E-Book, Deutsch, 333 Seiten
Krause Hör auf zu brennen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7407-8310-5
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 333 Seiten
ISBN: 978-3-7407-8310-5
Verlag: TWENTYSIX
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Matthias Krause wurde 1987 in Cuxhaven geboren. Schon seit seiner Kindheit denkt er sich Geschichten aus und erzählt sie in jeglicher Form. Auch nach seiner Schauspielausbildung und während einiger Engagements an Theatern und im Fernsehen war er dem Schreiben treu geblieben. Nach einigen Kurzgeschichten erschien im Mai 2021 sein Debütroman "HÖR AUF ZU BRENNEN" Juni 2021 erschien sein zweites Buch "HÖR AUF ZU FRESSEN". Beide Geschichten wurden von Krause mittlerweile auch überarbeitet und sind als erweiterte Neuauflagen verfügbar. Matthias Krause konzentriert sich in seinen Romanen auf die Antihelden und ihr Verhalten in überspitzten Situationen. Es geht in beiden Geschichten auch um aktuelle Themen wie Auswirkungen von psychischer Gewalt, Unterdrückung (z.B. von Menschen und Gefühlen) und Fanatismus (z.B. Religion, Nationalismus) . Dennoch sind die Bücher keine Tatsachen-Romane, sondern überspitzte Psychothriller mit satirischen Untertönen. Einige Figuren kommen in beiden Geschichten vor. Beide Bücher können auch unabhängig voneinander gelesen werden. Als Bonus ist Krauses weihnachtliche Kurzgeschichte HÖR AUF ZU GÄREN beigefügt. Aktuell lebt Matthias Krause in Berlin.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
20.Oktober 2018
Frank war froh, dass er nicht nackt war. Eigentlich lief er gerne entblößt durch seine Wohnung. Er fühlte sich dann mit seinem Körper im Einklang und sexy. Doch eine Vorahnung hatte ihn davon abgehalten.
Als er gerade dabei war, seinen Kaktus zu gießen, sah er einen Mann unten im Hof stehen, der zu seinem Fenster hinauf starrte. Ihn anstarrte. Die Haltung des Mannes war angespannt, als wollte er zum Sprung ansetzen. Es war zwar erst Vorabend, aber schon dunkel. Doch Frank schien deutlich die toten Augen zu sehen, mit denen der bärtige Mann zu ihm aufsah. Sie waren tot und auch wieder nicht. Denn in dem leeren Blick lag zugleich eine bedrohliche Intensität. Frank konnte die abstruse Mischung nicht genau beschreiben, aber sie war unheimlich. Doch Frank beruhigte sich schnell wieder. Er wohnte schließlich im zweiten Stock. Der Mann konnte sich unmöglich zu ihm hinaufhangeln. So sportlich sah der Typ nicht aus. Sicher war das nur ein neidischer Penner, der mich irgendwann ausrauben will, dachte er und zeigte dem Mann den Mittelfinger. Dieser antwortete mit einer anderen Geste. Langsam fuhr er mit dem Zeigefinger über seine Kehle. Frank wurde wütend. Er stürmte in die Küche und bewaffnete sich mit einer Blätterteigpastete. Er riss das Fenster auf und warf sie auf den Mann.
»Hier hast du etwas zum essen. Mit Liebe gemacht, du Penner!«
Er verfehlte ihn jedoch und der Mann starrte ihn weiter ungerührt an.
»Was glotzt du so? Du musst dich nicht bedanken! Guten Hunger!«
Der Mann wandte sich ab und ging. Doch Frank reichte das nicht.
»Geh arbeiten, du Arschloch!«, brüllte er ihm noch nach. Er überlegte, dem Mann noch etwas nachzurufen. Doch dann beschloss er, sich selbst an die Pasteten heranzuwagen.
Er brach sich ein Stück ab und erschauderte. Sie waren mittlerweile warm und glitschig und Frank hatte immer weniger Motivation, sich eine von ihnen einzuverleiben.
Er schob es noch auf und versuchte fluchend, das sperrige Fenster wieder zu schließen. Nach einigen akrobatischen Einlagen und Flüchen hatte er es schließlich hinter sich gebracht.
