Kavanagh | Heisse Fracht | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 256 Seiten

Reihe: Ein Fall für Duffy

Kavanagh Heisse Fracht

Ein Fall für Duffy
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-311-70222-1
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Fall für Duffy

E-Book, Deutsch, Band 2, 256 Seiten

Reihe: Ein Fall für Duffy

ISBN: 978-3-311-70222-1
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Beim Luftfrachtunternehmen Hendrick Freights am Londoner Heathrow Airport fällt so oft ein Karton von der Palette und verschwindet, dass Newtons Gravitationsgesetz nicht alleine schuld daran sein kann. Der Boss vermutet, dass einer von seinen Leuten kräftig nachhilft. Duffy, wie immer in Geldnöten, ist gerne bereit, das faule Ei im Nest zu finden. Dass aus dem Auftrag kein lahmer Nadel-im-Heuhaufen- oder Auf-dem-Hintern-sitzen-und-die- Augen-offenhalten-Fall wird, liegt nicht nur daran, dass Duffy bei jedem der über die Lagerhalle donnernden Jumbo angsterfüllt denkt, die Maschine würde gleich abstürzen: Das Luftfrachtgeschäft entpuppt sich als so heiß, dass man sich daran nicht nur die Finger verbrennen, sondern gleich für immer einpacken kann.

Dan Kavanagh wurde 1946 im County Sligo geboren und vergeudete seine Jugend mit Schuleschwänzen, reichlich Sex und kleineren Diebstählen, ehe er mit siebzehn als Schiffsjunge auf einem liberianischen Tanker anheuerte. In Montevideo ging er von Bord und durchstreifte anschließend Süd- und Nordamerika. Er war unter anderem Wrestler, Rollschuh-Kellner in einem Drive-in in Tucson und Türsteher in einer Schwulenbar in San Francisco. Ein unstetes Leben. Ende der siebziger Jahre dann die Kehrtwende: Kavanagh zieht nach London, kauft sich einen Schreibtisch und schreibt vier Krimis hintereinander weg. Doch schon 1987 ist es damit wieder vorbei. Kavanagh taucht unter, seine Spur verliert sich. Gerüchten zufolge lebt er noch heute in London und publiziert jetzt unter Pseudonym, allerdings wohl ziemlich obskure Romane, darunter einen über die Bedeutung von Papageien im Werk eines französischen Schriftstellers.
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Am Tag, als man McKay abschoss, war sonst wenig los auf der M 4. Zumindest nicht auf dem Abschnitt zwischen Heathrow und Chiswick; westlich davon, das war nicht mehr ihr Revier – wen kümmerte das also? Zumal es einer von diesen warmen, dunstigen Augustvormittagen war, an denen die Streifenwagen auf ihren speziellen Rampen an der Autobahn wie Echsen in der Sonne liegen; wenn jene paar Meter über der Fahrbahn ein sorgloses, unbemerktes, mützenbeschirmtes Nickerchen gestatten. Und dann wurde vielleicht, so gegen halb zwölf, das Pffft und Knistern des Funkgeräts etwas leiser gedreht und schließlich übertönt von dem winzigen Transistorradio in der blauen Uniformtasche, das auf die Sportübertragung geschaltet war.

Und die Autos machten ja auch keinen Ärger. Bis um zehn hatten sich auch die letzten Pendler in einer Schwade von Nikotin und übler Laune gen Osten verzogen; die würden frühestens in sechs Stunden wiederkommen. Die Laster, die Schwergewichte, die Zwanzigtonner verhielten sich ungewohnt gesittet; das hatte bestimmt irgendwas mit der Sonne zu tun. Und die Zivilisten: Na ja, auf dem Weg zum Flughafen hatten sie so viel Angst davor, sich den Urlaub zu vermasseln, dass sie nicht schneller als sechzig fuhren; und auf dem Rückweg waren sie vom Linksverkehr noch so verwirrt, dass sie oft bis zum Londoner Ende der Autobahn im dritten Gang blieben.

Und so waren die Jungs in Blau nicht allzu erbaut, als McKay abgeschossen wurde, als ein Taxifahrer, der es gesehen hatte – na ja, gesehen hatte er eigentlich nichts, nur ein Autowrack und die mit Lack verschmierte Leitplanke –, per Funk seine Zentrale verständigte, die das nächste Polizeirevier informierte, das in Heathrow anrief, von wo es an die in Uxbridge weitergeleitet wurde, die es beim dritten Versuch (8 Punkte, 1 Mann draußen für England; Boycott mit 2 Punkten von Chappell eliminiert: selbst dieser Teil des Tages lief gut) schafften, eine schläfrig einsilbige Funkstreife zu erreichen. Und die waren nicht allzu erbaut von McKay, der ihnen damit den Morgen versaute. Fast so, als hätte er es absichtlich getan.

