E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Konrad Fanta Lemonski
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-401-80561-0
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Sache mit dem Zombie-Pony:
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-401-80561-0
Verlag: Arena
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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2. Die Schmidt-Katzenbeisser, die GEMÜSEGRUPPE & ROMEO AUS der KLASSE über UNS
Es ist ja immer schwer, irgendwo neu hinzuziehen. Aber ich hätte mir niemals träumen lassen, wie schwer es hier in Wiesenberg werden würde. Eigentlich hatte ich mich auf meine neue Schule gefreut. Denn ich mag es, neue Leute kennenzulernen. In meiner alten Klasse waren wir alle irgendwie Freunde. Die kannten mich halt schon lange und da hat auch keiner blöd wegen meiner Familie oder Mama nachgefragt. Wir waren uns einig, dass die Dinge sind, wie sie sind, und der andere ist, wie er eben ist. Man kann da ja eh nichts machen. Aber hier liefen die Dinge anders. Das habe ich schnell gemerkt.
Das „Ruprecht-der-Tugendhafte-Gymnasium Wiesenberg“ (kurz RdT6W) liegt etwas außerhalb auf einem Hügel. Leider ist der ziemlich hoch und die Straße rauf ziemlich steil. Und das ist insgesamt ziemlich blöd. Denn ich komme mit dem Fahrrad da einfach nicht hoch, muss immer absteigen und das letzte Stück schieben. Das nervt total und kostet viel Zeit, deshalb komme ich auch immer zu spät. Am ersten Tag hat mich glücklicherweise mein Vater mit dem Auto gefahren. Wir hatten einen Brief der Schule dabei. In dem stand, dass wir uns im Sekretariat melden sollten, wo man uns „weiterhelfen“ würde. Aber als wir das Sekretariat nach langem Suchen endlich gefunden hatten, mussten wir feststellen, dass an der Tür eine Ampel angebracht war. Du weißt schon, so ein Ding, wie man es von Fußgängerüberwegen oder Kreuzungen kennt, nur eben kleiner. Die hat rot geleuchtet und Papa und ich waren uns nicht sicher, was wir tun sollten. Eine Ampel an einer Tür hatten wir beide noch nie gesehen. Und dabei hat Papa echt schon viel gesehen.
„Warten wir lieber mal. Wir wollen ja nicht unhöflich sein“, hat mein Vater vorgeschlagen und wir haben gewartet. Eine halbe Ewigkeit standen wir da, ohne dass etwas passiert wäre. Irgendwann hat es dann zum Unterricht geklingelt und alle Schüler sind schnell in ihre Klassen gerannt.
„Und jetzt?“, hat mich mein Vater gefragt. Ich habe mit den Achseln gezuckt und Papa hat allen Mut zusammengenommen und an die Tür geklopft, trotz der roten Ampel. Drinnen saß eine Sekretärin mit einer Brille, Frau Messbecher. Sie hat missmutig von ihrem Computer aufgeschaut und uns mit ihren kleinen Äuglein so böse angefunkelt, als hätten wir gerade in den Topf ihrer Büropflanze gepinkelt. „Wer sind Sie, wenn man fragen darf?“
„Dieter und Fanta Lemonski“, hat Papa freundlich geantwortet. „Wir sind gekommen, um Fanta in dieser Schule anzumelden. Wir sind neu in der Stadt.“
„Und was lernt man in der Schule über rote Ampeln?“, hat Frau Messbecher gefragt.
„Dass man wartet. Tut mir leid“, hat Papa sich entschuldigt und wir sind wieder vor die Tür gegangen. Aber nur Sekunden später sprang die Ampel endlich von Rot auf Grün und wir sind wieder in den Raum zurückgekehrt. Jetzt stand die Sekretärin von ihrem Schreibtisch auf und kam nach vorne zum Tresen.
„Sie wünschen?“
„Na ja, wie ich bereits sagte: Wir haben einen Termin zur Anmeldung meiner Tochter“, wiederholte mein Vater. „Wir sind diesbezüglich mit dem Herrn Direktor verabredet.“ Frau Messbecher schaute verächtlich. „Mein lieber Herr Lemonski, unser verehrter Herr Direktor ist nicht zu sprechen. Der Herr Direktor ist beschäftigt.“ Sie reichte uns einige Formulare herüber.
„Füllen Sie diese bitte wahrheitsgemäß aus, ich verständige die zuständige Klassenlehrerin.“
Die besagte Dame hieß Frau Schmidt-Katzenbeisser und unterrichtete Biologie. Sie hatte lockiges Haar und trug einen hautengen Rollkragenpullover, der sie sehr streng aussehen ließ. Von ihrem gigantisch großen Busen baumelte eine Kette herab, wie ein Gebirgsbach, der sich über einen Felsvorsprung in die Tiefe stürzt. Tick-tick-tick – machte die Uhr an der Wand, während wir uns von der am Busen baumelnden Plastikkette hypnotisieren ließen. Frau Schmidt-Katzenbeisser sagte erst mal lange nichts und schaute mich nur mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Aha“, durchbrach sie schließlich die qualvolle Stille. „Du bist also die Neue.“ Ich nickte.
„26 ungebildete, dumme Kinder. Wie soll man da bitte Unterricht machen?“ Sie blickte meinen Vater scharf an.
