E-Book, Deutsch, Band 1/2022, 84 Seiten
Jonen Vitalität der Balanced Scorecard
2. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7557-7529-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine kritische, empirisch basierte Analyse
E-Book, Deutsch, Band 1/2022, 84 Seiten
Reihe: Mannheimer Beiträge zur Betriebswirtschaftslehre
ISBN: 978-3-7557-7529-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Immer wieder wird der Balanced Scorecard vorgeworfen, dass diese lediglich ein Modeprodukt sei und ihren Zenit längst überschritten hätte. Diese Kritik wird in diesem Beitrag analysiert. Diese Prüfung wird aus vier Perspektiven vor-genommen. Zunächst wird eine umfassende Diskussion sämtlicher in der Literatur vertretenen Vor- und Nachteile des Konzeptes auf sachlogischer Ebene durchgeführt. Anschließend wird mit Hilfe von drei empirischen Ansätzen die Analyse fortgesetzt: 1. Zeitliche Entwicklung der Verbreitung in der Praxis 2. Erfolgswirkungen auf verschiedenen Ebenen im Rahmen einer Meta-Studie 3. Analyse der Intensität der Beschäftigung der wissenschaftlichen Literatur mit der Thematik Der Vorwurf des Modeproduktes kann mit Blick auf die Inhaltsanalyse der wissenschaftlichen Literatur bestätigt werden. Die Intensität der Beschäftigung mit der Balanced Scorecard folgt dem für Moden typischen glockenförmigen Verlauf. Die Analyse der Lehrbücher und der Verbreitung in der Praxis (Meta-Studie über 32 empirische Analysen im deutschsprachigen Raum) zeigt eine weiter hohe Vitalität in der Praxis. Differenzierter müssen die Ergebnisse der sachlogischen Analyse und der Erfolgswirkung betrachtet werden. Ein Exodus der Balanced Scorecard kann hier jedoch auch nicht abgeleitet werden. Dies indiziert, dass der Verlauf der Verbreitung zumindest in Teilen keine Welle mit einem schmalen Wellenberg ist. Für die Wellenform, die beobachtet werden kann, findet sich im Surfjargon die Bezeichnung 'onaula-loa'; einer Welle, die groß und lang anhaltend ist.
Prof. Dr. Andreas Jonen ist Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim sowie Dozent und Berater für Themen im Bereich Risikomanagement, Projektmanagement, Beschaffungscontrolling und Interne Revision. Er arbeitete viele Jahre in unterschiedlichen Industrieunternehmen im Bereich der Revision, unter anderem als Leiter der Revision. Anschließend war er Vice President Strategic Pro-jects and Risk Management bei einem internationalen Maschinenbaukonzern und Professor an der Hochschule für Technik in Stuttgart.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
2 Grundkonzept der Balanced Scorecard
Ein Performance Measurement System33 ist die Zusammenstellung abhängiger oder sich ergänzender Kennzahlen, die auf einen übergeordneten Sachverhalt (Unternehmensstrategie) ausgerichtet sind.34 Das System unterstützt Planungs-, Kontroll- und Analysezwecke, 35 wobei es einen höheren Aussagewert als die Einzelkennzahlen hat.36 Die BSC, welche auch als „multikriterieller Berichtsbogen“ 37 oder „ausgewogene Ergebnistafel“ 38 übersetzt wird, wird in den Bereich der strategischen Controllinginstrumente als typisches Beispiel für ein Ordnungssystem eingeordnet.39 Das Vorgehen ist dabei stark gruppenorientiert ausgerichtet.40 Das Ergebnis soll im Sinne eines Flugzeugcockpits einen Überblick über alle relevanten Sachverhalte geben.41 Motivation zur Entwicklung der BSC waren vier Kernproblemfelder der bis dahin verwendeten traditionellen Steuerungskonzepte, wie dem ROI oder dem Shareholder Value:42 starke Vergangenheitsorientierung