E-Book, Deutsch, 320 Seiten, Format (B × H): 240 mm x 170 mm
Laux Originell und kreativ
1., Auflage 2022
ISBN: 978-3-456-96111-8
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Vom göttlichen Funken bis zur künstlichen Intelligenz
E-Book, Deutsch, 320 Seiten, Format (B × H): 240 mm x 170 mm
ISBN: 978-3-456-96111-8
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Was macht die Einzigartigkeit kreativer Lösungen aus? Ist Originalität das Hauptmerkmal von kreativen Produkten und Personen? Kann Kreativität durch Training und Techniken gefördert werden? Lothar Laux und sein Team beantworten diese und weitere Fragen auf anschauliche und abwechslungsreiche Weise. Mit vielen Beispielen und Abbildungen bringen sie ihre Faszination für originelle Ideen kreativer Persönlichkeiten zum Ausdruck. Sie laden die Leserinnen und Leser zudem ein, ihre eigenen kreativen Möglichkeiten für sich zu entdecken. Die Beispiele stammen aus Anwendungsbereichen wie Architektur, Theater, Fernsehen, Film, Literatur, Kunst, Medien und Produktentwicklung. Die Spannweite der Einzelthemen reicht vom antiken göttlichen Funken bis zur aktuellen Frage, ob die mithilfe von Künstlicher Intelligenz geschaffenen Werke wirklich die Qualität menschlicher Kreativität erreichen. Zwischen diesen beiden Polen liefert das Buch Ideen und Material zu folgenden Aspekten der Kreativitätsforschung: •Kreativität: Modebegriff zwischen Euphorie und Skepsis •Originalität: qualitative Kernkompetenz der Kreativität •Bisoziation: das Grundprinzip von Humor, Kunst und Wissenschaft •Originalitäts-Plus-Modell: Powertechniken •Think inside the box: das neue überlegene Paradigma? •Entdeckerqualitäten: vom Hinterfragen bis zum Verknüpfen •Grüne Wiesen im grauen Alltag: individuelle Kreativitätsförderung •Hochkreative Personen unter der Lupe: auf drei Ebenen und acht Stufen •Weibliche Kreativität: lange Zeit verkannt, jetzt neu entdeckt •Postdramatisches Regietheater: Zerschlagen von Klassikern Als roter Faden zieht sich das Schlüsselkonzept Transformation - auf dem die Originalität basiert - durch alle Kapitel. Mit dem Buch lässt sich der Zauber von Transformationen entdecken: Fixierte Bedeutungen werden aufgelöst, Ideen und Dinge schöpferisch umgewandelt.
Zielgruppe
Psycholog_innen in Forschung, Lehre und Praxis; alle Berufsgruppen, die in der der Ideen- und Symbolproduktion tätig sind.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;7
2;Auftakt;13
2.1;Kreativität als Faszination;13
2.2;Methoden der Ideenfindung;17
2.3;Schnelldurchgang;19
2.4;Schwerpunkt des Buchs;21
3;1 Plädoyer für Originalität als Kernkonzept der Kreativität;25
3.1;1.1 Was ist Kreativität?;25
3.1.1;1.1.1 Musenkuss: göttlich und digital;25
3.1.2;1.1.2 Der Begriff Kreativität: geheimnisvolle Attraktivität oder totgerittenes Pferd;26
3.1.3;1.1.3 Die vier Cs;27
3.1.4;1.1.4 Die vier Ps;30
3.1.5;1.1.5 Das kreative Produkt: Neuheit und Angemessenheit;31
