E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Kriebs Resilienz in der Schule
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95571-806-0
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Wie Kinder stark werden
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-95571-806-0
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Simone Kriebs ist Diplom-Pädagogin, Anti-Aggressivitäts-Trainerin/Ausbilderin, Systemische Familientherapeutin (IFS/DGSF), CTW®-Hypnosetherapeutin und Heilpraktikerin Psychotherapie. Sie arbeitet deutschlandweit als Referentin und Ausbilderin von Pädagogen und Lehrkräften und bietet Einzel- und Teamcoaching an. (www.simone-kriebs.de)
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Einleitung
„Man kann in Kinder nichts hineinprügeln, aber vieles herausstreicheln.“
(Astrid Lindgren)
Seit 17 Jahren begleite ich Schüler1, Lehrer und Eltern und erlebe, dass sich die Bedingungen an staatlichen Schulen in dieser Zeit stark verändert haben. Die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen finden meist zu wenig Berücksichtigung. Das System Schule ist selten wirklich aus Sicht der Schülerinnen und Schüler gedacht und nicht ausreichend auf die Bedingungen und Anforderungen einer guten Lernumgebung ausgelegt. Anstatt die Stärken des Einzelnen zu sehen und zu fördern, wird der Fokus auf die Schwächen gelegt. Erfolgreich ist, wer die curricularen Ziele schnell und effizient erreicht und die vorgegebenen Anforderungen entlang einheitlicher Parameter erfüllt. Der gesellschaftliche Leistungsdruck macht auch vor den Schulen, Lehrkräften, Schülern und Eltern nicht halt!
Nicht zuletzt durch Qualitätsanalysen, Vergleichsarbeiten, Inklusion, Turbo-Abi und Pisa wird der Schwerpunkt zunehmend auf die überprüfbaren Ergebnisse und Standards gerichtet. Doch sehr viele Kinder haben immer wieder Probleme mit den Anforderungen des Bildungssystems. Das ist nicht nur an den Noten abzulesen, sondern auch an Verhaltensauffälligkeiten, Konzentrationsproblemen, Prüfungsängsten und anderen besorgniserregenden Phänomenen.
Bei der Frage, wer für die zunehmenden Schwierigkeiten verantwortlich ist, erlebt man ein regelrechtes Pingpongspiel. Jeder möchte den ungeliebten Pokal der Verantwortung schnell weiterreichen. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit mit Schulen besteht darin, allen Beteiligten die eigenen Spiel- und Verantwortungsräume aufzuzeigen und sie zu animieren, diese aktiv zu gestalten. Dazu gehört mit Sicherheit eine Menge Mut vonseiten aller, bedeutet es doch nicht selten, entgegen allgemeiner Vorgaben und Vorstellungen anderer neue Wege einzuschlagen. Veränderungen benötigen ein starkes Team, das sich gegenseitig anspornt und beflügelt, und vor allem braucht es eine Vision davon, wie es sein könnte. In meiner Vision sehe ich Schulen, in denen sich Menschen begegnen und unterstützen. Menschen, die sich nicht hinter einer Rolle verstecken, sondern authentisch sind, sich Mut machen und spüren, dass sie Einfluss haben. Welche Vision verfolgen Sie? (Und haben Sie Ihre Vision überhaupt noch vor Augen?)
Die Sorge der Eltern um die Zukunft ihrer Kinder ist verständlich, Maßnahmen, die aus dieser Sorge heraus getroffen werden, sind jedoch ein weiterer Faktor, der Unsicherheit und Unruhe verbreitet. Speziellen „elitären“ Schulformen und guten Noten wird ungesund viel Bedeutung beigemessen, sodass viele Kinder bereits ab der zweiten Klasse Nachhilfe bekommen, um nur ja auf das Gymnasium zu kommen. Ein Kind ohne zusätzliche Förderung in irgendeinem Bereich ist heutzutage fast undenkbar. Lehrkräfte werden kritisiert und unter Druck gesetzt, den Schülern die von den Eltern erwarteten Noten zu geben. Dadurch sitzen viele Lehrer zwischen zwei Stühlen: Einerseits sollen sie den Anforderungen der Bildungspolitik gerecht werden und andererseits den Erwartungen der Eltern.
Was dabei vergessen wird: Eine unauffällige und erfolgreiche Schulkarriere ist noch lange nicht gleichzusetzen mit einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung. Häufig zeigen sich Stress- und Überforderungssymptome bei sehr angepassten Schülern nur zeitverzögert. Zudem findet oft auch eine negative Beeinflussung statt: Mit zunehmendem Stress der Erwachsenen werden wichtige resilienzfördernde Faktoren der Kinder und Jugendlichen wie z. B. Selbstwirksamkeit, Verantwortungsübernahme und Beziehungsgestaltung, um nur einige zu nennen, mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Das Hauptaugenmerk wird auf Optimierung, Effizienz und Erfolg gesetzt. Doch Menschen sind keine Maschinen. Sie brauchen bereichernde und anregende Beziehungen, um ihre Potenziale entfalten zu können. Je jünger ein Mensch ist, desto mehr benötigt er ein wertschätzendes soziales Umfeld zum Lernen. Junge Menschen lernen nur von den Personen, die sie als Vorbild anerkennen und zu denen sie eine positive Beziehung aufbauen konnten. Dieser zwischenmenschliche Aspekt wird in all dem Optimierungswahn völlig vernachlässigt. „Ziele der Schule sind es, die Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, ihre Person zu entfalten, selbstständig Entscheidungen zu treffen, Verantwortung für das Gemeinwohl, die Natur und die Umwelt zu übernehmen“ (Homepage des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Stand 2018). Haben wir diese Ziele nicht längst aus den Augen verloren?
