Josua | Die Muslime und der Islam | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

Josua Die Muslime und der Islam

Wer oder was gehört zu Deutschland?

E-Book, Deutsch, 160 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

ISBN: 978-3-374-05873-0
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Islam – gehört er nun zu Deutschland oder nicht? Spätestens seit dem Ausspruch Christian Wulffs wird dies hierzulande kontrovers diskutiert. Hanna Josua zeichnet die aktuelle Debatte vor dem Hintergrund zunehmender Migration aus islamischen Ländern nach, lässt unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen und weicht unangenehmen Fragen nicht aus. Doch ebenso, wie es nicht „den“ Islam und „die“ Muslime gibt, kann es auf die Ausgangsfrage kein simples „Ja“ oder „Nein“ geben. Muslime und Nichtmuslime müssen sich noch in vielen Fragen aufeinander zu bewegen und gemeinsam entscheiden, welcher Islam in Deutschland eine Zukunft haben kann. Grenzen der Toleranz müssen benannt, Gemeinsamkeiten erkannt und genutzt werden, um ein friedliches Zusammenleben in einer unfriedlichen Welt zu fördern. Es geht um nichts weniger als um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Die Diskussion hat gerade erst begonnen!
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3 Der politische Diskurs
Der Diskurs zum Islam und den Muslimen wurde, wie wir sahen, von den höchsten Amtsträgern im Staat angestoßen: dem ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der ein Diktum des ehemaligen Innenministers Wolfgang Schäuble aufnahm, und Joachim Gauck sowie der Bundeskanzlerin Angela Merkel. 3.1Bundespräsident a. D. Christian Wulff
Das umstrittene Zitat Wulffs vom 3. Oktober 2010 steht in folgendem Kontext: »Wir sind ein Volk! Dieser Ruf der Einheit muss heute eine Einladung sein an alle, die hier leben. Eine Einladung, die nicht gegründet ist auf Beliebigkeit, sondern auf Werten, die unser Land stark gemacht haben. Mit einem so verstandenen Wir wird Zusammenhalt gelingen zwischen denen, die erst seit kurzem hier leben, und denen, die schon so lange einheimisch sind, dass manche vergessen haben, dass auch ihre Vorfahren von auswärts kamen […] Es ist Konsens, dass man Deutsch lernen muss, wenn man hier lebt. Es ist Konsens, dass in Deutschland deutsches Recht und Gesetz zu gelten haben. Für alle. Wir sind ein Volk. Ein Verständnis von Deutschland, das Zugehörigkeit nicht auf einen Pass, eine Familiengeschichte oder einen Glauben verengt, sondern breiter angelegt ist. Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.«47 Wulff ruft zunächst zur Gleichbehandlung und Gleichberechtigung von Alteingesessenen und Neuankömmlingen auf und begründet dies mit der »staatlich-säkularen« Instanz, die in der modernen westlichen Welt die Klammer der verschiedenen Religionen und Werte bildet. Die neue Religion, die seiner Meinung nach nun ebenfalls zu Deutschland gehört, ist der Islam. Dass areligiöse Menschen in seiner Rede keine Erwähnung finden, provoziert die grundsätzliche Frage nach der Rolle der Religion im Staat und dessen Neutralität. Und ob die Zugehörigkeit des Islam zur europäischen Geschichte im Sinne einer althergebrachten Prägung vergleichbar ist mit der des Judentums und Christentums, darf angezweifelt werden. Juden, Christen und Muslime können in der Tat eingeladen werden, sich zu einem geregelten Leben innerhalb des säkularen Staates neben Andersdenkenden zu vereinen und aufgefordert werden, sich verfassungstreu zu verhalten. Eine politische Instanz wie der Bundespräsident ist jedoch nicht befugt, über die Werte einer Religion zu bestimmen und sie dem Staat zu unterwerfen. Wulff geht vermutlich von der Annahme aus, dass der Islam eine mit den beiden anderen monotheistischen Religionen vergleichbare Offenbarungsgeschichte hat, dass er nun aus seinen Ursprungsgebieten in Europa angekommen ist und hier diese Geschichte gemeinsam mit den angestammten Religionen fortschreibt. bedürfe. Im Mai 2016 bekräftigte Kauder seine Position gegenüber Wulffs Aussage und bezeichnet sie als »gut gemeint«, aber unpräzise. Erstens habe der Islam Deutschland »historisch und kulturell nicht geprägt«, zweitens sei er sehr vielfältig. Es gebe mehrere Glaubensrichtungen mit jeweils unterschiedlichen Rechtsschulen. »Den einen Islam – und das legt der Satz nahe – gibt es sicher nicht.« Zudem habe der Islam auch Ausprägungen, »die wir in Deutschland nie akzeptieren können«, da Religion bei uns nie über dem Staat stehen könne.49 Kauders Haltung wird auch von anderer Seite durch negative Erfahrungen mit dem Konfessionalismus des Nahen Ostens bekräftigt: »Ausgehend davon, ob jemand als Christ, Alawit, Sunnit oder Schiit geboren wurde, macht der ›Konfessionalismus‹ die religiöse Identität zu einer politischen. Er produziert Schubfächer, in die man Volksstämme oder Individuen, Fromme und Freigeister einsortieren kann. Über Jahrhunderte der Geschichte des Nahen Ostens, die von muslimischen Imperien geprägt war, vereinfachte das die Bürokratie. Vor allem aber verdarb es die Gesellschaften und verhinderte Integration.