3.1.6;1.1.6 Die Schattenseite der Kreativität;34
3.1.7;1.1.7 Innovation als verwandter Begriff;35
3.2;1.2 Originalität als Kernkonzept der Kreativität;36
3.2.1;1.2.1 Divergentes und konvergentes Denken;38
3.2.2;1.2.2 Originalität als Transformation;42
3.2.3;1.2.3 Abschaffen der Originalität in zwei Schritten;44
3.2.4;1.2.4 Plädoyer für das Nichtabschaffen von Originalität;45
3.2.5;1.2.5 Wege aus der Krise: das Auswaschen von Goldkörnern;46
4;2 Originalität: der transformative Impetus;50
4.1;2.1 Einzelfälle zur Phänomenbeschreibung von Originalität;50
4.1.1;2.1.1 Aufgabe: Zeichnung interpretieren;50
4.1.2;2.1.2 Einzelfallanalyse: Einfälle und Einsichten;55
4.2;2.2 Transformation im Kontext von Motiven und Emotionen;62
4.3;2.3 Kreative Produkte: Merkmale, Maßstäbe und ästhetisch-affektive Reaktionen;63
4.3.1;2.3.1 Vier Bewertungskriterien des kreativen Produkts;63
4.3.2;2.3.2 Die Wirkung des Produkts: vier Arten ästhetischer Reaktionen;65
4.3.3;2.3.3 Beispiel: Es Devlins Skulptur für „Carmen“ am Bregenzer See;66
4.3.4;2.3.4 Erweiterung um das gesamte Spektrum von Emotionen;69
4.4;2.4 Kriterien für Kreativität und Originalität: eine Rahmenkonzeption;70
4.4.1;2.4.1 Kreativitätsstufe 1: Basiskriterien;71
4.4.2;2.4.2 Kreativitätsstufe 2: Muss- und Kann-Kriterien der Originalität;71
4.4.3;2.4.3 Fazit und Blick auf andere Wissenschaften;74
5;3 Kreativität und Originalität im Film am Beispiel Wes Anderson;77
5.1;3.1 Wie wäre es, wenn wir es ganz anderes machten?;77
5.2;3.2 Die einzigartigen Filme von Wes Anderson;79
5.2.1;3.2.1 Die Ungewöhnlichkeit des Wes Anderson – Person und Werk;79
5.2.2;3.2.2 Transformation und weitere Originalitätskriterien im Anderson-Werk;81
5.3;3.3 Fazit;86
6;4 Von göttlichen Funken und Kreativitätstechniken;91
6.1;4.1 Förderung von Transformationen: Osborn-Liste und SCAMPER-Technik;91
6.2;4.2 Verknüpfungskonzeptionen;93
6.3;4.3 Der göttliche Funke: die Bisoziationstheorie von Koestler;95
6.3.1;4.3.1 Der Monsignore und der Ehemann;95
6.3.2;4.3.2 Drei Felder des Schöpferischen;97
6.3.3;4.3.3 Multi- und Metaassoziation;98
6.3.4;4.3.4 Bisoziative Kreativitätstechniken;99
6.3.5;4.3.5 Stimulierung von außen: Zufallswortmethode und Analogie;101
6.3.6;4.3.6 Stimulierung von innen: Umkehrung, Verdrehung und Übertreibung;109
6.4;4.4 Bisoziationstheorie neu überdacht;113
6.4.1;4.4.1 Selektive Strategien;113
6.4.2;4.4.2 Elaboration der Originalität;113
6.4.3;4.4.3 Die Bisoziation ohne Knall;114
6.4.4;4.4.4 Bisoziation und Transformation;114
6.4.5;4.4.5 Bisoziation als Desk Safari – Invers;116
7;5 Ideengenerierung im TV-Bereich: Mückenschwarm der Bisoziationen;117
7.1;5.1 Der unsichtbare Fernseher – oder: Wie originell darf ein TV-Gerät sein?;117
7.2;5.2 Mückenschwarm der Bisoziationen;119
7.2.1;5.2.1 „Crazy Ideas“ entwickeln durch Umkehrung und Übertreibung;120
7.2.2;5.2.2 Mit Force-Fit-Techniken originelle Bisoziationen erzwingen;123
