Jones | Für immer wir | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Jones Für immer wir

Roman | SUNDAY TIMES-Bestsellerautorin | »Diese Geschichte über vier Generationen von Frauen ist erfüllt von Ruth Jones' Wärme und Weisheit.« Jojo Moyes, SPIEGEL-Bestsellerautorin
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7499-0620-8
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Roman | SUNDAY TIMES-Bestsellerautorin | »Diese Geschichte über vier Generationen von Frauen ist erfüllt von Ruth Jones' Wärme und Weisheit.« Jojo Moyes, SPIEGEL-Bestsellerautorin

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-7499-0620-8
Verlag: HarperCollins eBook
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Grace genießt das Leben in einem malerischen Fischerdörfchen und nimmt gern ein erfrischendes Bad im Meer. Dass sie bald neunzig Jahre alt werden soll, kann sie kaum glauben. Zu ihrem Geburtstag wünscht sie sich nichts anderes als die Versöhnung mit ihrer Tochter Alys, die vor dreißig Jahren den Kontakt zur Familie abgebrochen hatte. Während Elin, Alys' Tochter, in den Planungen der Geburtstagsparty steckt, schickt Grace Alys im Geheimen eine Einladung.



Ruth Jones, geboren 1966 in Bridgend, Südwales, ist eine walisische Schauspielerin und Drehbuchautorin. Sie lebt mit ihrem Ehemann in Cardiff. »Alles Begehren« ist ihr Debütroman.

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3


Grace

Die erhabene Erscheinung von Cadwallader House täuschte über das eher funktionale, klinische Innere, das Altenheime mitunter so an sich haben, hinweg. Das Gebäude thronte hoch über Dylan’s Quay in einem von Tannen umgebenen Gelände und brüstete sich mit zweiunddreißig Zimmern, alle mit Meer- oder Bergblick. Früher war das Haus der Landsitz eines ortsansässigen Wohltäters und Schifffahrtsmagnaten gewesen, der es per Testament der Gemeinde überlassen hatte. Seit zwanzig Jahren war es nun ein gut geführtes, freundliches Seniorenheim. Alle Besucher bestaunten ausnahmslos die riesigen bodentiefen Fenster, durch die man einen Blick auf die Stadt und die Küste von Westwales hatte. Durch sie strömte auch viel Licht in die Zimmer, was der Seele guttat und das nicht ganz so wohltuende, eher praktische Mobiliar wettmachte, ebenso wie die Geländer, Treppenlifte und Sicherheitsgitter – nicht schön, aber notwendig.

Grace besuchte das Cadwallader House seit über drei Jahren regelmäßig und kannte mehr oder weniger jeden der Bewohner persönlich. Zwei von ihnen lagen ihr allerdings ganz besonders am Herzen: ihr geliebter John natürlich und seine jüngere Schwester Cynthia, Cissie genannt. Die drei kannten sich schon ihr ganzes Leben lang, und so viele Jahre hatte Grace gedacht, gemeinsam seien sie unbesiegbar. Was natürlich nicht so war. Die Zeit forderte früher oder später von einem jeden ihren Tribut. Cissie zog als Erste ins Cadwallader House, nachdem ihr Geist so abgedriftet war, dass als einziger Weg nur noch die Vollzeitpflege blieb. Was für eine herzzerreißende Entscheidung das gewesen war! Grace und John hatten noch weitere achtzehn Monate zusammengewohnt, doch Johns Gleichgewichtssinn verschlechterte sich rapide, was immer wieder zu Stürzen führte. Und so beschlossen sie widerwillig, dass auch er ins Cadwallader House ziehen müsse, zu Cissie. Natürlich war es beruhigend für Grace, sie gut versorgt zu wissen, doch der Auszug hatte eine klaffende Lücke in ihrem Zuhause hinterlassen. Die beiden fehlten ihr mehr, als sie je zugeben würde. Das war auch der Grund, weshalb sie im Cadwallader House so regelmäßig ein und aus ging – mindestens einmal am Tag kam sie zu Besuch. Selbst während der Corona-Pandemie bestand Grace’ tägliches Sportprogramm aus einem Spaziergang, hoch zum Cadwallader House, wo sie im Garten stand und den beiden durch ihre jeweiligen Fenster zuwinkte. Als das Leben wieder so etwas Ähnliches wie Normalität annahm und sie das Gebäude wieder betreten durfte, erkundigten sich die Pflegerinnen und Pfleger häufig, wann sie denn ebenfalls einziehen würde. Doch Grace lehnte das Angebot stets mit einem höflichen Lächeln ab. Sie wusste, dass John hin- und hergerissen war: Einerseits fände er es wunderbar, wieder mit ihr unter einem Dach zu wohnen, andererseits bewunderte er die Tatsache, dass sich seine annwyl Grace mit neunundachtzig immer noch ihre Unabhängigkeit bewahrte. Cissie, die Gute, hatte in dieser Angelegenheit keine eigene Meinung. Nicht mehr.