Was an der Leitplanke klebte, hätte Lack sein können, war aber keiner. An McKays Wagen gab es etwas Rot, aber so viel auch nicht. Es war ein Cortina, Sonderausführung mit Tigermotiv. Vorne ein Trompe-l’œil-Kühlergitter, dessen senkrechte Stangen die Zähne des Tigers bildeten; an der Seite prangte ein Blitzgewitter von schwarzen und goldenen Streifen; hinten war auf der Stoßstange ein Tigerschwanz aufgemalt, und darüber (McKay konnte sich kaum halten vor Stolz auf seinen Einfall) ein Paar Tigerhinterbacken, die an dem Punkt zusammenliefen, wo der zentral montierte Spezialauspuff mündete. Im Betrieb redeten sie ihn, wie geplant, als »Tiger« an; wenn er nicht da war, nannten sie ihn eher den »Furzkater«. Manchmal sahen sie zu, wie er wegfuhr, und lachten gemeinsam über die erste blaugraue Rauchwolke, die den Hinterbacken des Tigers entquoll.

McKay verließ den Internationalen Frachthof West und wandte sich ostwärts, Richtung London. Wie ein Tiger fuhr er aber nicht. Nach einem kleinen Kavalierstart auf quietschenden Reifen (bei der Arbeit gab es doch immer Zuschauer, und wenn es nur ein Straßenfeger und sein Besen waren) machte er sich’s auf der Autobahn mit ruhigen siebzig bequem. Er hatte nicht im Sinn, den Motor vorzeitig ausbrennen zu lassen. Außerdem war ihm wohl in seinem Wagen – je länger der hielt, desto besser. Echt wie in einem Sultanspalast, pflegte er zu sagen. Die Stereoanlage; die Batterie von Miniaturflaschen im »Cocktail-Kabinett«, wie er hochtrabend sein Handschuhfach nannte; das kleine gepolsterte Lenkrad – Stahl und schwarzes Leder; der üppige Teppichboden unter den Füßen; die Lammfellsitzbezüge (»Die macht dem Tiger seine Alte aus den Schafen, die er platt fährt«, erklärte er immer); selbst die Hutablage war mit Lammfell ausgelegt. Auf dieser Ablage rekelte sich – für McKay eine weitere besonders hübsche Note – ein großes Stofftier. Ein Tiger natürlich. McKay störte es, dass die Farben des Stofftigers nicht mit denen der Karosserie übereinstimmten, und um ein Haar hätte er den Spielzeugverkäufer verprügelt, der ihm zu versichern suchte, dass die Farben ganz bestimmt authentisch seien (als wären das die Farben seines Cortinas nicht). Immerhin war McKay imstande, aus dieser Not eine Tugend zu machen, falls jemand darauf hinwies. »Es gibt nun mal Tiger in allen Schattierungen«, witzelte er, in aller Bescheidenheit auch auf sich selbst anspielend.

McKay blickte auf, an dem allzu blassen Spielzeugtiger vorbei auf den Verkehr in seinem Rücken. Bloß ein Bus, gut zwanzig Meter hinter ihm. Er drehte den Kopf ein wenig und musterte sein Spiegelbild. Das breite, leicht verschwitzte Gesicht, der volle Kussmund, der gelassene Blick – all das gefiel McKay wie immer. ›Zack, zack‹, dachte er bei sich. Lässig zupfte er an seiner Halskette, bis ein dünnes silbernes Hakenkreuz von etwa fünf Zentimeter Durchmesser aus seinem Hemd auftauchte. Die Außenkanten waren messerscharf geschliffen: ohne besonderen Grund, ihm hatte damals die Idee einfach gefallen. Und später hatte es sich ab und zu als nützlich erwiesen. Etwa als er im Café gesessen hatte und dieser Pakistani ihn anzuglotzen begann. Nichts machte, natürlich – das wagten sie ja nicht; die glotzten nur. Da hatte McKay ein Streichholz genommen, sein Hakenkreuz hervorgepult und direkt vor der Nase des Pakis begonnen, das Streichholz anzuspitzen. Dann ließ er seinen Anhänger baumeln und stocherte langsam in seinen Zähnen, ohne den Typen dabei aus den Augen zu lassen. Dem Paki war dermaßen die Lust vergangen, dass der seinen Nachtisch stehen ließ.

McKay drehte das Hakenkreuz in seiner Rechten, suchte einen Arm davon aus und begann damit forschend in seinem linken Nasenloch zu stochern. Das war noch ein Grund, um bei ruhigen siebzig zu bleiben; obschon man freilich mit so einem Rennlenkrad auch bei 110 mit dem bloßen kleinen Finger steuern konnte, wenn man mochte. Wie er den Leuten gerne erzählte.