7.2.3;5.2.3 Punktuelle Verknüpfungen als Zugang zur analogen Welt;127
7.3;5.3 Analytische Elaboration von Multi- und Metaassoziationen;129
7.3.1;5.3.1 Von Bisoziationen zu Multiassoziationen;129
7.3.2;5.3.2 Zusammenführung auf Metaebene;131
7.4;5.4 Rückblick: die Autoren im Dialog;133
8;6 Die Schoko-Mikado-Sticks von Oma Riebmann: mit Kreativitätstechniken zu originellen Ideen;135
8.1;6.1 Fragestellungen und Überblick;135
8.2;6.2 Rahmenbedingungen zur Anwendung von Kreativitätsstrategien;136
8.2.1;6.2.1 Kreativitäts-Knigge;136
8.2.2;6.2.2 Auftakt: Originalitätstraining;137
8.3;6.3 Kreativitätsstrategien am Fallbeispiel Katrin;138
8.3.1;6.3.1 Systematik von Kreativitätsstrategien;138
8.3.2;6.3.2 Fallbeispiel Katrin im Fokus von Anwendung und Auswertung;138
8.4;6.4 Sechs-Hüte- bzw. Vier-Hüte-Methode;139
8.4.1;6.4.1 Ursprungsversion: die Sechs-Hüte-Methode;139
8.4.2;6.4.2 Anwendungsbereiche der sechs Hüte;140
8.4.3;6.4.3 Verdichtung der sechs Hüte auf vier Hüte;141
8.4.4;6.4.4 Die vier Hüte in Aktion;142
8.5;6.5 Reizwortanalyse;146
8.5.1;6.5.1 Anwendung der Reizwortmethode auf die Strichzeichnung;146
8.5.2;6.5.2 Die Reizwortanalyse in Aktion;147
8.6;6.6 Originalitätssteigerung durch den Einsatz von Kreativitätsstrategien?;151
8.6.1;6.6.1 Feedback von Katrin zum Trainingsmodul;151
8.6.2;6.6.2 Welche Faktoren bedingen die Originalitätssteigerung?;151
8.6.3;6.6.3 Das Originalitätstraining als weiterer Wirkfaktor?;152
8.6.4;6.6.4 Erste Hilfe für „Nicht-Hochoriginelle“;153
9;7 Originalitätssteigerung: zwei Stufen und zwei Prinzipien;157
9.1;7.1 The End of Sitting;157
9.2;7.2 Das Originalitätplus-Modell im Überblick;159
9.3;7.3 Das Originalitätplus-Modell im Detail;160
9.3.1;7.3.1 Direkte Bisoziation: Basistechniken und Erweiterungen;160
9.3.2;7.3.2 Vorbereitete Bisoziation: Verfremdungen;165
9.4;7.4 Die Rolle des Humors;171
9.5;7.5 Das Originalitätplus-Modell in Theorie und Anwendung;171
9.6;7.6 Zugabe: Originalitätssteigerung durch die Kombination von Kreativitätstechniken;172
9.6.1;7.6.1 Simultane Kombination von zwei Kreativitätstechniken;172
9.6.2;7.6.2 Flexible Kombination von Kreativitätstechniken (FLEXKOM);173
9.7;7.7 Fazit;175
10;8 Die Entdeckerqualitäten als besondere Strategien der Ideengenerierung;177
10.1;8.1 Die Entdeckerqualitäten nach Dyer, Gregersen und Christensen;177
10.1.1;8.1.1 Hinterfragen;178
10.1.2;8.1.2 Beobachten;179
10.1.3;8.1.3 Experimentieren;180
10.1.4;8.1.4 Vernetzen;181
10.1.5;8.1.5 Verknüpfen;182
10.2;8.2 Förderung von Kreativität anhand der Entdeckerqualitäten;183
10.3;8.3 Prozessmodell der Entdeckerqualitäten;185
10.3.1;8.3.1 Voraussetzungen für Kreativität;185
10.3.2;8.3.2 Die Sonderstellung des Hinterfragens;186
10.3.3;8.3.3 Verknüpfen: Geht das etwas genauer, bitte?;186
10.3.4;8.3.4 Kreativität ist ein Prozess;187
10.4;8.4 Bringen wir alles zusammen: originelle Theaterinszenierung mithilfe der Entdeckerqualitäten und der Analogiemethode;188
