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E-Book

E-Book, Deutsch, 333 Seiten

Reihe: narr STUDIENBÜCHER

Jüngst Audiovisuelles Übersetzen

Ein Lehr- und Arbeitsbuch

E-Book, Deutsch, 333 Seiten

Reihe: narr STUDIENBÜCHER

ISBN: 978-3-8233-0237-7
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die zweite, überarbeitete Auflage dieses praxisorientierten Lehr- und Arbeitsbuchs bietet einen Überblick über Verfahren, Arbeitsabläufe und technische Möglichkeiten der Filmübersetzung. Der bewährte Aufbau mit den Themen Untertitelung, Synchronisation, Voice-over, Audiodeskription für Blinde, Songübersetzung und Filmdolmetschen wurde beibehalten und um neue Arbeitsformen und -abläufe ergänzt. Neu hinzugekommen ist eine kurze Einführung in die Game-Lokalisierung. Deutlich erweitert wurden die Kapitel zu Untertitelung und Audiodeskription, wo neue Techniken, Softwareprodukte und neue Aufgaben beim Übersetzen eine besonders wichtige Rolle spielen. Der Fokus des Buches liegt auf praktischen Übungen und Informationen zur Arbeitswelt, dabei bleibt die aktuelle Forschungssituation aber stets im Blick. Das Buch eignet sich sowohl zum Selbststudium als auch zum Einsatz im Unterricht.


Stimmen zum Buch:

"Ein umfassendes Hilfsmittel, das nicht nur alle zentralen Themen der AVÜ thematisiert, sondern auch wertvolles Vertiefungspotenzial, sowohl für die praktische als auch die wissenschaftliche Arbeit, aufzeigt" –Lebende Sprachen 2/2000

"All jenen, die das Thema bis jetzt nicht als eigenständiges Aufgabengebiet kennen, kann ich dieses Lehr- und Arbeitsbuch wärmstens empfehlen" UNIVERSITAS 2/11
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Autoren/Hrsg.


