Kummer Jakob Wolff - Der Fluch
überarbeitete Auflage
ISBN: 978-3-945230-06-0
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
1495
E-Book, Deutsch, 140 Seiten
Reihe: Jakob Wolff - Hexenmeister
ISBN: 978-3-945230-06-0
Verlag: Leseratten Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als kleiner Junge wird Jakob Wolff von seinem Vater zu einem Hexer ausgebildet. Nach dessen Ermordung bleibt Jakob nur, unterzutauchen, um sein Leben zu retten. Auf seiner Wanderschaft befreit er die junge Lilo. Gemeinsam versuchen sie, ein neues Leben aufzubauen, doch die Umstände wollen es, dass Jakob der Hexerei beschuldigt wird. Unter der Folter des Anklägers gesteht er, aber Lilo schmiedet einen Pakt mit dem Teufel, um Jakobs Leben zu retten. Leider fordert dieser Pakt einen Preis, den beide noch nicht erahnen können ...
Der Beginn der "Jakob Wolff - Hexenmeister" Reihe mit dem Kurzroman "Der Fluch" von Tanja Kummer.
Autoren/Hrsg.
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3. - Mai 1489 in der Nähe von Jena - drei Jahre später - Die Bewohner nannten den Ort Harzenberg. Jakob würde den Namen genauso schnell vergessen, wie die der anderen Dörfer, welche er in den letzten Jahren um Jena herum gesehen hatte. Heute Nacht war er allerdings froh über seinen trockenen Schlafplatz, denn die zurückliegenden Wochen waren überraschend regnerisch gewesen. In der kleinen Schankstube wartete Jakob nun auf seine warme Mahlzeit, als ein Mann an seinen Tisch trat. »Guten Tag, der Herr!«, wurde er begrüßt. Der Mann knetet seine nasse Kopfbedeckung nervös zwischen seinen Fäusten. »Mein Name ist Otto Grundmann. Ich bin der Dorfverwalter von Harzenberg. Seid uns Willkommen.« Jakob sah auf. Er wusste, dass seine Kleider inzwischen verschlissen waren. Zudem hatte er sich seit Monaten nicht rasiert. Sein Hut und der Wanderstab rundeten das seltsame Bild ab, das er seinen Betrachtern bot. »Ich bin nur für eine Nacht in Eurem hübschen Dorf. Sorgt Euch nicht, mein Herr. Ich werde weder Unruhe noch Krankheit bringen.« Der Verwalter räusperte sich verlegen. »Das freut mich zu hören, der Herr. Aber deswegen bin ich nicht hier.« Jakob sah ihn fragend an. »Man sagte mir, ein bestimmtes Buch befände sich in Eurem Besitz. Daher dachte ich, Ihr wäret vielleicht wegen der Hexe gekommen.« Jakobs Augen weiteten sich. Woher konnte dieser einfache Mann vom Hexenhammer wissen? Offenbar sah Otto nun seinen Schrecken und hielt ihn für Verwirrung. »Mein Schwager war letzte Woche in Seelingstädt. Er hörte von einem frommen Herrn, der dort den Winter im Kloster verbracht hätte. Die Mönche erzählten nur Gutes über ihn. Und einer wusste zu berichten, dass der Wanderer damit vertraut wäre, wahre Zauberinnen zu erkennen. Seht, Herr, unser Dorf wird seit Monaten von einer Hexe bedroht und bisher kamen keine Antworten auf meine Hilfegesuche. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Seid Ihr also dieser Mann?« »Vielleicht«, sagte Jakob vorsichtig und leckte sich die Lippen. Es war töricht gewesen, sich im Kloster mit den Mönchen über den Inquisitor Heinrich Kramer und dessen Abhandlung zu unterhalten. Solche Dinge sprachen sich immer herum und er hätte es besser wissen müssen, gleich wie abgelegen und dünn besiedelt die Gegend auch war. »Darf ich das Buch sehen?« »Zuerst setzt Euch und erzählt mir mehr.« Und das tat der Dorfverwalter. Mit einem dankbaren Seufzen ließ er sich auf den Stuhl gegenüber Jakob nieder. »Ihr Name war Karin Wagner.