„Sie sind spät.“
„Ja, die Ampel, sie war rot“, entschuldigte sich Papa. Die Schmidt-Katzenbeisser tat, als hätte sie ihn gar nicht gehört. „Diese Schule wird durch drei Werte geprägt: Tugendhaftigkeit, Gehorsam und natürlich Leistung! Wie kommen Sie auf die absurde Idee, dass Ihr ‚Kind‘ für diese Schule geeignet ist?“ Das Wort „Kind“ sagte sie mit einem Anführungszeichen in der Stimme, so als würde sie infrage stellen, dass ich überhaupt ein Kind war.
Mein Vater fühlte sich von dieser Frage sichtlich überrollt, jedenfalls brauchte er eine Weile, bis er antwortete. „Nun ja, Fanta ist ein aufgewecktes Mädchen und ziemlich intelligent. In ihrer letzten Schule gab es nur Lob. Und außerdem …“, mein Vater nahm mich in den Arm, „ist sie eine überaus liebenswerte Person. Das werden Sie sicher bald feststellen.“ Er lächelte. Frau Schmidt-Katzenbeisser nicht.
„Ich bin skeptisch. Das sage ich ganz offen. Aber man hat ja auch schon Pferde kotzen sehen, und das vor der Apotheke.“ Sie lachte kurz und schrill, als hätte sie einen wahnsinnig gelungenen Witz gemacht. „Dann komm mal mit!“
Die 7b war auf den ersten Blick eine ganz normale Klasse. 13 Jungs, 12 Mädchen. Ich war also das 13. Mädchen. Auf den ersten Blick sahen meine neuen Mitschüler ziemlich nett aus. Frau Schmidt-Katzenbeisser schob mich nach vorne zum Pult. „Kinder! Wir haben eine neue Schülerin. Das ist Fanta, Fanta – wie noch mal?“
„Lemonski“, ergänzte ich. Die Klasse lachte verächtlich.
Ein erster Dämpfer. Frau Schmidt-Katzenbeisser ignorierte das Gelächter und rief: „Klasse! Sagt Hallo zu Fanta Lemonski!“
„Hallo Fanta Lemonski!“, dröhnte es aus 25 Kehlen.
„Fanta!“, wandte sich Frau Schmidt-Katzenbeisser dann an mich. „Sag Hallo zu deiner neuen Klasse!“
„Äh … Hallo neue Klasse?“, stotterte ich etwas unsicher.
„Willst du der Klasse nicht etwas über dich erzählen?“
Ich schaute sie flehend an. „Muss ich wirklich?“ Die Schmidt-Katzenbeisser nickte kühl. Ich holte tief Luft.
„Ich bin die Fanta, elf Jahre, und ich mag Pferde. Hab aber keines, weil die zu teuer sind und viel Platz brauchen. Mein Vater heißt Dieter Lemonski und arbeitet als Monsterjäger. Meine Mutter Emilie ist in Ekibastus vom Blitz getroffen worden und seitdem leider ein Geist.“ Ich blickte in 25 offene Münder.
„Boah, Alter! Wer hat sich denn die ausgedacht?“, platzte ein Junge in der dritten Reihe heraus und brach dann in schallendes Gelächter aus. Der Rest der Klasse stimmte mit ein. Und ich stand wie ein Volltrottel da.
„Ruhe!“, schrie die Schmidt-Katzenbeisser und sagte dann zu mir: „Sehr lustig. Fanta, du hast wohl einen Clown gefrühstückt. Setz dich zu Krise Tschinkula, dort störst du am wenigsten!“ Sie schickte mich in die letzte Reihe, von wo mich besagte Krise bereits mit großen Augen beobachtete. Ich lächelte. Krise starrte mich skeptisch an.
„Ist was?“, fragte ich schließlich.
„Kannst du singen?“, fragte sie neugierig zurück und ich schüttelte den Kopf.
„Aber angenommen du könntest singen, würdest du dann im Fernsehen auftreten?“, hakte Krise nach.
„Nein, ich glaube nicht, dass ich das tun würde“, antwortete ich verwirrt.
„Gut, dann können wir Freunde sein!“, freute sich meine neue Sitznachbarin.
„Willste mal abbeißen?“ Sie bot mir ihr Leberwurstbrot an, das dick mit sauren Gurken belegt war. Offensichtlich kümmerte sie meine Familiengeschichte nicht weiter, was ich dankbar zur Kenntnis nahm. Ich lehnte ihr Angebot trotzdem ab, mir war der Appetit vergangen und außerdem mochte ich keine Leberwurst. „Hab selber was dabei. Danke.“ Wenigstens ein Mädchen war halbwegs nett. „Aber sag mal, was hat das Fernsehen damit zu tun, ob wir Freunde sein können?“, fragte ich vorsichtig.
„Mir wäre das wahnsinnig peinlich, wenn meine Freundin im Fernsehen singen würde. Ich bin Krise. Und der Volltrottel dort am Fenster“, sie blickte zu einem Jungen hinüber, der gerade mit einem Schraubenzieher ein Loch in seinen Tisch bohrte, „ist Senfi, mein Zwillingsbruder.“
„Ich hab keinen Bruder, aber eine Schwester. Die heißt Nin…“, entgegnete ich, dann aber kam ein Stück Kreide aus Richtung der Tafel angeflogen und traf mich am Kopf. Die ganze Klasse lachte.
„Ruhe auf den billigen Plätzen!“, giftete Frau Schmidt-Katzenbeisser. Dann huschte ein warmes Lächeln über ihr Gesicht und sie richtete sich mit freundlichem Flötenton an drei...