reine finanzielle Prägung und damit kein Einbezug qualitativer Aspekte 43 mangelnde Strategieorientierung Fokussierung auf kurzfristige Optimierungen Hauptfokus der BSC, welche auf einem Forschungsprojekt mit zwölf USamerikanischen Unternehmen basiert,44 liegt auf der Durch- und Umsetzung von bereits gefundenen Strategien.45 Auf Basis dieses Ansatzes wurde die BSC von Kaplan und Norton als ein ganzheitliches bzw. ausgewogenes Kennzahlensystem entwickelt, 46 wobei nicht alle der BSC zugesprochenen Innovationen tatsächlich neu sind.47 Ein bedeutendes Merkmal der BSC ist das neben den Finanzzielen und – kennzahlen auch die Bereiche Kunden, Prozesse und Lernen48 und Entwicklung miteingeschlossen werden, 49 wie Abbildung 2 zeigt. Ausgangspunkt der Konzeption einer unternehmensindividuellen BSC ist die Vision und Mission bzw. die daraus abgeleiteten Strategien. 50 Daraus ergibt sich der erste Baustein der vier Perspektiven der BSC, wie in Abbildung 2 gezeigt. 51 In diesen Perspektiven werden eine limitierte Anzahl von Zielen52 mit dazugehörigen Kennzahlen53 und Maßnahmen sowie Vorgaben für zu erreichende Zielwerte gegeben. 54 Im Hinblick auf die Perspektiven wurde immer ein Spielraum für Erweiterungen und Anpassungen offen gelassen, um einer unternehmensindividuelle Adjustierung vornehmen zu können.55 Abbildung 2: Grundmodell Balanced Scorecard 56 Hinsichtlich der Ausgestaltung der Perspektiven sind in der Kundenperspektive Grundkennzahlen, wie Marktanteil oder Kundenzufriedenheit enthalten, sowie spezifische Leistungstreiber, wie Serviceeigenschaften oder das Image. Eine Erhebung erfolgt hier beispielsweise auf Basis von Kundenbefragungen.57 Die internen Prozesse werden aufgegliedert in Innovations- sowie Betriebsprozesse und Serviceleistungen. Üblicherweise basieren die Kennzahlen der Prozessperspektive auf den Zielen der Kundenperspektive. Die Lernperspektive enthält drei Hauptkategorien, in denen Ziele und Kennzahlen zur Förderung einer lernenden und wachsenden Organisation enthalten sind. Dies sind die Mitarbeiterpotentiale, die Potentiale der Informationssysteme und die Motivation.58 Die BSC wird von der Gesamtunternehmensebene herunter kaskadiert. Dies geschieht über die Ebene der Geschäftseinheit, Funktionsbereiche, bis hin zu den einzelnen Mitarbeitern, wo die BSC als variables Vergütungssystem verwendet wird. 59 Ein weiterer wesentlicher Baustein sind die sogenannten ‚Strateg Maps‘, die die Ursache-Wirkungs-Ketten, 60 zwischen den verschiedenen Bereichen und einzelnen strategischen Zielen innerhalb der Bereiche grafisch herstellen.61 Diese Kausalketten werden beispielhaft in Abbildung 3 gezeigt. In der originären BSC muss es letztendlich einen möglichst kausalen Zusammenhang zwischen den Zielen der Kunden-Prozess und Lern- / Entwicklungsperspektive und den finanziellen Zielen geben.62 Abbildung 3: Kausalkette der Balanced Scorecard 63 Zur Kategorisierung der Möglichkeiten der Bildung der Ursache-Wirkungs-Ketten, die als ein System von Hypothesen betrachtet werden,64 lassen diese sich in vier Gruppen einteilen:65 Verknüpfung: Rechentechnisch Sachlogisch Richtung: Horizontale: Verknüpfung von Frühindikatoren66 und Ergebniskennzahlen.67 Vertikale: Verknüpfungen zwischen mehreren Perspektiven. Linearität: Linear: Hypothese zur Ursache-Wirkungs-Kette basiert auf einem linearen Zusammenhang.68 Nichtlinear: Zusammenhang ist nichtlinear, womit Regressions- oder Korrelationsanalysen nicht nutzbar sind.69 Allgemeingültigkeit: Generisch: Allgemein anerkannte Beziehung, die durch empirische und theoretische Erkenntnisse erwiesen ist. Spezifisch: Es existiert kein allgemeingültiger Nachweis des Zusammenhangs. Wechselseitigkeit: Wechselseitig: Strategische Ziele stellen sowohl Ursache als auch Wirkung dar. Unidirektional: Ein übergeordnetes Ziel wird durch eine Ursache beeinflusst. Hinsichtlich der Einordnung hat die BSC eine Nähe zum „Management by objectives“, 70 da beide Ansäte auf Zielbeziehungen und die Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen fokussieren. 