Jürgens | Von der Magie zur Mystik | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Jürgens Von der Magie zur Mystik

Der Weg zur Freiheit im Glauben

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-8436-1315-6
Verlag: Patmos Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"In 25 Jahren seelsorglicher Praxis ist mir bei vielen Menschen nur wenig Glaube begegnet, dafür aber viel Magie; wenig Gottvertrauen, dafür aber viel Angst; wenig Entwicklung, dafür aber viel Tradition", sagt Stefan Jürgens. Viele Christen leben ihren Glauben so, als solle Gott durch fromme Leistung gnädig gestimmt werden.
Stefan Jürgens erzählt, wie er selbst zu einem erwachsenen Glauben gefunden hat: nicht, weil er gut ist, sondern weil Gott gut ist. Er folgt den Spuren geistlicher Entwicklung, wie sie auch in der Bibel ihren Ausdruck finden. Er fragt nach den tieferen Ursachen für das Verharren im Kinderglauben. Entwickelte Spiritualität und Identität zeigt er als entscheidende Schritte zu einem erwachsenen Glauben auf, der nicht fordert, sondern fördert, der im Alltag trägt und der letztlich zur persönlichen Freiheit führt. Ein neuer Blick auf die Kirche und auf die wesentlichen Inhalte des Christentums macht dieses leicht lesbare Buch zu einem anregenden Grundkurs des Glaubens.
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Was den Kinder- vom Erwachsenenglauben unterscheidet
»Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, kommt ihr nicht in das Reich Gottes« (Mt 18,1–5): Wenn Jesus seine Jünger dazu einlädt, ihr Gottvertrauen am Kind zu orientieren, so meint er damit ganz sicher keinen kindisch-naiven, sondern einen kindlich-vertrauenden Glauben. Beten und Bitten
Beides lässt sich sehr leicht voneinander unterscheiden, und zwar am ehesten an der Art und Weise, wie wir beten und bitten. Hier zeigt sich, ob wir magisch oder mystisch unterwegs sind, ob wir mit unserem Beten Gott verändern oder uns von ihm verändern lassen wollen, ob wir ihn zum Lückenbüßer und Wünsche-Erfüller machen oder wirklich Gott sein lassen. Ein Kind bittet: »Lieber Gott, mach, dass morgen schönes Wetter wird.« Ein Erwachsener würde wohl nicht darum bitten, dass Gott die Naturgesetze außer Kraft setzt, um angenehmes Ausflugswetter herbeizuzaubern. Viel eher würde er um eine innere Haltung, um Aufmerksamkeit bitten. Ein Kind bittet: »Mach, dass Oma wieder gesund wird.« Und dabei liegt die Großmutter schon im Sterben. Ein Erwachsener würde wohl sagen: »Gott, gib uns Geduld und Kraft, dass wir diese schwere Zeit gemeinsam bestehen.« Wenn die polnischen Bischöfe 2020 dazu aufgerufen haben, Gott um Regen zu bitten, und wenn Papst Franziskus im selben Jahr einen »Gebetssturm« gegen das Corona-Virus ausgerufen hat, so mag dies pastoral motiviert gewesen sein, um gegen die Angst nicht untätig zu bleiben; letzten Endes bleibt es magisch und naiv, es behindert die Glaubensentwicklung der ihnen anvertrauten Menschen. Eine besondere Nagelprobe des Gebets sind die Fürbitten. Es ist besser, in den Fürbitten nur das Anliegen zu benennen, die Intention, nicht aber, was Gott konkret damit tun soll, denn damit würden wir ihn um ein Wunder bitten und ihm Benehmen vorschreiben. Die Enttäuschung wäre vorprogrammiert, denn Gott funktioniert nicht. »Gib den Hungernden Brot« ist meines Erachtens sogar eine Blasphemie, denn es ist genug Nahrung für alle da, es ist ein Verteilungsproblem. Wir können den Egoismus der reichen Länder nicht auch noch Gott in die Schuhe schieben. Im Kinderglauben ist das Gebet eine magische Beschwörung, durch die man Gott herbeirufen will. Im Erwachsenenglauben ist Gott der Ewige und Heilige, der unverfügbar bleibt, jedoch mit all seiner Liebe am Menschen interessiert ist. Für den Erwachsenen ist das Gebet wie jede andere Art der Kommunikation einfach nur Beziehungspflege. In der Magie soll Gott das tun, was der Mensch will; im