E-Book, Deutsch, Band 3, 352 Seiten
Reihe: Because of You
Kerger Because of You I Want to Love
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-641-31393-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman.
E-Book, Deutsch, Band 3, 352 Seiten
Reihe: Because of You
ISBN: 978-3-641-31393-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses Buch gibt es in zwei Versionen: mit und ohne farbigem Buchschnitt. Es wird je nach Verfügbarkeit geliefert.
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1
Es ist ein ungewöhnlich warmer Tag für Mitte Oktober. Als ich am späten Nachmittag vor der Gartenpforte des Seaside Cottage parke, steht die Sonne schon so tief, dass ich sie hinter den Dünen, die das Haus vom Strand trennen, nicht mehr sehen kann. Auf Martha’s Vineyard kann das Wetter in dieser Jahreszeit rau und ungemütlich werden, und es gibt fast jedes Jahr viel Regen, Schnee und die eine oder andere Sturmflut.
Aber heute zeigt sich der Herbst von seiner allerbesten Seite. Der Himmel über mir ist fast wolkenlos und von lila-roten Streifen durchzogen. Ich brauche einen Moment, um die Handbremse des Pick-ups festzustellen, weil ich mich nicht erinnern kann, ob das der Hebel neben dem Lenkrad ist oder der Knopf in der Mittelkonsole. Ich bin nicht wirklich vertraut mit dem großen Truck, der meinem besten Freund Flynn gehört. Er hat mir das Auto geliehen, damit ich meine Einkäufe erledigen kann, während mein eigener Wagen in der Werkstatt ist.
Endlich finde ich den richtigen Knopf, stelle den Motor ab und steige aus, insgeheim erleichtert, dass ich nicht versehentlich die Motorhaube geöffnet oder die Scheibenwischer betätigt habe.
Wie immer, wenn ich nach Hause komme, wird mir beim Anblick des kleinen, zweistöckigen Steinhauses mit seinen Sprossenfenstern und den blauen Klappläden ein wenig wärmer ums Herz. Die rechte Seite und der Schornstein sind von kleinen weißen Kletterrosen bewachsen, die mittlerweile verblüht sind und dringend zurückgeschnitten werden müssten. Neben der Haustür steht die verwitterte Holzbank, auf der meine Großmutter Louise im Sommer morgens gerne ihren ersten Kaffee trinkt und die Schmetterlinge und Bienen im Vorgarten beobachtet, die emsig summend zwischen den farbenprächtigen Wildblumen hin- und herfliegen. Die Blätter der Laubbäume seitlich des Cottage beginnen gerade, sich orange und gelb zu verfärben, was in schönem Kontrast zu dem Dunkelgrün der Tannen und Kiefern steht, die den Weg zum Haus säumen. Es wird noch ein oder zwei Wochen dauern, bis das Laub seine volle Herbstfärbung erreicht hat und wir den Indian Summer erleben werden, für den Neuengland so berühmt ist.
Als ich die Ladeklappe des Pick-ups herunterlasse, geht die Haustür auf, und meine Freundinnen Josie und Liv kommen heraus.
»Wir dachten, dass du vielleicht Hilfe gebrauchen kannst!«, ruft Liv mir entgegen, während sie den Vorgarten durchquert und ihre immerzu herunterrutschende Brille hochschiebt.
Josie nimmt sich noch die Zeit, eine Jacke über ihren Strickpulli zu ziehen, bevor sie Liv folgt. Die beiden haben zusammen Meeresbiologie in Boston studiert und sind vor zwei Jahren während der Sommerferien das erste Mal auf Martha’s Vineyard gewesen. Der Zufall wollte es, dass sie zwei Zimmer im Seaside Cottage gemietet haben. Was damals nur als Urlaub geplant war, wurde für beide zu einem dauerhaften Aufenthalt. Liv ist mittlerweile im St. Francis Seal Rescue Center, der lokalen Seehundauffangstation, angestellt, und Josie arbeitet im CCS, dem Center for Coastal Studies.