10.4.1;8.4.1 Hinterfragen von Konventionen;189
10.4.2;8.4.2 Beobachten von anderen Inszenierungen;189
10.4.3;8.4.3 Vernetzen über den Theater-Tellerrand;190
10.4.4;8.4.4 Verknüpfen und die Analogiemethode;190
10.4.5;8.4.5 Experimentieren mit diesem neuen Theater;194
11;9 Think inside the box – das neue überlegene Paradigma?;196
11.1;9.1 Vom Outside-the-box-Denken zum Inside-the-box-Denken;196
11.1.1;9.1.1 Paradigmenwechsel?;196
11.1.2;9.1.2 Denken mit Vorlagen;198
11.1.3;9.1.3 Sweeney Todd – frisches Blut mit dem orchesterlosen Thrillermusical;198
11.1.4;9.1.4 Technik der Funktionsvereinigung im Detail;201
11.1.5;9.1.5 Kritische Fragen zum Inside-the-box-Ansatz;201
11.2;9.2 Alternative Verfahren zum Inside-the-box-Denken;202
11.2.1;9.2.1 Outside-the-box-Verfahren;203
11.2.2;9.2.2 Bewährte Inside-the-box-Verfahren;205
11.2.3;9.2.3 Nutzung von Wissen – Ideengenerierung ohne Kreativitätstechniken;206
11.3;9.3 Fazit;207
12;10 Originelle Persönlichkeiten: dem Besonderen auf der Spur;211
12.1;10.1 „Ich wollte unverwechselbar sein“;211
12.1.1;10.1.1 Einzigartigkeit;212
12.1.2;10.1.2 Einzigartigkeit und Originalität;213
12.1.3;10.1.3 Originalität und Persönlichkeit: der idiografische Ansatz;213
12.2;10.2 Drei-Ebenen-Modell der Kreativität;214
12.2.1;10.2.1 Drei Ebenen von Gesetzmäßigkeiten;214
12.2.2;10.2.2 So genial wie Einstein, Freud, Picasso, Strawinsky, Eliot, Graham und Gandhi;218
12.2.3;10.2.3 Die exemplarische Kreatorin;221
12.3;10.3 Transformative Persönlichkeiten im 8-Stufen-Modell;221
12.3.1;10.3.1 Antriebsmodell mit acht Stufen;222
12.3.2;10.3.2 Was fällt auf?;227
12.4;10.4 „Frauen sind gut im Töpfern“ – ein Blick auf das Gender-Thema;228
13;11 Grüne Wiesen im grauen Alltag: personzentrierte Kreativitätsförderung am Arbeitsplatz;233
13.1;11.1 Kreativität fördern: vom Wollen, Sollen und Können;233
13.1.1;11.1.1 Vordenker im Großen und Kleinen;233
13.1.2;11.1.2 Annahmen zur Trainierbarkeit von Alltagskreativität – ein Überblick;234
13.2;11.2 Grüne-Wiese-Effekte und das Dilemma der Alltagsroutine;235
13.2.1;11.2.1 Ideengenerierung fernab vom Tagesgeschäft;235
13.2.2;11.2.2 Routine tötet Inspiration! – Wirklich?;236
13.3;11.3 Individuumszentrierung als Chance für mehr Alltagskreativität;237
13.3.1;11.3.1 Entwicklung einer transferoptimierten Trainingskonzeption;238
13.3.2;11.3.2 Kreativitätsförderung im Einzelfall;239
13.4;11.4 Fazit: Wie lässt sich Kreativität im Arbeitsalltag fördern?;251
13.4.1;11.4.1 Direktvergleich der Einzelfälle;251
13.4.2;11.4.2 Leitfaden für die individuelle Kreativitätsförderung;253
14;12 Originalität im postdramatischen Regietheater: Frank Castorf;259
14.1;12.1 Drei ungewöhnliche Theaterinszenierungen;259
14.2;12.2 Transformation des Dramas in die Aufführung;261
14.2.1;12.2.1 Inszenierung;261
14.2.2;12.2.2 Gestaltungsprinzipien der Transformation;262
