Küntzle | Landverstand | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Um/Welt

Küntzle Landverstand

Was wir über unser Essen wirklich wissen sollten
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-218-01324-6
Verlag: Kremayr & Scheriau
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Was wir über unser Essen wirklich wissen sollten

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Um/Welt

ISBN: 978-3-218-01324-6
Verlag: Kremayr & Scheriau
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



"Wir Konsumenten blockieren ein nachhaltigeres globales Ernährungssystem, indem wir der Landwirtschaft einen Mühlstein aus Vorurteilen, Denkverboten und widersprüchlichen Wünschen um den Hals hängen."
Über unser Essen und die Art und Weise seiner Herstellung wurde nie emotionaler und verbissener diskutiert als heute. Gleichzeitig ist die Zahl der Menschen mit direktem Einblick in die Landwirtschaft auf einem historischen Tiefstand. Klar ist lediglich: Jedes Lebensmittel soll makellos und rund ums Jahr zu haben sein – aber bitte nachhaltig, regional und bio. Kann das funktionieren?

Natürlich nicht, sagt Timo Küntzle. Der Journalist und Landwirtsohn sieht genau hin, um mit romantisierenden und verteufelnden Vorurteilen aufzuräumen. Welche Rolle spielt Landwirtschaft beim Klimawandel? Ist "bio für alle" realistisch? Wie schädlich sind Glyphosat und andere Pestizide tatsächlich, was sind die Alternativen? Und nicht zuletzt: Ist unsere Angst vor Gentechnik auf dem Teller berechtigt, war unser Essen in der "guten alten Zeit" wirklich besser? Die Antworten sind nicht immer einfach. Aber zweimal hinsehen lohnt sich. Nicht nur, weil es um unser täglich Brot geht, sondern auch, weil etwas mehr Landverstand uns allen guttäte.

