E-Book, Deutsch, Band 1, 432 Seiten
Reihe: Night of Shadows and Flames
Labas Night of Shadows and Flames - Der Wilde Wald
24001. Auflage 2024
ISBN: 978-3-492-60751-3
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman | New-Adult-Fantasy mit Vampiren, Hexen und Fae
E-Book, Deutsch, Band 1, 432 Seiten
Reihe: Night of Shadows and Flames
ISBN: 978-3-492-60751-3
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Laura Labas wurde in der Kaiserstadt Aachen geboren. Schon früh verlor sie sich im geschriebenen Wort und entwickelte eigene fantastische Geschichten, die sie mit ihren Freunden teilte. Mit vierzehn Jahren beendete sie ihren ersten Roman. Spätestens da wusste sie genau, was sie für den Rest ihres Lebens machen wollte: neue Welten kreieren. Heute ist sie SPIEGEL-Bestsellerautorin und schreibt nach ihrem Master of Arts in Englisch und in Deutscher Literaturwissenschaft immer noch mit der größten Begeisterung und Liebe. Auf Instagram und TikTok gibt sie unter @laura_labas_ tiefe Einblicke in ihren Schreibprozess und teilt exklusive Inhalte.
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Prolog
Eine meiner ersten Erinnerungen war blutgetränkt. Da gab es ein anderes Mädchen, zu einer anderen Zeit, das versehentlich bei einer Brautschau leer gesaugt worden war.
Nun. Nicht gänzlich leer.
Irgendwann hatte der Vampir von ihr abgelassen, und sie war zu Boden gefallen. Blutend und dem Tode nahe. Eine Lache hatte sich von ihrem Hals aus um ihren Kopf ausgebreitet, als würde es ein makabres Bild für die Ewigkeit schaffen. Bis sie ihren letzten Atemzug getan hatte.
Nicht leise und sanft.
Laut und röchelnd.
Erst dann war es vorbei gewesen.
Mit anklagendem Blick hatte sie mich angestarrt, obwohl ich nichts für ihr Schicksal konnte. Ein Schicksal, das auch mich hätte treffen können. Noch immer treffen könnte.
Vampirinnen und Vampire herrschten mit eiserner Hand über das Hexenvolk. Seit jüngster Vergangenheit galten wir als ihr Eigentum. Freiheit wurde uns nicht gestattet. Aber das war mir erst später klar geworden.
Damals … vorher hatte ich das nicht verstanden. Ich war bei meinen Eltern in einer Kommune aufgewachsen, in der mir eine falsche Art von Freiheit vorgespielt wurde. Ich wuchs in dem Glauben auf, dass alle so lebten wie wir. In einem kleinen, ummauerten Dorf, das nie jemand verließ, aber das von einem vampirischen Baron besucht wurde. Wir gehörten ihm allein.
Weil meine Eltern und alle, die dort lebten, dies gestatteten. Sie hatten sich damit abgefunden, für ihn zu bluten. Sie hatten ihm erlaubt, ihre Kinder zu verkaufen. Weil Hexenblut das begehrteste Blut war. Und weil manche von uns besonders waren.
Heute war erst meine zweite Schau. Zusammen mit anderen jungen Hexen und Hexern, die sich dem Vampir darboten, der dem Baron genug Geld bezahlt hatte, um uns zu testen. Er wollte wissen, ob einer oder eine von uns mit ihm kompatibel war und ihm durch ein Ritual zu größerer Macht verhelfen könnte.
Seit dem unglückseligen Vorfall vor vier Jahren, als ich gerade sechs Sommer gezählt hatte, war es den Besucherinnen und Besuchern verboten worden, uns zu beißen. Ein kleiner Trost. Stattdessen wurde uns mit einem Dolch ein Schnitt am Unterarm zugefügt, damit unser Blut gekostet werden konnte.
Ich betrachtete meinen eigenen roten Lebenssaft, der träge auf den sandigen Boden tropfte. Der Schmerz ein Echo in meinem Inneren. Auch wenn ich die Erkenntnis nicht gänzlich greifen konnte, wusste ich, dass das nicht richtig war. So sollte das Leben von Kindern nicht sein. Aber ich hatte niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Der mich verstand, anstatt mir den Mund zu verbieten.
Meine Eltern waren nicht dabei. Niemand außer uns Kindern, die auf dem kleinen Platz standen, war hier. Hexen und Hexer hielten sich in ihren Lehmbauten versteckt, weil der Baron sie nicht dabei haben wollte.
Neben mir standen drei Jungs und zwei Mädchen. Ich war die letzte in der Reihe, die der Baron mit dem Dolch verletzt hatte. Mein Hass auf ihn war ins Unermessliche gewachsen. Sollte ich diese Gefühle spüren? Die anderen wirkten ängstlich und scheu, aber nicht wütend. Nicht diesen flammenden Zorn haltend, der mich Nacht für Nacht wachhielt und den meine Eltern mit Essensentzug bestraften.
Ich sollte nicht aufsässig sein. Nicht kühn und nicht trotzig. Dem Baron und auch keinem anderen widersprechen. Ich sollte mich eingliedern und mein Schicksal akzeptieren.
Doch wie?
Wie?, klang es in meinem Inneren tausendfach nach, während ein schneidender Wind aufkam.
Nicht mehr lange und der Baron würde uns mit seinem Besuch erreicht haben. Unser Blut kosten lassen, ob wir wollten oder nicht. Uns verkaufen, ob wir wollten oder nicht.