»Euch schickt der Himmel!«
Seufzend werfe ich einen Blick auf die Ladefläche, auf der sich die Kisten mit meinen Einkäufen stapeln.
»Puh, das ist ganz schön viel«, sagt Josie neben mir und stemmt die Hände in die Hüften. »Mal schauen, ob wir das alles in der Küche unterkriegen.«
»Sonst stellen wir die Sachen wieder in Hannahs Zimmer«, zieht Liv mich lachend auf.
Bestimmt denkt sie dabei an den letzten Sommer. Während der Hochsaison hatte ich so viel zu tun, dass die Backzutaten nicht mehr in die Küche passten und ich sie unter meinem Schreibtisch lagern musste.
Seit zwei Jahren verdiene ich den Lebensunterhalt für mich und meine Großmutter damit, den Newport Yachtclub & Marina in Menemsha täglich mit Kuchen, Torten, Muffins und anderen süßen Backwaren zu versorgen. Der Jachtclub gehört den drei Sullivan-Brüdern – Blake, Jacob und Flynn –, mit denen ich seit meiner Kindheit befreundet bin.
Blake, der seit zwei Jahren mit Josie zusammen ist und mittlerweile mit ihr im Pine House zusammenwohnt, das nur ein paar Gehminuten vom Seaside Cottage entfernt liegt, kümmert sich um die Vermietungen der Liegeplätze, das Büro und die Abrechnungen.
Jacob, der Jüngste, ist für die Marina und die Ausflugsboote zuständig. Er ist seit letztem Sommer Livs fester Freund, doch auch wenn er wahrscheinlich überglücklich wäre, wenn sie zu ihm ziehen würde, lebt sie noch immer mit Louise und mir im Seaside Cottage.
Im Moment wohnt Jacob deshalb mit Flynn zusammen, dem mittleren der drei Brüder. Flynn ist Chefkoch, Betreiber des Clubrestaurants und mein bester Freund.
Als der Konditor, der ihn bis vor zwei Jahren beliefert hat, schließen musste, bin ich kurzfristig eingesprungen. Ich konnte das Geld gut gebrauchen, denn ich hatte damals keinen Job und war mit meinen Plänen, das Seaside Cottage in ein Bed & Breakfast umzuwandeln, noch nicht weit gekommen. Überraschenderweise war Flynn, der sonst mehr als kritisch ist, zufrieden mit dem Ergebnis meiner Backkunst, und so bin ich seitdem diejenige, die das Clubrestaurant beliefert. Hin und wieder backe ich auch für andere Kunden und liefere Geburtstags- oder Hochzeitstorten.
Dabei bin ich nicht einmal gelernte Konditorin. Aber ich backe seit meiner Jugend leidenschaftlich gern, und meine Gran, die eine wahre Künstlerin in der Küche ist, hat mir über die Jahre alles beigebracht, was sie weiß.
»Wir werden die Sachen schon irgendwie unterkriegen«, gebe ich zurück und schnappe mir die Kiste mit den Zuckerpaketen.
Gemeinsam tragen wir die Einkäufe ins Haus, und glücklicherweise gelingt es uns, alles in den Vorratsschränken in der Küche zu verstauen. Mittlerweile bin ich, was das angeht, ein echter Profi und ziemlich einfallsreich.
Die Cottage-Küche ist eigentlich viel zu klein und überhaupt nicht darauf ausgerichtet, dass hier jeden Vormittag Dutzende Kuchen, Torten, Muffins und Cookies gebacken werden. In der Nebensaison ist die Anzahl der Gäste – und damit der Bedarf an Backwaren – geringer, aber im Hochsommer, wenn die Insel voller Touristen ist, muss ich mehr als die doppelte Menge backen. Manchmal weiß ich wirklich nicht, wohin mit den Vorräten und den fertig gebackenen Torten und Kuchen. Ich stelle sie dann unter Hauben auf den Wohnzimmerfußboden, aber das kann keine Dauerlösung sein. Vor allem wenn ich es wirklich einmal schaffen sollte, aus dem Cottage ein kleines Hotel zu machen.
