E-Book, Deutsch, 234 Seiten
Laubeck Polizeidienst en français
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-99131-211-6
Verlag: novum pro Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Schleusenwärterin von Agde
E-Book, Deutsch, 234 Seiten
ISBN: 978-3-99131-211-6
Verlag: novum pro Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kommissar Gerd Pocher wird im Austauschdienst nach Agde in Südfrankreich versetzt. Ein Traum, denn er liebt dieses Land sowieso. Und dann lernt er die Schleusenwärterin Michelle kennen, eine bildhübsche Frau, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Die Gefühle scheinen auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Was hat sie mit dem Toten zu tun, der angeschwemmt wird? Schnell wird klar: Sie hatten eine Affäre. Man könnte meinen, das Wasser steht ihr bis zum Hals. Aber erst mal lässt man das Wasser der Schleusenkammer ab. Spurensuche ...
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1. „Mensch, Pocher, Sie können doch leidlich Französisch“, platzte Schmidt in das Büro des Kriminalhauptkommissars. „Da hätte ich eine ganz spezielle Aufgabe für Sie.“ Gerd Pocher drehte sich nichts Gutes ahnend um und blickte seinen Vorgesetzten etwas verdutzt an. Er antwortete erst einmal ganz bescheiden, „Na ja, es geht so. Es reicht, um beim Schlachter fünf Scheiben Schinken zu bestellen, cinq tranches de jambon.“ Was ihn aber verblüffte und etwas verunsicherte, war, dass es Schmidt war, der sich nun ihm gegenüber vor seinem Schreibtisch aufbaute. Er war nicht sein unmittelbarer Vorgesetzter, sondern saß noch eine Etage darüber, er war die rechte Hand des Polizeidirektors, der für Personalangelegenheiten zuständig war und in engem Kontakt stand mit dem Innenministerium. „Also“, holte Schmidt aus, „wir nehmen da an einem Austauschprogramm teil. Wir bekommen Verstärkung von einem französischen Kollegen. Dafür sollen wir einen Mitarbeiter nach Frankreich entsenden. Das ist die Chance, Pocher.“ War es eine Überlegung, um Pocher aus dem Bereich der Kölner Polizeidirektion loszuwerden, oder waren es Lob und Auszeichnung? Pocher musste einen Augenblick überlegen. Ihm ging es durch den Kopf, dass er vor zwei Jahren unter großem Erfolgsdruck bei zwei Mordfällen nicht den richtigen Riecher gehabt hatte, um den Mördern auf die Spur zu kommen, und wochenlang den falschen Mann im Verdacht gehabt hatte. Er hatte um Versetzung in ein anderes Dezernat gebeten. Es hatte wohl auch mit den Kollegen, vor allem mit einem, zusammengehangen und mit seiner privaten Lebenssituation. Er hatte sich beruflich nicht mehr gut im Kollegenkreis aufgehoben gefühlt, nach zwei ungeklärten Mordfällen, und privat auch nicht mehr in seiner Familie. Seine Frau und er hatten sich auseinandergelebt. Da war einfach nichts mehr gelaufen. Sie hatten sich nur noch wegen jeder Kleinigkeit in die Haare gekriegt, und die Kinder waren ja fast erwachsen. Er war vor drei Jahren zu Hause ausgezogen und ein Jahr später in die Drogenabteilung gewechselt und hatte dort immerhin an einem größeren Polizeierfolg mitgewirkt, sodass er wieder Vertrauen in seine kriminalistischen Qualifikationen gewonnen hatte. Seine Ermittlungen hatten am Ende sogar zur Sprengung eines größeren internationalen Dealer-Rings beigetragen. Es hatte eine Razzia auf einem Kreuzfahrtschiff auf dem Rhein