Köhler Knigge für Mörder
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8378-8031-1
Verlag: Edition Temmen e.K.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bremen-Krimi
E-Book, Deutsch, 280 Seiten
ISBN: 978-3-8378-8031-1
Verlag: Edition Temmen e.K.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geboren 1954 in Rheine (Westfalen), brach Doris Köhler aus Langeweile eine Beamtenlaufbahn ab, studierte Informatik in Bremen, wo sie insgesamt 32 Jahre lang lebte und als wissenschaftliche Mitarbeiterin an verschiedenen Hochschulen arbeitete. Heute wohnt sie vor den Toren Bremens in ländlicher Idylle. Doris Köhler ist Autorin eines Krimis und einer Vielzahl von Kurzgeschichten und Drehbüchern, von denen diverse mit Preisen ausgezeichnet wurden.
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2
»Bitte!«, murmelte Conny, während er an Renas Ohrläppchen knabberte. Es kribbelte. Und es kribbelte nicht nur am Ohr.
»Ich will aber nicht«, hauchte Rena.
Conny knabberte weiter. »Ach, komm doch!«
Rena befürchtete, dass ihr Widerstand dahinschwinden könnte und wand sich aus seiner Umarmung. Conny legte den Kopf schief und schaute sie an wie ein Dackel, der um ein Leckerli bettelt. Rena lachte auf und wehrte sich nicht, als Conny sie wieder zu sich zog, um ihr Ohrläppchen erneut in die Reichweite seiner Zähne zu bringen. Doch sie drehte den Kopf weg.
»Sei nicht so verbissen«, nuschelte Conny.
Rena lachte. »Wer beißt denn hier?«
Sie drehte sich aus seinen Armen, schob ihn ein Stück zurück und sah ihm in die Augen.
»Conny, was soll ich da?«
Er versuchte es erneut mit dem Dackelblick, doch Rena verkniff sich das Lachen, das wieder aufsteigen wollte.
»Ich möchte einfach, dass du auch bei diesem Teil meines Lebens dabei bist.« Conny senkte den Kopf und sah sie von unten an – die Steigerung des Dackelblicks.
Damit hatte er sie herumgekriegt, vor sechs Wochen bei ihm einzuziehen. Was war so wichtig an dieser verdammten Einladung? Sie versteifte sich ein wenig. Er schien zu spüren, dass sie aus ihrer anfangs nachgiebigen Stimmung glitt. Nun sah er sie direkt an, gradlinig, ohne Pose.
»Als Falk kann ich zwar nicht dein Freund sein, aber ich möchte dich bei mir haben.«
Rena seufzte. »Das ist so schizophren!«
Conny nickte. »Aber so ist es nun einmal. Schau, Daniel kommt gleich. Er kümmert sich um meine Maske. Bitte zieh dich um, mach dich fein.«
Rena sah ihn zweifelnd an. »Okay, ich ziehe mich um, das heißt aber nicht, dass ich mich schon entschieden habe.«
Conny nickte, vermutlich rechnete er sich Chancen aus.
Es klingelte und Rena verzog sich in ihr Zimmer. Lange musste sie nicht überlegen, was für einen Abend bei einer reichen Industriellenwitwe passend wäre. Sie besaß nur ein Kleid, das annähernd chic aussah. Ein schlichtes schwarzes Etuikleid. Conny hätte ihr gerne einen Berg schöner Kleider geschenkt, das wusste sie. Doch im Grunde machte sie sich nichts aus Mode. Kleidung musste praktisch und dem Wetter angemessen sein.
Manchmal, ganz selten, wenn sie mit Conny ausging, verglich sie sich verstohlen mit den anderen Frauen in den Restaurants. Doch die kurzen Anfälle, sich tolle Outfits zuzulegen, verloren sich spätestens, wenn sie vor einem der angesagten Modegeschäfte stand. Allein der taxierende Blick der Verkäuferinnen, die potenzielle Kundinnen schnell in jene aufteilten, die man anlächelt, und in jene, denen man nur einen reservierten Blick gönnte, hielt sie davon ab, einzutreten. Und jedes Mal fand sie, dass das schwarze Kleid durchaus genügte, und drehte wieder um. Und außerdem konnte sie bei den meisten Gelegenheiten ihre Jeans tragen. Die Kneipen im Viertel waren nicht so elitär.
Rena legte die schwere silberne Kette um, die Conny ihr zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hatte, und Strass-Ohrhänger. Sie warf einen letzten Blick in den Spiegel. Ihre braunen Locken verrieten, dass sie erfolglos versucht hatte, sie zu bändigen. Das Kleid sah dank ihrer schlanken, sportlichen Figur ganz passabel aus. Schwarze, nicht allzu hohe Pumps rundeten ihre Garderobe ab. Besser ging’s nicht. Das war alles an Eleganz, was aus ihr herauszuholen war. Mehr hätte sie nur durch wesentlich längere Beine erreichen können, aber mit ihren einsfünfundsechzig war sie kein Typ für den Laufsteg.
Sie lief die Treppe hinab und traf im Esszimmer auf Daniel, der dabei war, Conny in Falk zu verwandeln. Rena hatte Daniel bei einer kleinen Feier zum Ende der dritten Staffel des Dämonenjägers kennengelernt. Seine weiche, manchmal etwas aufgesetzt schwule Art hatte ihr gefallen.
Er setzte mit einem Pinsel dunkle Schatten unter Connys Augen. Als er sie bemerkte, blickte er kurz auf.