«50 Diese gegenseitigen religiösen Abgrenzungen aufgrund des staatlich verankerten Konfessionalismus in Gestalt eines konfessionellen Proporzsystems bekam man im Libanon – in dem von allen Ländern des Nahen Ostens Christen noch den höchsten Bevölkerungsanteil und die größten, verfassungsrechtlich verankerten Rechte haben – vor allem nach den Parlamentswahlen vom März 2018 auf dramatische Weise illustriert. Die politische Nomenklatura konnte – trotz wirtschaftlicher Misere im Land – monatelang keine Regierung bilden und vertrat nur noch die Interessen der eigenen Konfessionsgruppe, aber nicht die des ganzen Staates. Wir sind gut beraten, hellhörig zu werden, wenn Gerlach weiter schreibt: »Der Geist des Konfessionalismus, wie man ihn heute verstehen muss, kümmert sich verhältnismäßig wenig um das ›Wir‹, also um die Frage, wer ›Wir‹ sind oder sein wollen. Er arbeitet sich vor allem daran ab, wer die anderen nicht sind oder nicht sein sollen.«51 Die plakative Reziprozität Wulffs im selben Monat in der Türkei führt also zu einer Verzerrung der Geschichte der Nahostregion. Der Appell des Ex-Präsidenten, »ein Volk« zu werden, hat genau dieses Volk entzweit und eine neue Integrationsdebatte entfacht, in der »der Islam und die Muslime« die Hauptrolle spielen. 3.2 Bundespräsident a. D. Joachim Gauck
Joachim Gauck folgte als Bundespräsident auf Christian Wulff. Nachdem sich sein Vorgänger so exponiert positioniert hatte, wurde auch von ihm eine Stellungnahme zu diesem Thema erwartet. Gauck warb für eine differenzierte Sicht auf den Islam. Den Satz seines Amtsvorgängers Christian Wulff, wonach der Islam zu Deutschland gehöre, teile er in seiner Intention, sagte Gauck der »Zeit«: »Die Absicht war die, zu sagen: Leute, bitte einmal tief durchatmen und sich der Wirklichkeit öffnen. Und die Wirklichkeit ist, dass in diesem Lande viele Muslime leben.« Deswegen allerdings läge ihm eine andere Formulierung näher, bekannte Gauck: »Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland.« Er betonte: »Jeder, der hierhergekommen ist und nicht nur Steuern bezahlt, sondern auch gerne hier ist, auch weil er Rechte und Freiheiten hat, die er dort, wo er herkommt, nicht hat, der gehört zu uns, solange er diese Grundregeln nicht negiert.«54 Damit spricht Gauck die Tatsache an, dass »die« Muslime Deutschlands keineswegs eine homogene Gruppe sind, sondern zum einen eine unterschiedliche Prägung durch Herkunft und Religiosität mitbringen, zum anderen sich auch ganz individuell für oder gegen eine Zugehörigkeit zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands entscheiden. Es gibt jedoch Klärungsbedarf, ob es mental und faktisch zulässig ist, die Religion von der Person getrennt zu betrachten, vor allem dann, wenn die Religion beansprucht, das gesamte Leben ihrer Anhänger zu bestimmen. 3.3 Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU
Nachdem sich die Bundespräsidenten festgelegt hatten, wurde auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Positionierung erwartet. Sie schloss sich Wulffs Aussage an und antwortete im Jahr 2015 bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu auf die Frage einer türkischen Journalistin, ob es für Türken und Muslime in Deutschland Anlass zur Beunruhigung gebe: »Von meiner Seite möchte ich sagen, dass unser früherer Bundespräsident Christian Wulff gesagt hat: Der Islam gehört zu Deutschland. – Das ist so; dieser Meinung bin ich auch.«56 Damit widersprach sie auch klar der Aussage des Innenministers Horst Seehofer, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.58 Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) meinte dazu: »Der Islam muss erst einmal den Herausforderungen eines säkularen Staates im 21. Jahrhundert gerecht werden und sich zu einer Religion wandeln, die mit der Moderne kompatibel ist.«61 Diesem wichtigen Gedanken werden wir an späterer Stelle nachgehen. 3.4 Die CSU
Ganz anders als die CDU positioniert sich die bayerische Schwesterpartei CSU; sie hält den Islam als keineswegs zu Deutschland gehörig: »Der Islam gehört egal in welcher Form nicht zu Deutschland«, so der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt.63 ist Dobrindt der Meinung, die Islamdebatte müsse geführt werden, da ihre Unterdrückung in Form eines »Maulkorbs« das Land spalte. Dies sei auch eine Lehre aus der Bundestagswahl und aus dem starken Abschneiden der rechtspopulistischen AfD.65 In diesem Milieu wird die Flüchtlingsdebatte de facto überwiegend zur Islamdebatte. Hier sei ein kurzer Seitenblick auf den Nahen Osten gestattet: Dort ist es üblich, dass in öffentlichen Einrichtungen – übrigens oft auch in kirchlichen Einrichtungen – im Eingangsbereich gut sichtbar das Bild des Herrschers prangt, in Jordanien der amtierende König Abdallah II., sein verstorbener Vater König Hussein, und der Kronprinz Hussein b. Abdullah. Wir kritisieren die in der islamischen Welt nicht...


