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E-Book

E-Book, Deutsch, 640 Seiten

King Kein Zurück

Roman
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-33406-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 640 Seiten

ISBN: 978-3-641-33406-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Polizei zieht Privatermittlerin Holly Gibney zurate. Ein anonymes Schreiben hat eine Mordserie angekündigt. Das erste Opfer ist eine unbescholtene Frau, in der Hand hält sie einen Zettel. Der Name darauf verweist auf eine Geschworene, die an der Verurteilung eines Unschuldigen beteiligt war, der im Gefängnis erstochen wurde. Der verrückte Täter tötet als „Sühneakt“ wahllos Ersatzopfer anstelle der Geschworenen? „Die Schuldigen am Tod des Unschuldigen sollen leiden“, hieß es. Das Morden geht weiter. Während Holly fiebrig das Puzzle zusammensetzt, hat sie auch alle Hände voll damit zu tun, Anschläge auf eine Feministin abzuwehren, der sie als Personenschützerin dient. Wie zielgerichtet strebt alles auf eine einzige große Katastrophe zu.

Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.
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Kapitel 2


1


Es ist ein regnerischer Morgen in Reno, und Kate will eine Zeitung haben. Nicht irgendeine Zeitung, sondern eine von der Sorte, die sie als Revolver- oder Hetzblatt bezeichnet. Genauer gesagt ein Blatt wie

Corrie deutet auf Kates Laptop, aber Kate schüttelt den Kopf und lässt ein Grinsen aufblitzen. »Die gibt es absichtlich nur gedruckt.« Sie senkt die Stimme. »Das Internet ist nämlich ein Werkzeug des Tiefen Staats. Wobei die Leute, die solchen Schwachsinn schreiben, nichts dagegen haben, wenn ihre saftigen Sprüche in den Social Media gepostet werden. Wo so unangenehme Dinge wie Fakten und Kontext ohne Belang sind.« Als nachträglichen Einfall fügt sie hinzu (obwohl nachträgliche Einfälle gern Ärger bescheren): »Und setz meinen Hut auf.«

»Ehrlich?«

Kate McKays Borsalino – ein grotesk großer Filzhut, beinahe eine Parodie der Kopfbedeckung, die ein gut gekleideter Herr im tragen würde – gehört zu ihren Markenzeichen. Sie trägt ihn zu allen ihren Auftritten, bei denen sie ihn schwungvoll abnimmt, bevor sie sich übertrieben tief verneigt, um für den zu erwartenden Beifallssturm (gemischt mit ein paar Buhrufen) zu danken. Auch als ihr Bild auf der Titelseite von und von war, hat sie ihn getragen.

»Und ob!« Kate macht sich gerade Notizen für den Vortrag, den sie abends im Pioneer Center halten wird. Ihre Tour hat zwar gerade erst angefangen, ist aber keineswegs die erste. Eine Grundstruktur für ihre Auftritte hat sie parat, glaubt jedoch an die von Tip O’Neill stammende Maxime, dass Politik immer lokal verankert ist. Daher passt sie jede Rede an die Stadt an, in der sie spricht. Außerdem geht es nicht darum, dass man ihr frisch erschienenes Buch kaufen soll, denn das ist bereits ein Bestseller, genau wie die drei davor. Es dient schlicht als Aufhänger für das, was sie vermitteln will. Nach dem Vortrag gibt es stets Applaus und Empörung, Presse und Fernsehen berichten, und dann geht es weiter in die nächste Stadt. In diesem Fall Spokane.

»Ich will sehen, was für’n Müll die über mich verbreiten, vielleicht kann ich den heute Abend einbauen. Aber ich will nicht, dass du klatschnass wirst. Gott behüte, dass du krank wirst, wo die Reise gerade erst losgeht, und draußen gießt es ja wie aus Kübeln. Ich dachte, in Reno ist es immer «

Corrie setzt sich den Borsalino fast ehrfürchtig auf und neigt ihn leicht nach links, wie Kate es tut. So verbirgt er den größten Teil ihres Gesichts, weshalb sie in baldiger Zukunft im Saint Mary’s Hospital in der Notaufnahme landen wird.

