Kurz Geschichte des ökonomischen Denkens
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-406-65554-8
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2784, 128 Seiten
Reihe: Beck'sche Reihe
ISBN: 978-3-406-65554-8
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Heinz D. Kurz ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Karl-Franzens-Universität Graz, Leiter des Graz Schumpeter Centre und Herausgeber der Zeitschriften European Journal of the History of Economic Thought und Metroeconomica. Zuletzt sind von ihm erschienen 'Schumpeter für jedermann: Von der Rastlosigkeit des Kapitalismus' und 'Adam Smith für jedermann: Pionier der modernen Ökonomie' (2012 bzw. 2013, mit Richard Sturn). Bei C.H.Beck hat er die 'Klassiker des ökonomischen Denkens' (2008, 2009) in zwei Bänden herausgegeben.
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1;Cover;1
2;Titel;3
3;Impressum;4
4;Inhalt;5
5;Vorwort;7
6;1. Frühes ökonomisches Denken;12
6.1;Antike;12
6.2;Scholastik;17
6.3;Merkantilismus und Kameralismus;18
6.4;Bedeutende Vordenker;22
7;2. Ökonomische Klassik;24
7.1;Charakteristika des klassischen Denkens;24
7.2;François Quesnay;30
7.3;Adam Smith;31
7.4;David Ricardo;36
7.5;John Stuart Mill;42
7.6;Weiterentwicklung des klassischen Ansatzes;43
8;3. Marx und die Sozialisten;44
8.1;Karl Marx;44
8.2;Wert- und Mehrwerttheorie;45
8.3;Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate;47
8.4;Zur Wirkung des Marxschen Werks;49
9;4. Vom Aufstieg des Marginalismus;51
9.1;Charakteristika des marginalistischen Denkens;51
9.2;Vorläufer;56
9.3;William Stanley Jevons;58
9.4;Carl Menger;60
9.5;Léon Walras;63
10;5. Marshall und die Theorie des partiellen Gleichgewichts;67
10.1;Partialanalyse;68
10.2;Periodenanalyse;68
10.3;Sraffas Kritik;70
11;6. Utilitarismus, Wohlfahrtstheorie und Systemdebatte;72
11.1;Francis Ysidro Edgeworth;72
11.2;Vilfredo Pareto;73
11.3;Arthur Cecil Pigou;76
11.4;Kapitalismus oder Sozialismus?;77
11.5;Der Markt als Entdeckungsverfahren;79
12;7. Unvollkommener Wettbewerb;80
12.1;Amerikanischer Institutionalismus;80
12.2;Monopolistischer Wettbewerb;82
13;8. Schumpeter und das Prinzip der schöpferischen Zerstörung;84
13.1;Schöpferische Zerstörung;85
13.2;Invention, Innovation, Imitation;86
13.3;Lange Wellen;86
13.4;Kredit und Banken;87
14;9. Keynes und das Prinzip der effektiven Nachfrage;89
14.1;Makrotheorie und -politik;89
14.2;Kritik der Orthodoxie;90
14.3;Das Prinzip der effektiven Nachfrage;92
14.4;Der Multiplikator;92
14.5;Zins, Geld und Beschäftigung;93
14.6;Die «Keynesianische Revolution»;95
15;10. Reaktionen auf Keynes;96
15.1;Neoklassische Synthese;96
15.2;Die lange Frist;98
15.3;Postkeynesianische Theorie;100
15.4;Neoklassisch-Keynesianische Synthese;101
15.5;Monetarismus;103
15.6;Neuklassische Ökonomik;103
15.7;Neukeynesianer;105
15.8;Neue Neoklassische Synthese;106
16;11. Allgemeine Gleichgewichtstheorie und Wohlfahrtstheorie;108
16.1;John Hicks;108
16.2;Paul A. Samuelson;109
16.3;Kenneth J. Arrow;111
16.4;Amartya Sen;113
17;12. Entwicklungen auf ausgewählten Gebieten;115
17.1;Spieltheorie;115
17.2;Kapitaltheorie;116
17.3;Wachstumstheorie;118
17.4;Raumwirtschaftstheorie;120
17.5;Entwicklungsökonomik und Neue Wirtschaftsgeografie;122
17.6;Public Choice-Theorie;123
17.7;Verhaltensökonomik und Experimentelle Wirtschaftsforschung;123
17.8;Institutionenökonomik;124
17.9;Finanzmarkttheorie;124
18;Schlusswort;125
19;Auswahlbibliographie;126
20;Dank;127
21;Personenregister;127
2. Ökonomische Klassik
Zu einer umfassenden Untersuchung des ökonomischen Systems kommt es erstmals durch die ökonomische «Klassik», die Marx und Schumpeter zufolge mit William Petty in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beginnt. Bedeutende Wegbereiter sind in Frankreich Pierre Le Pesant de Boisguilbert (1646–1714), François Quesnay (1694–1774) sowie Anne Robert Jacques Turgot (1727–1781), in Britannien Richard Cantillon (1680–1734) und David Hume (1711–1779). Die Klassik steht in voller Blüte bei Adam Smith (1723–1790) und David Ricardo (1772–1823).