gegeben, die ziemlich großes Aufsehen erregt hatte, nicht nur, weil rund 100 Fahrgäste an Bord der MS Aroma festgehalten worden waren, sondern auch, weil in einer Kabine tatsächlich 25 Kilogramm reines Kokain sichergestellt werden konnten. Der Prozess war gerade abgeschlossen worden. Pocher hatte als Zeuge vor der Großen Strafkammer des Landgerichts ausgesagt. Insgesamt konnten 15 Personen ermittelt werden, die damit in Zusammenhang gestanden hatten, Hauptdrahtzieher und Weiterverkäufer zwischen Rotterdam und Basel. Die Beweislast hatte ausgereicht, um das Gericht von der Schuld zu überzeugen. Am Ende hatte es Haftstrafen zwischen 3 und 8 Jahren für alle gegeben, bis auf zwei Minderjährige, die noch mal mit Arbeitsstunden davongekommen waren. „Ich gebe ja zu, dass ich gerne Urlaub in Frankreich mache, aber meine Französischkenntnisse reichen doch nicht, um da zu arbeiten, und dann in einer doch recht verantwortungsvollen und hoheitlichen Position“, stellte Pocher seine tatsächlichen Sprachkenntnisse unter den Scheffel. „Das Austauschprogramm läuft ja bundesweit. Da kommen französische Beamte aus allen Regionen für zunächst drei Monate nach Deutschland. Es geht um Einblicke in die tägliche Arbeit, Erfahrungsaustausch und so. Für unsere Direktion wurde unter anderem ein Beamter aus Montpellier avisiert. Der fehlt dann natürlich in seinem Gebiet. Und den sollen Sie für die Zeit vertreten.“ „Montpellier?“ „Es können ja nicht alle nach Paris gehen.“ „Klar“, stimmte Pocher zu. „Mensch Pocher, das ist, glaube ich, am Mittelmeer. Sie arbeiten quasi da, wo andere Urlaub machen.“ „Das tue ich doch auch hier in Köln“, lästerte Pocher. „Hier in Köln?“ „Beim Städtetourismus ist Köln doch eine der beliebtesten Destinationen der Welt. Alle wollen den Dom sehen …“ Irgendwie beeindruckte Schmidt Pochers Schlagfertigkeit, und er ergänzte: „… und am Abend bei Früh ein Kölsch trinken.“ „Fünf bis zehn Kölsch“, korrigierte Pocher. „Also, überlegen Sie es sich.“ Schmidt schritt um den Schreibtisch herum und klopfte Pocher auf die Schulter. „Außerdem weiß ich von Ihnen, dass Sie überzeugter Europäer sind, und das Austauschprogramm dient nicht zuletzt dazu, das Verständnis über die Grenzen hinweg zu verbessern“, verfiel er in einen ansatzweise hörbaren regionalen Akzent, „den europäischen Jedanken mit praktischem Leben zu erfüllen, jenau wie Sie jesacht haben, sogar in verantwortungsvoller und hoheitlicher Position.“ Da hatte Schmidt allerdings sein Herz getroffen, die Grundfesten all seiner politischen Einstellungen. In der Tat fühlte sich Pocher als Europäer, und seit seiner Jugend war er von dem Gedanken eines grenzenlosen Miteinanders fasziniert, obschon er gerade in der Drogenabteilung die Erfahrung gemacht hatte, dass Kriminelle die Grenzöffnung und Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union schamlos ausnutzten, davon profitierten, und die Polizeiarbeit durch nationale Zuständigkeiten eher behindert wurde. Mithin wäre genau eine intensivere, grenzüberschreitende Zusammenarbeit der nationalen Sicherheitskräfte die Antwort darauf gewesen, zusätzlich zu Frontex, Interpol oder Europol. „D’accord“, sagte Pocher zustimmend nickend, „ich werde es mir überlegen.“ Schmidt hatte ein freundliches Lächeln aufgelegt. „Jut, kommen Sie morgen um neun Uhr in mein Büro. Da besprechen wir alles Weitere.