Jr. | Liebe ist der Plan | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten

Reihe: Sämtliche Erzählungen

Jr. Liebe ist der Plan

Sämtliche Erzählungen, Band 2
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-903061-28-6
Verlag: Septime Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Sämtliche Erzählungen, Band 2

E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten

Reihe: Sämtliche Erzählungen

ISBN: 978-3-903061-28-6
Verlag: Septime Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Liebe ist der Plan' enthält eine Mixtur aus zum Teil witzigen, zum Teil aufrüttelnden Geschichten. Aufs Neue fusioniert James Tiptree Jr. die Themen Sex, Tod und Entfremdung, unter anderem in den folgenden Schlüsselwerken: In 'Liebe ist der Plan', einer verstörenden, tragikomischen Fabel, erleben wir aus der Sicht eines fremdartigen Rieseninsekts die Geschichte seines Erwachsenwerdens und seines Ringens um höhere Erkenntnis. Die Heldin in 'Das eingeschaltete Mädchen', die abscheulich hässliche Philadelphia Burke, bekommt einen faustischen Pakt angeboten: Falls sie sich mit Elektroden verdrahten und auch in eine Kabine sperren lässt, vor der Welt verborgen, wird man ihr beibringen, dem begehrlichen Körper eines künstlichen Filmstars Leben einzuhauchen. In 'Frauen, die man übersieht' finden sich zwei Männer und zwei Frauen nach einem Flugzeugabsturz in der entlegenen Wildnis Yucatán wieder. Doch die Frauen verhalten sich ungewöhnlich, und es kommt alles anders als gedacht...

James Tiptree Jr. (1915-1987) ist das männliche Pseudonym von Alice B. Sheldon. Tiptrees geheimnisvolle Identität faszinierte die Fans und gab Anlass zu vielen Spekulationen, freilich glaubten alle, es müsse sich um einen Mann handeln. Die Aufdeckung, noch zu ihren Lebzeiten, war ein Schlag: Diese knappen, harten und frechen Kurzgeschichten, die nur allzu häufig mit dem Tod enden, waren von einer alten Dame mit weißen Federlöckchen verfasst worden. Sie zählt unter Science-Fiction-Fans zu den großen Klassikern, gleich neben Philip K. Dick und Ursula K. Le Guin. Ihre Kurzgeschichten, die sie erst im Alter von einundfünfzig Jahren zu schreiben begann, und von denen einige wohl zu den besten des späten 20. Jahrhunderts gehören, brachten ihr schnell Ruhm und zahlreiche Auszeichnungen ein. Dennoch litt sie ständig unter schweren Depressionen und Todessehnsucht. Nach einem vorab geschlossenen Selbstmordpakt erschießt Sheldon im Alter von einundsiebzig Jahren erst ihren vierundachtzigjährigen Mann und dann sich selbst.
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Der nachtblühende Saurier

Ah, jetzt können wir uns entspannen. Keinen Salat, rühr ich nie wieder an. Und nimm das Obst auch wieder weg, nur den Käse. Ja, Pier, viel zu lange her. Man kriegt immer mehr Falten. Das liegt an diesen verdammten kleinen Zeitverschwendern. Zum Beispiel dieser Kerl mit den Koprolithen heute Nachmittag: Das Museum hat wirklich keine Verwendung dafür, selbst wenn sie echt sind. Zugegeben, ich bin da etwas überempfindlich.

Was? Keine Angst, Pier, ich bin sonst nicht so zimperlich. Um es zu beweisen: Wie wäre es mit etwas mehr Aquavit? Wunderbar, gut, dass du daran denkst. Auf deinen Erfolg: Ich wusste, dass du es schaffen würdest.