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Dem Thema Klimawandel und Landwirtschaft muss ich eine wichtige Sache vorausschicken: Der aktuell messbare Klimawandel, also der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um rund ein Grad seit Beginn der vorindustriellen Zeit (1850 – 1900), ist mit großer Wahrscheinlichkeit und zum überwiegenden Anteil menschengemacht. Grund ist die übermäßige Freisetzung von Treibhausgasen (THG) in die Atmosphäre. Dieser grundsätzliche Zusammenhang ist Konsens in der Wissenschaft und steht in diesem Buch nicht zur Debatte. Nach menschlichem Ermessen müssen wir davon ausgehen, dass sich das Erdklima weiter erhitzt, wenn wir nicht deutlich gegensteuern. Der Klimawandel stellt zweifellos eine der größten aktuellen Herausforderungen für die Menschheit dar. Die diesbezüglichen Erkenntnisse zu ignorieren und zu hoffen, dass die Wissenschaft sich getäuscht hat, wäre nicht sehr klug. DIE 17 ZIELE FÜR EINE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
Ist der Klimawandel die einzige globale Herausforderung, die in ihrer Wichtigkeit über allem steht? Nein. Und diese Feststellung ist weniger simpel, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Wir dürfen den Klimawandel nicht losgelöst von vielen anderen Dringlichkeiten betrachten. Das haben auch die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen erkannt und auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2015 in New York einstimmig 17 Ziele (und nicht nur eines!) für eine nachhaltige Entwicklung beschlossen (englisch: Sustainable Development Goals, kurz SDGs). Im selben Jahr wurde auch das Pariser Klimaabkommen verabschiedet. An allererster Stelle der SDG-Ziele steht die Bekämpfung von Armut, an zweiter die Beendigung von Hunger. Es folgen Ziele wie Gesundheit, Bildung, sauberes Wasser und Wirtschaftswachstum. Auch der Schutz der Ozeane und der Artenvielfalt in Land-Ökosystemen gehört dazu. Und natürlich die Bekämpfung des Klimawandels. Die Tatsache, dass sich die Weltgemeinschaft 17 und nicht nur ein, zwei oder drei Ziele selbst ins Stammbuch geschrieben hat, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass das eine nicht ohne das andere funktionieren kann. Nur ein Beispiel (sehen Sie mir nach, dass ich jetzt stark vereinfache, es geht ums Prinzip!): Für das Klima wäre es gut, wenn möglichst große Flächen des Globus mit Wald statt Acker bedeckt wären. Man könnte daher auf die Idee kommen, immer mehr Äcker zu Wald zu machen. Der könnte dann große Mengen CO2 aufnehmen und speichern. Gut fürs Klima! Der Nachteil wäre, dass im Wald weder Mais oder Reis noch Tomaten oder Paprika wachsen. Von Radieschen ganz zu schweigen. Drehen wir also nur an der Wald-Schraube, indem wir etwa halb Europa wiederaufforsten, während alles andere so bleibt, wie es ist, dann wird irgendwer woanders auf der Welt Wald roden, um auf der Fläche Mais oder Paprika anzubauen und nach Europa zu verkaufen. Oder aber es wird dann global weniger geerntet, sodass Menschen irgendwo hungern. Beides wäre nicht sonderlich konstruktiv. Klar ist: Wir müssen die Klimaproblematik immer in Zusammenhang mit den anderen Herausforderungen sehen, denen die Menschen auf dieser Welt nun einmal gegenüberstehen. Verlieren wir sie aus den Augen, entstehen andere Probleme, die unsere Klimaziele durch die Hintertür torpedieren. Wenn man sich nur eine Stunde lang ernsthaft mit dem Themenkomplex aus Armut, Hunger, Landwirtschaft und Klimawandel auseinandersetzt, stellt man Folgendes fest: Simple Lösungen, die allen Zielen gerecht werden, gibt es nicht. Im Gegenteil: Die Angelegenheit ist komplex und voller Zielkonflikte. Wie bei so vielem anderem gibt es auch bei der Frage des Einflusses der Landwirtschaft auf das Klima Menschen, die scheinbar plausible Lösungen parat haben. Diese Vereinfacher erklären den Zusammenhang in etwa so: Menschengemachte Treibhausgase stammen zu einem großen Teil von der „industriellen“, wahlweise der „intensiven“ Landwirtschaft mit ihrer „Massentierhaltung“ und ihrem verschwenderischen Umgang mit „Kunstdünger“, Pestiziden und Gentechnik (die beiden Ersteren werden gerne unter dem Begriff „Agrochemikalien“ zusammengefasst). Gesteuert von geldgierigen Konzernen wie Monsanto (heute Bayer), unter Missachtung der Gesetze von „Mutter Erde“ und ohne Wertschätzung dem Leben gegenüber fluten sie die Märkte mit viel zu großen Mengen an ungesundem Essen und zerstören so das Klima. Ein paar wenige afrikanische oder oberösterreichische Kleinbauern widersetzen sich dem Ganzen und betreiben Landwirtschaft noch immer so wie zu Großmutters Zeiten: demütig, genügsam und in Einklang mit der Natur. Wir müssen nur weniger Fleisch essen, weniger