Lauster | Der heilige Geist | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 442 Seiten

Lauster Der heilige Geist

E-Book, Deutsch, 442 Seiten

ISBN: 978-3-406-76628-2
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



DIE ERSTE BIOGRAPHIE DES HEILIGEN GEISTES

Jörg Lauster erzählt die Biographie des Heiligen Geistes von der Schöpfungsgeschichte über frühchristliche, mystische, philosophische und romantische Geistvorstellungen bis zum heutigen Pfingstchristentum und zu der Frage, wo in einer entzauberten Welt der Geist vernehmbar wird. Er zeigt dabei anschaulich, wie es im Namen des Geistes immer wieder zu Neuaufbrüchen kam, geht aber auch der dunklen Seite dieser rätselhaften Macht nach.

Neben Gott Vater und seinem Sohn Jesus Christus ist der Heilige Geist die dritte Person des 'dreieinigen Gottes'. Er schwebte vor der Schöpfung über der Urflut, senkte sich bei der Taufe auf Jesus herab und ließ die Apostel im Pfingstwunder in fremden Sprachen predigen. Der Geist erscheint als säuselnder Wind und brausender Sturm, als Feuer und Taube, in der Kirche und in der freien Natur. Er ist die große verändernde Macht, die zu Taten der Liebe anstiftet, Visionen befeuert, Künstler und Prediger inspiriert, Traditionen und Autoritäten untergräbt und als Weltgeist die Geschichte vorantreibt. Jörg Lauster geht in seiner Biographie des Heiligen Geistes weit über die Theologiegeschichte hinaus, denn in politischen Utopien, in philosophischen Freiheitsideen, im künstlerischen Geniekult oder in der modernen Naturbetrachtung zeigt sich, wie sich der Geist auch in einer säkularisierten Welt Ausdruck verschafft. Das geheime Zentrum dieser ersten Biographie des Heiligen Geistes ist die Philosophie der Renaissance, die wie ein Scharnier Mittelalter und Moderne, göttlichen und menschlichen Geist miteinander verbindet.

- Souverän und verständlich geschrieben

- Eine faszinierende Reise durch Theologie und Philosophie der westlichen Welt

- Von der Bibel über Hegel bis heute

- Gute Geister, böse Geister – warum das Nachdenken über den 'Geist' uns bis heute nicht loslässt
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Weitere Infos & Material