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1.4 Untertitelung versus Synchronisation – der ewige Streit
Die Debatte darüber, welches Verfahren das bessere sei, dreht sich seit Jahrzehnten im Kreis. Hier soll zunächst die Verteilung der beiden Verfahren in Europa dargestellt werden, dann folgen die typischen Argumente für und wider. In manchen Ländern ist es üblich, dass Filme, die in Kino und Fernsehen gezeigt werden, interlinguale Untertitel erhalten. In anderen Ländern werden Filme synchronisiert, und Deutschland ist auch heute noch ein typisches Synchronisationsland (selten auch „Synchronnation“). Bis auf wenige Ausnahmen werden alle Serien und Filme für Fernsehen und Kino synchronisiert. Das Publikum ist an diese Situation gewöhnt, doch mit dem Erfolg der Streamingdienste und den überall frei verfügbaren, oft englischsprachigen Inhalten auf YouTube, ändert sich diese Haltung. Jüngere Zuschauer wünschen sich, zumindest für englischsprachige Produktionen, eher Untertitel (siehe auch Media Consulting Group 2011: 11). In den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender kann man bei manchen Serien zwischen untertiteltem Original und Synchronfassung wählen. Untertitelung wird heute auch hierzulande nicht mehr als Ausnahme wahrgenommen und auch nicht mehr mit Ausnahmesituationen verknüpft. Noch vor zehn Jahren konnte man interlinguale Untertitel im Fernsehen höchstens bei Opernaufführungen oder Filmen in den Kulturprogrammen (3sat, ARTE) erwarten oder außerhalb des Fernsehens bei Filmfestivals. Auch die Abwendung jüngerer Zuschauer vom linearen Fernsehen hat zu dieser Veränderung beigetragen. Was die Untertitelung von Filmen aus kleinen Sprachen betrifft, so findet diese weiterhin statt. Dennoch bleibt die Synchronisation in Deutschland wichtig; das Publikum besteht nicht nur aus jungen Trendsettern, Gewohnheiten ändern sich nicht so schnell und es gibt noch andere große Ausgangssprachen als Englisch, die nicht eine so weite Verbreitung in der Bevölkerung genießen. Außerdem hängt eine große Industrie von der Synchronisation ab. Warum ein Land zu einem Synchronisationsland wird, hat unterschiedliche Gründe. Oft leitet man diese Entwicklung aus der Geschichte der betreffenden Länder her. Spanien, Italien und Deutschland, drei typische Synchronisationsländer, haben eine faschistisch-totalitäre Vergangenheit (siehe z. B. Danan 1991). Wenn man einen Film synchronisiert, kann man besser lügen und unliebsame, beispielsweise pazifistische Inhalte verfälschen. Außerdem wird bei der Synchronisation die Nationalsprache eingesetzt. So auch Garncarz: Es ist so, dass in Deutschland der Nationalsozialismus einen direkten Einfluss hatte auf die Etablierung der Synchronisation. Es gibt eine Studie in einem amerikanischen Fachjournal aus dem Jahr 1950, und diese Studio [sic] listet 60 Länder aus der ganzen Welt auf, darunter 16 europäische Staaten, und von diesen 60 Ländern gibt es nur drei Länder, die ausschließlich Synchron-Fassungen akzeptieren: das sind Italien, Spanien und Deutschland … Und man sieht schnell, dass es die drei Länder des europäischen Faschismus sind. Das bedeutet natürlich keineswegs, dass Synchronisation in irgendeiner Weise faschistisch ist, es bedeutet nur, dass Länder, die einen besonderen Wert auf ihre kulturelle Spezifik legen, die die eigene Sprache und die eigene Kultur höher schätzen als die Sprachen und Kulturen der Nachbarländer, dass diese Länder einen besonderen Wert darauf legen, dass alles Ausländische quasi in die eigene Sprache übersetzt wird. (Garncarz in Metz / Seeßlen 2009) Doch diese Erklärung greift zu kurz. Auch in Frankreich ist die Synchronisation das häufigste Verfahren der AV-Übersetzung. Die Menge der Zuschauer, die den fertigen Film sehen werden, spielt eine sehr große Rolle dabei, ob ein so teures Verfahren eingesetzt wird (dazu zusammenfassend die Media Consulting Group 2011: 25). Eine Synchronfassung lohnt sich erst, wenn vierzig oder mehr Kopien eines Films in den Kinos laufen (Hinderer 2009: 271). Ein weiterer Grund, der gegen eine rein geschichtliche Erklärung spricht, ist das kleine Portugal, das schon immer ein Untertitelungsland war – und der Beweis dafür, dass in einer Diktatur auch in den Untertiteln verfälscht und gelogen wird (ausführlich dazu Pieper 2009). Abgesehen vom Englischen, das heute viele Menschen einigermaßen gut verstehen, sind die Fremdsprachenkundigen in jeder Kultur weit verstreut und der Großteil des Publikums ist ausschließlich auf die Untertitel oder die synchronisierte Fassung angewiesen. Und drittens wird in Synchronisationen auch unabhängig von Diktaturen gelogen. Casablanca (USA 1942) erreichte Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Trotzdem