“ Pocher wendete sich wieder seiner Arbeit zu, Routineangelegenheiten, Verfassen von Vernehmungsprotokollen, die Zuordnung aussagefähiger Fotos und eines Ausschnitts der Videosequenz einer Überwachungskamera an der U-Bahn-Station Neumarkt, auf der zu erkennen war, wie ein 17 Jahre alter Junge, er war inzwischen als Jürgen Pullheim identifiziert und vernommen worden, einem etwa 30 Jahre alten Mann Geldscheine in die Hand drückte und danach einen Beutel entgegennahm und in die Tasche steckte. Wie doof kann man nur sein, dachte Pocher, einen Drogendeal an einem Ort zu vollziehen, der bekanntermaßen von Kameras überwacht wird. Wie sich später herausgestellt hatte, waren in dem Beutel tausend Ecstasy-Pillen gewesen. Sie hatten den Jungen geschnappt, suchten aber immer noch nach dem vermeintlichen Verkäufer. In Gedanken war Pocher mit einem Mal woanders. Er stellte sich vor, seinen Job an der südfranzösischen Küste auszuüben, befristet zwar, aber das hatte schon etwas Verlockendes! Ein solcher Tapetenwechsel würde ihm vielleicht guttun, ihn nach vorne bringen, ihm neue Lebensimpulse geben, er fühlte sich in einer emotionalen Sackgasse. Er machte mehr oder weniger Dienst nach Vorschrift, gab zwar sein Bestes, um Licht ins Dunkel der Kölner Unterwelt zu bringen, aber nach Feierabend zog er sich mehr und mehr zurück, vernachlässigte den Kontakt zu seiner Familie, den es trotz räumlicher Trennung immer noch gab. Er war zum Einzelgänger geworden, widmete sich seiner Musik, um nicht gänzlich zu veröden in seiner Isolation, suchte nach Auswegen aus der gefühlten Einsamkeit, obschon es immerhin noch Kontakte und Begegnungen gab mit seiner Familie und den Geschwistern und Eltern von Barbara. Seine eigene Lieblingsschwester, zu der er ein sehr vertrautes Verhältnis hatte, lebte in Neuseeland und hatte gerade selbst arge Probleme damit, dass ihr Mann einen heftigen Schlaganfall erlitten hatte. Und seine Kollegen wollte er nicht damit behelligen, dass er unter einem gewissen Leidensdruck stand, denn seit der Trennung von Barbara war er so gut wie nicht mehr mit dem anderen Geschlecht zu einer zufriedenstellenden Berührung gekommen. Es hatte zwischenzeitlich nur eine Fast-Affäre gegeben, ausgerechnet mit einer Kollegin, aber kurz bevor er dazu bereit gewesen war, ihr ernsthafte Avancen zu machen, hatte sie sich versetzen lassen, ausgerechnet nach Düsseldorf! Er war später in seiner kleinen Wohnung in Mülheim, in einem ziemlich heruntergewirtschafteten und unscheinbaren Mehrfamilienhaus auf der anderen Rheinseite. Die Mehrheit der Mieter, schätzte er, waren türkische Familien. Er ging im Wohnraum auf und ab und rief Barbara an, seine Noch-Frau. Nach mehrmaligem Tuten nahm jemand am anderen Ende der Leitung den Hörer ab. „Hallo?“, vernahm er die Stimme seiner Tochter. „Hier ist der Papa. Ist die Mama da?“ Er hörte seine Tochter rufen: „Mama! Papa ist am Telefon!“ Außerdem vernahm er übliches Geschirrklappern, Musik und das Gerede seines Sohnes im Hintergrund. Es hörte sich an, als wenn noch mehr Leute im Haus wären. Dann gab es ein kratzendes Geräusch. „Schön, dass du anrufst“, sagte Barbara, „hast du vergessen, dass du versprochen hattest, Jens vom Training abzuholen? Wer hat ihn wohl abgeholt? Ich natürlich. Außerdem hast du gesagt, dass du am Wochenende die Steuererklärung fertig...