E-Book, Deutsch, Band 3132, 307 Seiten
Reihe: Ginestra. Periodikum der Deutschen Leopardi-Gesellschaft
Kuhn / Agostini Leopardis Dichten und Denken der Natur
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-381-10223-5
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Pensiero e poesia della natura in Leopardi
E-Book, Deutsch, Band 3132, 307 Seiten
Reihe: Ginestra. Periodikum der Deutschen Leopardi-Gesellschaft
ISBN: 978-3-381-10223-5
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Natur fordert den Menschen seit jeher heraus. Doch seit der Romantik gewinnt die Beschäftigung mit der Natur an Bedeutung, und heute ist sie von immenser Aktualität. Vom Lateinischen nasci abgeleitet, bezeichnet natura >, also das nicht vom Menschen Geschaffene. Es umfasst die belebte und unbelebte Natur in gleicher Weise wie Naturerscheinungen, die sich dem Einfluss des Menschen entziehen. Die Natur weist dabei nicht nur einen Bezug zum Leben auf; vielmehr erscheint Natur uberhaupt als Voraussetzung oder Grund fur jede Form von Existenz. Zudem meint die Natur das Wesen, d.h. die Beschaffenheit der Dinge ebenso wie das Wesen des Menschen.
All diese Momente des Natur-Begriffs reflektiert Leopardis Werk. Denn den Ausgangspunkt seines Denkens bildet die schonungslose Ergrundung des Wesens der Dinge und der Existenz des Menschen im Wissen um Kontingenz und Grundlosigkeit. Dieser Gestus, der Natur des Zufalls wie auch der Zufälligkeit der Natur entgegenzutreten, bedingt die Originalität und Aktualität seines Werkes, denen dieser Band nachgeht.
Dr. Giulia Agostini ist Privatdozentin für Romanische, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Heidelberg.
Prof. Dr. Barbara Kuhn hat den Lehrstuhl für Romanische Literaturwissenschaft I an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt inne.
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II.
La quiete dopo la tempesta Passata è la tempesta: Odo augelli far festa, e la gallina, Tornata in su la via, Che ripete il suo verso. Ecco il sereno 5 Rompe là da ponente, alla montagna; Sgombrasi la campagna, E chiaro nella valle il fiume appare. Ogni cor si rallegra, in ogni lato Risorge il romorio 10 Torna il lavoro usato. L’artigiano a mirar l’umido cielo, Con l’opra in man, cantando, Fassi in su l’uscio; a prova Vien fuor la femminetta a còr dell’acqua 15 Della novella piova; E l’erbaiuol rinnova Di sentiero in sentiero Il grido giornaliero. Ecco il sol che ritorna, ecco sorride 20 Per li poggi e le ville. Apre i balconi, Apre terrazzi e logge la famiglia: E, dalla via corrente, odi lontano Tintinnio di sonagli; il carro stride Del passeggier che il suo cammin ripiglia. 25 Si rallegra ogni core. Sì dolce, sì gradita Quand’è, com’or, la vita? Quando con tanto amore L’uomo a’ suoi studi intende? 30 O torna all’opre? o cosa nova imprende? Quando de’ mali suoi men si ricorda? Piacer figlio d’affanno; Gioia vana, ch’è frutto Del passato timore, onde si scosse 35 E paventò la morte Chi la vita abborria; Onde in lungo tormento, Fredde, tacite, smorte, Sudàr le genti e palpitàr, vedendo 40 Mossi alle nostre offese Folgori, nembi e vento. O natura cortese, Son questi i doni tuoi, Questi i diletti sono 45 Che tu porgi ai mortali. Uscir di pena È diletto fra noi. Pene tu spargi a larga mano; il duolo Spontaneo sorge: e di piacer, quel tanto Che per mostro e miracolo talvolta 50 Nasce d’affanno, è gran guadagno. Umana Prole cara agli eterni! assai felice Se respirar ti lice D’alcun dolor: beata Se te d’ogni dolor morte risana. [Die Ruhe nach dem Sturm Vorüber ist das Gewitter. | Vögel höre ich jubeln. Die kleine Henne | kehrt auf die Gasse zurück | und gackert erneut ihren Vers. Und siehe, der Himmel | über den Bergen im Westen klart wieder auf. | Lichter dehnt sich das Land, | und silberschimmernd zeigt sich der Fluß im Tal. | Ein jedes Herz freut sich, und überall | regt sich’s geräuschvoll. Das Tagwerk | nimmt seinen gewohnten Lauf. | Der Handwerker tritt in die Tür, sein Werkstück in Händen | den wolkigen Himmel betrachtend, | und singt. Und prüfend schaut | das Hausmütterchen und kommt auf den Hof, das frische | Regenwasser zu schöpfen. | Von Gasse zu Gasse laut | preist der Gemüsemann | wieder die Ware an. Siehe, die Sonne kehrt wieder, siehe, sie lacht | über Hügel und Haus, das Gesinde