Wissenschaft? Oh, so würde ich das nicht nennen. Größtenteils Drecksarbeit. Sieht von außen deutlich besser aus, wie immer. Natürlich habe ich Glück gehabt. Als Archäologe das Aufkommen von Zeitreisen mitzuerleben – ein echtes Wunder … Ach ja, ich war von Anfang an dabei, als man das alles noch für eine nutzlose Spielerei hielt. Und die Kosten! Keiner weiß, dass man die Gelder um ein Haar gestrichen hätte, Pier. Wären da nicht – die Dinge gewesen, die man für die Wissenschaft eben tut … Meine denkwürdigste Erfahrung mit Zeitreisen? Meine Güte … Ja, nur einen Schuss noch, auch wenn ich eigentlich nicht sollte.

Ach du liebe Zeit. Koprolithen. Hm. Na gut, Pier, alter Freund, wenn du es für dich behältst. Aber mach mir keine Vorwürfe, falls es dich deiner Illusionen beraubt.

Es war beim ersten Gruppensprung, weißt du. Als wir ins Gebiet der Olduvai-Schlucht zurückkehrten, um nach Leakeys Mensch zu suchen. Ich werde dich nicht mit unseren anfänglichen Missgeschicken langweilen. Leakeys Mensch war nicht da, dafür jedoch ein anderer außergewöhnlicher Hominid. Tatsächlich war es der, den sie nach mir benannten. Allerdings hatten wir zu dem Zeitpunkt, als wir ihn fanden, unsere Gelder fast vollständig aufgebraucht. Es kostete horrende Summen, um uns im Zeitgefüge zurückzustoßen, und die USA zahlten den größten Teil der Rechnung. Garantiert nicht aus Nächstenliebe, aber fangen wir davon gar nicht erst an.

Wir waren zu sechst. Die zwei MacGregors, von denen du gehört hast; dann die Sowjet-Delegation, Peshkov und Rasmussen. Sowie ich und eine Dr. Priscilla Owen. Die fetteste Frau, die ich jemals gesehen habe; komischerweise sollte das später noch eine wichtige Rolle spielen. Außerdem der Zeitingenieur, wie sie ihn damals nannten. Jerry Fitz. Ein bärenstarker, jungpaläolithischer Typ, voller Enthusiasmus. Er war sowohl unser Beschützer als auch unser Kindermädchen, und für einen Ingenieur schien er ein richtig netter Kerl zu sein. Jung, natürlich. Wir waren alle so jung.

Nun ja, wir hatten uns gerade eingelebt und Fitz mit unserem ersten Bericht zurückgeschickt, als das Schicksal zuschlug. Nachrichten mussten damals noch persönlich überbracht werden, verstehst du, nach einem vorher vereinbartem Zeitplan. Alles was wir an Signalen senden konnten, war ein primitives Ja-Nein. Fitz kehrte sehr bedrückt zurück und erzählte, dass sie die Förderung nicht verlängern und uns im kommenden Monat alle zurückholen würden – endgültig. Nun ja, du kannst dir vorstellen, dass das für uns ein Stich ins Herz war. Vernichtend. Beim Abendessen herrschte Friedhofsstimmung. Fitz war offenbar genau so betrübt wie wir, und die Flasche machte ihre Runde – Oh, vielen Dank.

Auf einmal sah er uns mit funkelnden Augen an.

»Meine Damen und Herren!« Fitz mit seinem Rokoko-Gehabe – obwohl wir alle im gleichen Alter waren. »Kein Grund zur Verzweiflung. Ich muss Ihnen etwas gestehen. Die Nichte der Frau meines Onkels arbeitet für den Senator, der Vorstandsvorsitzender des Bewilligungsausschusses ist. Also bin ich zu ihm gegangen, auf eigene Faust. Was haben wir schon zu verlieren? Und –« Ich kann immer noch Fitz’ Grinsen sehen – »Ich habe auf ihn eingeredet. Das volle Programm. Ursprung der Menschheit, unschätzbare Fortschritte für die Wissenschaft. Nichts. Keine Reaktion, bis ich herausfand, dass er ein begeisterter Jäger ist.