Er arbeitete methodisch an seinem Nasenloch und schnippte gelegentlich einen Popel auf seine Jeans. Ein Lastwagen setzte zum Überholen an. Ein paar Sekunden fuhr er neben ihm her, dröhnend und ratternd, dann fiel er wieder zurück. McKay blickte in den Rückspiegel, um zu sehen, wohin er verschwunden war, aber er sah nur wieder denselben Bus wie zuvor; er war etwas näher als das letzte Mal, vielleicht zehn Meter hinter ihm.

Typisch diese Scheißlaster, fand McKay. Wenn’s bergab geht, donnern sie an dir vorbei, schwenken vor dir ein, sowie sie eine Handbreit Platz sehen, und bei der nächsten Steigung musst du sie dann wieder überholen. Lächerlich; die sollte man zwingen, in der Kriechspur zu bleiben, wo sie hingehören. Dauernd setzen sie zum Überholen an und überlegen sich’s dann anders, bloß weil eine zweiprozentige Steigung kommt.

McKay prüfte nicht nach, ob es eine zweiprozentige Steigung gewesen war, die den Laster hatte zurückfallen lassen. Er nahm es einfach an, wie jeder andere das auch getan hätte; nur war seine Annahme in dem Fall eben falsch. Er drehte bloß das Hakenkreuz in seiner Hand, wählte einen neuen Arm – er war doch kein Schweinigel, er wechselte ja auch ab und zu das Bettzeug – und begann sanft in seinem rechten Nasenloch zu pulen. Kaum hatte er damit angefangen, ging neben ihm wieder das Dröhnen und Rattern los. Wäre McKay nicht anderweitig beschäftigt gewesen, hätte er sich mit dem Laster vielleicht auf ein kleines Spielchen eingelassen: gerade so viel beschleunigt, um vor ihm zu bleiben, und gebremst, wenn der Laster bremste, um dem so richtig auf die Titten zu gehen. Bei Lastern machte er das gern. Aber es war ein schöner Morgen; McKay war ungewohnt gutmütiger Stimmung; er machte eine Routineauslieferung; und außerdem war er gerade beim Popeln. Er warf also nur einen Blick geradeaus (da vorn kam eine Brücke) und einen in den Rückspiegel – der Bus war immer noch da; komisch, jetzt kroch der ihm schon in den Auspuff – und lehnte sich zurück, um den Laster vorbeiziehen zu lassen.

Es war gut geplant; aber schließlich waren die Männer auch nicht billig gewesen: Sie nahmen nur Einzelaufträge an und gaben sich nicht mit Popelkram ab. Sie waren stolz auf ihre Arbeit; das heißt stolz auf deren professionelle Ausführung. Sie wussten genau, wo es das, was sie brauchten, zu stehlen gab; sie scheuten sich nicht, ein paar Tage für Recherchen dranzugeben; sie führten auch keine verräterischen Alben mit Zeitungsmeldungen über ihr Treiben – obschon sie in ihrer stillen Art auch schon für Schlagzeilen gesorgt hatten.

Der Lastwagen, ein neunachsiger Sattelschlepper, dick mit Planen und Seilen vermummt, kam etwa dreihundert Meter vor der Brücke mit McKay gleichauf. Zentimeterweise schob er sich an ihm vorbei, bis das Heck des Anhängers auf der Höhe der Fondtür des Cortinas war; dann schien er nur so dazuhocken, ächzend und rülpsend, außerstande, ganz vorbeizuziehen. Ist dem Ficker mal wieder die Puste ausgegangen, dachte McKay.

Der Bus hatte sich inzwischen noch näher rangeschoben. Wer hinter den drei Fahrzeugen herfuhr, musste annehmen, dass es nur deren zwei waren – ein Laster, der unklugerweise einen Bus zu überholen versuchte; der Cortina war vollkommen verdeckt. Und von vorne – na ja, für den Gegenverkehr auf ihrer Höhe würde der Laster den Cortina abschirmen; und der Rest, nahmen sie an, würde durch die Brücke abgedeckt. So hatten es die Männer geplant; und...


Kavanagh, Dan
Dan Kavanagh wurde 1946 im County Sligo geboren und vergeudete seine Jugend mit Schuleschwänzen, reichlich Sex und kleineren Diebstählen, ehe er mit siebzehn als Schiffsjunge auf einem liberianischen Tanker anheuerte. In Montevideo ging er von Bord und durchstreifte anschließend Süd- und Nordamerika. Er war unter anderem Wrestler, Rollschuh-Kellner in einem Drive-in in Tucson und Türsteher in einer Schwulenbar in San Francisco. Ein unstetes Leben. Ende der siebziger Jahre dann die Kehrtwende: Kavanagh zieht nach London, kauft sich einen Schreibtisch und schreibt vier Krimis hintereinander weg. Doch schon 1987 ist es damit wieder vorbei. Kavanagh taucht unter, seine Spur verliert sich. Gerüchten zufolge lebt er noch heute in London und publiziert jetzt unter Pseudonym, allerdings wohl ziemlich obskure Romane, darunter einen über die Bedeutung von Papageien im Werk eines französischen Schriftstellers.



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