Josua, Hanna Nouri
Hanna Nouri Josua, geboren 1956 im Libanon, studierte Politikwissenschaft und Geschichte des Islams in Beirut sowie Evangelische Theologie in Unterweissach und Leuven. Mit der Schrift 'Ibrahim, der Gottesfreund wurde er promoviert. Josua ist Pfarrer der Arabischen Evangelischen Gemeinde Stuttgart und Geschäftsführer der Evangelischen Ausländerseelsorge e. V., zudem gehört Josua der International Association for Mission Studies an.
Josua lebt seit 1980 in Deutschland, ist mit einer württembergischen Pfarrerin verheiratet und hat fünf Kinder.

Hanna Nouri Josua, geboren 1956 im Libanon, studierte Politikwissenschaft und Geschichte des Islams in Beirut sowie Evangelische Theologie in Unterweissach und Leuven. Mit der Schrift "Ibrahim, der Gottesfreund wurde er promoviert. Josua ist Pfarrer der Arabischen Evangelischen Gemeinde Stuttgart und Geschäftsführer der Evangelischen Ausländerseelsorge e. V., zudem gehört Josua der International Association for Mission Studies an.
Josua lebt seit 1980 in Deutschland, ist mit einer württembergischen Pfarrerin verheiratet und hat fünf Kinder.


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