14.2.3;12.2.3 Transformation und Stimulierung;263
14.3;12.3 Originalität: der Regisseur im Fokus;264
14.3.1;12.3.1 Regietheater;264
14.3.2;12.3.2 Regieeinfall: Hamlet im Frack;265
14.3.3;12.3.3 Postdramatisches Theater;266
14.4;12.4 Frank Castorf: „Meine Grundtechnik ist: Zerschlagen“;266
14.4.1;12.4.1 Beispiel: Frank Castorfs Faust an der Berliner Volksbühne;267
14.4.2;12.4.2 Originalität in Castorfs postdramatischem Theater;270
14.5;12.5 Regiefrauen;274
15;13 Kann Künstliche Intelligenz kreativ sein?;278
15.1;13.1 Auftakt;279
15.2;13.2 Grundbegriffe im Bereich der Künstlichen Intelligenz;279
15.3;13.3 Künstliche Intelligenz in den schönen Künsten;280
15.4;13.4 Kann Künstliche Intelligenz kreativ sein?;283
15.4.1;13.4.1 Zwei-Kriterien-Ansatz der Kreativität;283
15.4.2;13.4.2 Computerkreativität von M. A. Boden;284
15.4.3;13.4.3 Zwei Kernfragen zur „künstlichen Kreativität“;285
15.5;13.5 Das Zusammenspiel von menschlicher Kreativität und Künstlicher Intelligenz als Kokreation;286
15.6;13.6 Fazit und Ausblick;289
16;Anhang;291
16.1;Epilog;293
16.1.1;Transformative Erkenntnisse;293
16.1.2;Empfehlungen für die Praxis: Zentrierung auf Individualität;295
16.2;Zugabe: Originell und kreativ in Zeiten von Corona und Klimawandel;303
16.3;Dank;309
16.4;Autoren und Autorinnen;311
16.5;Sachwortverzeichnis;313
|11|Auftakt
Lothar Laux
Kreativität als Faszination
„Die Freude im Moment des kreativen Einfalls ist ein märchenhaftes, paradiesisches Gefühl, das Lebensintensität in höchstem Ausmaß schenkt. Ein Gefühl, in dem unser Denken, Fühlen und Wollen zu einer Einheit verschmilzt, wie es uns sonst kaum gegeben ist und sich auch nur sehr selten einstellt.“ Das ist das Resümee des Kreativitätsforschers Norbert Groeben auf den letzten Seiten seines Sachbuchs über Kreativität (2013, S. 246). Mit allen denkbaren Anstrengungen und einem Maximum der uns möglichen Beharrlichkeit, so fährt er fort, würden wir versuchen, dieses Gefühl, das eine solch intensive, fast mystische Faszination auslöst, immer wieder zu erleben. Die Aussage von Groeben gilt für die kulturell bedeutsame „große“ Kreativität ebenso wie für die Alltagskreativität. In einer Untersuchung, an der 750 Personen (Studierende und Angestellte) teilnahmen, wurde „Freude am Tun“ als stärkstes Motiv für kreative Betätigung ermittelt (Benedek, Bruckdorfer & Jauk, 2020). Die Freude, wenn vielleicht auch in weniger ausgeprägter Form, entsteht nicht nur bei den kreativ Schaffenden selbst, sondern auch bei den Zuschauenden, die sich von der brillanten Idee oder dem originellen Produkt überraschen und erfreuen, oft auch stimulieren lassen. Mit diesem Buch möchten wir Ihnen solche Ideen oder Produkte zusammen mit dem wissenschaftlichen Hintergrund nahebringen. Damit Sie einen ersten Eindruck bekommen, mit wem Sie es tun haben, möchte ich (Lothar Laux) als Herausgeber Ihnen unser Team ganz kurz vorstellen.