»Bestimmt drischt man in dem Revolverblatt hemmungslos auf mich ein«, sagt Kate nicht ohne Befriedigung. Sie wirft einen Blick aus dem Fenster, an dem der Regen herabströmt. Sie befinden sich im obersten Stock des Hotels Renaissance Reno. »Wobei man keine so krasse Schlagzeile zustande bringen dürfte wie die bei Breitbart, als wir die Tour begonnen haben.«

Die lautete: THE B*TCH IS BACK. Kate hat sie einrahmen lassen, und inzwischen hängt sie bestimmt schon im Arbeitszimmer ihres auf den Klippen über dem Meer stehenden Hauses in Carmel-by-the-Sea. Sie hat den Spruch als tolle Werbung bezeichnet. Ihre Agentin Hattie Delaney nannte ihn eine Einladung an alle Spinner, Bekloppten und wahren Gläubigen von QAnon. Woraufhin Kate beide Hände gespreizt und mit allen zehn Fingern gewedelt hat, eine weitere ihrer typischen Gesten. »Die sollen nur kommen!«

2


Corrie erkundigt sich, wo sie einen gut sortierten Zeitungskiosk finden kann, und erfährt, dass Hammer News in der West 2nd Street alles haben sollte, was sie brauche. Zur Sicherheit ruft sie an und fragt, ob die vorrätig sei. Sie interpretiert die Antwort – »Ist der Papst katholisch?« – als ein Ja und macht sich auf den Weg.

Sitzt die rothaarige Frau mit dem Regenhut und dem geschnürten Mantel in der Nähe der Rezeption, als sich Corrie dort nach dem Weg erkundigt? Blickt sie dabei in eine Zeitschrift, oder beugt sie sich über ihr Smartphone? Später denkt Corrie, dass dem tatsächlich so war, und das erzählt sie auch der Polizei. Die Frau müsse gehört haben, wie der hilfreiche Hotelangestellte ihr alles erklärt habe, und dann vorausgegangen sein, um ihr aufzulauern.

Hat Corrie gesehen, wie eine Frau vor ihr aus dem Hotel ging? Der Polizei wird sie sagen, dass sie sich ehrlich nicht daran erinnern könne. Es ist ihr auch egal. In der Notaufnahme sorgt sie sich nur um zweierlei. Erstens, ob sie je wieder in der Lage sein wird zu sehen. Und zweitens: Falls doch, wie hässlich wird das Gesicht sein, das ihr im Spiegel entgegenblickt?

Diese beiden Dinge sind ihre einzige Sorge.

3


Im Jahr zuvor wurde Corrie an ihrer Uni gemeinsam mit zehn anderen ausgewählt, ein von Kate McKay geleitetes Hauptseminar zu besuchen. Es lief über zwei Wochen und war das Beste, was Corrie im Studium erlebt hat. Nach der letzten Sitzung hat Kate sie gebeten, noch ein Weilchen dazubleiben, weil sie etwas mit ihr zu besprechen habe. Im April, hat Kate gesagt, werde ihr neues Buch erscheinen, und sie werde es mit einer Tour durch eine Reihe von Städten promoten. Die erste sei Portland in Oregon, die letzte Portland in Maine.

»Dafür brauche ich eine Assistentin und dachte, vielleicht gefällt Ihnen ja so ein Job. Siebenhundert Dollar pro Woche. Allerdings müssten Sie dafür sorgen, dass Sie Ihre anderen Seminare ein bisschen früher abschließen können. Na, was meinen Sie?«

Zuerst war Corrie so verblüfft über das unerwartete Angebot, dass sie kein Wort herausbrachte. Die Frau da war auf der Titelseite mehrerer Zeitschriften gewesen, und man sah sie ständig im Fernsehen. Noch eindrucksvoller war für die mit Social Media aufgewachsene Corrie, dass Kate auf Twitter zwölf Millionen Follower hatte. Das war eine zwölf mit sechs Nullen!

»Machen Sie lieber den Mund zu, sonst kommen nur die Fliegen rein«, hatte Kate gesagt.

