E-Book, Deutsch, 212 Seiten
Krebs / Prollius Sklerose
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7392-6521-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Leitbilder und Ideologien der alternden Gesellschaft
E-Book, Deutsch, 212 Seiten
ISBN: 978-3-7392-6521-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Helmut Krebs, verheiratet, mehrfacher Vater und Großvater, ist Pädagoge und autodidaktischer Philosoph. Er übersetzte die wichtigsten englischsprachigen Werke von Ludwig von Mises, u.a. Human Action und The Ultimate Foundation of Economic Science. Von ihm erschienen bisher die Übersetzung Ludwig von Mises Theorie und Geschichte, die Monografie Klassischer Liberalismus und das Essay Sklerose. Leitbilder und Ideologien einer alternden Gesellschaft in der Edition Forum Freie Gesellschaft.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
A. DER ÖKONOMISCHE ASPEKT ODER DIE SATURIERTE WOHLSTANDSINSEL
„Es gab immer und wird immer Leute geben, die aus eigennützigen Ambitionen eine Protektion ihrer persönlichen Interessen fordern und die hoffen, durch wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen Vorteile genießen zu können. Unternehmer, die alt und müde geworden sind und die dekadenten Erben von Leuten, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, mögen die agilen Emporkömmlinge nicht, die ihren Reichtum herausfordern und ihre hervorgehobene gesellschaftliche Position. Ob ihr Wunsch, die wirtschaftlichen Bedingungen starr zu machen und Verbesserungen zu verhindern verwirklicht werden kann, hängt von dem Klima der öffentlichen Meinung ab. Die ideologischen Strukturen des neunzehnten Jahrhunderts … ließen solche Wünsche nicht zu. Als die technologischen Verbesserungen im Zeitalter des Liberalismus die traditionellen Methoden der Produktion, des Transports und des Vertriebs revolutionierten, forderten diejenigen, deren eigene Interessen verletzt wurden, keine Protektion, weil es ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen wäre. Aber heute wird es als eine legitime Aufgabe des Staates angesehen, einen effizienten Menschen am Wettbewerb mit weniger effizienten zu hindern. Die öffentliche Meinung sympathisiert mit den Forderungen mächtiger Interessengruppen, den Fortschritt aufzuhalten.“25
„Wenn der Mensch daran denkt, sich von der Herrschaft des Verstandes zu befreien, muss er wissen, was er damit aufgibt.“26
2. Grundlagen
Wenn wir ein Kaufhaus oder einen Supermarkt betreten, können wir uns die Leistungsfähigkeit und die Wirkungsweise der freien wie der gehemmten Marktwirtschaft veranschaulichen. Das Sortiment des Unternehmers ist auf die Bedürfnisse der Kundschaft abgestimmt. Was die Kunden kaufen, ordert der Ladenbesitzer bei seinen Lieferanten, den Produzenten bzw. Großhändlern erneut. Was schwer in den Regalen liegt, wird in kleinerer Stückzahl nachbestellt oder gar nicht. Immer wieder werden Neuheiten angeboten. Die Preise bilden sich durch ein unmerkliches Feilschen. Sie sind ausgezeichnet und nicht verhandelbar, wohl aber ist der Artikel gängig oder nicht. Der Händler offeriert einen neuen Artikel mit einem relativ hohen Einstiegspreis und gibt bei Schwerverkäuflichkeit schrittweise nach, bis der Verkauf sich verstärkt. Wenn die Ware überlagert ist, verkauft der Händler den Rest billiger, bisweilen sogar unter dem Einkaufspreis, um soviel gebundenes Kapital wie möglich zu liquidieren, und die Verkaufsfläche für neue Waren zugänglich und damit rentabler zu machen. Die Kunden steuern das Handeln des Anbieters durch ihre Käufe oder Kaufverzichte, während der Händler versucht, diese vorauszusehen.
Angebot und Nachfrage tauschen sich in einem stummen Gespräch aus. Der Konsument entscheidet und steuert letztlich den Unternehmer und damit die gesamte Wirtschaft. Die Order des Händlers steuert wiederum die Produzenten; auch hier wirken Marktgesetze. Das letzte Wort haben aber stets die Verbraucher, denn die Produktion ist auf den Konsum ausgerichtet. Die Verbraucherbedürfnisse sind der Ausgangspunkt des Informationsaustausches und der Endpunkt des Herstellungsprozesses. Die Marktwirtschaft optimiert die Produktion nach den Maßstäben der Verbraucherbedürfnisse. Wir können in diesem Sinne von einer Marktdemokratie sprechen. Weicht das Angebot von der Bedürfnisstruktur ab, wird es verändert und wieder angepasst.
In einer behinderten Marktwirtschaft werden diese Anpassungen abgeschwächt und umgelenkt, so dass das Angebot von den tatsächlichen Verbraucherbedürfnissen abweicht und die Preise verzerrt werden. Dies ist eine Definition für relative Verarmung. d Sie betrifft alle Menschen, doch die ärmsten Schichten am meisten. Daraus wachsen neue Ansätze für Alimentierung und Umverteilung.
