E-Book, Deutsch, Band 3, 496 Seiten
Reihe: Ivy Hill
Klassen Die Braut von Ivy Green
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7751-7467-1
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 3, 496 Seiten
Reihe: Ivy Hill
ISBN: 978-3-7751-7467-1
Verlag: Hänssler
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Julie Klassen arbeitete sechzehn Jahre lang als Lektorin für Belletristik. Mittlerweile hat sie zahlreiche Romane aus der Zeit von Jane Austen geschrieben, von denen mehrere den begehrten Christy Award gewannen. Abgesehen vom Schreiben, liebt Klassen das Reisen und Wandern. Mit ihrem Mann und zwei Söhnen lebt sie in Minnesota, USA. www.julieklassen.com
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Kapitel 3
Jane Bell ritt die lange, von Bäumen gesäumte Auffahrt zu Lanes Farm hinauf, wo Gabriel Locke wohnte. Das alte Farmhaus erstrahlte in neuem Glanz mit der frisch gestrichenen weißen Fassade, den grünen Fensterläden und dem mit Schieferschindeln neu gedeckten Dach. Zwei Tagelöhner schleppten gerade Stroh in den Stall auf der anderen Hofseite, ein Maurer schichtete kunstvoll Steine aufeinander und schloss so eine Lücke in der niedrigen Mauer rund um die Koppel.
Gabriel arbeitete ganz in der Nähe mit Draht und Zange; er war dabei, an drei in gleichmäßigen Abständen stehenden Bäumen eine lange Stange zu befestigen, an der er die Pferde anbinden wollte, die geputzt und gesattelt werden sollten.
Sein dunkler Kopf hob sich. Als er Jane sah, leuchtete sein Gesicht auf. »Guten Morgen, Jane! Wie geht es Athena heute?«
»Gut.« Jane ritt zu ihm hinüber und sagte neckend: »Mir übrigens auch, danke der Nachfrage.«
»Das freut mich sehr!«
Er band Athenas Zügel an der neuen Stange fest und streckte seine Hände in Janes Richtung aus, um ihr beim Absteigen zu helfen. Sie schmiegte sich in seine Arme und freute sich an seiner Kraft und über das warme Leuchten in seinen Augen, als er sie auf den Boden stellte. Er nahm ihre behandschuhte Hand und küsste sie – und sie wünschte sich, es wäre keine Lederschicht zwischen ihren beiden Händen. Dann neigte er sich zu ihr. Sein Gesicht war ganz nah vor dem ihren. Sie bekam Herzklopfen. In diesem Moment winkte einer der Arbeiter ihr aus der Scheune zu.
Jane trat zurück und erwiderte den Gruß des Mannes. »Guten Morgen, Mr Mullins!«
An Gabriel gewandt meinte sie: »Das Haus ist sehr schön geworden. Man sieht schon jetzt eine Riesenverbesserung.«
»Nicht überall.« Er nickte zu einem verfallenden Schuppen und einem kleinen Hühnerstall hinüber. »Die Scheune und der Geflügelstall müssen noch warten, zuerst baue ich eine Schmiede, damit ich meine Pferde ordentlich beschlagen kann. Dann brauchen wir ein paar Hütten für die Arbeiter, jedenfalls für die Alleinstehenden. Mr Mullins kommt jeden Morgen herüber.«
»Wie macht er sich?«
»Besser. Ich gebe zu, ich war überrascht, dass er den Job angenommen hat; immerhin war es der Tritt eines Pferdes, der ihn damals arbeitsunfähig gemacht hat. Soviel ich weiß, hat keiner damit gerechnet, dass er je wieder würde gehen können.«
Jane nickte. »Dr. Burtons Sohn hat bei einem Arzt der East India Company medizinische Massage und Streckübungen gelernt. Anscheinend hat er Mrs Mullins gezeigt, wie es geht, und sie haben es ausprobiert. Ich bin dir sehr dankbar, dass du ihm eine Chance gegeben hast. Seine Familie weiß es ebenfalls sehr zu schätzen.«
»Er ist sehr fleißig. Noch ein wenig ängstlich mit den Pferden, aber daraus kann man ihm kaum einen Vorwurf machen.«
Jane nickte. »Und was steht noch auf deiner langen Liste von Erledigungen?«
Er deutete auf einen trüben grünen Weiher. »Ich will den alten Ententeich vergrößern und Fische aussetzen, weitere Ställe bauen und …« Er fuhr fort, ihr seine Projekte und dringend nötige Reparaturen aufzuzählen.
