Lau | Groß Schneen 1000 Jahre | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Lau Groß Schneen 1000 Jahre


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-347-53483-4
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-347-53483-4
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Groß Schneen, ein Dorf, seine Menschen, ihre Geschichten - eine Eiche, 1000 Jahre, ein Jubiläum, ein Augenblick. Der Autor schildert 50 Jahre erlebtes Dorfgeschehen, vom Neubürger bis zum Erzähler der Jetztzeit, in bildhaften Geschichten und Anekdoten. Seine Nähe zum Einzelnen gibt der Gemeinschaft ein Gesicht, in dem sich jeder wiederfindet. Namen, Bilder, Schicksale sind die Seele ihres Dorfes und der Inhalt dieses Buches. Eingebettet in die turbulenten Veränderungen eines halben Jahrhunderts, vollzieht sich in Groß Schneen der Wandel von einem Bauerndorf zum Mittelpunkt einer Gemeinde mit hohem Bekanntheitswert. Ein sehr persönliches Gesellschaftsportrait. Aufschlussreich, überraschend und spannend.

Der Autor wurde 1944 geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe der damaligen Kreisstadt Alfeld/Leine auf. Nach einer lebhaften und erinnerungsreichen Kindheit und Jugend machte er dort sein Abitur. Nach zwei Jahren Bundeswehr begann er in Göttingen mit dem Studium für Geographie und Sport und wurde dann Lehrer an einem der Göttinger Gymnasien. Beruf, Familie, drei Kinder, Hund, Hobbies, eine gelungene dörfliche Integration - verbunden mit einem intensiven sozialen Engagement - ließen ihn wieder in die ländliche Idylle zurückkehren: in eine kleine Gemeinde südlich von Göttingen. Hier ging das kindliche Samenkorn seiner späten jagdlichen Berufung auf und findet sich in den Geschichten dieses Buchs wieder. Einige Erlebnisse seiner einjährigen Weltreise während des Millenniums (s. a. Udo Lau - 'Ein Jahr um die Welt') gehören sicherlich zu den abenteuerlichen Höhepunkten seiner jagdlichen Erzählungen. Der Rückblick auf diese Momente schenkt dem Autor eine glückliche Erinnerung und eine dankbare Freude.
Lau Groß Schneen 1000 Jahre jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


DIE 80`ER JAHRE

„VOM GRENZABGANG BIS ZUR GRENZÖFFNUNG“

GRENZABGANG

Wer merkt heute schon, wenn er mit dem Fahrrad auf der Brücke richtung Klein Schneen die Leine überquert, dass er eine Grenze passiert? Wer ahnt auf der B27 nach Göttingen eine Grenzüberschreitung kurz vor Stockhausen? Ein Waldspaziergang hinauf zum „Langen rott“ kann einen rechtsabbieger ungewollt in „feindliches“ Gelände führen. Und bei lokaler orientierungslosigkeit ist man schneller im nachbarschaftlichen Niemandsland von Friedland oder reckershausen, als in dem vertrauten revier der realgemeinde Groß Schneen.

Diese Unkenntnis ist nicht nur unerfahrenen „Neubürgern“ schon zum Verhängnis geworden, auch Einheimische wurden opfer ihrer Ahnungslosigkeit; manche sind niemals wieder aufgetaucht und andere fand man erschöpft und verwirrt erst nach Tagen an der „Werwolfquelle“ oder an einem anderen geheimnisvollen ort im Groß Schneer Wald.

Es machte also Sinn, wenn unsere Vorfahren ihre Grenzen sorgfältig markierten und sie immer wieder überprüften und kontrollierten. Die Abgrenzung gegenüber den feindlichen Nachbarn diente nicht nur dem eigenen Schutz, sondern manifestierte gleichzeitig die eigene Stärke und verhinderte den Übergriff auf Eigentum, Nahrung, Holz und Wild. Vor allem aber bewahrte es die schönsten Jungfrauen im Dorf vor der zudringlichen Werbung ortsfremder Balzburschen, die das friedliche Nebeneinander erheblich stören konnten.

Natürlich war man weit davon entfernt, diese unsichtbaren Scheidelinien mit schweren Befestigungsanlagen zu sichern. Die natürlichen Grenzen, wie das Leineufer, die eindeutige Waldkante oder kleinere Bachläufe, genügten meist zur Kennzeichnung der Gemarkungen.