71 Ein wesentlicher Unterschied ist der Hohe Grad der Konkretisierung der BSC. Deswegen ist eine geeignetere Beschreibung des Ansatzes das „Management by models“. 72 Die BSC wurde nie als starres System verstanden, sondern es wurde immer schon die Notwendigkeit gesehen die BSC auf unternehmensindividuelle Sachverhalte oder einen speziellen Anwendungsbereich (z. B. Personal oder Beschaffung) zu adjustieren. Damit ist die BSC als unverbindliche Vorgabe oder Modell zu verstehen. Wesentlich ist jedoch, dass die BSCs horizontal (zwischen Perspektiven) und vertikal (Hierarchieebenen) untereinander abgestimmt sind.73 33 Vgl. Horváth, P./ Gleich, R. (1998): S. 564 und Ayupova, A. (2011): S. 15. Zur Definition von Performance Measurement siehe Hubig, L. (2009): S. 117ff. 34 Vgl. Perlitz, M. (1999): S. 6. 35 Vgl. Horváth, P. (2019): S. 7. 36 Vgl. Schentler, P./ Henke, M. (2016): S. 68. 37 Kaufmann, L. (1997): S. 421. 38 Klingebiel, N. (2000): S. 69. 39 Zur Schwierigkeit der Abgrenzung von strategischem und operativem Controlling siehe Becker, A. (2001): S. 94ff. 40 Vgl. Kunz, J. (2009): S. 109. 41 Vgl. Muchow, K.-C. (2020): S. 399. 42 Vgl. Horváth, P./ Gleich, R. (1998): S. 563. 43 Vgl. Perlitz, M. (1999): S. 6. In diesem Zusammenhang wird die BSC sogar als „Antwort auf den Sharholder-Value“ eingeordnet. Stöger, R. (2007): S. 26. 44 Vgl. Weber, J./ Reitmeyer, T./ Frank, S. (2000): S. 252. 45 Vgl. Weber, J./ Schäffer, U./ Ahn, H. (2000). 46 Vgl. Karau, I./ Bach, N. (2005):S. 11, Ayupova, A. (2011): S. 26 und Gehrke, I./ Horváth, P. (2002): S. 160. Dabei wurden unterschiedliche Generationen durchlaufen: 1. Generation Grundgerüst, größtenteils als Kennzahlensystem, 2. Generation, Erweiterung um „Strategy Map“, 3. Generation, Integration des „Destination Statement“ im Sinne einer Vision. Vgl. Hofmann, T. (2011): S. 10. Klingebiel, N. (2000) merkt an, dass die Eindeutigkeit mit der das Konzept Kaplan / Norton zugeordnet wird angezweifelt wird und führt unterschiedliche andere mögliche Urheber an. Siehe Klingebiel, N. (2000): S. 68. Er stellt jedoch auch fest, dass die Variante der BSC von Kaplan / Norton „der höchste Bekanntheitsgrad zuerkannt wird.“ Klingebiel, N. (2000): S. 73. 47 Vgl. Voelpel, S. C./ Leibold, M./ Eckhoff, Robert, A. (2006): S. 46, Raps, A. (2008): S. 243, Lange, C./ Schaefer, S./ Daldrup, H. (2001): S. 81, Perlitz, M. (1999): S. 6, Stöger, R. (2007): S. 26, Kaufmann, L. (1997): S. 421, Weber, J./ Reitmeyer, T./ Frank, S. (2000) Wallenburg, C. M./ Weber, J. (2006): S. 245 und Hofmann, T. (2011): S. 6f. Schmid, S. (2003) zeigt auf, dass das Orientieren an verschiedenen Perspektiven in Deutschland bereits seit langem diskutiert wurde und Bestandteil der Stakeholder-orientierten Unternehmensführung sei. Vgl. Schmid, S. (2003): S. 18. 48 Die Lernperspektive wird dabei von den Nutzern der BSC am seltensten umgesetzt. In einer Meta-Analyse unterschiedlicher Studien ermittelte Bach, N. (2006) Einen Wert von 45 %. Vgl. Bach, N. (2006): S. 301. 49 Es existieren...