macht | die Fenster weit auf zu Terrasse, Loggia, Balkon. | Fern von der Hauptstraße hörst du den hellen Ton | klingender Schellen, hörst dumpf die Räder knarren, | wenn weiterzieht der Fuhrmann mit seinem Karren. Es freut sich jedes Herz. | Wann sind im Leben wie heut | so beglückt und erfreut | die Menschen? Und wann sonst ginge | jeder mit solcher Wonne | ans Werk, an die Studien oder an neue Dinge? | Wann denkt man weniger an die eigenen Plagen? | Des Kummers Kind ist die Freude, | das eitle Vergnügen die Frucht | überstandener Angst, die selbst den, dem das Leben | verächtlich dünkte, erbeben | läßt und fürchten den Tod, | die Angst, die kalt, stumm und bleich | die Völker in langer Not | schwitzen und zittern ließ, wenn sie sahen, daß nur | um uns zu quälen, losgelassen sind | Blitze, Wolken und Wind. Freigebige, reiche Natur, | das also sind deine Gaben, | das sind die Wonnen, die Freuden, | die du den Sterblichen gönnst! Freude für uns ist’s, | zu entrinnen den Leiden. | Leiden verteilst du reichlich. Ohne dein Zutun | stellt sich der Schmerz ein. Und großer Gewinn ist für uns schon | jene Freude, die wie ein Wunder manchmal | aus dem Kummer entspringt. | Menschengeschlecht, du Liebling der Götter, entzückt, | wenn du aufatmen darfst | nach einem Schmerz, und beglückt, | wenn der Tod dir von allen Schmerzen Erlösung bringt.] Ohne an dieser Stelle detailliert auf den Reichtum dieses von der Forschung eher unberücksichtigt gelassenen Gedichts eingehen zu können, in dem zahlreiche auch andernorts im Werk Leopardis zentrale Themen anklingen, sei hier insbesondere die Vielfalt der Naturbegriffe und die Reflexion über diese unterschiedlichen Arten, ‹Natur› zu verstehen, hervorgehoben. Das nicht strophisch gebaute, sondern in drei ungleich lange lasse oder Versabschnitte gegliederte Gedicht, das nicht nur als «composizione lirica perfetta» gewertet wird, sondern, Umberto Saba zufolge, mit «e chiaro nella valle il fiume appare» (v. 7) gar den schönsten je geschriebenen Vers überhaupt enthalte, evoziert in diesen drei Teilen, gekoppelt mit drei je unterschiedlichen Sprechweisen, eben jene drei unterschiedlichen Bedeutungsebenen des Wortes ‹Natur›, die, wie Fabiana Cacciapuoti gezeigt hat, das «sistema della natura» im Zibaldone ausmachen: la lettura del testo zibaldonico […] offre due linee interpretative della natura: la natura degli uomini […], e la natura come entità, un’astrazione che domina tutto il pensiero leopardiano e che non conosce i termini di madre e matrigna altrove usati. Tuttavia, un terzo aspetto della natura – aspetto non secondario – va considerato: ed è quello della natura fisica, della terra con i suoi alberi, fiori, frutti […]. L’intreccio di questi tre aspetti non comporta alcuna contraddizione […]. L’attenzione alla natura come sistema comprende allora, ed è questo il punto centrale di tutto il discorso, la natura dell’uomo come parte integrante e non separata della natura intesa quale ambiente e quale astrazione, cioè ordine delle cose. Dieselbe Trias läßt sich in dem Gedicht ausmachen, auch wenn das lyrische Ich in allen drei Teilen präsent ist und sie so zusammenschließt: im ersten zunächst als wahrnehmendes Ich in «odo» (v. 2) und in «odi» (v. 22) im von ihm angesprochenen Du – das freilich auch das Ich selbst meinen kann, wie es den noch fernen Schellenklängen lauscht und auf den mit seinem Wagen aufbrechenden «passeggier» schließt. Im zweiten Teil manifestiert sich die Sprechinstanz hingegen – außer durch das temporaldeiktische «com’or» (v. 27), das den unmittelbaren Bezug zur im ersten Teil geschilderten Situation, der geschäftigen Ruhe nach dem Sturm, herstellt, in der sich, der Fiktion nach, dieses Ich befinde und die es hörend und sehend beobachte – primär in «alle nostre offese» (v. 40), mit dem zugleich die Verkettung mit dem dritten Teil und hier dem «fra noi» (v. 47) entsteht, so daß alle drei Abschnitte durch die Sprechsituation und über die Unterschiede hinweg durch das sprechende Ich eng verbunden sind, auch wenn das angesprochene Du, das im zweiten Teil ganz fehlt, vom ersten bis zum dritten ein völlig anderes geworden ist, weil hier ein anderer der drei Aspekte, die das von Cacciapuoti erwähnte «sistema della natura» im Zibaldone ausmachen, im Vordergrund steht. Der erste, von...