« »War?«, unterbrach ihn Jakob. »Wir haben sie gehängt. Kurz darauf wurden aber alle Menschen im Dorf krank. Ein Schadenszauber! Ganz sicher war es einer!« Der Wirt brachte Jakobs Essen und stellte einen Krug Bier vor Otto. »Wohl bekommt’s!«, wünschte er und ließ die Männer alleine. »Bitte erzählt weiter!«, ermunterte Jakob seinen Gegenüber und begann zu essen. Der Eintopf enthielt fast nur Gemüse, das bis zur Unkenntlichkeit verkocht war. Das wenige, dunkle Fleisch darin war zäh und hatte ein ausgeprägtes Aroma nach Hammel. »Sie wohnte ganz am Rand des Dorfes in der alten Hütte. Ist vor ein paar Jahren hierher gekommen und geblieben. Einen Mann hatte sie keinen, aber ne Tochter. Der Vater wäre gestorben, erzählte sie. Eigentlich eine nette Frau. Tauschte das, was sie im Wald fand gegen das, was sie brauchte.« Der Dorfverwalter seufzte. »Aber das reichte kaum, um sie satt zu bekommen. Sie war wirklich bemüht durchzuhalten, aber sie gab irgendwann auf. Keiner der ledigen Männer im Dorf wollte sie.« Jakob nickte. Ihm war klar, was nun kam. »Natürlich redeten die Frauen schlecht über sie. Aber sie war klug genug, nur die Ledigen in ihr Bett zu nehmen. Einer davon war mein jüngster Sohn.« Wieder Vergangenheitsform, dachte Jakob. »Ich glaub, der Bub hatte sich in sie verliebt«, erklärte Otto tapfer. »War öfter als die anderen da und fing an, sich für sie einzusetzen. Das gefiel den heiratsfähigen Mädchen im Dorf gar nicht.« Dir wahrscheinlich auch nicht. Doch Jakob löffelte unbeirrt sein Essen. »Immer mehr Gerüchte kamen in Umlauf. Und je mehr es wurden, desto lauter erhob mein Sohn sein Wort, um sie zu schützen. Vor knapp einem Jahr war er mit drei Freunden auf Jagd, zurück kam er nicht. Offenbar hatte es Streit gegeben und es kam zu einem Unfall, bei dem mein Sohn getötet wurde.« Jakob nickte dem Mann voller Anteilnahme zu. Dabei galt diese mehr der Frau als dem Sohn. Sie war mit Sicherheit absolut unschuldig gewesen. Doch die Zeiten waren hart. Kriege, Krankheiten, Überfälle und schlechte Ernten ließen die Menschen überall Zauberei und den Teufel vermuten. Und die Kirche schürte dieses Denken und trug ihren Teil dazu bei, die Ungläubigen oder Minderheiten als Sünder zu verurteilen. Dabei war es völlig unmöglich, ein Leben zu führen, das frei von Sünde war. Ganz gleich, wie sehr man sich auch mühte. »Die Gerüchte wurden schlimmer und letzten Endes blieb mir nichts anderes über, als mich den Ängsten der Dörfler zu beugen und Karin Wagner zu verhaften.« »Die Tochter?« »Herr! Das arme, junge Ding. Ich konnte sie nicht alleine in dem Haus und damit ihrem Schicksal überlassen. Zumal die Frauen Angst hatten, sie könnte nach ihrer Mutter kommen und ihre Söhne verhexen.« Otto leckte sich über die Lippen. »Wisst Ihr Herr, wir haben hier kein Gefängnis. Ich sperrte die beiden im Keller meines Hauses ein. Dort ist es trocken und sicher. Danach schickte ich Hilfsgesuche an verschiedene Amtspersonen und das Kloster. Aber es kam niemand. Auch nicht, als ich wieder schrieb. Den ganzen Sommer lang. Inzwischen dachten die Dörfler kaum noch an die Hexe in meinem Keller und ich hoffte, sie einfach des Nachts wegschicken zu können. Doch meine liebevolle Frau empörte sich darüber und sagte mir, dass die Zauberin in anderen Umständen wäre. Karin behauptete, mein Sohn wäre der Vater.