Charakteristika des klassischen Denkens Folgende Merkmale kennzeichnen das klassische Denken. , menschliches Handeln zeitigt gesamtwirtschaftliche Konsequenzen, die vom Einzelnen weder beabsichtigt sind noch vorhergesehen werden können. Wie es Adam Ferguson (1723–1830) ausdrückt: «History is the result of human action, but not the execution of any human design» – die Geschichte ist das Ergebnis menschlicher Handlungen, aber nicht die Ausführung irgendeines menschlichen Plans.
Aufgabe der Politischen Ökonomie ist die Analyse der Verschlingung intendierter und nichtintendierter Konsequenzen und letztlich die Bekämpfung von Aberglaube, Begeisterung und Hysterie in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Dingen. Anreize, Wissen und Information sowie gesellschaftliche Institutionen spielen in dieser Analyse Hauptrollen. Man begreift, dass verschiedene Akteure und Wirtschaftszweige wechselseitig voneinander abhängen – die Idee der wird zu einem zentralen analytischen Konzept. Die Akteure werden als eigeninteressierte Wesen mit komplexen Motiven begriffen. Der Vorfahre des betritt gelegentlich die Bühne, so bei Quesnay, allerdings als jemand, der zugleich seinen Genuss () maximieren und seinen Mitteleinsatz minimieren will. Das wird ihm schwerfallen: Möglich ist nur die Maximierung bzw. Minimerung der einen Größe für ein gegebenes Niveau der anderen.
, die Wirtschaft wird als ein Gebilde begriffen, das eigenen Gesetzmäßigkeiten gehorcht, die erforscht, verstanden und genutzt werden können. Vorbild sind die jüngst erfolgreichen Naturwissenschaften. Francis Bacon (1561–1626) hatte die praktische Nutzanwendung der Naturwissenschaften im Interesse des gesellschaftlichen Fortschritts propagiert. In seinem Buch (1690) nimmt William Petty den Blickwinkel eines «Mediziners» ein, der sich nur «in Zahl, Gewicht oder Maß ausdrückt und nur solche Fälle betrachtet, die sichtbare Grundlagen in der Natur haben.» Jene Fälle, «die von den schwankenden Gemütern, Meinungen, Geschmäckern und Leidenschaften besonderer Menschen abhängen», überlässt er der Betrachtung durch andere. (Wir werden in Kapitel 5 sehen, dass solche Fälle den Fokus der marginalistischen Wertlehre bilden.) Die neue Wissenschaft muss quantitativ und empirisch sein, sie muss sich, so Quesnay, der Mathematik und der Statistik bedienen. Es geht um positive Ökonomik sowie darum, die Verhältnisse durch kluge wirtschaftspolitische Maßnahmen zum Besseren zu verändern. Smith (und vor ihm Quesnay) konzipiert die neue Disziplin ausdrücklich als – als Wissenschaft des Staatsmannes.
, die während der Religionskriege in England und auf dem Kontinent gewonnene Überzeugung, ein sich selbst überlassenes System versinke notwendig in Bürgerkrieg und Anarchie, wird zurückgewiesen. Im (1651) hatte Thomas Hobbes (1588–1679) argumentiert, im Naturzustand habe der Mensch ein natürliches Recht auf alles und werde angesichts seiner ungezügelten Begierden für seine Mitmenschen zum reißenden Wolf: . Der Naturzustand führt unweigerlich in einen Krieg aller gegen alle (). Leviathan, der mit absoluter Macht ausgestattete absolutistische Staat, beende den Naturzustand und bewirke einen gesellschaftlichen Gleichgewichtszustand, indem er mit eiserner Faust die «Kinder des Stolzes» in Schach hält.
Nein, wenden Ökonomen jetzt ein: Bei einer auf Gewerbefreiheit und Freihandel beruhenden Wirtschaft handelt es sich (unter gewissen Umständen) um ein sich selbst regulierendes, homöostatisches System. Das Konzept des hält Einzug in die Vorstellungswelt der Ökonomen. Mehr noch: Eine solches System ermöglicht eine geschwindere Steigerung des gesellschaftlichen Reichtums als alle anderen Wirtschaftsordnungen, weil es Fleiß, Geschäftssinn und Erfindungsgabe anregt. Die Bedenken eines Hobbes seien unbegründet. («Lasst sie nur machen, lasst es geschehen, die Welt dreht sich von alleine»), lautet die berühmte Forderung des Liberalismus.