Autorinnen sind Lisa Gäbelein, Nora-Corina Jacob und Anja S. Postler (geb. Meier). Alle drei studierten Psychologie an der Universität Bamberg und schrieben während des Studiums ihre Qualifikationsarbeiten zum Thema Kreativität, die ich betreut habe. Nora und Anja haben sich außerdem diesem Thema in ihren Dissertationen gewidmet. Meinen Sohn Lucas Laux habe ich bei der Vorbereitung des Kapitels über „Künstliche Intelligenz“ gebeten, als Autor mitzuwirken. Als Medienwissenschaftler betreut er den „KI-Campus“, eine Lernplattform für Künstliche Intelligenz. Ausführlichere biographische Angaben für alle Teammitglieder insbesondere zu ihren beruflichen Erfahrungen im Bereich von Kreativität finden Sie im Anhang.
Wir möchten Ihnen als Einstieg und Illustration ein paar Beispiele für brillante Ideen skizzieren. Gestützt auf ähnliche Beispiele wollen wir in den verschiedenen Buchkapiteln einen Blick hinter die Kulissen der zugrundeliegenden kreativen Strukturen und Prozesse werfen:
Von Anne Klinge stammt das Fußtheater (Abb. 0-1). Theater spielen mit den Füßen? Vom Körpertheater kommend hat Klinge (2017) ausprobiert, was sich mit den Füßen alles anstellen lässt und dabei ihre eigene Form des Fußtheaters entwickelt:
Fußtheater ist inszenierte Körperbeherrschung auf allerhöchstem Niveau. Dabei geht es nie um den Effekt verkleideter Füße. Ausgestattet mit Nasen, Mützen und Gewändern verwandeln sich die Füße unversehens zu eigenständigen Persönlichkeiten, die die Spielerin dahinter beinahe vergessen machen. In einer Mischung |12|aus Erfindungsgeist und Fantasie „erzählen“ ihre Fußhelden bekannte und unbekannte Geschichten, mit Ironie und in kluger, humorvoller Dramaturgie durchleben sie Beziehungsdramen, Märchen, sogar Opern.
Das Fußtheater konnte entstehen, weil die Künstlerin konventionelle Beschränkungen im Gebrauch der Füße überwand. Sie erkannte, dass sich die Füße für ganz neue Funktionen nutzen lassen. Wenn man zusätzlich ihre Beweglichkeit erhöht und sie anders „ausstattet“ als bisher, ergeben sich unglaubliche Ausdrucksmöglichkeiten.
Manches Grundmuster einer kreativen Idee im heutigen Theater und Film ist uralt, belustigt und fesselt uns aber noch immer, z.?B. das Durchbrechen der vierten Wand. Die vierte Wand: Das ist die zum Publikum hin offene Seite einer Bühne. Es handelt sich also nur um eine imaginäre Wand. Bei einer Theateraufführung wird so getan, als ob sie vorhanden wäre. Wenn ein Schauspieler aber aus der Rolle fällt, z.?B. auf Zurufe des Publikums reagiert, das eine Änderung des Stücks verlangt, durchbricht er die vierte Wand.
Das Durchbrechen der vierten Wand ist ein beliebtes Stilmittel für komische Effekte in Serien und Filmen, z.?B. im Kinofilm „Die Ritter der Kokosnuß“ von Monty Python. Wir erinnern uns: König Artus zieht mit seinen edlen Rittern durch Britannien, um den heiligen Gral zu suchen. Dabei müssen sie mit vielen Gefahren fertig werden. In einer Trickfilmszene werden die (animierten) Ritter von einem (animierten) vieläugigen Monster mit riesigem Maul und messerscharfen Zähnen verfolgt. Kurz bevor sie das Monster verschlingen kann, also genau im entscheidenden Moment, erleidet der Trickfilmzeichner, der für die Zuschauer kurz eingeblendet wird, beim Zeichnen einen Herzinfarkt, wodurch die Trickfilmszene abrupt beendet wird. Die edlen Ritter sind gerettet. Eine fantastische pythoneske Szene.