« Er benutzt ihren Vornamen, also empfand er Mitleid. Jakob spülte den letzten Bissen mit Bier hinunter. Sie hätte besser niemandem gesagt, von wem das Kind ist. Niemand will einen Hexenbastard in der Familie haben. »Eure Frau hat es sicher einer Nachbarin erzählt«, mutmaßte Jakob. Otto nickte leidvoll. »Und das war der Anfang vom Ende. Die Dorfbewohner verlangten von mir, ich solle die Hexe befragen. Der Druck stieg und ich tat, was man forderte. Doch Karin gestand nicht. Als die Gemeinde darauf drängte, dass ich sie foltern solle, da habe ich gesagt, dass es genug wäre. Woraufhin meine Frau vermutete, dass die Zauberin mich bereits verhext hätte. Sie holte den alten Holzfäller Hans. Der wäre taub und den könnte die Hexe nicht in Versuchung führen. Und Hans schlug sie. Brutal. Mit Leidenschaft. Und irgendwann dann, da gestand sie es.« Das tun sie immer, dachte Jakob traurig. Schließlich gelangt man an einen Punkt, wo man alles zugibt, nur damit die Schmerzen aufhören. »Karin bat darum, das Kind entbinden zu dürfen. Es wäre unschuldig. Doch meine Frau wollte diesen Wechselbalg nicht im Haus haben. Also wurde Karin gehängt und ihr Körper anschließend verbrannt. Trotz der Winterkälte kamen alle und es wurde ein Spektakel daraus. Jeder brachte was mit. Der Müller, dessen Sohn auch ab und an bei Karin gelegen hatte, spendete sogar Getreide für Brot, das an alle verteilt wurde.« Der Dorfverwalter seufzte bekümmert. »Karins Tochter, Lieselotte, hätte ich danach gerne freigelassen. Aber kurz nach der Hinrichtung brach eine unerklärliche Krankheit aus. Alle im Dorf, bis auf das Mädchen, wurden krank.« »Was für eine Krankheit?« »Keine, von der ich je gehört hätte. Auch nicht die Mönche im Kloster, denen ich einen Brief geschrieben hatte.« »Was fehlte den Betroffenen?« »Viele litten unter Krämpfen und Durchfall. Einige sahen unerklärliche Dinge und die Dorfbewohner glaubten, der Geist der Hexe suche sie heim. Andere wiederum starben infolge von Amputationen, weil ihre Finger und Zehen schwarz anliefen und faulten. Es war schrecklich! Dreizehn Nachbarn sind tot.« Ah! Klassische Vergiftung. Sie haben alle etwas gegessen oder getrunken, was das Mädchen nicht bekommen hat. Vermutlich das Getreide, überlegte Jakob und nickte nachdenklich. In den Aufschriften seines Vaters hatte er davon gelesen, dass es einen Pilz gab, der frisches Getreide befiel und dessen Gift erst nach längerer Lagerung verschwand. In kleinen Mengen dosiert rief es bei schwangeren Frauen Wehen hervor und konnte zur Abtreibung eingesetzt werden. In großer Dosis war es tödlich. War es vielleicht der Mutterkornpilz gewesen? »Und jetzt denken alle, die Kräfte der Mutter seinen auf die Tochter übergegangen!«, klagte Otto. »Ihr fühlt Euch schuldig am Tod der armen Karin Wagner und dem des Kindes«, sagte Jakob mitfühlend. »Jedoch sollte es Euch nicht betrüben, eine Hexe unschädlich gemacht zu haben. Und das war diese Frau zweifelslos.« »Wirklich?«, fragte der Dorfverwalter erleichtert. »Ich bin mir sicher!« »Dann werdet Ihr mir helfen, Herr?«, fragte Otto mit so viel Verzweiflung in der Stimme, dass er nicht ablehnen konnte. »Ja!« Gott, ich muss verrückt sein. Warum lasse ich mich in diesen abscheulichen Hexenprozess verwickeln? Ich sollte von hier verschwinden! Ganz schnell und ganz weit weg! Der Dorfverwalter hatte angeboten, ihm ein Quartier in seinem Haus einzurichten. Doch Jakob lehnte mit der Begründung...