Jane sagte: »Deine Liste erinnert mich an die Arbeit, die mich erwartete, als ich das Bell übernommen habe.«
Gabriel sah sie an. »Apropos Bell, wie läuft es mit Patrick?«
Jane zuckte die Achseln. »Colin und ich sind die Geschäftsführer. Patrick scheint glücklich zu sein. Er und Hetty haben mit der Renovierung an ihrer eigenen Herberge angefangen. Es ist viel Arbeit, aber die hast du hier ja auch.«
Er nickte. »Ich genieße sie aber. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, überlege ich mir, was ich als Nächstes in Angriff nehme.«
»Das kann ich gut nachvollziehen. Schließlich arbeitest du jetzt nicht mehr für deinen Onkel oder für mich. Dies ist deine Farm, hier bist du dein eigener Herr.«
Er trat näher und nahm ihre Hand. »Es könnte unsere Farm sein, Jane – jedenfalls hoffe ich, dass sie es eines Tages sein wird.«
Sie neigte den Kopf und errötete vor Freude und Verlegenheit. Sie erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem er ihr gesagt hatte, dass er Lanes Farm gekauft hatte, kurz nach Rachels und Sir Timothys Hochzeit. Es war auf dem Friedhof gewesen, sie hatte noch seine Worte im Ohr: »Ich gehe nicht weg, Jane. Ich liebe dich, egal, was die Zukunft bringt, und ich werde warten.«
Und er hatte gewartet, wie versprochen – ohne sie zu bedrängen oder das Thema ihrer Zukunft auch nur einmal anzusprechen. Bis heute. War sie bereit, den nächsten Schritt zu tun, auch wenn eine Heirat weitere Fehlgeburten mit sich brachte?
Unsicher, was sie antworten sollte, fragte Jane stattdessen: »Hast du genügend Leute für die vielen Reparaturen?«
»Fast. Ich würde gern die Kingsleys für die Unterkünfte der Arbeiter und die Ställe einstellen. Aber mein Onkel hat seinen Besuch angekündigt, und er ist selbst ein geschickter Arbeiter.«
»Hat er seine Meinung zu der Nachricht geändert, dass du jetzt deine eigene Farm hast?«
»Ja, ich habe seine volle Unterstützung.«
»Und deine Eltern? Du hast mir doch erzählt, dass sie gehofft hatten, du würdest Jura studieren.«
Er nickte und verschränkte seine muskulösen Arme. »Auch sie sind sehr zufrieden mit mir. Die Farm bedeutet doch sehr viel mehr Sicherheit, als wenn ich mein Leben lang für meinen Onkel arbeiten oder mich weiterhin mit dem riskanten Geschäft der Pferdewetten befassen würde. Ich würde sie dir gern vorstellen, Jane.« Er beobachtete sie aufmerksam und war neugierig, wie sie reagieren würde.
»Ich … ich möchte sie auch gern kennenlernen«, sagte Jane und hoffte, dass er ihr kurzes Zögern nicht bemerkt hatte. Nur zu gern wollte sie die Menschen kennenlernen, die den Mann aufgezogen hatten, in den sie sich verliebt hatte. Aber war ihre Zustimmung zu einem Besuch bei ihnen nicht gleichbedeutend mit dem Einverständnis, in die Familie einzuheiraten? Sie würden doch annehmen, dass Gabriel sich aus einem bestimmten Grund hier in Ivy Hill niedergelassen hatte und dass dieser Grund Jane war, die er ihnen jetzt vorstellte. Noch zwei Menschen, die sie enttäuschen würde. Menschen, die sich zweifellos nach Enkeln sehnten, so wie Thora es getan hatte.