Ich konnte nicht.
Es war nicht so, als würde ich diesen Ort nicht verlassen wollen. Im Gegenteil. Ich wollte jedoch nicht einem weiteren Vampir gehorchen. Ich wollte diesem hier und allen anderen das Herz aus der Brust reißen.
Panisch blickte ich mich um, als ich die sich nähernden Schritte hörte. Knirsch, knirsch.
Mein Blick glitt über die anderen zitternden Kinder. Der Junge neben mir wimmerte. Der Geruch von Pisse mischte sich zu dem des Blutes. Jemand hatte sich in die Hose gemacht.
Angst. Sie hatten solche Angst.
Doch ich?
Ich spürte den Drang in mir, alles zu vernichten.
Aber selbst mit zehn Jahren wusste ich, dass ich nicht die Kraft dazu besaß, gegen Vampire zu bestehen. Noch nicht. Stattdessen konnte ich etwas anderes tun.
Ohne einen weiteren Moment zu zögern, machte ich auf dem Absatz kehrt und rannte davon.
Mein dunkelrotes Haar schwebte wie ein Schleier hinter mir her, während meine Füße kaum den Boden berührten. So schnell war ich. So schnell trugen mich meine Beine. Am besten bis zur Mauer und dann darüber hinaus.
Ich hatte die letzten Wochen damit verbracht, mir einen Fluchtweg zurechtzulegen. Auch wenn mir bis zu diesem Zeitpunkt die Überzeugung gefehlt hatte, war mir ganz tief in meinem Inneren klar gewesen, dass ich den Weg brauchen würde. Früher oder später.
Dann verhedderte sich mein Fuß in dem viel zu langen braunen Kleid, und ich fiel der Länge nach in den Staub. Meine Handballen und Knie wurden aufgeschürft. Mit dem Kinn traf ich hart auf, und der Aufprall schoss wie eine Kraftwelle durch meinen gesamten Körper.
Der Schmerz blendete mich für ein paar Sekunden, ehe ich wieder zu mir fand. Tränen schossen mir in die Augen, aber ich hielt nicht inne. Sofort rappelte ich mich auf, weil ich das Rufen über das Rauschen des Windes gehört hatte.
Der Baron hatte mein Verschwinden bemerkt. Mir blieb nicht viel Zeit.
»Du schaffst das, Billie«, knurrte ich wie ein wild gewordenes Tier, das sich nicht mehr einsperren ließ. Entweder ich würde sterben oder ich würde diesem verfluchten Ort entkommen.
Und dann fiel mir meine Magie ein. Etwas, das kaum jemand in der Kommune nutzte, weil es der Baron nicht gern sah. Nur für die Arbeit war es in Ordnung. Für die Herstellung von Talismanen und verpackten Zaubern, die er dann verkaufen konnte.
Ich bewegte meine kleinen Finger ein paarmal, ehe mir der stürmische Wind gehorchte. Meine Spuren verwischte und meinen Geruch forttrug, damit ich schwieriger zu finden war.
All das kostete mich bereits so viel Kraft, dass mir schwindelte. Trotzdem gab ich nicht auf.
Ich taumelte weiter. Fast blind, weil die Schatten der Erschöpfung mein Sichtfeld verkleinerten. Kein Wunder, dass ich die Person zu spät sah, als ich direkt in sie hineinrannte.
Hände schlossen sich um meine Oberarme. Ich setzte mich zur Wehr und schrie auf, als sich die Hand von meinem Arm löste und stattdessen auf meinen Mund legte.
»Pst, Billie, es ist alles in Ordnung. Ich bin es, Tante Frinn.« Irgendwie drangen ihre Worte durch den tosenden Sturm in meinem Kopf. Nach und nach sickerten sie in meinen Verstand, und ich ließ davon ab, zu versuchen, ihr die Fingernägel in die Haut zu graben.
Sie ließ mich los.
»Tante Frinn?« Blinzelnd sah ich zu ihr auf. Ich hatte meine beiden Tanten vor langer Zeit das letzte Mal gesehen und hätte mich bis zu diesem Moment nicht an ihre Gesichter erinnern können. Doch ja, Frinn kam mir bekannt vor.
»Mein armes Kleines, wir kommen gerade rechtzeitig, hm? Tante Elma und Hugh warten auf uns. Komm, wir müssen uns beeilen.« Ich stand da wie angewurzelt. Sie schien meinen Unglauben zu erkennen und strich mir sanft über die Wange. Sie war von Kopf bis Fuß in Leder gekleidet, und an ihrem Gürtel glänzte neben mehreren kleinen Beuteln ein scharfes Messer. »Es ist vorbei. Du musst hier nicht mehr sein. Wie hört sich das an?«
Unsere Zeit war knapp. Das wussten wir beide. Trotzdem drängte sie mich nicht. Sie überließ mir die Entscheidung.
Es war das erste Mal, dass ich die Macht besaß, über mein eigenes Schicksal zu entscheiden.
Ich betrachtete sie eingehend. Nahm die kleinen Fältchen um ihre glänzenden braunen Augen wahr und das warme Lächeln. Mutter hatte mich einst auch so angesehen. Bevor ich es gewagt hatte, Fragen zu stellen. Frinn ähnelte ihr sehr, auch wenn sie härter und kampferprobter wirkte, als es Mutter je sein könnte. Für mich war Frinn die kraftvollste ...