»Warum … warum gerade ich?«

Kate zählte die Gründe an den Fingern ab. »Als ich was mit Powerpoint präsentieren wollte, haben Sie mir den Beamer angeschlossen. Ihr Paper über Ada Lovelace war gut formuliert und durchdacht. Zum Beispiel haben Sie nicht außer Acht gelassen, dass deren Interesse für Mathematik durch ihre Angst entstanden ist, die Geisteskrankheit ihres Vaters könnte erblich sein. Sie haben sie als Frau gesehen, nicht als Heldin. Anders gesagt, als menschlich. Außerdem haben Sie im Seminar gute Fragen gestellt und sind momentan ungebunden. Habe ich etwas übersehen?«

dachte Corrie, die später begriff, dass Kate das bereits wusste … und dass sie eine Frau ist, die es genießt, angehimmelt zu werden. In vieler Hinsicht – das wird Corrie später ebenfalls begreifen – hat Kate ein monströses Ego. Ihre Zunge ist messerscharf. Sie ist in der Lage, einen Kommentator, der es wagt, ihren Ansichten zu widersprechen, kühl zu skalpieren und wenig später wütend auf irgendwelche Möbelstücke einzutreten, weil ihr der BH-Träger gerissen ist. Anders gesagt, sie hat keine Ausschalttaste. Abgesehen davon, ist sie unglaublich mutig. Corrie denkt immer noch, was sie schon damals gedacht hat – dass man sich auch dann noch an Kate McKay erinnern wird, wenn die meisten Frauen (und Männer) ihrer Zeit vergessen sind.

»Nein! Äh, ich meine, ja, ich will den Job haben!«

Kate lachte. »Entspann dich, Mädchen, es ist kein Heiratsantrag, und es wird keine glamouröse Reise werden. Kann sein, dass ich Sie um sieben Uhr morgens zu Starbucks schicke. Oder zu Walgreens, um mir eine Packung Omeprazol zu holen. Sie werden Geräte schleppen, aufbauen und manchmal in Ordnung bringen müssen – so wie Sie diesen verdammten Beamer in Ordnung gebracht haben, als ich das nicht geschafft habe. Außerdem werden Sie viel Zeit am Telefon verbringen. Sie müssen alle Termine im Kopf haben, Anrufe erledigen, sich gelegentlich eine Ausflucht ausdenken, Pressekonferenzen organisieren. Um eines werde ich Sie allerdings nie bitten – dass Sie sich für mich entschuldigen, kommt nicht infrage, oder etwas was ich gesagt habe. Ich entschuldige mich grundsätzlich nicht und stelle nichts klar, und Sie werden das ebenfalls nicht tun. Also, hört sich das immer noch so an, dass Sie …«

»Können Sie ein Auto mit Handschaltung fahren?«

Corrie ließ den Kopf sinken. »Nein.«

Kate packte sie bei den Schultern. Ihr Griff war fest. »Dann suchen Sie sich jemand, der es Ihnen beibringt. Weil wir mit meinem Pick-up auf die Reise gehen. Ich fliege nämlich nicht, vor allem nicht in Gegenden, über die man normalerweise hinwegfliegt. Schließlich bin ich eine Frau des Volkes.«

Corrie hatte sich bei einer Fahrschule angemeldet und das Nötige gelernt. Sobald sie sich daran gewöhnt hatte, den Schalthebel zu benutzen, machte ihr das sogar irgendwie Spaß. Nett fand sie auch, wie der Fahrlehrer zu ihr sagte: »Entspannen Sie sich, junge Frau. Es ist noch kein Trucker vom Himmel gefallen.«

Wie Kate angekündigt hat, teilen sich die beiden das Fahren. Beim Wechseln ist es nicht nötig, den Sitz umzustellen, weil sie ungefähr gleich groß sind, circa eins...


Kleinschmidt, Bernhard
Bernhard Kleinschmidt hat in München und den USA Deutsche und Amerikanische Literatur studiert, über die Wiener Jahrhundertwende promoviert und fünf Jahre in Japan gelebt. Seit über dreißig Jahren übersetzt er Belletristik und Sachliteratur von Stephen King bis Jack Kornfield. Er lebt in einem kleinen Dorf südlich von München.

King, Stephen
Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.



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