Ein kritischer Blick auf unsere heutige in einem schnellen und offenbar beständigen Wandel begriffenen Gesellschaft offenbart die Notwendigkeit, eingefahrene Muster und überholte Strategien zur Wissensvermittlung und Persönlichkeitsentwicklung zu überdenken. Vor 40 Jahren garantierte ein guter Schulabschluss noch einen sicheren Job. In vielen Arbeitsfeldern war man darauf angewiesen, dass die Mitarbeiter in der Lage waren, vergleichsweise stupide und mechanische Tätigkeiten zuverlässig auszuführen. Persönlicher Elan und Begeisterung für die Sache waren unwichtig. Die heutige Berufswelt erfordert dagegen selbstständiges Denken, Vernetzungsfähigkeit, Eigenständigkeit und die Bereitschaft, ständig dazuzulernen und in wechselnden Teams immer neue Aufgaben zu übernehmen. Um zukünftige Generationen auf eine solche Arbeitswelt vorzubereiten, darf Schule nicht länger gehorsame und an den 45-Minuten-Takt angepasste Musterschüler als primäres Ziel anstreben, die jeden Tag mit sauberer Handschrift ihre Hausaufgaben verfassen. Für die neuen Herausforderungen braucht es kreative Querdenker, Menschen, die persönliche Verantwortung übernehmen und Visionen haben. Und vor allem braucht es resiliente Menschen!
Resilienz bedeutet
- die persönlichen Ressourcen zu erkennen und zu nutzen,
- Emotionen zu kanalisieren, statt zu explodieren,
- negative Gefühle in positive umzuwandeln,
- Rückschläge auszuhalten,
- Herausforderungen anzunehmen,
- Verantwortung zu übernehmen und
- von der Opferrolle in die Rolle des aktiven Gestalters zu wechseln.
Diese neuen Qualifikationen zu wecken und zu fördern gehört nicht zu den Kernaufgaben von Lehrern in unserem bisherigen Schulsystem. Es ist für sie daher unerlässlich, alte Muster zu überdenken, die eigenen Ziele zu überprüfen und sich klarzumachen, welche Aufträge von außen gestellt werden und welche man selbst erfüllen möchte. Machen Sie sich bewusst: Als Lehrkraft darf man es sich zur Aufgabe machen, auf diesem Weg mit gutem Beispiel voranzugehen, um Schülern als Vorbild zu dienen.
Wichtig in diesem Zusammenhang sind ein fundiertes Wissen über neurobiologische Zusammenhänge, Lern- und Entwicklungsprozesse sowie eigene Erfahrungen, die dieses Wissen untermauern. Nur so können Vertrauen und Selbstwirksamkeit bei Ihnen und Ihren Schülern wachsen und Fachkräfte den Mut finden, die eigene Komfortzone zu verlassen.
Dieses Buch möchte Sie dazu anregen, sich von als falsch empfundenen Anforderungen abzugrenzen und die eigene mentale Widerstandsfähigkeit zu stärken. Außerdem soll es Sie dabei unterstützen, auch die Ihnen anvertrauten jungen Menschen bei der Stärkung ihrer Persönlichkeit zu fördern und ein besseres Schulklima zu entwickeln. Um schwierige Situationen und Herausforderungen im Leben bewältigen zu können, ist es wichtiger denn je, Kinder und Jugendliche in den sogenannten Soft Skills zu fördern, um soziales Miteinander, Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung zu unterstützen. Schüler müssen lernen, sich Herausforderungen zu stellen, aus einem Misserfolg zu lernen und sich nach einem Sturz wiederaufzurichten. Emotionaler Rückhalt von Pädagogen ist hierfür wichtiger als strenges und unnachgiebiges Einfordern von Regeln. Jungen Menschen beizustehen, wenn etwas schiefgeht, anstatt sie zu kritisieren, wenn sie Fehler machen, stärkt ihr Vertrauen in sich selbst und etabliert eine erfahrungsfreundliche Umgebung.
Die Neugestaltung einer wertschätzenden Beziehungskultur in Schulen kann nicht von oben nach unten angeordnet werden. Diese Veränderung kann nur durch die aktive Gestaltung der Menschen in diesen Systemen angeregt und kultiviert werden. Schule lebt durch die Menschen, die sich in ihr bewegen.
Zum Umgang mit diesem Buch
Ich möchte Sie inspirieren und Ihnen neue Impulse geben, damit Sie sich in Ihrer Arbeit, mit Ihrem Elan und Ihrer Leidenschaft für Ihre pädagogische Berufung wieder erfolgreich und wirkungsvoll fühlen und spüren, dass Sie einen Unterschied für die Kinder machen.
Theoretisches Hintergrundwissen, die Darstellung unterschiedlicher Blickwinkel sowie praktische Übungen sollen Sie darin unterstützen, Ihren eigenen Weg zu finden, um gelassener mit individuellen Verhaltensauffälligkeiten und klassendynamischen Prozessen umzugehen. Bekommen Sie einen anderen Blick auf Schule. Erklärungsmodelle, Anregungen und Ideen, die Sie in diesem Buch finden, helfen Ihnen, Ihre Rolle neu zu definieren. Entdecken Sie, wie Schule ein Ort des Miteinanders und der Zugehörigkeit werden kann, wenn wir Erwachsenen beginnen, Schule anders zu denken und zu leben.
Im ersten Teil des Buches geht es vor allem um eine Darstellung dessen, was unter Resilienz zu verstehen ist und wie Ihre innere Haltung im Umgang mit Kindern und Jugendlichen Ihre und deren Resilienz fördern kann. Sie haben die Möglichkeit, eigene Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen, zu reflektieren...