E-Book, Deutsch, 111 Seiten
Laßwitz Phantastische Zukunftsgeschichten (Science-Fiction Sammelband)
1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-6909-2
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zukunft, fremde Welten und Technik: Traumfabriken, gefangener Blitz und Prinzessinnen
E-Book, Deutsch, 111 Seiten
ISBN: 978-80-268-6909-2
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Phantastische Zukunftsgeschichten (Science-Fiction Sammelband)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Kurd Laßwitz (1848-1910) gilt als einer der Väter der modernen Science Fiction. Inhalt: Unverwüstlich Unser Recht auf Bewohner anderer Welten Jahrhundertmärchen Der gefangene Blitz Das Lächeln des Glücks Die drei Nägel Der Schirm Die entflohene Blume Die Universalbibliothek Die Fernschule Der Traumfabrikant Prinzessin Jaja! Auf der Seifenblase
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Das Lächeln des Glücks
Irgendwo im Raume, fern von den Menschen, saß das Glück und weinte.
Es saß auf seiner Kugel, diese und sich selbst ganz in seinen schimmernden Schleier hüllend, und mit dem Zipfel tupfte es die Tränen von den schönen Augen.
Es war sehr unglücklich, das Glück.
Ein kleiner Engel schwebte vorüber, der hatte die Mundwinkel recht weinerlich verzogen, und aus seinen Augen fielen die Tränen in den leeren Raum und wurden zu Sternschnuppen.
Als der Kleine das Glück erblickte, flog er eilig darauf zu und umklammerte seine Knie.
»Fand ich dich endlich?« rief er aus. »Du mußt mir helfen, du bist ja das Glück!«
Das Glück streichelte seine Locken.
»Was fehlt dir?« fragte es traurig.
»Drunten wohnt' ich am dunklen Bergstrom, in der Hütte, deren Dach die hohen Palmen beschatten, bei Rilas und Padna. Kennst du sie nicht? Rilas, der die Faserpflanze sammelt im Walde und sie zum Markte trägt? Und ich war's, der ihr Glück hütete und sie hatten sich so lieb. Da kamen die gelben Brüder und sagten, Rilas müsse mit ihnen hinunter an das Meer, und als er nicht wollte, nahmen sie ihn gewaltsam mit; denn er müsse die Freiheit kämpfen gegen die weißen Männer auf ihren großen Schiffen. Und Padna weinte so sehr. Du sollst uns den Rilas zurückbringen. Nicht wahr, du willst es tun?«
Und er zupfte dem Glück den Schleier von den Augen, da fiel eine der Tränen auf seine Stirn, und er sah erschrocken auf und fragte:
»Aber du weinst ja?«
»Ja, mein Kleiner, ich weine und kann dir nicht helfen.«
»Du mir nicht helfen? Warum nicht, da du doch das Glück bist?«
»Nur das Glück. Weil ich das Glück bin, kann ich dir nicht helfen.«
»Du mußt helfen, mußt uns helfen!« Mit diesen Worten stürzte sich ein zweiter Engel dem Glück zu Füßen.
»Hier, dieser kennt mich, wir wohnen in demselben Lande. Die weißen Männer sind aus ihren Schiffen gestiegen, und ihre Kugeln strecken unsere Freunde nieder. O gib den Unsrigen den Sieg in der Schlacht, die kämpfen für die Freiheit, die man ihnen rauben will!«
»Siehst du nicht, daß ich weine?« sprach das Glück. »Wenn ich weine, so kann ich niemand helfen.«
»So weine doch nicht!«
»Das steht nicht bei mir. Ich weiß nur, daß ich weinen muß, und daß ich dann nicht helfen kann. Und wenn ich nicht helfen kann, so muß ich weinen. Das hänget eins am andern.«
Die kleinen Engel sahen halb ungläubig, halb verständnislos auf das Glück.