, der Untersuchungsgegenstand ist eine auf Privateigentum an den natürlichen Ressourcen und produzierten Produktionsmitteln beruhende arbeitsteilige Wirtschaft, in der die Aktivitäten der zahlreichen Wirtschaftssubjekte über Märkte koordiniert werden. Diese sind interdependent, stehen also miteinander in Wechselbeziehung. Private Akteure interagieren in Verfolgung eigener Ziele auf eigene Rechnung, ohne zentrale Lenkung. Ein System kann allerdings nur dann bestehen, wenn es auf den Märkten zur Herausbildung von Preisen kommt, die alle im Zuge der Produktion anfallenden Kosten abdecken und darüber hinaus den Akteuren ein ausreichend hohes Einkommen sichern. Es geht um die Bedingungen der des Systems insgesamt. Das Herzstück der Klassik bildet daher die Erklärung , der Preisbildung und der sich ergebenden Einkommensverteilung.
, als Hauptquelle steigenden Wohlstands werden weder die Kolonisierung anderer Länder und Ausbeutung ihrer Ressourcen angesehen noch der vorteilhafte Fernhandel («Billig einkaufen, teuer verkaufen»), sondern die heimische Arbeit und Produktion und die Entwicklung der Produktivität der Arbeit. Das Hauptaugenmerk gilt reproduzierbaren Waren. Das Konzept des Reichtums bezieht sich nicht länger auf eine Bestands-, sondern auf eine größe und nimmt den modernen Begriff des Sozialprodukts vorweg: Eine Nation ist arm oder reich nach Maßgabe der Größe des von ihr während eines Jahres – des Bruttoprodukts abzüglich aller im Zuge der Produktion verbrauchten Güter (Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen sowie die notwendigen Lebensmittel der Arbeitskräfte). Quesnay spricht vom , Adam Smith und David Ricardo von oder .
, die Gesellschaft ist unterteilt in verschiedene Klassen, deren Mitgliedern unterschiedliche Rollen im Prozess der Erzeugung, Verteilung und Verwendung des gesellschaftlichen Reichtums zukommen. Die beziehen für die Verleihung ihres Eigentums eine Pacht oder : «sie ernten, wo sie nie gesät haben» (Smith). Tradierten feudalen Lebensweisen verhaftet, verwenden sie die Rente für aufwendigen Konsum. Sie sparen und investieren kaum, tragen also nicht nennenswert zur Kapitalbildung bei. Die besitzen außer ihrer Arbeitskraft fast nichts. Um sich und ihre Familien zu reproduzieren, müssen sie sich verdingen. Ihren geben sie für Nahrung, Kleidung und Behausung aus. Sie können nicht oder nur wenig sparen. Die oder «Masters» (Smith) sind die aufstrebende Klasse der Gesellschaft. Sie verfügen über Produktionsmittel, Geld- und Handelskapital. Im frühen Stadium sind sie zugleich Unternehmer – Eigentum und Kontrolle sind in einer Hand. (Später, mit dem Aufstieg von Aktiengesellschaften, wird Leitung und Kontrolle zunehmend Managern übertragen, und das sogenannte kommt auf: Wie ist sicherzustellen, dass die Manager [die Agenten] im Interesse der Eigentümer [des Prinzipals] und nicht bloß im eigenen Interesse handeln?) Das Einkommen der Kapitaleigner ist der oder Gewinn, die Differenz zwischen Verkaufserlösen und Produktionskosten, und im Fall von Geldkapital der . Die Kapitaleigner sind in der Lage zu sparen und in Ausbau und Modernisierung des Produktionsapparats zu investieren, und die Konkurrenz setzt starke Anreize, dies auch zu tun.
, unter verstehen die klassischen Ökonomen zwischen den Anbietern und Nachfragern einer Sache: Firmen konkurrieren miteinander um einen möglichst großen Absatz und Marktanteil, Arbeiter um Arbeitsplätze, Pächter um ein Stück Boden. Konkurrenz setzt voraus, dass die Verfügung über eine Sache nicht monopolisiert, sondern auf mehrere Akteure verteilt ist. Unter , bei Smith das Ideal schlechthin, versteht man die . Das mittelalterliche Zunftwesen, die Schollenpflichtigkeit des Landarbeiters oder ein durch Fürstengunst...