Dennoch war es bereits in der Jungsteinzeit ein elementares Bedürfnis des Menschen, sein Eigentum mit einem einfachen rutengeflecht zu verteidigen. Heute sind es Gartenzäune, Sichtschutzblenden, L-Steine oder Mäuerchen, bestenfalls grüne Hecken oder bunte Strauchpflanzen, die das eigene refugium in isolierte Schutzzonen verwandeln.

Der Traum von der Auflösung der Grenzen in Zeiten der Globalisierung ist geplatzt. Im Gegenteil, Staaten bauen Mauern und Wälle zum Schutz vor Feinden und Migranten, ja, sie zementieren damit noch die Trennung zwischen Arm und reich, wohlwissend, dass keines dieser gigantischen Bauwerke jemals der späteren Zerstörung und Vernichtung standgehalten hat.

Weder die „Chinesische Mauer“, noch der „Limes“ oder „Hadrians Wall“ und schon gar nicht die „Berliner Mauer“ haben ihren ursprünglichen Zweck erfüllt. Sie sind heute bis auf ein paar touristische relikte verschwunden. Grenzen sind nun mal eine Erfindung der Menschen. Tiere kennen und brauchen sie nicht. Sie bewegen und respektieren sich auf ihren natürlichen Territorien und markieren sie allenfalls durch Duftnoten.

Wie passt dieser kleine Exkurs zu den fröhlichen Klängen der Blasmusik, die unsere Familie mit einem aufgeregten Kribbeln beim samstäglichen Frühstück erfasste? Schon Tage zuvor kündigte sich ein Ereignis an, das nur alle zehn Jahre im Dorf stattfindet. Der alte „Kappa Bielefeld“ hatte mit seiner hellen Messingglocke die Mitteilung im ganzen ort verkündet: „Am Samstag, den 5.Juli 1980 ist Grenzabgang. Treffen und Abmarsch um 9:00 Uhr am Thie“. Verstehen konnte man ihn nie, aber man wusste ja, was er sagen wollte.

Was für eine liebenswerte und nostalgische Art, den Bürgern des Dorfes die wichtigsten ortsnachrichten von Straße zu Straße mündlich zu verkünden.

Pünktlich waren wir am Thie, zu dritt, die beiden Kleinen wurden von den Großeltern versorgt, denn das ganze Dorf war auf den Beinen, auch Karin, unsere Kinderperle.

Eine bunte Schlange zog sich endlos vom Thie die Teichstraße hinunter, über die von der Polizei gesicherte Bundesstraße hinein ins Unterdorf, vorbei an unserem Haus. Vorweg die Schaffer mit der Dorffahne und die Musik. Das Tragen der Fahne ist für die jungen Leute eine Ehre und Verpflichtung zugleich, symbolisiert sie doch schon äußerlich ein weiteres Sinnbild historischer Besitzstandswahrung und Tradition: die grüne Krone der tausendjährigen Eiche und darunter das rote Wagenrad der Gerichtsbarkeit neben der schwarzen Pflugschar der bäuerlichen Überlieferung.

Wer von den fröhlichen Wanderern ein Auge dafür hatte, dem bot sich von der Kuppe des Mühlenberges ein herrlicher Blick über das sommerliche Leinetal. Die Getreidefelder zeigten bereits ihre helle reifephase, und mancher Gerstenschlag war bereits gedroschen. Dazwischen zeigten die kräftig, grünen Pflanzen der rübenfelder den hohen Nährstoffgehalt des Schwemmlandbodens. Die Bauern würden eine gute Ernte haben.

Am Horizont zogen sich die westlichen Hänge des Leinetalgrabens wie ein bewaldetes Band von Süden nach Norden. Noch keine künstlichen Gärtürme einer Deponie oder kreisende Windräder durchbrachen die natürliche Linie zwischen Himmel und Erde. Die roten Dächer der Nachbardörfer gaben dem malerischen Bild dieser friedlichen Landschaft ein paar freundliche Farbtupfer.