Und als sie es noch anstarrten, kam ein dritter Engel geflogen, der war größer und klüger. Die Tränen tropften ihm nicht mehr aus den Augen, sie ließen sie nur dunkel glänzen wie der unendliche Weltraum der Macht, und eine tiefe Traurigkeit flehte aus ihnen zum Glück:
»Hilfe, zu Hilfe! O bitte, bitte! Die Not ist groß!«
»Was begehrst du, mein Kind?«
»Drüben im Ozean rast der Sturm. Am großen Dampfer ist die Schraube gebrochen. Hilflos jagt er durch die Wogen. Die Richtung, in der er treibt, führt auf das lange Riff, ins sichere Verderben. Fünfhundert Menschen werden in den Wogen versinken. Eine neue Heimat wollten sie gründen, die jetzt um ihr Leben flehen müssen. Eil' und rette, wenn du das Glück bist.«
Das Glück schüttelte nur leise den Kopf, denn es fühlte, daß ihm die Tränen in die Augen traten.
Die beiden andern kleinen Engel nickten sich zu und flogen davon, denn sie wollten sehen, wie die weißen Männer in Not gerieten.
Der dritte Engel aber rief:
»Du weigerst dich? Wie ist das möglich? Siehst du nicht die Zahllosen, die ihr Lebensglück zugleich verlieren, wenn jene dahingehen müssen? Weißt du nicht, daß Völkerschicksale an diesem Schiffe hängen? Schau dort unter dem nassen, sturmgepeitschten Haar die leuchtende Stirn des Jünglings – siehst du nicht, daß er ein Genius ist, fähig, der Menschheit eine große Tat zu bringen, die Millionen beglücken wird? Und du willst ihn versinken lassen?«
»Ich wollte ihn nicht retten? O mein Kind, ich kann es nur nicht.«
»Du kannst es. Sieh, dort rekelt der breite Wetterriese des Ozeans sich in seiner Winterruhe. Er braucht nur den groben Ellenbogen um ein weniges zu verschieben und die Sturmbahn wendet sich, und das Schiff gleitet nördlich am Riff vorüber und entflieht dem Wirbel. Warum gebietest du ihm nicht?« »Weil es nichts hilft. Weil er mir nicht gehorchen wird. Ich kenne diese Riesen, die mit der Allwissenheit ihrer Mutter, der Natur, sich groß tun und die eingebildetsten, faulsten Lümmel der Welt sind. Und ich habe ein sicheres Zeichen für den Fall, daß sie mir nicht zu gehorchen brauchen, so gut ich es weiß, wenn ich sie zwingen kann. Du wirst es sehen, komm!«
Müde erhob sich das Glück und flog mit dem Engel zum Wetterriesen.
Schon tauchte am Horizont der Schiffer die weiße Brandung auf. Der Riese schlief, und der Druck seines ruhenden Luftarms zwang den Sturm, nach dem Riffe hin zu wehen.
Das Glück raunte seinen Spruch:
»Hebe den Arm beiseite, daß das Schiff nach dem Hafen gleite!«
Der Riese rührte sich nicht, er brummte nur im Halbschlaf:
»Wer raunt mir da Sprüche? Was soll das gefühlvolle Duseln? Siehst du nicht, daß ich ruhen muß, damit die Luft in mir herabsteigen kann und ihre richtigen Wege findet? Siehst du nicht, daß der Ätherriese auf mir steht, der oben von der Sonne die Wärme herunterschaufelt? Störe nicht unsere Arbeit, von der die Ordnung der Natur abhängt.«
»So rücke wenigstens diesen Arm um ein Kleines zur Seite, schon ein Stückchen genügt, nur daß wir das Schiff retten!«
»Was geht mich das Schiff an?« polterte der Riese. Aber er ermunterte sich ein bißchen, und als er das Glück erkannte, sagte er:
»Du kannst doch nie Ruhe halten! Aber weil du es bist, will ich mein Möglichstes tun – den kleinen Finger will ich ein wenig einbiegen.«
Kaum hatte er's getan, da trieb das Schiff einen Strich mehr nach Nord und näherte sich dem Riff langsamer, und die Menschen hofften aufs neue.
