Kemp Das europäische Sonett


1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8353-0709-4
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, Band 2, 984 Seiten

Reihe: Münchener Universitätsschriften. Münchener Komparatistische Studien

ISBN: 978-3-8353-0709-4
Verlag: Wallstein Verlag
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'In diesen fünf- bis sechshundert hier versammelten Sonetten geht es in erster Linie um das, was jedes sagt, was sie miteinander verbindet, wie sie miteinander sich unterreden, sich gegenseitig beleuchten und auslegen. Und wie sie nicht selten, nachbarschaftlich oder über die Nationen und Jahrhunderte hinweg, zu thematisch Verwandtem hinüberwinken, das dann auch aufzutreten forderte.' Friedhelm Kemp Friedhelm Kemps Buch spiegelt die Erfahrung einer lebenslangen Beschäftigung mit Poesie wider. Der erste Band gilt den Ursprüngen und der Ausformung des Sonetts in seinem Herkunftsland Italien sowie seiner Ausbreitung nach Frankreich, Spanien und England bis zum Barock. So beleuchten sich wechselseitig die berühmtesten und die entlegensten Sonette und lassen die Kontur einer bisher acht Jahrhunderte umspannenden Gattungstradition deutlich werden. Der historisch anschließende zweite Band widmet sich etwa zur Hälfte der deutschen Sonett-Tradition vom Frühbarock bis in die Hälfte des 20. Jahrhunderts; ergänzt wird dies durch die wichtigsten Sonettdichter anderer europäischer Länder, denen auch für die Gegenwart das letzte Wort gegeben wird. Es gibt bisher keine mit diesem opus magnum Friedhelm Kemps auch nur entfernt vergleichbare Darstellung der europäischen Sonett-Tradition.

Friedhelm Kemp, geb. 1914, Essayist und Übersetzer vor allem aus dem Französischen (u.a. Werke von Maurice Scève, Charles Baudelaire, Simone Weil, Saint-John Perse, Marcel Jouhandeau, Yves Bonnefoy, Philippe Jaccottet); er erhielt 1998 den Joseph Breitbach-Preis (mit Brigitte Kronauer und Hans Boesch); zuletzt erschien '>Niederfahrt und Aufflug. Dreimal Dante< - Texte von August Springer und Friedhelm Kemp'. Friedhelm Kemp lebt in München.
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Autoren/Hrsg.