wurden alle Hinweise auf das Dritte Reich so gut wie möglich getilgt, um den Erfolg des Films auch bei deutschen Zuschauern zu sichern (siehe Kapitel 3.6.7). Untertitelungsländer sind, wie zu erwarten, Länder mit einer kleinen Sprachgemeinschaft. Die skandinavischen Länder sind Untertitelungsländer. Gerade bei Ländern mit mehreren Landessprachen bietet sich die Untertitelung an, entweder in zwei Fassungen oder in einer Fassung mit doppelten Untertiteln. Eine Synchronisation in beiden Landessprachen wäre schon aus Kostengründen unmöglich; in diesen Ländern werden nur Kindersendungen synchronisiert. Europakarten mit einer Übersicht über die in den jeweiligen Ländern bevorzugten Verfahren im Kino und im Fernsehen finden sich im Rapport Final der Media Consulting Group (2011: 9-10). Großbritannien hat keine wirkliche Tradition der AV-Übersetzung; höchstens in Programmkinos und auf Festivals werden Filme aus fremdsprachlicher Produktion aufgeführt: Großbritannien blickt auf eine andere Geschichte zurück: Durch die Tatsache, dass die Sprache mit derjenigen der Vereinigten Staaten geteilt wurde, entstand eine Situation, in der erheblich weniger fremdsprachige Filme als Filme in englischer Sprache vertrieben wurden. Ab Anfang der 1930er-Jahre wurden diese zumeist europäischen fremdsprachigen Filme gegenüber Hollywood-Produktionen als Ausnahmeprodukt behandelt. Die nur selten als Mainstream-Produktionen vertriebenen fremdsprachigen Filme wurden innerhalb kürzester Zeit mit der Idee eines Kunstkinos assoziiert, das sich an eine gebildete Mittelschicht wandte. Diese Dichotomie wurde von Filmklubs, Kinomagazinen und Kunst- und Studiokinos entwickelt und befördert. Noch heute stellen fremdsprachige Filme einen sehr geringen Teil des Kinofilmangebots in Großbritannien dar. (Media Consulting Group 2011: 26) Außerhalb Europas gibt es wiederum andere Präferenzen. In den USA erreichen nur sehr wenige fremdsprachige Filme ein größeres Publikum, auch hier fast ausschließlich auf Festivals; diese werden im Normalfall untertitelt. Um einen erfolgreichen fremdsprachigen Film dem amerikanischen Publikum nahe zu bringen, ist das Remake nach wie vor das Mittel der Wahl. Die Zuschauer sollen durch ihnen bekannte Schauspieler ins Kino gezogen werden – einer guten Geschichte ohne die vertrauten Gesichter traut man offensichtlich nicht. Vielleicht ändert der Oscar für den koreanischen Film Parasite (2019) ewas an dieser Situation – zumindest hofft das der Regisseur Bong Joon-ho (Höbel 2020: 115). Was Osteuropa betrifft, so gibt es heute noch vor allem in Polen, Bulgarien, Litauen und Lettland den Sonderfall der slawischen Synchronisation oder Gavrilov-Übersetzung, die im Prinzip ein Voice-over darstellt, manchmal auch eine Form des Filmdolmetschens (siehe Karte Media Consulting Group 2011: 9 sowie Kapitel 3.6.4 und Kapitel 5.1). Ein kompletter Umstieg von einem Verfahren auf das andere ist bisher nirgends belegt, doch wie oben angedeutet findet eine Diversifizierung statt. In Deutschland wurden auch schon vor YouTube und Streaming immer wieder Stimmen laut, die Untertitelung statt Synchronisation forderten. Meist geschah dies im Zusammenhang mit der Hoffnung auf eine flächendeckende Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse (womit immer die Verbesserung der Englischkenntnisse gemeint ist; an einer flächendeckenden Verbesserung beispielsweise der Finnischkenntnisse in Deutschland scheint unverständlicherweise kein gesteigertes Interesse zu bestehen). Das Thema „Fremdsprachenlernen und Untertitel“ gilt als so wichtig, dass die EU 2009 eine Ausschreibung zur Untersuchung dieses Phänomens startete: Am 27. Juli 2003 hat die Kommission den Aktionsplan „Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt: Aktionsplan 2004-2006“ angenommen … Im Aktionsplan wurde die Auffassung vertreten, dass ‚der Einsatz von Untertiteln im Kino und im Fernsehen das Sprachenlernen fördern und erleichtern kann.‘ In diesem Zusammenhang wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, den Einfluss der Medien bei der Schaffung eines sprachenfreundlicheren Umfelds nutzbar zu machen, indem die Bürger regelmäßig mit anderen Sprachen und Kulturen in Berührung gebracht werden. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass das Potenzial eines stärkeren Rückgriffs auf...


Prof. Dr. habil. Heike Elisabeth Jüngst ist Professorin und Studienleiterin für den MA Fach- und Medienübersetzen an der FHWS Würzburg. Sie hat Fachvorträge und Fachartikel zur audiovisuellen Übersetzung veröffentlicht und ist derzeit Mitglied der Task Force Audiovisuelle Übersetzung der FIT (Fédération Internationale des Traducteurs).


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