E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Kafka Briefe an Milena
Verbesserte Ausgabe
ISBN: 978-80-268-3784-8
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ausgewählte Briefe an Kafkas große Liebe
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
ISBN: 978-80-268-3784-8
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Briefe an Milena' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Franz Kafka (1883-1924) war ein deutschsprachiger Schriftsteller. Sein Hauptwerk bilden neben drei Romanfragmenten zahlreiche Erzählungen. Kafkas Werke wurden zum größeren Teil erst nach seinem Tod und gegen seine letztwillige Verfügung von Max Brod veröffentlicht, einem engen Freund und Vertrauten, den Kafka als Nachlassverwalter bestimmt hatte. Kafkas Werke zählen unbestritten zum Kanon der Weltliteratur. Aus dem Buch: 'Es ist nicht ganz leicht, jetzt nachdem ich diesen schrecklichen aber durchaus nicht bis in seine Tiefe schrecklichen Brief gelesen habe, für die Freude zu danken, die er mir bei der Ankunft gemacht hat. Es ist Feiertag, gewöhnliche Post wäre nicht mehr gekommen, ob morgen Freitag etwas von Ihnen käme, war auch zweifelhaft, es war also eine Art bedrückter Stille, doch gar nicht traurig, soweit es Sie betraf; in Ihrem letzten Briefe waren Sie ja so stark, daß ich Ihnen zugesehen habe, so wie ich von meinem Liegestuhl aus Bergsteigern zusehen würde, wenn ich sie oben im Schnee von hier aus- erkennen könnte. Und nun kam er doch knapp vor dem Mittagessen, ich konnte ihn mitnehmen, aus der Tasche ziehn, auf den Tisch legen, wieder in die Tasche stecken, wie eben so die Hände mit einem Brief spielen wollen, man sieht ihnen zu und freut sich über die Kinder.'
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Juli 1920
Sieh, Milena, nun schicke ich selbst Dir den Brief und weiß gar nicht was in ihm steht. Es kam so: Ich hatte ihr versprochen heute nachmittag um 1/2 4 vor ihrem Haus zu sein. Ein Ausflug mit dem Dampfer sollte es werden; nun war ich aber gestern sehr spät ins Bett gekommen und hatte kaum geschlafen, deshalb schrieb ich ihr früh einen Rohrpostbrief: ich müsse nachmittag schlafen und komme erst um 6 Uhr. In meiner Unruhe, die sich mit allen Brief- und Telegramm-Sicherungen nicht zufrieden geben wollte, fügte ich hinzu: »Den Brief nach Wien schicke erst, nachdem wir über ihn gesprochen haben.« Nun hatte sie aber halb besinnungslos am frühen Morgen den Brief schon hingeschrieben - sie kann auch nicht sagen, was sie geschrieben hat- und ihn gleich eingeworfen. Als sie meinen Rohrpostbrief bekommt, lauft die Arme voll Angst auf die Hauptpost, erwischt noch irgendwo den Brief, gibt dem Beamten, so glücklich ist sie, ihr ganzes Geld, erst nachher erschrickt sie über die Menge, und bringt mir abend den Brief. Was soll ich nun tun?
Meine Hoffnung auf eine baldige vollständige glückliche Lösung ruht ja auf dem Brief und der Wirkung Deiner Antwort, es ist ja, das gebe ich zu, eine unsinnige Hoffnung, aber meine einzige.
Wenn ich nun den Brief öffne und vorher lese, kränke ich sie erstens, zweitens bin ich sicher, daß es mir dann nicht möglich sein wird, ihn wegzuschicken. Also gebe ich ihn geschlossen in Deine Hand, ganz und gar, so wie ich mich schon in diese Hand gegeben habe.
Es ist ein wenig trüb in Prag, es ist noch kein Brief gekommen, das Herz ist ein wenig schwer, es ist zwar ganz unmöglich, daß ein Brief schon hier sein könnte, aber erkläre das dem Herzen.