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1;BAND I;4
1.1;Inhalt;5
1.2;Vorwort;9
1.3;I Einleitung;12
1.4;II Überblick;27
1.5;III Italienische Sonettisten vor Dante. Giacomo da Lentino, Guido Guinizelli, Guido Cavalcanti;46
1.6;IV Dante Alighieri;62
1.7;V Scherz- und Scheltsonette. Folgore da San Gimignano, Ser Pietro deÌ Faitinelli, Cecco Angiolieri;90
1.8;VI Francesco Petrarca;105
1.9;VII Italienische Sonettisten nach Petrarca. Giovanni Della Casa und Vittoria Colonna;148
1.10;VIII Der Dixain. Maurice Scéve;163
1.11;IX Louise Labé und Gaspara Stampa;179
1.12;X Joachim Du Bellay;198
1.13;XI Pierre de Ronsard;212
1.14;XII Politische Scherzgedichte. Francesco Berni, Pietro Aretino, Olivier de Magny, Joachim Du Bellay, Gioachino Belli;230
1.15;XIII Vier Neapolitaner Luigi Tansillo, Galeazzo di Tarsia, Angelo di Costanzo, Bernardino Rota;249
1.16;XIV Das Madrigal;264
1.17;XV Michelangelo;280
1.18;XVI Torquato Tasso;297
1.19;XVII Zwei Philosophen als Sonettisten. Tommaso Campanella und Giordano Bruno;312
1.20;XVIII Französische Sonettisten, weltlich. Étienne Jodelle, Agrippa d'Aubigné, Théophile de Viau, Francois de Malherbe;327
1.21;XIX Französische Sonettisten, geistlich. Jean de Sponde, Jean- Baptiste Chassignet, Jean de La Ceppède, Simon Goulard;345
1.22;XX Spanische Sonettisten. Von Juan Boscán bis Lope de Vega;365
1.23;XXI Spanische Sonettisten. Luis de Góngora und Francisco de Quevedo;381
1.24;XXII Englische Liebesdichtung. Sir Philip Sidney, William Shakespeare, Samuel Butler;398
1.25;Anhang;419
1.26;Zu dieser Ausgabe;421
1.27;Das Sonett - äußere Form;423
1.28;Literatur;424
1.29;Anmerkungen;427
2;BAND II;445
2.1;Inhalt;447
2.2;I Deutsches Barock, weltlich. Georg Rodolf Weckherlin, Martin Opitz, Paul Fleming, David Schirmer;449
2.3;II Deutsches Barock, geistlich. Paul Fleming, Andreas Gryphius, Catharina Regina von Greiffenberg;464
2.4;III Petrarca - deutsch;480
2.5;IV Gottfried August Bürger und August Wilhelm Schlegel;496
2.6;V Zacharias Werner;513
2.7;VI Johann Wolfgang Goethe;528
2.8;VII Deutsche Romantik. Joseph von Eichendorff, Eduard Mörike, Clemens Brentano;543
2.9;VIII Deutsche Romantik. Heinrich von Kleist, Theodor Körner, Friedrich Rückert, Karl Immermann;561
2.10;IX Das Ghasel. August von Platen und Friedrich Rückert;576
2.11;X Vittorio Alfieri und Ugo Foscolo;592
2.12;XI Samuel Taylor Coleridge und William Wordsworth;608
2.13;XII John Keats;625
2.14;XIII Drei Frauen. Elizabeth Barrett, Christina Rossetti, Ricarda Huch;643
2.15;XIV George Meredith;660
2.16;XV Dante Gabriel Rossetti und Gerard Manley Hopkins;678
2.17;XVI Französische Romantik und Symbolismus. Von Sainte- Beuve bis Rimbaud;696
2.18;XVII Französische Romantik und Symbolismus. Von Baudelaire bis Francis Jammes;715
2.19;XVIII Französische Romantik und Symbolismus. Von G»rard de Nerval bis Charles P»guy;735
2.20;XIX Rudolf Borchardt, Rudolf Alexander Schröder, Konrad Weiss;753
2.21;XX Rainer Maria Rilke;770
2.22;XXI Deutscher Expressionismus. Theodor Däubler, Georg Trakl, Georg Heym;788
2.23;XXII Bertolt Brecht und Georg Britting;804
2.24;XXIII Deutsche Sonettisten des Zweiten Weltkriegs. Johannes R. Becher, Hans Egon Holthusen, Rudolf Hagelstange, Albrecht Haushofer, Jesse Thoor;821
2.25;XXIV Edna St. Vincent Millay;838
2.26;XXV Rupert Brooke, Siegfried Sassoon, W. H. Auden;854
2.27;Spanische Sonettisten des 20. Jahrhunderts. Juan Ramón Jiménez, Miguel Hernández, César Vallejo, Blas de Otero;871
2.28;XXVII Drei Sonettisten unserer Zeit. Jean Grosjean, Jacques Réda, Giovanni Raboni;899
2.29;Epilog;916
2.30;Anhang;917
2.31;Quellennachweise rechtlich geschützter Texte;939


(S. 12)

Das europäische Sonett ist keine Gedichtform wie jede andere. Es ist, die Nationen und Sprachen übergreifend, durch sieben Jahrhunderte hin ein fortwährendes Ereignis, das auch in unseren Tagen nicht aufgehört hat, ein solches zu sein. Annähernd vergleichbar sind, im Rahmen der Weltliteratur, was die Dauerhaftigkeit anbelangt, allenfalls das persische Ghasel und das japanische Haiku, die sich jedoch das eine durch seine beliebige Verlängerbarkeit, das andere durch seine strikt festgelegte Silbenzahl von ihm unterscheiden.

Hinzu kommt, daß das Sonett von frühauf eine Neigung bekundet, reihenweise aufzutreten, als mehr oder minder abgeschlossene Folge, als Zyklus, als gesellige Wechselrede oder Auseinandersetzung. Ob manches Sonett auch für uns als Solitär glänzt, wozu Anthologien das Ihrige beigetragen haben, so gehört es des öfteren ursprünglich doch in einen authentischen oder halb fiktiven autobiographischen Zusammenhang, es kann wie eine Tagebucheintragung, wie ein Brief, ein Sendschreiben gelesen werden.