Ich seufze erneut.
»Alles in Ordnung?«, fragt Josie und mustert mich besorgt.
»Nur das Übliche«, erwidere ich und mache mich daran, heißes Wasser aufzusetzen.
Meine Großmutter ist heute bei ihrem Buchclub, und sie liebt es, wenn sie nach dem kurzen Spaziergang von Menemsha nach Hause einen heißen Tee bekommt. Früher ist sie immer mit dem Fahrrad gefahren, aber mittlerweile fühlt sie sich dafür nicht mehr fit genug und geht lieber zu Fuß. Das Seaside Cottage gehört ihr, auch wenn sie es mir streng genommen – auf dem Papier sozusagen – vor einigen Jahren überschrieben hat. Aber sie hat ihr halbes Leben darin gewohnt, also wird es für mich immer Cottage bleiben, und es ist das einzige richtige Zuhause, das ich je hatte.
Josie, die mit unseren Routinen vertraut ist, holt vier Tassen aus dem Schrank und stellt sie auf den alten Küchentisch, dessen Oberfläche durch die jahrzehntelange Nutzung von tiefen Furchen durchzogen ist. Dann lässt sie sich auf die Eckbank fallen und nimmt einen Schoko-Cookie von dem Plätzchenteller, der immer in unserer Küche bereitsteht. Nicht nur Flynn ist äußerst kritisch, was Qualität angeht, sondern auch ich, weswegen alle Backwaren, mit denen ich nicht zu einhundert Prozent zufrieden bin, nicht ans Restaurant ausgeliefert werden. Die Ausschussware findet glücklicherweise im Cottage immer dankbare Abnehmer, sodass selten etwas im Müll landet.
Liv wirft einen Teebeutel in jede der vier Tassen und setzt sich neben Josie auf die Bank. Meine Freundinnen sehen mich so erwartungsvoll an, dass ich lachen muss.
»Ihr könnt mir mit meinen Problemen auch nicht helfen«, sage ich und setze mich ihnen gegenüber auf einen der Stühle. »Auch wenn ihr mich anschaut wie kleine Weihnachtswichtel, die mir alle Wünsche erfüllen werden.«
»Wünsche können in Erfüllung gehen, weißt du?«, sagt Josie und grinst.
Probieren kann ich es ja mal.
»Es ist …«, beginne ich und suche nach den richtigen Worten. »Zum einen bin ich mir unsicher, wie es mit dem Cottage weitergehen soll. Granny wird nicht jünger und kommt mit der Arbeit in ihrem geliebten Garten kaum mehr hinterher, auch wenn ich versuche, ihr, so gut es geht, zu helfen. Und das Haus haben wir nach dem Brand vor zwei Jahren nur halbherzig renoviert. So wie es jetzt aussieht, werde ich hier nie und nimmer ein richtiges Bed & Breakfast eröffnen können.«
»Vielleicht solltest du die Renovierung den Profis überlassen, anstatt zu versuchen, alles selbst zu machen«, schlägt Josie vor. »Blakes Freund Toby hat einen Handwerksbetrieb in Oak Bluffs. Er hat uns auch bei der Renovierung von Pine House geholfen. Er wäre genau der Richtige für so ein Projekt.«
Bevor ich sie daran erinnern kann, dass ich mir das – obwohl ich mittlerweile ein paar Ersparnisse habe – nicht leisten könnte, ergänzt Liv mit einem Augenzwinkern: »Stell dir nur vor: ein Trupp heißer, durchtrainierter Handwerker, die tagein, tagaus bei dir im Haus sind, mit nacktem Oberkörper den Hammer schwingen und Wände rausreißen …«
Ich pruste...