An diesem Nachmittag saß Cissie in ihrem Stuhl am Fenster, sah hinaus und redete mit sich selbst in einer Sprache, die nur sie verstand. Ihr Zimmer wirkte fröhlich. John und Grace hatten ihr Möglichstes getan, es mit Kissen und Decken in kräftigen Farben, mit frischen Blumen und Duftzerstäubern aufzuhellen. Gerahmte Fotos füllten Wände und Regale mit dem Lächeln längst vergangener Zeiten: Momente aus glücklicheren Tagen ihres langen Lebens. Eines dieser Bilder war eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von ihrer Hochzeit mit Syd. Da war Cissie gerade mal zwanzig gewesen. Aber inzwischen erkannte sie Syds Gesicht ebenso wenig wie das von Grace oder John.

Heute war sie ganz in Lila, die Pfleger hatten ihr ein hübsches Kleid angezogen, das ihr einmal richtig gut gepasst hatte. Nun aber hüllte es ihre schrumpfende Gestalt in viel zu viel Stoff. An ihren winzigen Füßen trug sie die Wollsocken, die Grace ihr zu Weihnachten gestrickt hatte, und darüber mit Fell gefütterte Hausschuhe. Draußen war Sommer, doch Cissies Körper war für Kälte anfällig, selbst an den heißesten Tagen.

»Sie hat heute eine Maniküre bekommen«, sagte John und zog zwei Stühle heran. »Stimmt’s, meine Schöne?« Seine Schwester lächelte ihn an. Ihr Gesicht war immer noch hübsch, und ihre Augen glänzten, trotz der Krankheit, die in ihrem Kopf Einzug gehalten hatte und sie Tag für Tag weiter von der Welt der anderen entfernte.

»Na, dann lass mal sehen!« Grace bewunderte Cissies lackierte Nägel. »Sehr schick! Da stellst du mich echt in den Schatten!«

»Und sie hat dir was gekauft, hab ich recht, Ciss?«, sagte John und zog ein in rosafarbenes Papier eingeschlagenes Päckchen unter Cissies Stuhl hervor. Er legte es Cissie in den Schoß in der Hoffnung, sie würde verstehen und das Geschenk Grace überreichen. Doch ihr Gehirn konnte die Aufgabe, die er ihr gestellt hatte, nicht verarbeiten. Liebevoll streichelte sie das Päckchen.

»Oh, vielen Dank, cariad«, sagte Grace und spielte mit, indem sie vorsichtig das Geschenk nahm. Cissie sah zu, wie Grace es auspackte, bis zwischen den Lagen dünnen Seidenpapiers ein Kopftuch mit einem Muster aus kupferroten und gelben Quadraten auftauchte. »Wow!«, rief Grace und wickelte sich das Tuch um den Kopf. »Wie Audrey Hepburn, findet ihr nicht?«

Cissie schnaufte vor Freude, ehe sie eine ihrer wenigen zusammenhängenden Äußerungen machte: »Hübsch, hübsch.«

John drückte Grace’ Hand.

Sie blieben über zwei Stunden bei Cissie. Die Pflegerin brachte ihnen Tee und einige Stücke selbst gebackenen Kuchen, und dann legte Grace die CD mit den Klassikern aus den Fünfzigerjahren ein, die Cissie immer zum Lächeln brachte. Es war inzwischen ihr festes Ritual, und es bot sowohl ihr als auch John eine kurze, aber kostbare Auszeit von dem Schmerz, Cissie an diese für sie beide unerreichbare Welt zu verlieren. Ihre Verwandlung, wenn sie mitsang, war eine solche Freude. Schon beim ersten Stück fiel Cissie jedes Mal sofort ein und machte dann weiter, egal ob Elvis Presley oder Frank Sinatra sang. Dabei artikulierte sie die Texte so klar, dass Grace manchmal versucht war zu sagen: Das ist doch alles nur gespielt, oder? Du tust doch nur so?