Sie fragte leise: »Hast du ihnen schon von mir erzählt?«
Er nickte. »Ich habe ihnen gesagt, dass ich ihnen gern eine Frau vorstellen würde, die sehr wichtig für mich ist.«
Sie lachte auf. »Hast du auch erwähnt, dass ich dreißig bin und schon einmal verheiratet war?«
»Ich bin nicht so ungalant, das Alter einer Frau zu erwähnen, Jane.« Seine braunen Augen glitzerten belustigt, doch dann wurde er wieder ernst. »Ich habe ihnen gesagt, dass du John Bells Witwe bist. Sie kannten John und haben auch von dir gehört.«
»Oh.«
»Keine Angst, sie werden dich lieben. Wie ich auch. Du wirst die Tochter sein, die sie nie hatten.«
Freude stieg in ihr auf – trotz aller Angst.
Dann fiel ihr etwas ein. »Gabriel, ich muss dir etwas erzählen. Über meinen Vater. Er …«
»Mrs Bell.« Mr Mullins trat zu ihnen. Er lächelte sie an. »Ich wollte Ihnen danken, dass Sie ein gutes Wort für mich bei Mr Locke eingelegt haben. Das war sehr nett von Ihnen.«
Jane wandte ein, dass seine Dankbarkeit allein Mercy gebühre, die besser mit den Mullins bekannt war als sie. Der Mann ging wieder an seine Arbeit. Athena stampfte mit den Hufen, sie wollte weiter.
Gabriel runzelte die Stirn. »Was ist mit deinem Vater, Jane?«
»Ein andermal«, antwortete Jane. »Athena verliert die Geduld, und ich muss zurück ins Bell, bevor der Mittagsansturm einsetzt.« Sie hatte so lange gewartet, es ihm zu sagen, da spielten ein paar Tage mehr keine Rolle.
»Nun gut. Aber du besuchst mich hoffentlich bald wieder!«
»Versprochen.«
Er half ihr wieder in den Sattel und hielt einen Moment ihre Hände fest, als er ihr die Zügel reichte. »Lass von dir hören.«
»Du auch. Du bist jederzeit im Bell willkommen, das weißt du.«
Er presste die Lippen zusammen, in seinen Augen schimmerte ein unausgesprochenes Gefühl. Ärger? Enttäuschung?
»Ich weiß. Ich mache mich hier los, sobald ich kann.« Er hob die Hand und winkte ihr.
Auf dem Rückweg in die Stadt dachte Jane über ihren Schwager und Hetty Piper nach. Nach ihrer Verlobung mit Patrick hatte das ehemalige Zimmermädchen nervös gewirkt wegen des Aufgebots und hatte vorgeschlagen, lieber durchzubrennen. Patrick wollte sie anfangs noch überreden, in Ivy Hill zu heiraten, vor allem wegen seiner Mutter, doch nach einem Gespräch mit ihr hatte er sich hinter sie gestellt, ohne jedoch eine Erklärung für ihr Verhalten zu geben.
Thora hatte ihre Enttäuschung hinuntergeschluckt und angeboten, solange ihre Tochter Betsey zu nehmen. Etwa eine Woche später waren die beiden verheiratet zurückgekehrt und waren begierig gewesen, die Renovierung einer alten Herberge in Angriff zu nehmen, die sie in Wishford gekauft hatten. Jane vermisste Hettys Fröhlichkeit und auch Patricks ständige Anwesenheit im Gasthaus, doch sie freute sich für die beiden und wünschte ihnen alles Gute. Nichts an der Beziehung der beiden war nach traditionellem Muster verlaufen, doch wenigstens waren sie jetzt verheiratet.
Würden sie und Gabriel das, was zwischen ihnen lag, je überwinden und ebenfalls heiraten? Und wie in aller Welt sollte Mercy ihr Glück finden, jetzt, nachdem sie Alice und ihre Schule verloren hatte? Wenigstens Rachel und Sir Timothy – die jetzt seit drei Monaten verheiratet waren – wirkten vollkommen glücklich zusammen....