In wiederum anderen Sonettzyklen wird ein Leitthema abgehandelt und durchvariiert: die „edle Minne“, die Stadt Rom, Lebensverachtung und Betrachtung des Todes, die Sonn- und Feiertagsevangelien, das ganze Herrenleben. Auch gelegentlich entwickelte Nebenformen, wie das unregelmäßig gereimte Sonett, das reimlose und verlängerte Sonett, bleiben nicht ohne Folgen. Man hat sich häufig genug Gedanken darüber gemacht, was dem Sonett seine unvergleichliche Beliebtheit und Lebensdauer eingetragen hat.

Befriedigend sind diese Überlegungen selten, zumal dann nicht, wenn sie sich in mehr oder minder kabbalistisch-pythagoräischen Spekulationen über die Zahlenverhältnisse 4 + 4 und 3 + 3 ergehen. Nicht von der Hand zu weisen scheint mir der Verdacht, das Sonett verdanke letzten Endes seinen fortzeugenden Anreiz dem Vorbild Petrarcas und dem schier unausschöpfbaren Variationsangebot seines Canzoniere.

Die Unterschiede in der äußeren Form des Sonetts: seiner Gliederung, dem vorherrschenden Metrum und dem Reimschema, sind erheblich in den fünf Ländern und Sprachen, die uns die zu behandelnden Beispiele liefern werden, und sie fallen vor allem dort ins Gewicht, wo es um Übertragung und Nachdichtung geht. Der Alexandriner der deutschen Barockdichter zum Beispiel ist ein jambischer Vers, sein Vorbild, der französische Alexandriner, empfängt sein Gepräge aus-schließlich durch den Akzent auf der sechsten Silbe und das Reimwort, vor und nach der Zäsur ist die Verteilung der stark- oder meist schwachtonigen Akzente nicht festgelegt.

Das mag beim ersten Hören gelegentlich jambisch anmuten, wie etwa der Anfang des folgenden Sonetts in Agrippa d’Aubignés Hécatombe à Diane: Vous qui avez écrit qu’il n’y a plus en terre De nymphe porte-flèche errante par les bois … Doch nehmen wir den Anfang eines anderen Sonetts, ebenfalls aus dieser Hécatombe à Diane: Quand je vois ce château dedans lequel abonde Le plaisir, le repos, et le contentement …,1 so hört man gleich, wie sich andere Versfüße bemerkbar machen, die wir je nach Laune Spondeen, Daktylen oder Anapäste nennen könnten. Hinzu kommen bei den verschiedenen Sprachen enorme Unterschiede der Lautung, des Wohlklangs, der Wortlänge und -kürze.

Die Häufigkeit der einsilbigen Wörter im Englischen bewirkt, daß in einem Vers meist mehr unterzubringen ist als im Deutschen. Daß im Italienischen aneinandergereihte oder aufeinandertreffende Vokale als eine Silbe gezählt und gehört werden, läßt den italienischen Vers oft melodisch voller und länger erscheinen. Und was etwa den Zeilensprung des Enjambements betrifft, das je nachdem als Verschleifung oder als Kerbe wirkt, so haben die Italiener es sehr früh schon geradezu kultiviert, während die Franzosen behutsamer damit umgehen und es schließlich fast ächten. Als Victor Hugo sich 1830 in seinem Drama Hernani das scherzhaft sinnreiche Enjambement escalier / Dérobé herausnahm, erregte er im Publikum einen wahren Sturm der Entrüstung.


Kemp, Friedhelm
Friedhelm Kemp (1914-2011) war Essayist und Übersetzer, vor allem aus dem Französischen (u. a. Werke von Maurice Scève, Charles Baudelaire, Simone Weil, Saint-John Perse, Marcel Jouhandeau) sowie Herausgeber und Vermittler auch der deutschen Literatur (Jean Paul, Rahel Varnhagen, Konrad Weiss).
1998 wurde er mit dem Joseph Breitbach-Preis ausgezeichnet, 2007 mit dem Horst-Bienek-Preis für Lyrik.



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