Laymon Der Killer
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-641-14387-9
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-641-14387-9
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als die Journalistin Lacey eines Abends in einem kleinen Supermarkt einkaufen will, findet sie sich in einem Albtraum wieder. Schwer verletzt kann sie einem unheimlichen Killer entkommen. Doch dies ist erst der Anfang. Auf ihrer verzweifelten Flucht kommt Lacey einer Kultgemeinschaft auf die Spur, die verbotene Riten abhält. Um die Entfesselung unvorstellbaren Grauens zu verhindern, muss die junge Frau alle Grenzen hinter sich lassen.
Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren und studierte in Kalifornien englische Literatur. Er arbeitete als Lehrer, Bibliothekar und Zeitschriftenredakteur, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete und zu einem der bestverkauften Spannungsautoren aller Zeiten wurde. 2001 gestorben, gilt Laymon heute in den USA und Großbritannien als Horror-Kultautor, der von Schriftstellerkollegen wie Stephen King und Dean Koontz hoch geschätzt wird.
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1
In der Nacht, in der alles begann, verließen Frank und Joan Bessler die drückende Hitze ihres Hauses und gingen vier Straßen weiter zu Hoffmans Supermarkt. Frank wollte ein Sixpack.
»Sieht geschlossen aus«, sagte Joan.
»Kann nicht sein.« Frank sah auf die Uhr. »Es ist Viertel nach neun.«
»Warum ist dann das Licht aus?«
»Vielleicht will sie Strom sparen.« Er hoffte, dass er recht hatte, auch wenn er selbst nicht daran glaubte. Solange er sich erinnern konnte – und er hatte seine gesamten neunundzwanzig Lebensjahre in Oasis verbracht –, war der Supermarkt immer bis zum Ladenschluss hell erleuchtet gewesen.
Er hatte bis zehn Uhr geöffnet, um dem Safeway, der um neun schloss, ein paar Kunden abzujagen. Als Elsie Hoffmans Mann vor drei Jahren gestorben war, hatte es Gerüchte gegeben, dass sie den Laden verkaufen oder zumindest früher schließen würde. Doch sie hatte den kleinen Supermarkt behalten und die Öffnungszeiten nicht geändert.
»Ich glaube, es ist geschlossen«, sagte Joan, als sie vor dem leeren Parkplatz stehen blieben.
Das Ladenschild war dunkel. Im Fenster sah man nur den schwachen Schein der Glühbirne, die Elsie immer über Nacht brennen ließ.
»Nicht zu fassen«, murmelte Frank.
»Sie muss einen guten Grund gehabt haben.«
»Vielleicht hat sie die Zeiten geändert.«
Joan wartete auf dem Bürgersteig, während Frank an die Holztür trat. Er bückte sich und sah auf das Schild an der Scheibe. Zu dunkel, um die Öffnungszeiten zu lesen.
Er versuchte, den Türknauf zu drehen.
Abgeschlossen.
Er spähte durch das Fenster und sah niemanden. »Verdammt.« Er klopfte an die Scheibe. Das konnte nicht schaden. Vielleicht war Elsie irgendwo hinten, wo man sie nicht sehen konnte.
»Komm schon, Frank. Sie hat geschlossen.«
»Ich habe Durst.« Er hämmerte fester gegen die Scheibe.
»Wir können zum Golden Oasis gehen. Eine Margarita wäre mir sowieso lieber.«
»Na gut, okay.«
Er warf einen letzten Blick in den schwach beleuchteten Laden, dann wandte er sich ab. Hinter ihm knallte etwas so heftig gegen die Tür, dass sie im Rahmen wackelte.
Frank zuckte zusammen. Er wirbelte herum und starrte auf die Tür mit den vier Glasscheiben.
»Was war das?«, flüsterte Joan.
»Ich weiß nicht.«
»Komm, lass uns gehen.«
Ohne den Blick abzuwenden, wich er zurück, und ihm wurde klar, dass er auf der Stelle einen Herzinfarkt bekäme, wenn dort plötzlich ein Gesicht auftauchte. Bevor das geschehen konnte, drehte er sich schnell um.
»Wer passt auf die Goldgrube auf?«, fragte Red.
Elsie nippte an ihrem Whisky Sour. Er war süß und herb zugleich. Niemand konnte so gute Whisky Sour mixen wie Red. »Ich habe ein bisschen früher zugemacht«, sagte sie.
»Muss einsam sein da drin.«
»Hör mal, Red, ich habe meine besten Zeiten hinter mir, schon lange, aber ich bin noch klar im Kopf. Meine Birne ist noch nicht weich geworden. Oder was meinst du?«
»Du bist auf Zack, Elsie. Wie immer.«
»Als Herb gestorben ist, bin ich durch die Hölle gegangen. Ich habe den Mann geliebt, auch wenn er ein elender alter Geizkragen war. Aber das ist jetzt im Oktober drei Jahre her. Ich habe mich ganz gut erholt. Und selbst in der schlimmsten Zeit – kurz nachdem ich ihn verloren habe – bin ich nicht durchgedreht.«
»Du warst wie ein Fels in der Brandung, Elsie.« Er sah die Theke entlang. »Bin gleich wieder da«, sagte er und ging zu einem neuen Gast.