Glauben darf der Mensch danach fragen, was Gott will, und es mit seiner Hilfe dann auch tun. Beten verändert weder Gott noch die Welt, sondern es verändert den Betenden. Der erwachsene Christ betet nicht, weil er glaubt, sondern glaubt, weil er betet. Für ihn ist das Beten eine verlässliche Beziehungspflege, die einen festen Ort und eine feste Zeit braucht. Stoßgebete und Bitten nach Lust und Laune sind demgegenüber eher Ausdruck einer naiv-magischen Religiosität, denn sie suggerieren, dass man Gott gebrauchen und nach Belieben herbeizaubern kann. Not lehrt in diesem Sinn nicht Beten, sondern allerhöchstens Betteln. Wer gar nicht mehr weiterweiß, bettelt beim Allerhöchsten und macht ihn damit zu einem Wünsche-Erfüller und Lückenbüßer, zum »Deus ex machina«. Eine kleine spirituelle Entlastung sei an dieser Stelle dennoch angebracht: Fast alle Menschen fallen in großer Gefahr, bei tiefsitzender Angst und in schwerer Krankheit in archaische Verhaltensmuster zurück. Das beste Beispiel dafür sind die Psalmen, aber auch die Gebete in Kriegs- und Krisenzeiten. Von daher bin ich davon überzeugt, dass Gott jeden Hilfeschrei aus tiefster Not immer hört und versteht, sei er nun naiv und magisch oder aufgeklärt und mystisch. Wir können Gott in kindlichem Vertrauen alles sagen; er wird aber nicht alle unsere Wünsche erfüllen, sondern uns mit seiner Gegenwart und Liebe, mit seinem Heiligen Geist beschenken. Entscheidend wird sein, sich im Gebet bedingungslos Gott anzuvertrauen. Es ist wie bei einem Kind, das zu Weihnachten einen langen Wunschzettel schreibt. All die vielen Wünsche sind detailgetreu aufgelistet. Die Eltern lesen den Zettel, aber weil sie sehr arm sind, sagen sie zu ihrem Kind: »Du weißt, dass wir dir deine Wünsche nicht erfüllen können. Aber wir sind doch immer bei dir und haben dich lieb. Ist das nicht viel mehr?« Und das Kind antwortet voller Einsicht und Freude: »Ja!« Der lange Wunschzettel ist ein Zeichen kindlichen Vertrauens. Doch das, was die Eltern geben können, ist viel mehr: Beziehung und Liebe. Gott hört alle unsere Wünsche gern, sie sind ein Zeichen kindlichen Vertrauens. Es wäre jedoch geradezu grausam, wenn Gott auf alle menschlichen Wünsche, die ihm entgegengebracht werden, mit genauer Erfüllung reagieren würde. Dann wäre er nur ein Automat und die Menschheit bald am Ende. Nein, Gott antwortet mit einer viel größeren Gabe: mit Liebe, Beziehung, mit seinem Heiligen Geist. Einen guten Freund um etwas zu bitten ist immer ein Zeichen von Beziehung. Die Freundschaft muss sehr tiefgehend sein, denn im Bitten mache ich mich vor ihm bedürftig und klein. Gott um etwas zu bitten bedeutet letztlich immer, Beziehung zu wünschen; es bedeutet vor allem: Bitten um den Heiligen Geist, um die Nähe Gottes in Person, um seine begeisternde und lebendigmachende Kraft, um seine schöpferisch-österliche Gegenwart in dieser Welt (Lk 11,13). Diese aufgeklärte und anthropologisch-theologische Sicht des Gebets ist kein »subtiler neuer Gnostizismus«, wie der emeritierte Papst Joseph Ratzinger einmal behauptet hat. Seiner Meinung nach hätten dann Wunder keinen Platz mehr in der Welt, auch von Auferstehung als dem größten Eingreifen Gottes ins Weltgeschehen könne dann nur noch schwerlich die Rede sein. Wie so oft will er damit einerseits seinen platonischen Ideen-Gott philosophisch retten, andererseits seinen Kinderglauben nicht in Frage stellen; er beharrt auf Kontinuität; Entwicklung gibt es bei ihm nur intellektuell, nicht existenziell. Ratzinger verteidigt seine vormoderne Weltsicht, indem er die aufgeklärte Auffassung von Gebet in den Bereich des Beliebigen, der Psychohygiene und des Seelenhaushalts rückt. Ich meine: Gott wird nicht kleingemacht, wenn man annimmt, dass er nicht ins Weltgeschehen eingreift, sondern durch Menschen wirkt. Das zeigt die menschliche Erfahrung, alles andere würde auch spirituell