Bibel las und betete.
Erst als ich selbst Kinder hatte, begriff ich, dass ich damals meine Mutter störte. Sie hätte mich zumindest als Störung betrachten können, doch ich durfte an diesen Momenten teilhaben, weil sie mir dadurch zeigte, welche Macht in der Anbetung steckt. Sie lebte mir diese Wahrheit jeden Tag vor, ohne mir lange zu erklären, was sie tat. Aber obwohl ich noch so jung war, wusste ich, dass es etwas Besonderes war. Diese Momente waren Samen, die sie in mein Leben säte.
*
Weaverville ist eine Kleinstadt mit nur wenigen tausend Einwohnern, in der jeder jeden kennt. Meine Eltern waren nicht nur Pastoren der Gemeinde; sie nahmen auch am sozialen Leben der Stadt teil. Und obwohl sie Grenzen setzten, damit wir auch als Familie Zeit für uns hatten, war unsere Türe fast immer offen. Oft kamen Familien aus der Gemeinde und der Stadt vorbei. Dann schickten unsere Eltern uns nach draußen zum Spielen, damit sie sich unterhalten konnten. Bei schlechtem Wetter spielten wir im Haus.
Ich kann nicht viel älter als vier gewesen sein, als wir im Haus Verstecken spielten. Ich hatte mich in einem Schlafzimmerschrank versteckt, als mein Bruder mich fand. Er jagte mich durch die Küche; ich konnte seine Schritte direkt hinter mir hören. Eric kam immer näher und hatte mich fast erwischt, als plötzlich eine Tür geöffnet wurde und mich direkt an der Stirn traf. Ich wurde zu Boden geworfen, schlug mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf, und mir wurde schwarz vor Augen. Mehrere Sekunden vergingen, bevor ich die Zimmerdecke wieder deutlich sehen konnte. Alles tat mir weh. Ich blickte hoch und sah, dass Kathy Vallotton, eine Freundin unserer Familie, über mir stand. Sie erkundigte sich, ob mit mir alles in Ordnung sei, aber ich gab ihr keine Antwort. Ich stand einfach auf, verdrängte den Schmerz und biss die Zähne zusammen, um nicht zu weinen. Ich ließ niemanden wissen, dass mir mein Kopf wehtat. Schließlich war ich ja kein Weichei.
Jahre später erzählte Kathy mir, dass ich nie geweint habe, auch dann nicht, wenn ich Schmerzen hatte. Vielleicht hatte ich einfach eine hohe Schmerztoleranz. Doch in den darauffolgenden Jahren lernte ich eine andere Art von Schmerz kennen, die alles überstieg, was ich mir hätte vorstellen können.
*
Kurz nach dem Vorfall beim Versteckspielen saß ich auf dem Rücksitz unseres blauen Toyota. Wir fuhren den Berg hinab nach Redding, um meine Großeltern zu besuchen; meine Eltern saßen vorne im Auto und sangen Lobpreislieder. Als wir am Fuß der Berge angekommen waren, folgte ein ziemlich gerader Straßenabschnitt. Hier geschah es. Im Auto breitete sich eine Kraft aus, etwas, das ich nie zuvor erlebt hatte. Es war ein heiliger Moment, in dem der Himmel mir ganz nah zu kommen schien. So etwas hatte ich noch nie zuvor gefühlt. Es war Gottes Gegenwart – das wusste ich, obwohl ich erst vier war –, aber dieses Mal erlebte ich sie am eigenen Leib. Sie war ohne Vorankündigung plötzlich da. Ich spürte etwas in mir, das heilig war. Die Luft im Auto war ganz schwer, und ich fühlte, dass sich in mir etwas veränderte. Ein Gefühl überkam mich, ein Gefühl, das ich nie zuvor erlebt hatte. Und ich musste einfach darauf reagieren: Ich begann, in einer anderen Sprache zu sprechen, in einer Sprache, die ich nicht verstehen, aber auch nicht zurückhalten konnte. Es war das erste Mal, dass ich in anderen Sprachen betete.
Auf diesem Bergpass wurde Gott für mich auf völlig neue Weise real. Ich hatte nichts getan, um das herbeizuführen, und ich hatte auch nicht versucht, es zu erzwingen. Auch verspürte ich keine Angst, sondern nur Frieden und Freude. Ich erlebte Gott auf eine reine, intensive Art. Der Himmel kam regelrecht in dieses Auto hinein und daran war nichts zu rütteln. Ich hatte eine Gotteserfahrung, die nicht inszeniert gewesen sein konnte. Wir fuhren weiter und irgendwann verging dieser heilige Moment. Doch an diesem Tag hatte ich ein besonderes Erlebnis mit Gott, das noch immer ein Teil von mir ist.
*
Dieses Erlebnis mit Gott weckte mich in vieler Hinsicht auf, aber als ich älter wurde, erwachten noch andere Dinge in mir. Als ich sieben war, spielte ich oft mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft, das in meinem Alter war, in unserem Garten. Wir waren gute Freunde und erkundeten gemeinsam den Wald.
Als wir an einem Sommertag allein im Garten spielten, überkam uns die Neugier. Ich wollte wissen, was der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen war, und sie war genauso neugierig wie ich. Wir wussten, dass es falsch war, aber wir beschlossen, es trotzdem zu tun. Ich küsste sie und sie küsste mich zurück. Es fühlte sich gut an, also gingen wir einen Schritt weiter und zeigten uns, was uns voneinander unterschied. In diesem Moment wurde mir übel und etwas erwachte.
Ich wusste, dass es falsch war. Etwas sagte mir, dass ich es nicht tun sollte, aber ich achtete nicht auf die leise Stimme und verdrängte sie. Als ich schließlich begriff, dass ich etwas Falsches getan hatte, erfüllten mich Schuldgefühle und Scham.
Ich lief durch die Hintertür ins Haus. Obwohl ich schon öfter gegen die Regeln verstoßen hatte, war es dieses Mal irgendwie anders. Es war das erste Mal, dass ich die Last und die Intensität echter Schuld empfand. Ich musste es meiner Mutter sagen. Sofort, es konnte nicht warten.
Sie lag auf der Couch und machte einen kurzen Mittagsschlaf, aber ich konnte sie nicht schlafen lassen. Ich rüttelte sie wach und erzählte ihr alles, was passiert war. Sie ging kaum darauf ein, sondern nickte nur und schickte mich wieder zum Spielen hinaus. Hatte sie denn nicht gehört, was ich ihr gesagt hatte? Hätte sie nicht verärgert oder aufgebracht sein müssen? Hätte ihre Reaktion nicht genauso intensiv ausfallen müssen wie die Schuldgefühle, die ich hatte?
An diesem Abend erzählte ich es ihr noch einmal, nur um sicherzugehen, dass sie verstand, wie leid es mir tat. Doch sie regte sich erneut nicht auf und blieb ganz ruhig....