Nun ja, wie Sie wissen, bin ich selbst ein Waffennarr, und so ergab sich alles wie von selbst. Er fing an zu klagen, dass es Dahinten nichts mehr zu jagen gäbe, und ich erzählte ihm, was für ein Jägerparadies wir hier entdeckt hätten. Um mich kurz zu fassen, er kommt zur Inspektion hierher, und wenn ihm das Jagen gefällt, springt zweifellos auch Geld für euch dabei heraus. Na, wie hört sich das an?«

Allgemeiner Jubel. Peshkov begann, die Möglichkeiten des Senators aufzuzählen.

»Diverse große Huftiere und natürlich die Paviane, und dieses Raubtier, das du geschossen hast, Fitz. Vielleicht auch ein Tapir –«

»Oh, nein«, berichtigte ihn Fitz. »Affen, Wild und Schweine, das interessiert ihn nicht. Etwas Spektakuläres.«

»Hominiden meiden Gebiete mit vielen Fressfeinden«, bemerkte MacGregor. »Sogar die Mammute sind weit im Osten.«

»Tatsache ist«, gestand Fitz, »dass ich ihm versprochen habe, er könnte einen Dinosaurier schießen.«

»Einen Dinosaurier!«, heulten wir.

»Aber Fitz«, zeterte Klein-Jeanne MacGregor. »Es gibt keine Dinosaurier mehr. Die sind alle ausgestorben.«

»Sind sie das?«, stammelte Fitz verlegen. »Das wusste ich nicht. Der Senator genau so wenig. Sicher können wir noch den einen oder anderen auftreiben? Es könnte alles ein Irrtum sein, wie unser kleiner Mensch hier.«

»Nun ja, es gibt hier eine Leguanart«, schlug Rasmussen vor.

Fitz schüttelte den Kopf.

»Ich habe ihm eine gewaltige Bestie versprochen. Er kommt hierher, um einen – was war es nochmal? Einen Bronco-Irgendwas zu schießen.«

»Einen Brontosaurus?« Wir fielen über ihn her. »Aber die leben in der Kreidezeit! Achtzig Millionen Jahre –«

»Fitz, wie konntest du nur?«

»Ich hab ihm erzählt, dass ihr Brüllen uns nachts nicht schlafen lässt.«

Nun ja, am nächsten Tag bliesen wir immer noch Trübsal. Fitz war zur Schlucht gegangen, um an seiner Zeitfeld-Ausrüstung herumzubasteln. Damals waren das noch große, sperrige Apparate. Wir haben für unsere einen Schuppen gebaut und dann unser Feldlager auf die andere Seite der Schlucht verlegt, wo die Hominiden lebten. Eine schwierige Kletterpartie, rauf und runter und durch den Sumpf – alles noch üppig bewachsen, nicht so ausgetrocknet wie heute. Und natürlich gab es kleines Jagdwild und Früchte in Hülle und Fülle. Entschuldige, ich nehme nur noch einen kleinen Schluck.

Fitz kam einmal, um Rasmussen über Brontosaurier auszufragen, und ging wieder zurück. Beim Abendessen summte er vor sich hin. Dann schaute er feierlich in die Runde – mein Gott, wir waren so jung.

»Meine Damen und Herren, die Wissenschaft wird nicht sterben. Ich besorge dem Senator seinen Dinosaurier.«

»Wie?«

»Ich habe einen Freund Dahinten,« – wir nannten die Gegenwart immer ›Dahinten‹ – »der mir ein bisschen Extra-Energie rüberschickt. Genug, um mich und einen Lastenheber zu den großen Bestien zurückspringen zu lassen. Zumindest für einen Tag. Ich kann die Sache so deichseln, dass diese alte Blechbüchse uns auf ein Signal hin nacheinander zurückholt.«

Wir alle hatten Einwände, obwohl wir wirklich daran glauben wollten.