»Hallo, Schönheit!«, säuselte er ihr entgegen. Daniels Standardbegrüßung für alle Frauen.
Rena setzte sich dazu und verfolgte, wie durch geschickte Striche Connys Wangen begannen, verhärmt auszusehen.
»Hat Conny schon mal erzählt, dass ich es war, der ihm die Hauptrolle im Dämonenjäger verschafft hat?«
Rena horchte auf. Conny erzählte nie viel über Falks Vergangenheit. Meistens redete er über Schwerter, seine Leidenschaft.
»Na, lass mal, das interessiert doch niemanden«, versuchte Conny Daniel zu bremsen.
Rena schenkte ihm ein rachsüchtiges Grinsen. »Das will ich hören!«
Daniel widmete sich Connys Augenbrauen, klebte winzige Toupets daran und färbte alles schwarz.
»Wir waren ja schon lange befreundet. Er sollte für den Dämonenjäger vorsprechen. Gesucht wurde ein Schauspieler für eine düstere, tragische Gestalt, für den Helden Darker. Er war nervös …«
Von Conny kam ein Schnauben.
Daniel blickte auf und grinste. »Er war sehr nervös. Schließlich sah er mit seinen blonden Haaren – damals trug er sie noch etwas länger – und seinem Engelsgesicht nicht gerade aus wie ein tragischer Held. Ich kam auf die Idee, ihn für das Vorsprechen etwas herzurichten. Man kann von diesen Castingleuten nicht erwarten, dass sie sich vorstellen können, wozu ein guter Maskenbildner fähig ist.«
Er trat einen Schritt zurück und betrachtete Connys Augen. Mit einem sehr dünnen Pinsel korrigierte er einen Schatten an der Nasenwurzel.
»Er trat also mit Bärten, schwarzer Langhaarperücke und einem hageren Gesicht auf. Er gab als Künstlernamen Falk Denaro an, legte seine Stimme etwas tiefer … und bekam die Hauptrolle! Die hatten ja nur seine Bewerbungsfotos und waren begeistert von seiner Wandlungsfähigkeit.« Wieder prüfte er Connys Gesicht aus einigem Abstand. Er schien zufrieden und griff zu einer Perücke mit langen, schwarzen Haaren.
»Und mich stellten sie auch gleich ein!« Stolz klang in seiner Stimme mit. »Ich bin sozusagen der Schöpfer von Falk Denaro, dem Star der Dämonenjäger-Serie!«
Conny brummte irgendetwas Unverständliches.
»Und hast du ihm auch geraten, seine Verkleidung als Falk beizubehalten?«, wollte Rena wissen.
Daniel lachte. »Nein, das war seine Entscheidung. Schon nach der zweiten Folge war er ein begehrtes Opfer kreischender Teenies. Wenn er aber als Conny Normalo das Studio verließ, kümmerte sich niemand um ihn.«
»In meiner Freizeit bin ich Conny Sanders, der Alleininhaber vom Edlen Ritter. Manche Leute bezeichnen mich zwar als Waffenhändler, weil ich Morgensterne, Streitäxte und Schwerter verkaufe. Aber ich habe keine Probleme mit Paparazzi oder hysterischen Fans.« Connys Stimme klang, als müsse er sich rechtfertigen.
Daniel lachte. »Und als Nebeneffekt musste das merkwürdige Verschwinden von Falk Denaro nach den Dreharbeiten sehr geheimnisvoll wirken, was Fans und Presse bis heute zu wilden Spekulationen treibt.«
Rena nickte. Als sie Conny kennenlernte, war er für sie ein sympathischer junger Mann mit blondem, kurzem Haar. Er flirtete ungeniert vom ersten Augenblick an mit ihr, führte sie chic aus, war witzig und charmant. Manchmal kam er ihr etwas unbekümmert vor. Aber waren das nicht alle Männer? Erst durch Zufall entdeckte Rena, dass ihr Conny der Star einer Serie war, die schon seit drei Jahren in Bremen produziert wurde. An düsteren Schauplätzen wie dem Industriehafen schlugen die beiden Helden Darker und Barfly auf Styroporsäulen ein, die in der Film-Nachbearbeitung durch grüne, sabbernde Monster oder schwarze Dämonen ersetzt wurden. Nacht für Nacht retteten die beiden Helden die alte Hansestadt vor finsteren Bedrohungen.
Auch Rena mochte diese Serie und schwärmte wie viele weibliche Fans heimlich für Falk Denaro. Die Augen waren das Einzige, das Conny und Falk gemeinsam hatten. Doch das erkannte Rena erst, als sie begriff, dass die beiden ein und dieselbe Person waren. Seitdem hatte sie das Gefühl, eigentlich mit zwei Männern eine Beziehung zu haben.
Daniel klebte die Bärte an, einen Schnurrbart, der an Zorro erinnerte, und einen kurzen Spitzbart am Kinn. Er prüfte sein Werk und schien zufrieden. Er wandte sich Rena zu. »Soll ich dir noch eben die Schlupflider und den kleinen Knick in der Nase wegschminken? Das Grübchen könnten wir betonen und den Mund etwas voller machen, die Augen ausdrucksstärker und …«
Rena hob die Hand. »Nix da! Wenn ich für dieses blöde Essen nicht schön genug bin, bleibe ich zu Hause.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
Daniel trat einen Schritt zurück und musterte sie mit...