Er stärkte sich mit einem Bissen von der Pastete und schmeckte gleich, dass sie von vorgestern war. Frank kaute langsam und lustlos. Auf der Jubiläumsfeier hatten ihm die Dinger noch gut geschmeckt. Deswegen hatte er in einem günstigen Augenblick die Gunst der Stunde genutzt, um ein paar der Pasteten heimlich mit einer Serviette einzupacken. Jedoch hatte er vergessen sie in den Kühlschrank zu stellen. Das schmeckte er nun deutlich heraus. Zusätzlich stellte er sich vor, wie die Gäste mit ihren schmierigen Fingern die ganzen Pasteten betatscht hatten. Kein appetitanregender Gedanke für Frank.
Er dachte an Bärbel, die Sekretärin von Herrn Kunz und ihr großes Bläschen an der Lippe. Wer weiß, was die alles mit ihren Wurstfingern auf die Pasteten geschmiert hatte, fragte sich Frank und spielte mit dem Gedanken die Dinger in den Müll zu kloppen.
Eine hatte er ja schon aus dem Fenster geschmissen. Aber das war für einen guten Zweck gewesen.
Doch dann kam dieses stechende Gefühl in seiner Brust. Er wusste nicht warum. Schließlich warf doch jeder mal Essen weg. Aber dann sah er Lisas enttäuschten Gesichtsausdruck. Meine Verlobte hat mich wohl zu sehr erzogen, stellte er bitter fest.
Na ja, dann musste er die Teile halt seiner Nachbarin andrehen. Pia. Sie würde ihn ja bald besuchen kommen. Darauf freute sich Frank schon. Nicht nur aufgrund der Tatsache, dass er durch sie die Pasteten endlich loswerden konnte. Sie wurde nur langsam etwas zu anhänglich.
Auf der einen Seite genoss er es, auf der anderen war er ja immer noch verlobt. Noch. Wer weiß, wie lange das Drama noch gut gehen konnte? Er wusste es jedenfalls nicht.
Er biss zaghaft ein weiteres Stück ab. Es schmeckte nach Bärbel. Er hatte zwar keine Ahnung wie die Sekretärin schmeckte, aber so stellte er es sich vor. Frank verzog das Gesicht und seine Lippen begannen zu jucken. Die werde ich mir wohl heute Abend eincremen müssen, dachte er und bemerkte wie Magensäure hochstieg.
Hatte er es sich nur eingebildet oder war Herr Kunz unfreundlicher zu ihm gewesen? Er hatte das Gefühl gehabt, dass sein Verleger ihm auf der Feier bewusst aus dem Weg gegangen war. Er hatte sogar wie ein Anfänger um einen Termin betteln müssen. Aber so war Herr Kunz nun mal. Das war einfach seine Art. Das durfte Frank nicht persönlich nehmen. Schließlich hatte er ihm ja auch einiges zu verdanken. Dessen war sich Frank durchaus bewusst. Wegen seines neuen Buches musste er sich doch keine Gedanken machen. Das war wasserdicht. Sein Verleger hätte es ihm bestimmt noch bestätigt. Nur war er halt auch ein viel beschäftigter Mann. Es war immerhin die Feier seines Verlages gewesen.
Eigentlich wollte Frank sich ins Ledersofa schmeißen und einen Film konsumieren, da bekam er auf einmal eine bessere Idee. Er würde sich erst einmal einen schönen Merlot gönnen und sich damit den vermeintlichen Geschmack von Bärbel ausspülen. Frank konnte die Desinfektion kaum noch erwarten. Euphorisch ging er ins Bad und klatschte sich eine beträchtliche Menge Gel in die Haare. Dann schlüpfte er in seine Lederjacke und wollte sich gerade ein paar Sneakers anziehen, als sein Handy klingelte. Die Nummer war unterdrückt und Frank zögerte. Dann fiel ihm wieder Igor ein und er beschloss den Anruf anzunehmen. Den Mann wollte er nicht verärgern.
»Frank Freibrodt? Guten Tag?«
»Falsch. Guten Abend.«, schnarrte eine belegte Stimme. Dann kam erst mal nichts. Es war eine männliche Stimme. Doch es war eindeutig nicht Igor oder einer seiner Laufburschen.
Frank verlor nach einer Weile die Geduld. »Ja, Sie sind ja ganz schlau. Es ist jetzt Abend. Zufrieden? Was wollen Sie, bitte?«
Es folgten tiefe Atemzüge. Es klang als würde der Mann am anderen Ende jeden Moment das Zeitliche segnen.
»Geht es Ihnen gut? Brauchen Sie einen Arzt?«, fragte Frank etwas besorgt.