Gut inszeniert funktioniert das Durchbrechen der vierten Wand auch in TV-Serien. In „Fleabag“ (2018–2019), einer britischen Dramedyserie, durchbricht die Hauptdarstellerin im Lauf jeder Folge mehrmals die vierte Wand und spricht oder sieht die Zuschauer direkt an – selbst in intimen Szenen. Als ihr Freund nach einem Streit frustriert aus der Wohnung auszieht und dramatisch ankündigt, es sei für immer, teilt sie dem Publikum mit einem Seitenblick vertraulich mit: „He’ll be back.“
Die bisherigen Beispiele stammen aus Film und Theater, also aus Bereichen mit einem großen Gestaltungsspielraum. Hier sind die Möglichkeiten für ausgeprägt kreative Lösungen besonders günstig. Faszinierende Ideen und Produkte finden wir aber auch im biologischen oder ökonomischen, besser gesagt im bioökonomischen Bereich (siehe auch Abb. 0-2):
Wenn Vera Meyer Antworten auf drängende Zukunftsfragen sucht, zieht es sie in Brandenburgs Wälder. An Birken oder Buchen finden die Berliner Biotechnologin und ihr Team Pilze wie den Zunderschwamm, der nun in einem Labor an der Technischen Universität kleine Wunder vollbringt: Auf Hanf-, Pappel- oder Rapsresten gezüchtet verwandeln sich winzige Pilzfäden innerhalb von rund zwei Wochen in Baumaterial, einen Lampenschirm oder einen Fahrradhelm – ganz natürlich. […]
Auch Studenten ganz unterschiedlicher Fachrichtungen sprängen auf die Idee an. „Mind the Fungi!“ (Beachtet Pilze!) hat Meyer ihre Forschungswerkstatt genannt, |13|bei der auch interessierte Bürger und Künstler mitmachen können. Mit Blick auf künftiges „Pilzdesign“ holte sie eine Berliner Kunsthochschule mit ins Boot. „Schwarmintelligenz ist bei uns gefragt.“ Die Forscherin kommt ursprünglich aus der biotechnologischen Grundlagenforschung. Heute erschafft sie filigrane Skulpturen aus Pilzen und stellt sie aus. Für Meyer gibt es keine harten Grenzen zwischen Wissenschaft und Kunst. (von Leszczynski, 2020, o.?S.)
Bestechend an den Vorschlägen von Vera Meyer ist nicht nur die Kernidee, die Züchtung von Pilzen auf Bäumen, sondern die Verknüpfung mit vielen Ideenimpulsen und Perspektiven aus diversen Bereichen, wie z.?B. Architektur, Materialwissenschaft und bildender Kunst. An ihrem Ideenkomplex fällt auch der positive Wertebezug besonders auf, der sich in der Zielsetzung von Ressourcenschonung und Nutzung nachwachsender Rohstoffe zeigt. Wertschätzung in pointierter Form drückt sich ebenfalls im nächsten Beispiel aus:
Nicolas Chabanne, Retter der krummen Früchte, verkauft in Paris Obst und Gemüse zu einem Sonderpreis, da es sonst in den Müll wandern würde:
Besonders rührend sind die beiden Teile einer verwachsenen Karotte, die aussehen wie ein Menschenpaar, das sich umschlingt. Hübsch erscheinen auch jene Kartoffeln mit Herzform oder die Aubergine, von deren runden Bauch zwei Auswüchse wie Arme abstehen. Doch solche Spielereien der Natur sind zwar amüsant – aber selten verkäuflich. Zumindest ...