»Es genügt nicht«, bat das Glück. »Gib nur noch etwas nach!«
Zum Unheil aber fiel eine Träne auf den Arm des Riesen. Da wurde er unwirsch und rief:
»Es geht nicht! Siehst du nicht, der ganze Wirbelsturm liefe dann auf das Festland. Die blühenden Städte, die reifen Felder, der alte Wald, alles stürzte vernichtet zusammen. Mir könnt' es ja gleich sein. Aber mehr vermag ich nicht zu tun, wenn ich auch wollte. Ich und meine Brüder, die Riesen, dürfen deinetwegen ihre Grundsätze nicht ändern. Sollte ich jetzt den Arm bewegen können, so hätte vorher der Ätherriese nicht auf mich steigen dürfen, so hätte der alte Erdriese seine Hautfalten ein bißchen früher verschieben müssen, damit sich der Meerriese anders lagern konnte. Da hätte der große Sonnenriese schon lange, ehe es das Menschengewürm gab, mit seinen Fangarmen anders ziehen und der Raumriese selbst sich anders besinnen müssen. Wir können nicht dir zu Liebe die ganze Riesenwelt in Unbequemlichkeiten stürzen.«
»So? Ihr Burschen –« und nun wurde das Glück böse – »ihr könntet nicht? Ihr hättet nicht können? Wozu seid ihr eigentlich da? Um euretwillen vielleicht? Oder sollt ihr nicht Diener sein, damit auf dieser Erde Menschen glücklich werden? Sollt ihr nicht arbeiten, damit das Ziel sich erfülle, das Menschenherzen ersehnen? Was sind eure Luftkörper, eure Ätherarme, eure Riesenkräfte, was sind die Planeten, mit denen ihr Fangball spielt, wenn nicht die Mittel zu meinen Zwecken? Was gilt mir euer ganzes Weltsystem gegen ein frohes Angesicht?«
»Und du? Was gehst du mich an? Hast du mir zu gebieten? Lächle doch, wenn du kannst! Ich habe meine Gesetze, danach bin ich. Wer sie mir gab, weiß ich nicht. Wozu sie gut sind, geht mich nichts an. Ich habe niemand zu gehorchen als dem Gesetz der Riesen. Ich bin, weil ich bin. Ich strecke den Arm, wenn ich muß, und Millionen Menschen überrauscht der Ozean, wenn sie auf seinen Bahnen sind.«
Während der Riese noch sprach, trieb das Schiff näher und näher dem Riffe zu. Jetzt weinte der Engel laut auf.
Hier hörte man nicht den Entsetzensschrei der Menschen, man hörte nicht das Krachen der Balken, nicht das Brausen der Brandung, als der Dampfer auf die Klippe geschleudert wurde – man hörte das Schluchzen des Engels, als er das Schiff verschwinden sah. –
Der Engel barg seinen Kopf im Gewände des Glücks, das mit starren Augen in die Ferne blickte.
»Und er muß doch dem Einen gehorchen, der sein Gesetz geordnet hat – muß er nicht?« fragte der Engel in heiligem Zorn.
»Er muß wohl, aber davon weiß er nichts. Und gehorchte er mir nicht, so war es so bestimmt, weil ich weinte.«
»Aber du bist doch das Glück und das Glück soll sein!«
»Weißt du das, mein Kind? Weiß ich es? Braucht' ich zu weinen, wenn mir die Ätherriesen immer gehorchen müßten? Dann wollt' ich die Welt anders lenken, dann müßten sie arbeiten zu meiner Lust. Dann müßten sie mir Paläste bauen mit ewigem Frühlingsglanze, darin eine selige Menschheit in allen Wonnen des Daseins wandelte. – – Aber nur selten gehorchen sie mir; ich gebiete ihnen, doch ob sie folgen, das hat einer bestimmt, den wir nicht begreifen. Und er wird wohl wissen, warum er das Glück nicht mächtiger geschaffen hat.«
»Und doch bist du der mächtigste unter allen Engeln, o Glück!«
»Wohl bin ich's, wenn ich lächeln darf. Doch du trafst mich weinend, und Tränen – o mein Kind...