Lebensmittel verschwenden und weltweit alle Bauern zu Biobauern umschulen. So, und nur so, lässt sich der Planet Erde noch retten. Die Geschichte wird nicht immer so zugespitzt wiedergegeben. Aber auch viele sachlicher klingende Wortmeldungen laufen letztlich auf dieselbe Botschaft hinaus. Sie basiert auf einer klaren, unverrückbaren und oftmals religiös anmutenden Trennung in Gut und Böse. Böse ist alles, was groß, intensiv und industriell erscheint. Gut ist alles, was klein, natürlich, idyllisch und bio ist. Das Knifflige an dieser Erzählung: Sie hat einen wahren Kern. Das heißt: Auch das genaue Gegenteil ist falsch. Und das macht die Sache kompliziert. Das viel größere Problem ist aber: In seiner Einfachheit ist diese auch von Journalisten gerne verbreitete Geschichte viel mehr falsch als richtig. Sie verzerrt die Wahrheit so stark, dass sie uns die Sicht auf das große Ganze komplett vernebeln kann. Damit macht sie auch blind für mögliche Auswege und Lösungen. TREIBHAUSGASE AUS DEM ERNÄHRUNGSSYSTEM – WAS SAGT DER WELTKLIMARAT WIRKLICH?
Für die Zusammenhänge zwischen der Produktion unseres Essens und dem Weltklima ist das wegweisende Gremium der sogenannte Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen, im Englischen abgekürzt mit IPCC4, auch als Weltklimarat bezeichnet. Der Weltklimarat, besser gesagt die für ihn arbeitenden Wissenschaftler aus der ganzen Welt, tragen seit seiner Gründung 1988 regelmäßig das neueste, aktualisierte Wissen zu Ursachen und Auswirkungen der Erderwärmung zusammen. Außerdem identifizieren sie mögliche Reaktionsstrategien. Aber im Grunde sortieren die Wissenschaftler lediglich die Studien abertausender Forschender und geben sie in Berichten wieder. Die kann sich jeder aus dem Internet herunterladen. Zusammenfassungen5 gibt es auch in deutscher Sprache. Der Weltklimarat ist keinesfalls unfehlbar, aber seine Berichte stellen die wohl umfassendste Aufbereitung des ständig wachsenden Wissens über den Klimawandel dar. Und damit eine gemeinsame Faktenbasis, die zumindest als Diskussionsgrundlage von fast allen anerkannt ist. Gemeinsame Faktenbasis klingt großartig! Leider aber sind die IPCC-Berichte oft mehrere hundert Seiten dick, vielschichtig und äußerst facettenreich. Thematisch ist für nahezu jeden Geschmack etwas dabei. Das führt dazu, dass die grundsätzliche Anerkennung des Weltklimarats viele Leute nicht davon abhält, bestimmte Aussagen zu ignorieren, in einen irreführenden Kontext zu setzen oder gar ins Gegenteil zu verdrehen. Das beginnt schon bei der Frage, wie hoch der Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtmenge der durch Menschen verursachten THG berechnet ist. Selbst etablierte Medien machen regelmäßig falsche Angaben und verwirren mit unpräzisen Bezeichnungen. Besonders häufig werden die Landwirtschaft, die Landnutzung und das Ernährungssystem als Ganzes durcheinandergeworfen. Dabei macht es einen gewaltigen Unterschied, von welchem Begriff die Rede ist. Auch bleibt öfter unerwähnt, ob es gerade um die globale Bilanz oder um die Bilanz bestimmter Länder bzw. Weltregionen geht, ob wir vom Anteil der Tierhaltung an den Emissionen der Landwirtschaft oder an den gesamten menschengemachten Emissionen reden usw. Unpräzise Angaben erwecken oft den Eindruck, die Landwirtschaft trage die Hauptschuld am Klimawandel. In Medienberichten werden regelmäßig die direkt durch landwirtschaftliche Tätigkeiten entstehenden Emissionen mit jenen in einen Topf geworfen, die sich aus der Umwandlung etwa von Wald zu Agrarland ergeben. Solche Landnutzungsänderungen passieren im großen Stil auch in besonders armen Regionen, wo die Kleinbauern oft überhaupt keinen Zugang zu Mineraldünger, Pestiziden oder anderen mit „industrieller“ Landwirtschaft assoziierten Werkzeugen haben. Sie erwirtschaften daher viel zu geringe Erträge pro Fläche und roden deshalb immer mehr Wald. Je mehr die Bevölkerung wächst, desto größer wird der Flächenbedarf einer unproduktiven Landwirtschaft. Aber was sagt eigentlich der Weltklimarat zum Anteil der Landwirtschaft am...


Den Journalisten und Autor Timo Küntzle treiben die Zielkonflikte zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz seit Jahrzehnten um. Als Sohn einer Getreide- und Milchbauernfamilie in Baden-Württemberg lernte er schon als Kind, wie Ackerbau funktioniert, identifizierte sich aber genauso mit den Zielen der aufkommenden Umweltbewegung. Nach der Ausbildung zum Landschaftsgärtner und einem Abschluss in Agrarwissenschaften verschlug es ihn in den Journalismus. Zuletzt veröffentlichte er zu Wissenschaftsthemen für Die Presse sowie die Rechercheplattform Addendum.



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