Das Rauschen der Welt
Das menschliche Dasein zeichnet aus, dass es sich in einer Welt ereignet, die nicht stumm ist. Aus der Welt steigt ein Rauschen auf, das Menschen anspricht, fordert, schreckt und beruhigt. Das Rauschen kann in einer klaren Melodie hervorströmen, es kann ruhig dahinfließen, es kann in einem plötzlichen Brausen hereinbrechen oder als ein dunkles Grollen das menschliche Welterleben fluten. Für dieses Rauschen hat das Christentum aus tiefer Vergangenheit eine Erklärung: Das Rauschen der Welt ist die Gegenwart des göttlichen Geistes. Denn Gott ist in der Welt präsent als Geist. Niemand Geringeres als Jesus Christus hat dieses Herz der christlichen Überzeugung im Johannesevangelium in drei Worten zusammengefasst. «Gott ist Geist.» (Joh 4,24) Davon handelt dieses Buch. Es will den vielfältigen Formen der Gegenwart des göttlichen Geistes im Rauschen der Welt nachgehen. Rauschen ist seinem Wesen nach uneindeutig. Zweifel und Unsicherheit gehören gewiss dazu. Ist es wirklich die Gegenwart des göttlichen Geistes, die aus dem Rauschen der Welt zu vernehmen ist? Aufgrund der Ungewissheit hat es an offensichtlichen Bestreitern nie gefehlt. Die Moderne gibt sich in ihrer Religionsbestreitung manchmal etwas zu selbstgewiss hochmütig. Schon Paulus traf in Ephesus auf Menschen, die ihm unbekümmert zuriefen: «Wir haben noch nie gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt.» (Apg 19,2) Das Christentum hat im Laufe seiner Geschichte eine Reihe von Erfahrungen, Beobachtungen und Gründen zusammengetragen, um aus dem uneindeutigen Rauschen die Gegenwart des göttlichen Geistes zu vernehmen. Diesen Spuren will dieses Buch folgen, um die Möglichkeiten eines religiösen Welterlebens auszukundschaften und zur Diskussion zu stellen. Für den eigenen Umgang mit der Welt Rede und Antwort zu stehen, zeichnet seit Aristoteles die Belastbarkeit unserer Weltauffassungen aus. Es gibt, so die Grundannahme dieses Buches, Beobachtungen und Argumente, die Menschen in dem Rauschen der Welt erfahren lassen, dass mit dieser Welt etwas gewollt und gemeint ist. Wir sind nicht die Ersten und wir werden auch nicht die Letzten sein, die auf das Rauschen der Welt lauschen. Das Verfahren einer Biographie des heiligen Geistes trägt der langen Tradition der christlichen Suche nach dem göttlichen Geist in der Welt Rechnung. Gewiss, eine Biographie des heiligen Geistes schreibt man nicht wie die eines Menschen. Aber es sind Linien in der Entwicklung des Geistes zu erkennen, die helfen, die Vielfalt seiner Wirkungen zu ordnen. Wie in einer Biographie lösen sich die Stufen der Entwicklung nicht einfach in die nächste auf. In dem, was wir sind, sind auf je eigene Art auch unsere Kindheit und Jugend gegenwärtig. So gilt es, die Wirkungen des Geistes in ihrer geschichtlichen Entwicklung aufzusuchen, aber auch im Blick zu halten, was davon in unsere Gegenwart hineinscheint. Die Biographie des heiligen Geistes reicht von einer vagen Ahnung seiner Anwesenheit bis hin zur Annahme des Geistes als Strukturprinzip des Universums. Vier Stadien lassen sich darin unterscheiden, sie alle schimmern hinein in unsere Gegenwart. Am Beginn steht erstens der Weg von den Ursprüngen bis zur sichtbaren Gestalt des Geistes. Die Anfänge liegen im Alten Testament. Der Vergleich des Geistes mit dem Wind ist eines der stärksten und folgenreichsten Bilder des Alten Testaments. Der Geist ist nicht sichtbar, nicht fassbar und doch kräftig gegenwärtig. So tasten sich die großen Erzählungen an die Vorstellung heran, dass Gott in der Welt gegenwärtig ist und mit der Kraft des Geistes in Menschen und in der Natur die Geschichte führt. Das Christentum hat sich dies vollständig zu eigen gemacht, die Geistesgegenwart jedoch ganz auf die Person Jesus Christus konzentriert. Was er als Gottessohn ist, ist er aus der Kraft des Geistes. Inkarnation, die Menschwerdung des Gottessohnes, ist die höchste Form der Gegenwart des göttlichen Geistes. Die frühen Christen formten aus ihren Erfahrungen mit dem lebenden und dem auferstandenen Christus eine Einsicht, die sie als bahnbrechend erlebten. Die Gegenwart Christi war für sie überhaupt nur möglich als die Präsenz seines Geistes. Darum lässt sich die Geschichte des Christentums auch als die Geschichte der Wirkungen des Geistes Christi erzählen. Das werdende Christentum stand vor der Herausforderung, das Brausen des Geistes Christi in eine verlässliche Form zu überführen. Diese Materialisierung des Geistes war