Wieder ein tiefes geräuschvolles Atmen. Es klang nun wie ein leises Knurren. Frank war sich mittlerweile sicher, dass der Mann Hilfe brauchte. Allerdings keine physische.
Er dachte, diese Anrufe wären mittlerweile Geschichte. Doch nach fünf Jahren war es nun wieder soweit. Nur war es diesmal ein Mann. Sonst hatte ihn immer eine hysterische Frauenstimme am Telefon bedroht. Aber Frank wollte nicht auflegen. Sie sollten ruhig wissen, dass er keine Angst mehr hatte. Er begann die Atemgeräusche des Mannes nachzuäffen. Eine Weile atmeten beide um die Wette. Schließlich wurde Frank das Ganze zu blöd. »Finden Sie nicht, dass Sie sich ganz schön behindert anhören?«
Der Mann am anderen Ende der Leitung antwortete mit einem lange Stöhnen.
»Du bist ja gar nicht nackt.« , sagte er und klang auf einmal sehr weich dabei. Fast schon zärtlich. Frank zitterte vor Wut und Ekel.
»Schade. So schade. Ich konnte sonst immer deine Wampe wabbeln sehen. Hast ja schon richtige Brüste bekommen.«, flötete die Stimme. Frank erschauderte. War das etwa der Mann aus dem Hof?
»Ich bin vergeben, du Schwein.«
»Ja, ich weiß.« Ein dreckiges Lachen folgte.
Frank schluckte. Der Mann wusste eine Menge.
»Woher haben Sie meine Nummer, Mann!«.
»Die kann ich auswendig.«, sagte der Mann und stieß einen weiteren tiefen Atemzug aus.
Frank verfluchte sich innerlich. Das kam nur dadurch, dass er seine Nummer immer wieder bei jedem neuen Anbieter mitgenommen hatte. Der Mann schien ihn gut zu kennen. Er schien in seiner Vergangenheit eine Rolle gespielt zu haben. Außerdem konnte er seine Nummer auswendig. Das grenzte an Besessenheit.
»Du sagst ja gar nichts, Frank. Geht es dir nicht gut?«, hauchte die Stimme.
»Es geht so.«
»Mir geht es sehr gut.«
»Ach ja. Wie schön. Warum denn?«, fragte Frank süßlich.
»Weil es dir bald sehr schlecht gehen wird.« Wieder ein dreckiges Lachen.
Frank äffte es nach.
»Jetzt habe ich aber Angst. Du kannst mir gar nichts.«
»Doch, Hängebauchschwein. Ich werde dich brennen lassen.«, zischte die Stimme. Nun schwang aufrichtiger Hass mit. »Bald wirst du keine Mädchen mehr schänden können. Du perverses Stück Dreck!«
»Pass auf, was du sagst!«, schrie Frank und konnte sich beim besten Willen nicht erinnern jemals so etwas getan zu haben. Klar, er hatte nicht immer seine Finger bei sich lassen können. Besonders wenn er betrunken war. Aber dieser Vorwurf schien für ihn weit hergeholt. Er hatte das Gefühl, dass er irgendwas übersah. Das er irgendein Ereignis verdrängt hatte. Manchmal hatte er ja auch nach einem Trinkgelage einen Filmriss gehabt. Doch er konnte sich nicht vorstellen jemals so unkontrolliert gewesen zu sein. So etwas Abstoßendes konnte er seiner Meinung nach nicht getan haben.
»Du wirst brennen.«, knurrte die Stimme.
»Ja, ja schon kapiert. Bist ja auch ein ganz Mutiger. Kannst mir das ja nicht mal ins Gesicht sagen.«
»Wir werden uns bald sehen. Ich werde dich besuchen kommen. Du wirst genauso wie das arme Mädchen leiden. Ich werde dich verbrennen und schänden.«
Frank lachte auf. »Ach so … ja ...das klingt ja aufregend. Genau in der Reihenfolge?«
»Du solltest nicht lachen. Ich habe schon mal jemanden getötet.«
Nun bekam Frank etwas Angst. Der Mann schien das ehrlich gemeint zu haben.
»Was meinst du damit?«, erkundigte er sich mit dünner Stimme.
»Der Herr liebt alle die ihn lieben. Dich liebt er nicht.«
»Hör mal gut zu. Ich ...«
Frank wurde von einem röhrenden Geräusch unterbrochen. Es klang wie in tierischer Aufschrei....