Elsie trank einen Schluck. Sie sah sich um. Zu ihrer Linken saß Beck Ramsey und hatte den Arm um die kleine Waters gelegt. Das arme Mädchen, dachte Elsie. Beck würde ihr nur Ärger einbringen. Zu ihrer Rechten, neben einem leeren Barhocker, saß Lacey Allen, die Frau von der Zeitung. Sie war ein hübsches Ding. Die Männer meinten, sie sei prüde, aber das sagten sie über jede Frau, die nicht sofort das Höschen auszog, wenn man sie anlächelte. Im Geschäft war sie jedenfalls immer freundlich. Es war ein trauriger Anblick, wie sie so allein an der Bar saß, als hätte sie auf der ganzen Welt keinen einzigen Freund.
»Sie sind doch eine gebildete Frau.«
Lacey sah sie an. »Ich?«
»Klar. Sie waren in Stanford und so. Sie haben einen Doktor in irgendwas.«
»Englische Literatur.«
»Genau. Vermutlich gehören Sie zu den gebildetsten Leuten im ganzen Ort. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Sie gern was fragen.«
Sie zuckte die Achseln. »Okay. Wenn ich Ihnen helfen kann.«
»Gibt es so was wie Geister?«
»Geister?«
»Sie wissen schon. Gespenster, Geister von Toten, Spukgestalten.«
Lacey schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich habe noch nie einen Geist gesehen. Aber seit Anbeginn der Zeiten behaupten manche Leute, es gäbe welche.« Sie wandte den Blick ab, nahm ihr Weinglas und hob es an die Lippen. Doch sie trank nicht. Plötzlich weiteten sich ihre Augen. Sie blickte Elsie an und setzte das Glas ab. »Haben Sie etwa einen Geist gesehen?«
»Ich weiß nicht, was ich gesehen habe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt was gesehen habe.«
»Darf ich?« Lacey sah zu dem leeren Hocker zwischen ihnen.
»Nur zu.«
Sie rutschte von ihrem Hocker und setzte sich neben Elsie.
»Das muss unter uns bleiben. Ich möchte nicht, dass darüber was in der Tribune steht und hinterher der ganze Ort sagt, Elsie hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.«
»Versprochen.«
»Gut.«
Eine Hand klopfte ihr von hinten auf die Schulter. Sie zuckte zusammen und spritzte sich Whisky auf das Kleid.
»Oh, Entschuldigung.«
»Mein Gott!« Sie drehte sich um. »Frank, du hast mich zu Tode erschreckt!«
»Tut mir wirklich leid. Verdammt, ich …«
»Okay, schon gut.«
»Ich hole Ihnen einen neuen Drink.«
»Da sage ich nicht nein.«
Frank nickte Lacey zu, dann lächelte er Elsie an. »Andererseits haben Sie es verdient, dass ich Sie erschrecke, nachdem ich mich vor Ihrem Laden so erschreckt habe.«
»Was meinen Sie?«
»Haben Sie einen Wachhund da drin oder so?«
»Was ist denn passiert?«
»Wir waren vor ein paar Minuten drüben bei Ihrem Laden, und ich habe durch die Tür geschaut, um zu sehen, ob Sie da sind, da hat irgendwas unglaublich fest dagegen geschlagen. Ich hab mir fast in die Hose gemacht.«
»Haben Sie gesehen, was es war?«, fragte Lacey.
»Ich habe gar nichts gesehen. Aber ich bin ganz schön zusammengezuckt. Haben Sie sich einen Hund angeschafft, Elsie?«
»Ich halte keine Haustiere. Sie sterben einem sowieso nur weg.«
»Was war es dann?«
»Das wüsste ich auch gern«, erwiderte Elsie. »Ich habe selbst etwas gehört, so gegen neun. Es klang, als würde jemand rumlaufen. Ich habe überall nachgesehen – in allen Gängen und hinten im Lager. Sogar im Fleischkühlraum. Niemand im Laden, außer meiner Wenigkeit. Dann ist die Kasse von allein aufgesprungen, und mir hat es gereicht. Ich habe zugemacht.«
»Vielleicht haben Sie einen Geist«, sagte Frank mit einem angedeuteten Grinsen.
»Das habe ich mich auch schon gefragt«, sagte Elsie. »Was meinen Sie, Lacey?«
»Ich meine, wir sollten zu Ihrem Laden fahren und nachsehen.«
Lacey steuerte ihren Wagen auf den Parkplatz von Hoffmans Supermarkt.
»Vielleicht solltest du im Auto warten«, sagte Frank zu seiner Frau.
»Damit ich den ganzen Spaß verpasse?« Sie stieß die Hecktür auf, stieg aus und lächelte Lacey an. »Glauben Sie, dass wir in die Zeitung kommen?«
»Kommt drauf an, was da drin ist«, erwiderte Lacey und folgte Elsie zur Tür.
»Wenn wir da drin alle abgemetzelt werden«, sagte Frank, »kommen wir auf jeden Fall in die Zeitung.«
Elsie warf ihm über die Schulter einen finsteren Blick zu. »Hören Sie auf mit dem Quatsch, Frank.«
»Wenn du so nervös bist«, sagte Joan, »solltest du vielleicht im Auto warten.«
»Damit du ohne mich abgemetzelt wirst? Wie würde das denn aussehen?«
Elsie spähte durch ein Fenster. »Ich sehe nichts. Aber vorhin habe ich natürlich auch nichts...