ein aufwühlender und konfliktbeladener Prozess, denn er arbeitet sich an etwas ab, was an sich unmöglich ist: Das Unsichtbare sichtbar zu machen. Es zählt zu den großartigsten Leistungen des Christentums, diesen Übergang gemeistert zu haben. Die Wege, die das Christentum hier mit der Ausbildung von kirchlichen Strukturen, Ämtern und auch Sakramenten in der Antike einschlug, prägen seine Erscheinungsform bis heute. Doch den unsichtbaren Geist in sichtbare Formen zu bringen, hat von Beginn an Widerstände hervorgerufen. Protestbewegungen des Geistes gab es immer und gibt es noch. Mit der Formgebung des Geistes kann das Christentum nie zu Ende kommen, sie ist im Fluss, solange es die Kirche geben wird. Die frühen Schilderungen christlicher Erfahrungen arbeiten das Erstaunen, die Verwunderung und Begeisterung darüber auf, dass Menschen den Geist zunächst und zuerst in sich selbst wirksam erlebten. Der Geist verwandelte Menschen, dadurch prägte er zugleich auch die Umgebung, in der sie lebten. In diesen frühen Geisterfahrungen sind zwei wichtige Wirkungsfelder des Geistes zu erkennen, an denen die folgende Darstellung der Geschichte des Geistes entlang schreiten wird. Der Geist zeigt sich in Menschen, und der Geist zeigt sich in der Geschichte. Der Geist wird zum Gegenstand persönlicher Erfahrung, die – das ist das zweite Stadium – Menschen ergreift und verwandelt. Davon berichten Paulus und die Kirchenväter, am eindrücklichsten schließlich die Mystiker des Mittelalters. Das weite Feld der Mystik lebt von der Geisterfahrung im Innern der Menschen. Mystik ist das unfassbare Staunen über das, was Menschen in sich erleben und wie dieses Erleben sie selbst und ihren Blick auf die Welt verwandelt. Die Erfahrung des Geistes zeigt sich als eine Kraft der Befreiung. Der Renaissance kommt die Bedeutung zu, Geisterfahrungen als Freiheitserfahrungen artikuliert zu haben. Geist ist schließlich wesentlich Inspiration. Der göttliche Geist erscheint in den Idealen und Kräften, die in Menschen aufscheinen. Die Tradition nannte dies die Geistesgaben Glaube, Hoffnung und Liebe. In der Moderne hatten die Romantiker ein besonderes Gespür dafür, dass die göttliche Inspiration noch viel weiter in das Welterleben der Menschen hineinreicht. Der Geist in der Welt lässt sich so wenig festhalten wie der Wind. Zur Erfahrung des Geistes gehört daher auch das unglückliche Bewusstsein des Abstandes zwischen dem, was mit dieser Welt gemeint ist, und dem, was sie ist. Auch die Melancholie ist eine Inspiration. Aus ihr bricht die Traurigkeit hervor, das Rauschen des Geistes nicht zu verstehen, sondern nur noch von Ferne zu ahnen. Melancholie ist daher die Sehnsucht offener Ohren, Augen und Herzen. Rauschen kann man schließlich missverstehen oder letztlich ganz überhören. Fanatismus und Verzweiflung sind je auf ihre Art die Kehrseiten dessen, was Menschen aus der Gegenwart des göttlichen Geistes in der Welt machen können. Die Ideale, Kräfte und neuen Weltsichten, die durch den Geist in Menschen einfließen, verbleiben nicht im Innern der Menschen. Sie treten ein in die sozialen Zusammenhänge, in denen Menschen leben. So schreibt der Geist drittens Geschichte. Die Hoffnung ist wirksam als die Kraft, die Menschen über das Vorhandene hinaus auf ein in der Zukunft liegendes Ideal hinzieht. Mit Utopien und der Hoffnung auf Frieden wirkt der Geist gleich einem Magneten in die Geschichte hinein. Die Geschichte erweist sich darin nicht einfach nur als die unermüdliche Abfolge von Ereignissen. Auf den mittelalterlichen Abt Joachim von Fiore geht die Theorie zurück, dass die Geschichte selbst die Entfaltung des göttlichen Geistes ist. Das hat das Geschichtsdenken der Moderne tief geprägt. Der Traum von Fortschritt gehört hier ebenso hin wie die großen Desillusionierungen des 20. Jahrhunderts, die bescheidener nicht mehr vom Programm, sondern von den Spuren des Geistes sprechen. Sie werden sichtbar in den Taten der Liebe, die Menschen üben. Die Geschichte der Entfaltung des Geistes treibt schließlich die Menschen über die Erfahrung der Geistesgegenwart in sich selbst und seiner geschichtsverwandelnden Kraft hinaus in eine universale Dimension. Die Renaissancedenker berauschten sich noch an der Erfahrung des Geistes als etwas, was...


Jörg Lauster ist Professor für Systematische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und hatte Gastprofessuren in Venedig, Rom und Chile inne.


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