Doch die Unternehmer hießen nicht Unternehmer und die Händler nicht Händler, wenn sie nicht aktiv wären. Die Anbieter versuchen die Bedürfnisse der Verbraucher zu beeinflussen. Die Unternehmer können neue Produkte kreieren und die Händler neue Offerten machen. Sie beleben mit ihren Ideen den Markt und verändern das Verbraucherverhalten. Neue Produkte verdrängen alte, doch der Richter ist immer der Verbraucher. Er entscheidet, was ankommt und was liegen bleibt. Unternehmerisches Handeln ist auf die bestmögliche Erfüllung der jeweils dringendsten Bedürfnisse der Verbraucher, der Käufer, ausgerichtet. Der Gewinn ist die Folge einer vergleichsweise besseren Anpassung an die Verbraucherbedürfnisse, das heißt einem gelungen kaufmännischen Verhalten.27 Der Gewinn stellt einen Anreiz zur Optimierung der Wirtschaft im Interesse der Verbraucher dar. Sie belohnen verbraucherfreundliche Unternehmer. Weil sie zur Verbesserung der materiellen Lebensverhältnisse beitragen, sind sie aus moralischer Sicht gut für alle Menschen. Verluste sind die Folge schlechter Geschäftspolitik, d.h. einer unbefriedigenden Bedienung der Verbraucherbedarfe.
Wie kommt es, dass neue Waren erfunden und entwickelt, produziert und verkauft werden können? Ihre Herstellung erfordert neues zusätzliches Kapital, denn dieser Prozess verschlingt Kosten. Diese Mittel können aus den Erträgen oder den Rücklagen der Unternehmen gewonnen werden, indem alte Produkte vom Markt genommen werden. Das Neue ersetzt das Alte. Soll aber die Produktion insgesamt erweitert werden, so braucht es neues zusätzliches Kapital, das investiert wird. Es kann nur aus unverbrauchten Geldmitteln stammen. Es können bei einzelnen Unternehmen Kapitalrücklagen aus Gewinnen sein, die liquidiert werden, oder Kredite, die von Geldgebern bezogen werden. Doch woher beziehen die ihre Darlehen? Einzelne Produzenten können zu Lasten schrumpfender expandieren, doch wenn die Wirtschaft als Ganzes expandieren soll, so kann es nur aus der Umlenkung von Gütern vom Konsumbereich in den Produktionsbereich gelingen. Das ist mit dem Begriff gemeint. Voraussetzung sind Ersparnisse der Verbraucher, die aus dem vorläufigen Verzicht auf den Verzehr erarbeiteten Einkommens gebildet werden. Kapitalneubildung im Großen setzt Sparen voraus. Die Verbraucher müssen auf Konsum verzichten und Geldmittel zurücklegen, die über die Banken als Kredite zu den Produzenten fließen. Betrug die Sparquote privater Haushalte 1970 noch rund 20 %, so bewegt sie sich heute um die 10 %.29
Neu gedrucktes Geld, also Inflation und Kreditausweitung, kann diese ersparten Mittel nicht ersetzen, weil sie letztlich nur zu einer Verteuerung der Preise führen und damit versanden. Sie führen der Produktion keine erarbeiteten Güter zu, sondern verwässern die nachfragende Geldmenge; sie senken die Kaufkraft der Geldeinheit. Was anfangs die Wirtschaft belebt, hemmt sie in der Folge durch die preistreibenden Effekte und dem Aufschwung folgt der Abschwung. Aus einem Strohfeuer entsteht kein wirtschaftlicher Fortschritt, oft genug aber Katzenjammer.
Somit steuern die Sparer auch die Marschzahl des Fortschritts. Sie bestimmen den Spielraum für den wirtschaftlichen Fortschritt. Wird der Sparanreiz geschwächt, verlangsamt sich die Kapitalneubildung und die Wirtschaft stagniert.
Die Investitionen verbessern die Arbeitsproduktivität. Bei gleichartigen Artikeln erhöht sich die Stückzahl pro Arbeitseinheit und damit sinken die Kosten und dadurch der Preis. Es können neue oder bessere Produkte auf den Markt gelangen. Es erhöht sich somit der Lebensstandard aller Verbraucher. Je höher der Lebensstandard ist, desto größer der Anteil des Einkommens, der gespart werden kann. Es handelt sich, so lange er nicht gehemmt wird, um einen sich selbst beschleunigenden Prozess.
Die Verbilligung von Massenartikeln als Folge technischer Verbesserungen der Produktion ist eine wichtige Tendenz des Kapitalismus, der in seiner höheren Stufe dazu führt, dass die basalen Güter einen immer kleiner werdenden Posten in der Haushaltskasse ausmachen. Güter nennen wir diejenigen, auf die als letzte verzichtet wird, wenn die Geldmittel schwinden. Die Produktion von Nahrung und Kleidung sind natürlich existenznotwendig.30 Dem folgen andere Produkte. Die Palette verbreitert sich in Richtung Luxusgüter exponentiell.
Der Warenkorb der Verbraucher und das Warensortiment verändern sich bei steigenden Einkommen. Mit dem Realeinkommenszuwachs werden ehemalige Luxusgüter wie Olivenöl, Armbanduhren oder Urlaubsreisen zu Massengütern. Sie wandern mit sinkenden Preisen die sozialen Schichten nach unten bis zum Discounter.
Die Verbilligung der Grundversorgung drückt sich in einem sinkenden Anteil der Lebensmittelkosten an den Gesamtausgaben der Haushalte aus: 1850 betrug er 61 %, 1950 noch 44 %, 2000 nur noch 14,7 %31 (siehe folgende Grafik). Die Zeit von 1950 bis 1970...