Wie konnte er seinen Brontosaurus finden? Oder ihn erlegen? Dann wäre er tot. Und zu groß. Und so weiter.

Doch Fitz hatte seine Antworten, und wir waren berauscht vom Pleistozän, und letztendlich wurde der wahnsinnige Plan besiegelt. Fitz würde das größte Reptil töten, das er finden konnte, und uns das Rückholsignal senden, sobald er es in den Transporter gestopft hatte. Dann, wenn der Senator zum Schuss bereit war, würden wir den frisch getöteten Kadaver durch achtzig Millionen Jahre katapultieren und ihn in der Nähe des Schuppens platzieren. Hirnrissig. Doch Fitz überzeugte uns alle, selbst als er zugab, dass der erhöhte Energieverbrauch unseren Aufenthalt hier verkürzen würde. Und am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg.

Als er weg war, wurde uns langsam klar, was wir, sechs vielversprechende junge Wissenschaftler, vorhatten. Wir wollten einem mächtigen U.S.-Senator weismachen, er hätte eine Kreatur, die seit achtzig Millionen Jahren ausgestorben ist, gejagt und getötet.

»Wir können das nicht tun!«

»Wir müssen.«

»Wenn sie das rausfinden, ist es vorbei mit den Zeitreisen«, stöhnte Rasmussen. »Und mit uns.«

»Das ist Missbrauch von Regierungsmitteln«, warnte MacGregor. »Strafbar.«

»Wo waren wir nur mit unseren Gedanken?«

»Wisst ihr was«, grübelte Jeanne MacGregor, »ich glaube, Fitz ist genauso erpicht darauf, einen Dinosaurier zu schießen, wie der Senator.«

»Und diese passende Absprache mit seinem Freund«, bemerkte Peshkov nachdenklich. »Die wurde nicht von hier aus getroffen. Ich frage mich ob –«

»Er hat uns verarscht.«

»Es ist jedoch Tatsache«, meinte MacGregor, »dass unser Senator Handlanger hierher kommt in der Erwartung, einen Dinosaurier zu töten. Unsere einzige Hoffnung besteht darin, ein paar Fußspuren zu fabrizieren und ihn davon zu überzeugen, dass die Kreatur weitergezogen ist.«

Glücklicherweise hatten wir Fitz beauftragt, Fußabdrücke mitzubringen, von was auch immer er ermorden würde. Und Rasmussen hatte die Idee, das Brüllen aufzunehmen.

»Sie sind wie Nilpferde. Sie würden massenweise Pflanzen plattmachen, unten am Wasser. Wir könnten dort ein bisschen herumtrampeln, bevor Fitz zurückkommt.«

»Immerhin...


James Tiptree Jr. (1915-1987) ist das männliche Pseudonym von Alice B. Sheldon. Tiptrees geheimnisvolle Identität faszinierte die Fans und gab Anlass zu vielen Spekulationen, freilich glaubten alle, es müsse sich um einen Mann handeln. Die Aufdeckung, noch zu ihren Lebzeiten, war ein Schlag: Diese knappen, harten und frechen Kurzgeschichten, die nur allzu häufig mit dem Tod enden, waren von einer alten Dame mit weißen Federlöckchen verfasst worden.
Sie zählt unter Science-Fiction-Fans zu den großen Klassikern, gleich neben Philip K. Dick und Ursula K. Le Guin. Ihre Kurzgeschichten, die sie erst im Alter von einundfünfzig Jahren zu schreiben begann, und von denen einige wohl zu den besten des späten 20. Jahrhunderts gehören, brachten ihr schnell Ruhm und zahlreiche Auszeichnungen ein.
Dennoch litt sie ständig unter schweren Depressionen und Todessehnsucht. Nach einem vorab geschlossenen Selbstmordpakt erschießt Sheldon im Alter von einundsiebzig Jahren erst ihren vierundachtzigjährigen Mann und dann sich selbst.



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