F
Ihre Adresse: Julie Wohryzek
Na Smeèkách 6
Juli 1920
Kaum hatte ich den Brief eingeworfen, fiel mir ein: Wie hatte ich denn das von Dir verlangen können. Abgesehn davon daß es doch nur meine Sache ist hier das Richtige und Notwendige zu tun, ist es Dir doch wahrscheinlich unmöglich einen derartigen Antwortbrief einem fremden Menschen zu schreiben und anzuvertrauen. Nun Milena dann verzeih die Briefe und Telegramme, rechne sie meinem durch den Abschied von Dir geschwächtem Verstand zu; es macht gar nichts, wenn Du ihr nicht antwortest, es wird sich eben eine andere Lösung finden müssen. Mach Dir deshalb keine Sorgen. Ich bin nur so müde von diesen Spaziergängen, heute auf der Vyehrader Lehne, das ist es. Auch kommt morgen der Onkel, ich werde wenig allein sein.
Um aber von etwas besserem zu reden: Weißt Du eigentlich wann Du in Wien am schönsten, aber schon ganz unsinnig schön angezogen warst? Darüber kann es nämlich keinen Streit geben: am Sonntag.
Juli 1920
Nur paar allereiligste Worte zur Einweihung meiner neuen Wohnung, allereiligst, weil um 10 Uhr die Eltern von Franzensbad, um 12 der Onkel aus Paris kommt und beide abgeholt sein wollen; neue Wohnung, weil ich in die leere Wohnung meiner Schwester die in Marienbad ist, übersiedelt bin, um dem Onkel Platz zu machen. Leere große Wohnung, das ist ja schön, aber die Straße ist lärmender, immerhin kein allzu schlechter Tausch. Und schreiben muß ich Dir Milena, weil Du aus meinen letzten Klagebriefen (den schlimmsten habe ich heute vormittag zerrissen aus Scham; denke, ich habe jetzt noch keine Nachricht von Dir, aber über die Post zu klagen, ist doch dumm, was habe ich mit der Post zu tun) schließen könntest, ich sei Deiner unsicher, ich fürchtete, Dich zu verlieren, nein, ich bin nicht unsicher. Könntest Du mir denn das sein, was Du mir bist, wenn ich Deiner nicht sicher wäre? Was diesen Eindruck erweckt, das war mir die kurze körperliche Nähe und die plötzliche körperliche Trennung (warum gerade Sonntag? warum gerade um 7 Uhr? warum überhaupt?), das darf doch die Sinne ein wenig verwirren. Verzeih! Und nimm jetzt am Abend zur guten Nacht in einem Strom alles auf was ich bin und habe und was glückselig ist in Dir zu ruhn.
F
Juli 1920
Die Straße ist lärmend, auch wird schräg gegenüber gebaut, das Gegenüber ist nicht die russische Kirche sondern Wohnungen voll Menschen, trotzdem - allein in einem Zimmer zu sein, ist vielleicht die Voraussetzung des Lebens, allein in einer Wohnung zu sein eine - um genau zu sein: zeitweilige - Voraussetzung des Glücks (eine Voraussetzung, denn was hülfe mir die Wohnung, wenn ich nicht lebte, nicht eine Heimat hätte in der ich ruhte, etwa zwei helle, blaue, aus unbegreiflicher Gnade lebendige Augen) so aber gehört die Wohnung zum Glück, alles still, das Badezimmer, die Küche, das Vorzimmer, die 3 weiteren Zimmer, nicht wie in den gemeinsamen Wohnungen dieser Lärm, diese Unzucht, diese Inzucht der haltlosen, längst nicht mehr beherrschten Körper Gedanken und Wünsche, wo in allen Winkeln, zwischen allen Möbeln unerlaubte Verhältnisse, unpassende, zufällige Dinge, uneheliche Kinder entstehn und wo es immerfort zugeht nicht wie in Deinen stillen leeren Vorstädten am Sonntag, sondern wie in den wilden überfüllten atemberaubenden Vorstädten an einem ununterbrochenen Samstagabend.
-
Die Schwester ist gekommen den langen Weg mir Frühstück zu bringen (was nicht nötig war, denn ich wäre nachhause gegangen) und hat paar Minuten läuten müssen ehe sie mich aus Brief und Weltverlorenheit weckte.