*

John begleitete sie zur Tür und ein Stück die Auffahrt hinunter, wobei er sehr viel langsamer unterwegs war als Grace und sich auf seinen Gehwagen stützen musste.

»Komm schon, Captain Tom.« Grace war überzeugt, je weniger man Senioren in Watte packte, desto mobiler blieben sie – schließlich war sie selbst das beste Beispiel dafür. »Beca hat morgen ihre letzte Abschlussprüfung.«

»Mensch, die ist aber schnell groß geworden, was?«

»Ja, das ist sie wirklich.« Grace’ Stimme wurde leiser. Sollte sie es ihm erzählen?

Wie immer konnte er ihre Gedanken lesen. »Also gut, komm schon, Grace Meredith. Spuck’s aus.«

»Was denn?«, fragte Grace zurück, wohlwissend, wie sinnlos es war, ahnungslos zu tun. Er sah sie abwartend an. Also holte sie tief Luft, schloss die Augen und erzählte es ihm.

»Ich glaube, ich habe Alys gefunden.«

Ihre Stimme zitterte, und John blieb stumm, während er die Neuigkeit verdaute.

»Sie wohnt in Brecon, John. Achtzig und ein paar zerquetschte Meilen von hier entfernt. Ist das zu fassen? Ich hatte angenommen, dass sie irgendwo im Ausland leben würde, oder, schlimmer noch, vielleicht …«

»Hey, jetzt mal ganz langsam, meine Liebe. Du bist zu schnell für mich.«

Grace holte noch einmal tief Luft, um sich zu sammeln. Dann berichtete sie ruhig, wie sie Anfang der Woche ein kleines Dankeschön von Dolly Hughes bekommen hatte.

»Dolly Hughes?«

»Aus dem Yoga. Die, die Windhunde rettet.«

»Ach ja. Und weiter?«

»Also, ich hatte für sie die Hunde gehütet, als sie ihren grauen Star hat operieren lassen. Deshalb hat sie mir ein Früchtebrot gebacken, um sich zu bedanken, und hat das hier mitgeschickt.«

Grace holte die Brecon-Beacons-Grußkarte aus ihrem Rucksack.

John nahm sie und starrte sie einige Augenblicke lang an. »Jetzt komm ich nicht mehr mit«, sagte er.

»Dreh sie um. Du musst die Rückseite anschauen.«

Er tat wie geheißen. Auf dem schlichten, gedruckten Aufkleber stand: Arcadia Gallery, Brecon. Aus einem Gemälde der ortsansässigen Künstlerin Alys Meredith.

»Das bedeutet überhaupt nichts«, sagte er schließlich und reichte ihr die Karte zurück. »Das könnte irgendwer sein.«

»Aber Alys hat immer gerne Berge gemalt, oder? Und es ist ungewöhnlich, ›Alys‹ so zu schreiben, oder nicht? Auf die walisische Art?«

»Nicht wirklich, meine Beste. Wir sind hier schließlich in Wales.«

»Jedenfalls« – Grace machte eine Pause, aber sie konnte ihm nicht in die Augen sehen – »überlege ich gerade, ob ich mich bei ihr melden soll.«

»Nein.« Das Wort war ausgesprochen, ehe er Zeit gehabt hatte nachzudenken.

Rasch griff er nach ihrer Hand und fügte mit fester, klarer Stimme hinzu: »Was sie dir angetan hat, Grace, und Elin – das war schrecklich.«

»Das ist dreißig Jahre her«, gab Grace zurück. Es lag eine Entschlossenheit in ihrem Tonfall, die er selten gehört hatte. »John, ich bin fast neunzig. Und Alys ist meine Tochter!«

»Die kleine Beca glaubt, die Frau sei tot! Weiß nicht mal, dass sie überhaupt eine Großmutter hat.«

Grace schüttelte den Kopf. »Nun, Elin wollte das so – das musste ich...



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