Heute hatte die lustige Wanderschlange ganz andere Interessen. Sie wurden getragen von lautem Lachen, wichtigen Gesprächen, einem ständigen Gewusel und Wechsel der Begleiter und der Freude, diesen besonderen Tag zu genießen. Was vorne geschah, konnte in der Mitte schon nicht mehr wahrgenommen werden und hinten kam es gar nicht mehr an. Erst wenn die Musik spielte wussten alle, jetzt geschieht etwas Wichtiges.

Und so war es: kurz vor der Leinebrücke, dort wo die Kreisstraße einen scharfen Linksbogen macht, stand das erste Begrüßungskomitee, die offizielle Abordnung unserer „kleinen“ Nachbarn im Geiste: die Klein Schneer Bürgermeistercrew. Wilhelm Gundelach an der Spitze. Die direkte Nähe zur Bahnlinie und die großen Kiesteiche geben dem ort seine Prägung, das rittergut „von Schnehen“ und die trutzige Kirche verleihen ihm seine weltlich- klerikalen Merkmale.

Eine herzliche Begrüßung, die Überreichung kleiner Gastgeschenke, ein lauter Tusch der Musikkapelle, ein kräftiger Schluck aus der Pulle und der Wunsch eines guten Gelingens für den heutigen Tag. Und weiter ging`s.

Das Geläuf wurde schwieriger, der noch befestigte Feldweg ging nahtlos in weiches Wiesengelände über und schlängelte sich jetzt eng zwischen Leineufer und Sülzeberg hindurch richtung „Stöcker Wiesen“. Weidezäune und Stacheldraht mussten vorher entfernt werden, um die Passage überhaupt begehbar zu machen. Da es an den Vortagen heftig geregnet hatte, war der Untergrund hoffnungslos aufgeweicht. Die Uferfeuchtigkeit der Leine kam hinzu. Jetzt entschied sich, wer das richtige Schuhwerk anhatte. Den Vorderen ging`s noch gut, ab 200 Stiefelpaaren wurde es beschwerlich, das hintere Drittel hatte links und rechts keinen raum zum Ausweichen, und die Letzten konnten sich nicht mehr verirren, sie mussten nur der breiten Matschspur folgen und hoffen, nicht stecken zu bleiben.

In den „Stöcker Wiesen“ war die nächste Sammel-Versorgungs-und Begrüßungsstelle. Wilhelm Klinges Grund und Boden. Als früher der Grenzabgang noch nicht so professionell vorbereitet wurde, suchte man hier mit Gehstöcken und Stiefelscharren den Grenzstein vergeblich, ehe ihn der Förster unter Gras und Weidenlaub fand. Zur sicheren Markierung steckte er einen Weidenreiser in den feuchten Boden und hoffte, er möge in zehn Jahren angegangen und eine Markierungshilfe geworden sein. Heute steht dort ein einsamer Storchenmast mit einem komfortablen Nistkorb obendrauf und wartet auf ein Storchenbrutpaar, das sich dort einmal niederlassen und heimisch fühlen würde.

Uns begrüßte hier die Stockhäuser Abordnung mit dem gleichen herzlichen Zeremoniell wie an der Leinebrücke die Klein Schneer. Noch verlief die alte Heerstraße mitten durch den kleinen ort. Die Planungen für eine Umgehung standen kurz vor ihrer Umsetzung.

Das Schuhwerk der Wanderer hatte heftig gelitten, aber der Stimmung tat das keinen Abbruch. Die Kapelle, der reibungslose Bierausschank und die kleinen Kümmerlinge taten ihr Übriges.

Eine neue Durchmischung der Wanderordnung, andere Gesprächspartner und die allgemeine Begeisterung verliehen dem Tross Flügel. Unsere kleine Fendina, mit ihren acht Jahren, hielt tapfer durch und hatte mit ihren Freundinnen so viel Spaß und Ablenkung, dass wir manchmal gar nicht wussten, wo sie unter den hunderten von Grenzgehern überhaupt steckte.

Nur einmal machte ich mir Sorgen, nachdem die Korona zum zweiten Mal sicher über die Landstraße geführt wurde – jetzt in umgekehrter richtung

– und es die Lake hinaufging. Plötzlich teilte sich die Gruppe. Die einen gingen links, die anderen rechts, es herrschte ein Moment der allgemeinen Verunsicherung. Die Erklärung für...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.