F
Die Wohnung gehört mir ja nicht, oft wird auch während des Sommers der Schwager hier wohnen
Juli 1920
Endlich Dein Brief. Nur gleich in Eile ein paar Worte zur Hauptsache, mag auch die Eile vielleicht Unrichtigkeiten einmischen, die ich später bedauern werde: Es ist ein Fall, wie ich in den gegenseitigen Verhältnissen von uns drei keinen ähnlichen kenne, deshalb muß man auch nicht ihn mit Erfahrungen aus andern Fällen (Leichen - Qual zu dritt, zu zwei - auf irgendeine Art verschwinden) trüben. Ich bin nicht sein Freund, ich habe keinen Freund verraten, aber ich bin auch nicht bloß sein Bekannter, sondern sehr mit ihm verbunden, in manchem vielleicht mehr als Freund. Du wieder hast ihn nicht verraten, denn Du liebst ihn, was Du auch sagen magst und wenn wir uns vereinigen (ich danke Euch, Ihr Schultern!) ist es auf einer anderen Ebene, nicht in seinem Bereich. Ergebnis dessen ist, daß diese Angelegenheit wirklich nicht nur unsere geheim zu haltende Angelegenheit ist, auch nicht nur Qual Angst Schmerz Sorge - Dein Brief hat mich sehr aufgeschreckt aus verhältnismäßiger Ruhe, die noch herkam aus unserem Beisammensein und die nun wieder vielleicht in den Meraner Wirbel gelenkt wird, immerhin, es sind kräftige Hindernisse dafür die Wiederkehr der Meraner Zustände - sondern ist eine offene, in ihrer Offenheit klare Angelegenheit zudritt, selbst wenn Du noch ein Weilchen schweigen solltest. Auch ich bin sehr gegen das Durchdenken der Möglichkeiten - bin dagegen, weil ich Dich habe, wäre ich allein, könnte mich nichts vom Durchdenken abhalten - man macht sich schon In der Gegenwart zum Kampfplatz der Zukunft, wie soll dann der zerwühlte Boden das Haus der Zukunft tragen?
Ich weiß jetzt nichts mehr, ich bin den 3tten Tag im Bureau und habe noch keine Zeile geschrieben, vielleicht wird es jetzt gehn. Übrigens war während ich diesen Briefschrieb Max hier zu Besuch, sein Schweigen ist selbstverständlich, für alle außer Schwester Eltern Mädchen und ihn bin ich über Linz gekommen.
F
Darf ich Dir Geld schicken? Etwa durch Laurin, dem ich sage daß Du mir in Wien Geld geborgt hast und der es Dir mit Deinem Redaktionshonorar schickt?
Ein wenig erschreckt bin ich auch durch das was Du wegen der Angst zu schreiben ankündigst.
Juli 1920
Alles Schreiben scheint mir wertlos, ist es auch. Am besten wäre wohl, ich fahre nach Wien und nehme Dich mit, vielleicht tue ich es auch, trotzdem Du es nicht willst. Es gibt ja wirklich nur zwei Möglichkeiten, eine schöner als die andere, entweder Du kommst nach Prag oder nach Libeic.
Mißtrauisch nach alter Judenart habe ich mich gestern an Jílovský herangeschlichen, kurz vor der Abfahrt nach Libeic habe ich ihn erwischt, er hatte Deinen Brief an Staa. Er ist ein ausgezeichneter Mensch, fröhlich, offen, klug, nimmt einen unter den Arm, schwätzt darauf los, ist zu allem bereit, versteht alles und noch ein wenig mehr. Er hatte die Absicht mit seiner Frau zu Florian bei Brünn zu fahren und würde von dort zu Dir nach Wien weiterfahren. Heute nachmittag kommt er wieder nach Prag zurück, wird die Antwort der Staa bringen, ich spreche mit ihm um 3 Uhr nachmittag, dann telegraphiere ich Dir. Verzeih das Geschwätz der 11 Briefe, wirf sie bei Seite, jetzt kommt die Wirklichkeit, die ist größer und besser. Angst muß man im Augenblick glaube ich nur wegen eines haben, wegen Deiner Liebe zu Deinem Mann. Was die neue Aufgabe betrifft von der Du schreibst so ist sie wohl schwer, unterschätze aber nicht die Kräfte, die mir Deine Nähe gibt. Vorläufig schlafe ich zwar nicht, bin aber viel ruhiger als ich gestern abend gegenüber Deinen zwei Briefen dachte (zufällig war Max dabei, was nicht unbedingt gut war, denn es war doch zu sehr meine Sache, ach, es fängt schon die Eifersucht des Nicht-Eifersüchtigen an, arme Milena). Dein heutiges Telegramm bringt auch ein wenig Beruhigung. Um Deinen Mann habe ich jetzt, wenigstens jetzt, nicht allzugroße, nicht unerträgliche Sorge. Er hatte eine ungeheuere Aufgabe übernommen, hat sie zum...