Laun | Die Wachsfigur | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Laun Die Wachsfigur

Schauergeschichten aus der Schwarzen Romantik
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7431-6862-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Schauergeschichten aus der Schwarzen Romantik

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-7431-6862-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Unter dem vorliegenden Titel "Die Wachsfigur" sind ausgewählte Schauergeschichten und Dichtungen des bekannten romantischen Schriftstellers Friedrich Laun versammelt. Da der literarische Genuss des unterschwelligen Grauens damals wie heute die Gemüter der Leser erfreut, soll diese Ausgabe der leicht bearbeiteten Geschichten Friedrich Launs dazu beitragen, ein Stück schwarz-romantischer Kultur dem heutigen Bewunderer dieser Epoche wieder zugänglich zu machen.

Friedrich August Schulze (*1. Juni 1770 - +4. September 1849), weitaus besser bekannt unter seinem Pseudonym "Friedrich Laun", wurde seinerzeit durch seine Mitautorschaft des "Gespensterbuchs" Johann August Apels sehr hoch geschätzt.
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Die Wachsfigur.


Seit einer Stunde war das Kränzchen ziemlich beisammen.1 Aber der Frohsinn schien für diesmal ausgeblieben. Diese Bemerkung hatten schon einige laut gemacht.

„Da habt ihr’s,“ rief Hilarie, „daß der hagere melancholische Mann, der heute fehlt, bei unseren Versammlungen kaum zu entbehren ist. Nur denken darf ich mir ihn, und sein oft so bittersüßes Gesicht, sein vornehmes Zurückweisen eines mutwilligen Scherzes, seine pathetischen Widerlegungen witziger Einfälle, nur denken, und meine Laune verbessert sich sogleich.“

„Sollte die frische Farbe seiner wohlgebildeten Züge nicht auch etwas dabei tun?“ drohte Theodore.

„Vielleicht gäbe ich das ebenfalls zu, könnte ich nicht dadurch meinem Ludwig unnötige Grillen in den Kopf setzen!“ erwiderte sie mit Anmut. „Übrigens habe ich nichts gewollt mit dieser Bemerkung, als euch aufmerksam machen auf die unerkannte Wohltat, welche unserem Kränzchen der Himmel durch diesen melancholischen Herrn erwiesen hat.“

„Wer nichts von Guido hörte, als das,“ so fiel hier Konstantin, der Wirtin Bruder, ein, „der könnte ihn wahrlich für eine bloß lächerliche Person halten. Das aber ist er keineswegs. Vielmehr ist er ein Mann von Verstand und Herz. Nur hätte er bei einem entschiedenen Hang zur Einseitigkeit das Mannigfache des bunten – wenigstens der europäischen – Welt sehen müssen, um nicht bisweilen an einer Modetorheit zu scheitern. So spukt denn auch jetzt in ihm der von manchem fälschlich sogenannte Geist des achtzehnten Jahrhunderts, ein Ding, das alles leugnet, was es nicht durchschauen kann, das alles besser wissen will, als die Stimme des Gemüts und der Erfahrung, und das mit den Greueln der jetzigen Revolution in Frankreich, welche hauptsächlich von seinem Ungeschick herrühren, untergehen dürfte, wie es solches auch gewiß verdient. – Er wird davon zurückkommen, seine Jugend und innere Gediegenheit verbürgen das.“

„Wie gerufen!“ rief Hilarie, als Guido hier noch eintrat. „Beide Ohren müssen Ihnen stark geklungen haben.“

„Daß ich nicht wüßte!“ erwiderte er lächelnd.

„O, Sie leugnen es nur, wie Sie alles leugnen. Gestehen Sie’s lieber, daß Ihr linkes Ohr Ihnen keine Ruhe gelassen hat, bis Sie hierher eilten, um dadurch dem Gespräch über Sie ein Ende zu machen.“

„Ich bin also so glücklich gewesen?“ fragte Guido.

„Glücklich und unglücklich, wie Sie’s nehmen. Ein Glück ist’s zum Beispiel allemal, wenn Theodore und ich von Ihnen sprechen. Allein Gespräche, die im linken Ohr des abwesenden Gegenstandes wiederklingen, sind wenigstens von sehr zweideutiger Art. Mit einem Wort, wir haben uns über Sie aufgehalten, aber doch so, daß wir Ihre Person sehr zu vermissen vorgaben.“

Guido fand sich mit einer Artigkeit ab. Doch, der sonst immer so reiche Fluß der Unterhaltung wollte noch nicht in Gang kommen. Die mannigfachsten Gegenstände wurden vergebens herbeigezogen; an keinem haftete die seltsame Sprödigkeit der Worte des Abends.

Endlich fing noch Julie, die Wirtin, zu Konstantin also an: „Ach, lieber Bruder, gut, daß mir’s einfällt, wer bewohnt denn jetzt den ersten Stock deines Hauses? Das muß ein gar vornehmer Herr sein! Wenigstens ist der Türsteher überaus reich mit Gold berändert.“

„Allerdings,“ antwortete der Gefragte, „widerfährt meinem armen Hause fast zu viel Ehre. Mehr als ein vornehmer Herr wohnt darin. Wenn nur auch der Zins gehörig abgetragen wird! – Er nannte hierauf einige der größten Fürsten, so daß man sich wundern mußte, wie er an der Berichtigung der Miete auch nur im Mindesten zweifeln konnte.“

„Daß,“ fuhr Julie fort, „der Stolz bei deinen Herren Abmietern zu Hause ist, das darf man schon aus dem Türhüter schließen. Denn diese steife Haltung, dies wahrhaft steinerne Gesicht, hat für mich etwas überaus Schauerliches. Sogar den Stock mit großem, silbernem Knopf hält der Mensch immer auf dieselbe Weise, so daß es kein Wunder ist, wenn, wie es geschieht, die Straßenkinder bei ihm sich sammeln und ihn angaffen. Gestern in der Abenddämmerung ging ich auch wieder vorbei, und als mein Blick auf die lange regungslose Gestalt fiel, da schüttelte mich die Furcht so zusammen, daß ich meine Schritte mehr als verdoppelte, um nur aus der gespenstischen Sphäre zu kommen.“

Konstantin lachte.