frustrieren; die Frage nach dem Leid, die ohnehin nicht zu beantworten ist, würde unerträglich. Gott, der Schöpfer, hat in Jesus Christus gezeigt, dass er seine Welt nicht am Menschen vorbei gestalten will. Der postmoderne Mensch wird sich damit zufriedengeben müssen, von Gott transzendent zu denken und trotzdem zu beten wie zu einem – wenn auch sehr geheimnisvollen – Du. Menschen, die sich selbst für besonders fromm halten, sehen im Gebet bisweilen eine Leistung, durch die sie bei Gott Sühne für was und wen auch immer erlangen können. Sie nehmen an Liturgiefeiern teil und glauben, schon dadurch Gott irgendwie dabei behilflich sein zu können, die Welt von ihren Sünden zu erlösen. Sie bringen Opfer dar, um Gott in ihrem Sinne zu beeinflussen. Liturgie wird dabei zur angeblich heilswirksamen persönlichen Anstrengung. Letztendlich dient das Ganze aber nur dazu, sich selbst ein religiöses Gefühl zu verschaffen, seine eigene Wichtigkeit zu steigern, sich selbst im Besitz einer numinosen Macht zu wähnen. Dieser Hang zum Numinosen geht meistens mit einem starken Klerikalismus einher; man macht seine religiöse Praxis an eher traditionalistischen, wenig gebildeten, dafür aber autoritären Guru-Klerikern fest und folgt deren obskuren Ansichten, die oftmals Verschwörungsmythen gleichen, aufs Wort. Das Ganze mag menschlich verständlich sein; man muss solche Menschen mit pastoraler Sensibilität begleiten, und ein »chemisch reines« Christentum gibt es wohl nicht. Dennoch sind derartige Vorstellungen von Sühne und Opfer hochgradig unreif mit einem Hang zum Pathologischen. Vieler dieser Menschen sind nach innen äußerst ängstlich, geben sich aber nach außen konservativ; nicht wenige sind neurotisch veranlagt und bedürfen, da sie meistens zu den Therapieverweigerern gehören, wenigstens einer besonders sensiblen seelsorglichen Begleitung, die den Geist weit und das Herz gütig macht, ohne dabei den anderen dumm dastehen zu lassen. Sakramente und Sakramentalien
Entsprechend kann man auch die Sakramente der Kirche als Heil- und Wundermittel magisch missverstehen oder sie als beziehungstiftende Realsymbole begreifen, die erinnernd vergegenwärtigen, was Gott uns längst geschenkt hat, was also bereits geschehen ist. Die Kirche feiert in diesem Sinn Liturgie, sie antwortet damit lediglich auf Gottes Offenbarung; ihre heiligen Zeichen sind menschliche Gebärden und keinesfalls Kult. Liturgie ist Feier, die Gottes Heilstaten gedenkt; Kult hingegen ist Opfer, das von Gott etwas haben, ja, erzwingen will. Wenn ich jedoch sehe, wie manche Bischöfe und Priester die Eucharistiefeier leiten, denke ich eher an Kult als an Liturgie, eher an Magie als an Mystik, eher an Schamanismus als an Repräsentation, eher an ein heiliges Schauspiel als an eine Gemeindeversammlung. Manche halten bei der Wandlung die eucharistischen Gaben besonders hoch, um sich selbst in ein besonderes Licht zu setzen; das sieht vielleicht fromm aus, befördert aber die Sakralisierung und damit Klerikalisierung des kirchlichen Amtes. Denn in Wirklichkeit sollen Brot und Wein nach den Einsetzungsworten der Gemeinde lediglich »gezeigt« werden. Das übertriebene Hochhalten (Elevation) stammt noch aus der...


Stefan Jürgens, geb. 1968, Priesterweihe 1994, ist seit 2019 leitender Pfarrer der beiden Pfarreien Ahaus und Alstätte-Ottenstein St. Mariä Himmelfahrt mit ihren fünf Gemeinden. Zuvor war er Jugendseelsorger einer Region, Geistlicher Rektor einer Akademie sowie Pfarrer in Stadtlohn und Münster. Durch das "Wort zum Sonntag" sowie als Hörfunksprecher und Buchautor ist er über die Gemeindepastoral hinaus bekannt geworden. Zu seinen besonderen Anliegen gehören die geistliche Vertiefung des Glaubens sowie konkrete Schritte zur Reform der Kirche um des Evangeliums willen. Seine Freizeit nutzt er zum Schreiben und zum Musizieren.


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