„Nein,“ entgegnete Julie ernst genug, „mir war es, ich versichere dich, gar nicht lächerlich!“

„Das wird’s aber werden, wenn ich sage, daß der goldbesäumte Türsteher wirklich nicht aus Fleisch und Blut, wie seine Kameraden und wir selber, sondern aus bloßem, totem Wachs besteht, und daß er, mit einem Wort, als das Pröbchen von einer Sammlung Figuren, welche den ersten Stock einnehmen, die Vorübergehenden anlocken soll. Daß du statt dessen abgeschreckt worden bist, liebe Schwester, das rührt eines Teils von allzu flüchtiger Betrachtung, anderen Teils aber von der in der Tat recht vorzüglichen Nachahmung der Menschengestalt her, welche dieser Figur, so wie den meisten der Sammlung nicht abzusprechen ist.“

„Warum läßt du mich denn aber auch kein Sterbenswörtchen von den Herrlichkeiten in deinem Hause hören?“

„Entweder, weil ich’s vergessen habe, oder auch vielleicht, weil ich in Verdacht kommen könnte, als wollte ich mir die Zweifel wegen Berichtigung des Mietzinses durch dich und meine übrigen Freunde, auf eine beruhigende Art lösen lassen. Und sie sind wirklich nicht aus der Luft gegriffen, während der drei Tage, daß die wächsernen Potentaten in Gesellschaft verschiedener Mordbrenner und Gelehrten in mein Haus gezogen sind, hat noch fast keine Seele nach ihnen gefragt, und mancher Umstand sagt mir, daß der Besitzer der Figuren darüber in nicht geringer Verlegenheit sein mag.“

„Ei,“ sprach hier Karl, „liegt doch die Unterhaltung heute ohnehin wie an Ketten, wer weiß, ob nicht die Wachsfiguren uns mit Stoff für den Rest des Abends versorgen könnten? Wie wäre es, wenn wir sogleich dem armen Herrn so vieler hohen Häupter et caetera einen kleinen Trost hinüberbrächten?“

Der Vorschlag fand Beifall bei der Mehrheit der Anwesenden. Da erhob auf einmal Hilarie ihre Stimme. „Gott bewahre mich,“ rief sie, „vor dem widerwärtigen Anblick einer solchen Gesellschaft. Erst vor wenigen Monaten habe ich eine ähnliche in Wien gesehen, und bin froh gewesen, die Erinnerung daran allmählich losgeworden zu sein. Mehrere Zimmer voll stummer geschminkter Leichen sind für mich ein wahrhaft grausender Anblick.“

„Im ersten Moment vielleicht“ – versetzte Guido, „wenn man aber erwägt…“

„Ei was erwägen,“ fiel Hilarie ein, „dazu kommt unser eins gar nicht, wenn einem das Herz klopft. – Ich verbitte mir alles Spotten. – Und gesetzt, ich bedächte hundertmal, bedächte, was für einen Schlag von Menschen ich da vor mir hätte, mein Auge würde sich doch beleidigt finden von der Zusammenstellung so himmelweit auseinanderstehender Personen und Stände.“

„Das aber, Beste,“ sprach Guido, „das zieht ja eben die Sache ins Komische, woran Ihre Grillen am leichtesten scheitern werden.“

„Ins Komische? Nichts weniger! Gerade durch dieses Ineinanderwerfen der Stände, Alter und Charaktere mußte mir ja wohl zunächst der Tod einfallen, der hierin auf die nämliche Weise verfährt. Ich muß unter Leichen zu sein glauben, weil im Leben solche Dinge gar nicht vorkommen können. Und je besser die menschliche Form dem Nachbildner gelungen ist, desto schlimmer nur für mich. Kommt doch sogar der Geruch des Wachses hinzu, mich in meinem sehr unbequemen Glauben zu bestärken.“

„Ich leugne nicht,“ sagte Ludwig, „daß mir in einem ähnlichen Kabinett meine Phantasie Streiche gespielt hat, die mich hinterher zum Erröten brachten. Beim Beobachten der dem Leben mehr nachgeäfften, als nachgebildeten Formen, fiel mir der Gedanke ein, wie, wenn es schadenfrohe Genien gäbe, die dann und wann plötzlich eine dieser Wachsfiguren mit einem auffallenden Schein des Lebens versähen, bestände er auch nur in einem Blick oder Laut, oder der geringsten Veränderung der Stellung. Ich versichere Sie, Guido, daß mir bei dieser Vorstellung eiskalt wurde, und ich ein paar noch übrige Zimmer lieber unbesehen ließ, um nur, wie unsere reizende Wirtin, aus der gespenstischen Sphäre zu kommen.“

„Aber, Sie hätten,“ fiel Guido ein, „Ihrer Phantasie durchaus den Weg vertreten müssen! – Darüber, glaube ich, sind wir insgesamt einverstanden, daß es keine Gespenster gibt.“

„Wenigstens,“ versetzte Konstantin, lächelnd, „zweifeln wir...



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